Von der Tonwalze bis zum Streaming heute

Charles Cros hatte eine bahnbrechende Eingebung! Über die Jahrhunderte hinweg sind uns Geschichten überliefert worden, die erzählen, wie man die menschliche Sprache in einem Behälter verschloss, um sie an einem anderen Ort zu einer beliebigen Zeit wieder freizusetzen - eine fantastische Vorstellung!

Inhaltsverzeichnis der umfangreichen Dokumentation

 1. Charles Cros hat eine Idee!
 2. Edisons Maschine spricht!
 3. Die Sprechmaschine war geboren worden
 4. Phonograph, Phonet und Phonogramm verändern die Welt
 5. Die Idee der Platte
 6. Verbreitung des Phonographen
 7. Die Platte entwickelt sich weiter
 8. Aufkommen der Walzenautomaten
 9. Beginn der Massenproduktion 
10. Kampf um Patente
11. Dimensionen im Wandel 
12. Die Elektroindustrie wird aktiv 
13. Aufkommen der Patente
14. Die neue Ära beginnt 
15. Schellackplatten im Wandel 
16. Der Traum wurde wahr 
17. Verbreitung der Langspielplatte
18. Doch nur Pseudostereophonie?
19. Die Entwicklung ist nicht zu stoppen 

streaming heute

 

1. Charles Cros hat eine Idee!

Charles Cros hatte eine bahnbrechende Eingebung! Über die Jahrhunderte hinweg sind uns Geschichten überliefert worden, die erzählen, wie man die menschliche Sprache in einem Behälter verschloss, um sie an einem anderen Ort zu einer beliebigen Zeit wieder freizusetzen - eine fantastische Vorstellung! Ein amüsantes Beispiel einer solchen Geschichte findet sich in Gottfried August Bürgers Werk "Wunderbare Reisen des Freiherrn von Münchhausen". Dort wird von einem Posthorn berichtet, das in einer warmen Gaststube die lustigen Melodien wiedergab, die der Postillion unterwegs geblasen hatte und die dort aufgrund der eisigen Kälte eingefroren waren. Wir verwenden heute oft die Metapher "eingefrorene Musik", um ähnliche Ideen zu beschreiben.

 

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Solche Märchen inspirierten den Rabbi Ben Akiba in Gutskows "Uriel Acosta" dazu, das berühmte Zitat "Alles ist schon dagewesen" auszusprechen. Interessanterweise enthalten viele dieser Geschichten eine vage Vorahnung einer weit entfernten Technologie, wie zum Beispiel die Utopie von Savinien de Cyrano de Bergerac (1619-1655), die er in seinem satirisch-phantastischen Roman "Reise nach dem Mond" vor 325 Jahren beschrieb. In dieser Erzählung erhielt Cyrano ein Buch von einem freundlichen Bewohner des Mondes als Abschiedsgeschenk. Anstelle von Seiten hatte das Buch einen feinen Mechanismus. Wenn eine "Nadel" über die Worte des Buches glitt, erklangen Laute, als kämen sie aus dem Mund eines Menschen oder einem "Musikinstrument". Lesen und Lernen war somit nicht mehr auf die Augen, sondern allein auf die Ohren angewiesen.

Wer hätte damals zu Molières Zeit vorhersehen können, dass man eines Tages Töne mit einer "Nadel" aufzeichnen könnte? 1877 wurde die "Sprechmaschine" geboren. Zwei Erfinder, jeder repräsentiert einen der beiden Prototypen, in die Erfinder eingeteilt werden können. Der erste Typ von Erfindern, von denen Oswald Spengler einst sagte, dass für sie das Entdecken und Erfinden ein "seeliges Grübeln weltentrückter Menschen" sei, begnügt sich in der Regel mit reinem Ausdenken und Idealismus. Es begann alles mit diesen beiden Erfindern, die die Grundlage für eine neue Ära schufen.

 

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Charles Cros (1842-1888), der Mann, der eine Idee für die Schallplatte hatte.

 

Charles Cros, ein Mann der Ideen und Visionen, spielte eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Erfindungen. Schon zu seiner Zeit gab es zwei Arten von Erfindern: diejenigen, die sich vor allem mit dem Ausdenken und Idealismus beschäftigten, und die Männer der Tat, die sich gleichermaßen mit dem Entdecken, Erfinden und der Weiterentwicklung von Technologien auseinandersetzten.

Ein interessantes Beispiel dafür sind die Ereignisse rund um die Entwicklung der Farbfotografie. Charles Cros und Ducon du Hauron machten fast gleichzeitig bahnbrechende Entdeckungen in diesem Bereich. Ducon du Hauron erhielt am 23. Februar 1869 ein Patent für das heute verwendete subtraktive Farbmischungsverfahren. Nur zwei Tage später, am 25. Februar 1869, veröffentlichte Charles Cros ähnliche Vorschläge, ohne jedoch ein Patent anzumelden, sondern seine Ideen in einem versiegelten Umschlag bei der Pariser Akademie der Wissenschaften hinterlegte. Später wurde Ducon du Hauron als Erfinder der Farbfotografie anerkannt.

Ähnliches geschah auch im Zusammenhang mit Cros' Idee für das, was wir heute als Schallplatte kennen. Er nannte seine Erfindung "Paleophone" und reichte seine Vorschläge am 30. April 1877 in einem verschlossenen Umschlag bei der Pariser Akademie der Wissenschaften ein. Allerdings wurde der Umschlag erst am 10. Oktober 1877 bekannt, nachdem ein Artikel des populär-wissenschaftlichen Schriftstellers Abbe Lenoir in "La Semaine du clerge" darüber berichtete.

 

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Thomas Alva Edison (1847-1931) in den 70er Jahren, als er die Sprechmaschine erfand.

 

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete auch Thomas Alva Edison bereits an einer ähnlichen Maschine, dem "Phonographen", und stellte sie wenige Tage nach dem Artikel von Lenoir der Öffentlichkeit vor. Als Cros davon erfuhr, beanspruchte er ebenfalls die Priorität für die Idee, da er vermutete, dass Edison von seinen Vorschlägen erfahren hatte. Doch Edison wies diese Ansprüche entschieden zurück und bestand darauf, dass er unabhängig von Cros' Ideen an der Entwicklung seines Phonographen arbeitete.

Letztendlich wird Charles Cros als ein Pionier und Visionär in der Geschichte der Erfindungen angesehen, dessen Ideen oft zeitgleich mit anderen bedeutenden Entwicklungen auftauchten. Obwohl er in einigen Fällen nicht die Anerkennung erhielt, die ihm vielleicht gebührt hätte, bleibt sein Beitrag zur Technologie und Wissenschaft unbestritten.

Charles Cros hatte eine klare Vorstellung von seinem Prozess zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Schall. Seine Veröffentlichung beschreibt die Grundlagen seines Vorschlags, der sich lohnt, näher betrachtet zu werden. Sein Prozess bestand im Wesentlichen darin, eine vibrierende Membran zu verwenden, um eine hin- und hergehende Spur zu erzeugen. Diese Spur sollte dann genutzt werden, um dieselben Schwingungen auf derselben oder einer anderen Membran zu reproduzieren, um Töne oder Geräusche hörbar zu machen. Um dies zu erreichen, wollte Cros eine feine Zeichenschrift erzeugen, ähnlich einer Spirale, indem ein leichter Index wie ein Federbart oder Haarpinsel auf einer angerauchten Fläche in Berührung mit der vibrierenden Membran kam. Wenn die Membran in Ruhe war, zeichnete der Index eine einfache Spirale auf der angerauchten Fläche. War die Membran jedoch in vibrierender Bewegung, wurde die aufgezeichnete Spirale wellenförmig, und ihre Schwankungen entsprachen genau den Schwingungen der Membran in Bezug auf Zeit und Intensität.

Um diese Spirale aufzuzeichnen, wurde eine fotografische Methode mit dem galvanoplastischen Prozess verwendet, um die Spirale in das Metall zu vertiefen oder zu erhaben. Die Platte mit der aufgezeichneten Spirale wurde dann in einem Apparat platziert, der sie in eine ähnliche Bewegung versetzte wie bei der Aufzeichnung, wobei ein Metallstift die Kurve verfolgte und durch eine Feder auf eine vibrierende Membran wirkte, um die Töne oder Sprechlaute hörbar zu machen.

Was bereits vor Cros' Vorschlägen bekannt war, ist die Methode, die Schwingungen eines schallerzeugenden Körpers aufzuzeichnen, die von dem Göttinger Physiker Wilhelm Weber im Jahr 1830 geschaffen wurde. Er ließ eine Stimmgabel ihre eigenen Schwingungskurven aufzeichnen. Es ist interessant zu sehen, wie Cros diese Grundidee aufgriff und weiterentwickelte, um eine Methode zur Tonaufzeichnung und -wiedergabe zu schaffen.

Cros' Ideen waren wegweisend, auch wenn sie nicht sofort in die Praxis umgesetzt wurden. Später, nachdem Edison den Phonographen entwickelt hatte, entstand ein freundlicher Streit zwischen den beiden Erfindern über die Priorität ihrer Entdeckungen. Letztendlich bleibt Charles Cros als ein visionärer Denker und Ideengeber in der Geschichte der Tontechnologie in Erinnerung.

 

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Bestandsteile der Tonwalze

 

a) Wilhelm Weber begann mit dem Stimmgabelschreiber, bei dem er eine Stimmgabel benutzte, um ihre eigenen Schwingungskurven aufzuzeichnen. Dies geschah im Jahr 1830.

b) Im Jahr 1846 verbesserte J.M.C. Duhamel den Schreiber von Weber und entwickelte den "Vibraskop". Dabei handelte es sich um einen verbesserten Schreiber, der genauer und empfindlicher war und es ermöglichte, Schwingungen präziser aufzuzeichnen.

c) Leon Scott entwickelte 1854 aus dem Gerät von Duhamel den "Phon-Autograph", einen Sprachschwingungsschreiber. Mit diesem Gerät konnte er Schallwellen, einschließlich menschlicher Sprache, aufzeichnen und sichtbar machen. Scott's Arbeit legte den Grundstein für spätere Entwicklungen in der Tonaufzeichnungstechnologie.

Diese Fortschritte führten schließlich zu den Entwicklungen von Charles Cros und Thomas Alva Edison im Bereich der Tonaufzeichnung und Wiedergabe, wie in den vorherigen Informationen erwähnt.

Edouard Leon Scott machte bedeutende Fortschritte in Richtung einer funktionierenden Sprechmaschine. Um das Jahr 1855 konstruierte er ein Gerät namens "Phon-Autograph" und meldete 1857 ein französisches Patent dafür an. Dieses Gerät basierte auf den Vorentwicklungen von Weber und Duhamel, hatte jedoch einige entscheidende Verbesserungen.

Scott verwendete eine Walze, ähnlich der von Duhamel für die Aufzeichnung von Stimmgabelschwingungen genutzten, die mit schwarz berußtem Papier bezogen war. Die akustischen Schwingungen, die von der menschlichen Sprache kamen, wurden von einem Schalltrichter aufgenommen. Am verjüngten Ende des Trichters befand sich eine straff gespannte Membran aus Goldschlägerhaut, eine dünne Tierhaut, die ähnlich wie eine Membrane arbeitete, um die Schallwellen zu übertragen. Ein kleines Hebelchen war an der Membran befestigt und übertrug deren Bewegungen auf eine elastische Nadel (eine Schweineborste). Diese Nadel wiederum kratzte die Schwingungskurve in "Seitenschrift" auf das geschwärzte Papier.

In einfachster Weise gelang es Scott, die Schwingungen der menschlichen Sprache mithilfe dieses Geräts sichtbar zu machen und aufzuzeichnen. Seine Entwicklung markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer funktionsfähigen Sprechmaschine und legte den Grundstein für weitere Fortschritte in der Tonaufzeichnungstechnologie.

 

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 Phon Autograph von Scott

 

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Phon Autograph von Donders

 

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 Aufnahme der Sprache von Henry Sweet, mit dem „Phon-Autographen" aufgezeichnet 1874 von Donders 

 

Den "Phon-Autographen" von Scott, der zweifellos der erste Oszillograf für die Untersuchung der menschlichen Stimme war. Bekannte Physiologen führten mit diesem Gerät Untersuchungen durch. Ein Foto des Phono-Autographen  wurde dank der Vermittlung von Dr. G. Schöttler vom Rijksuniversiteit Utrecht erhalten. Franciscus Cornelis Donders nutzte das Gerät für phonetische Untersuchungen und analysierte unter anderem die Sprache des berühmten englischen Sprechers Henry Sweet, der als Vorbild für die Rolle des Henry Higgins in George Bernard Shaws "Pigmalion" diente. Die Phonogramme von Henry Sweets Sprache, 1874 aufgenommen, werden im Universitätsmuseum von Utrecht aufbewahrt.

Es ist interessant zu wissen, dass George Bernard Shaw eine gewisse Beziehung zum Thema der Sprachaufzeichnung hatte. Im Jahr 1878 führte er, noch jung und arm, für die Edison Telefongesellschaft den Edison'schen lautsprechenden "Kreidehörer" vor. Dieser war eine der Entwicklungen, die schließlich zur Erfindung der Sprechmaschine führten.

Der "Phon-Autograph" von Scott erregte großes Interesse und wurde sogar Queen Victoria vorgeführt. Mit diesem Gerät war es prinzipiell möglich, Schwingungen der menschlichen Sprache aufzuzeichnen, was einen bedeutenden Schritt in Richtung der Entwicklung einer funktionsfähigen Sprechmaschine darstellte. Die Fortschritte in der Tonaufzeichnungstechnologie, die zu dieser Zeit gemacht wurden, legten den Grundstein für weitere bahnbrechende Entwicklungen in der Zukunft.

Charles Cros hatte nicht nur die Aufnahmemethode, sondern auch die Idee zur Wiedergabe der aufgenommenen Schwingungskurven. Sein Vorschlag war es, die Schwingungskurve in eine vertiefte Rille in einem mechanisch festen Material umzuformen und von einer in dieser Rille geführten "Nadel" die Membran anzutreiben. Damit entstand das Grundkonzept der heutigen Schallplatte.

Jedoch stieß Cros auf technische Schwierigkeiten, die Umsetzung seines Vorschlags umzusetzen. Mit dem damaligen Stand der Technik und den verfügbaren Materialien war es nicht möglich, seine Idee einer Schallplatte direkt umzusetzen. Es dauerte noch viele Jahre, bis andere Erfinder und Techniker die Schallplatte tatsächlich herstellen konnten.

Trotzdem trat 1877 in Amerika Thomas Alva Edison mit seinem Phonographen in die Arena. Nur drei Tage nach der Öffnung des versiegelten Briefes von Cros in Paris gelang es ihm, seinen Phonographen in Amerika sprechen zu lassen. Edison nutzte eine andere Methode zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Schall, bei der die Schwingungen direkt auf eine rotierende Walze oder einen Zylinder aufgenommen und wiedergegeben wurden. Sein Phonograph markierte einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung der Tonaufzeichnungstechnologie und trug dazu bei, die Grundlagen für moderne Tonaufnahmen und -wiedergabegeräte zu legen.

 

2. Edisons Maschine spricht! 

 

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Thomas Edison

 

Die Erfindung des Phonographen durch Thomas Alva Edison am 6. Dezember 1877 war zweifellos ein bahnbrechendes Ereignis in der Entwicklung der Technik und der Tonaufzeichnung. Die Nachricht von dieser Erfindung verbreitete sich rasch um die Welt und erregte große Aufmerksamkeit.

Anders als der Träumer Charles Cros, war Edison ein äußerst pragmatischer Erfinder. Er konzentrierte sich auf Projekte, von denen er glaubte, dass er sie realisieren konnte. Wenn er sich einmal eine Aufgabe gestellt hatte, ließ er nicht locker, bis er eine Lösung gefunden hatte. Dabei spielte auch der wirtschaftliche Aspekt eine wichtige Rolle, da Edison seine Erfindungen nutzen musste, um sein Laboratorium und seine Forschungsarbeit zu finanzieren.

Der entscheidende Durchbruch für Edison kam, als er die Idee hatte, die Schwingungen des Schalls direkt auf einen rotierenden Walzenzylinder aufzuzeichnen und wiederzugeben. Anstatt die Schwingungen auf eine flache Scheibe oder eine vertiefte Rille zu übertragen, nutzte Edison die physische Bewegung eines Stiftes oder einer Nadel, die in den rotierenden Zylinder eindrang und die Schallwellen in Form von Vertiefungen oder Erhebungen aufzeichnete. Diese Aufzeichnungen konnten dann beim Abspielen durch einen Schalltrichter verstärkt und hörbar gemacht werden.

Der Phonograph war eine Sensation und demonstrierte, dass es möglich war, Schallwellen mechanisch aufzuzeichnen und wiederzugeben. Diese Erfindung revolutionierte die Kommunikationstechnologie und ebnete den Weg für die Entwicklung moderner Tonträger wie die Schallplatte, die später den Markt eroberten und die Art und Weise, wie wir Musik und Sprache aufnehmen und wiedergeben, für immer veränderten.

 

Weltberühmt - das Labor in Menlo Park bei New York

 

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Menlo Park bei New York ist nicht der gleiche Ort wie im südlichen Silicon Valley

 

Thomas Alva Edison erbaute mit dem Geld, das er in seiner ersten Wirkungsstätte verdiente, im Jahr 1876 einen eigenen Laboratoriumskomplex in Menlo Park, New Jersey. Dieses Zentrallaboratorium war das erste seiner Art und wurde zum Vorbild für die Industrielaboratorien unserer Zeit.

Die Entscheidung, nach Menlo Park zu ziehen, traf Edison, um mehr Ruhe und Raum für seine Experimente zu haben. Er wollte eine optimale Umgebung schaffen, um an seinen Erfindungen zu arbeiten und sich von den Unannehmlichkeiten des vorherigen Standorts in Newark zu befreien. Der Umzug nach Menlo Park ermöglichte es ihm, sein Traumlaboratorium zu errichten, das er seit seiner Rückkehr aus England im Jahr 1872 geplant hatte.

 

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"Menlo Park" um 1880

 

Menlo Park war anfangs nur eine kleine Haltestelle auf der Eisenbahnstrecke zwischen Newark und Philadelphia. Edison kaufte dort im Dezember 1875 zwei Grundstücke und ein Haus, die Teil eines gescheiterten Immobilienentwicklungsprojekts waren. Der Kaufpreis betrug nur 5.200 US-Dollar. Im Frühjahr 1876 begann sein Vater mit dem Bau des neuen Laboratoriums, das schließlich über 2.500 US-Dollar kostete und bis zum 25. März fertiggestellt wurde.

Im neuen Laboratorium in Menlo Park schuf Edison nicht nur einige seiner berühmtesten Erfindungen, sondern legte auch den Grundstein für die moderne industrielle Forschung und die Idee eines spezialisierten Forschungslabors. Hier entwickelte er die erste Sprechmaschine der Welt, die das Laboratorium und seinen Namen bald weltweit bekannt machte.

Obwohl das Laboratorium zunächst erfolgreich war, verließ Edison Menlo Park später, und bis 1886 war die Anlage nahezu verlassen. In den 1920er Jahren wollte Henry Ford das alte "Erfindungsfabrik"-Gebäude in sein Museum in Dearborn, Michigan, verlegen. Als Ford und Edison nach New Jersey reisten, um die Gebäude zurückzuholen, stellten sie fest, dass die meisten davon bereits entfernt oder eingestürzt waren. Ford ließ sein Team die Gebäude basierend auf Fotografien und einigen wenigen originalen Überresten aus Menlo Park rekonstruieren, um sie als historisches Denkmal zu erhalten.

 

Edison und Henry Ford

In fernen Zeiten, nach all den aufregenden Ereignissen der Vergangenheit, bahnte sich eine ungewöhnliche Freundschaft an - zwischen dem Erfinder und dem Automobilkönig, Thomas Alva Edison und Henry Ford. Bevor Ford sich der Welt der Automobile zuwandte, hatte er einst als Ingenieur in einer Edison-Elektrizitätsgesellschaft in Detroit gearbeitet.

Fasziniert von der Arbeitsweise und dem einzigartigen Milieu in Edison's Zentrallaboratorium in Menlo Park, beschloss Ford viele Jahre später, nachdem Edison längst eine größere und modernere Arbeitsstätte in West Orange etabliert hatte, die Überreste von Menlo Park aufzukaufen.

Mit Enthusiasmus und Ehrfurcht ließ Ford das ehemalige Laboratorium Menlo Park wieder zum Leben erwecken - genau so, wie es während der Entstehung der Sprechmaschine und der Verwirklichung des Glühlampenlichtes eingerichtet war. An einem angemessenen Ort wurde dieses Zeugnis der bahnbrechenden Erfindungen von Edison als Museum wiederauferstehen. Dabei war das Schicksal der Gebäude, wie aus dem englischen Text zu entnehmen ist, zu jenem Zeitpunkt bereits durch Verfall oder Abriss besiegelt gewesen. Doch Ford ließ die vergangenen Errungenschaften in beeindruckender Weise wieder auferstehen und bewahrte sie so vor dem Vergessenwerden.

 

Henry Ford berichtet

 

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Edisons Notizbuch

 

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Edisons Notizbuch, 7. September 1877

 

In Henry Fords Buch "Mein Freund Edison" beschreibt er die Arbeitsweise des Erfinders wie folgt: "Die Leitung all seiner Forschungen liegt buchstäblich allein bei ihm. - Nichts, was Edison tut, geschieht dem Zufall. Bevor er sich einer Sache widmet, macht er sich mit allem bekannten Wissen darüber vertraut. Für ihn ist ein "Experiment" lediglich ein Versuch. Wenn die erwarteten Ergebnisse ausbleiben, hat der Versuch ihm gezeigt, was er vermeiden sollte, und allmählich findet er durch einen Prozess der Ausscheidung heraus, was geschehen muss. -

Er erteilt fast nie mündliche Anweisungen, denn es fällt ihm leichter und er arbeitet schneller, wenn er sich schriftlich oder zeichnerisch verständlich macht, anstatt zu sprechen. Er schreibt von Hand, anstatt zu diktieren, weil er eine sehr klare Handschrift hat und schneller schreiben kann, als er diktieren könnte. Wenn es darum geht, etwas herzustellen oder einen Versuch auf eine bestimmte Weise durchzuführen, zeichnet er einen Querschnitt mit solcher Klarheit und Geschwindigkeit, dass weitere Erklärungen nicht notwendig sind. Die Geschwindigkeit, mit der Edison all dies erledigt, ist erstaunlich. Er entwarf das Modell für seinen ersten Phonografen in weniger als 5 Minuten."

 

 

Alles wurde gezeichnet und aufgeschrieben

 

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Edisons Notizbuch, 23. Dezember 1877

 

Die vielen Skizzen und Arbeitsanweisungen wurden Tag für Tag gesammelt, datiert und von mindestens zwei Zeugen abgezeichnet, um Prioritätsansprüche nachweisen zu können und dann in gebundener Form aufbewahrt. Mehr als 2500 Laboratoriumsbücher sind vorhanden. An einigen dieser Skizzen werde ich versuchen, den Werdegang des „Speaking Telegraph", wie ihn Edison anfangs genannt hat, nachzuzeichnen.

Doch bevor wir uns den Skizzen zuwenden, wollen wir Ford zitieren, der bei Kamingesprächen mit dem Erfinder folgendes erzählte:
„Ich stellte Versuche an, wie telegrafische Mitteilungen automatisch auf ein Papierrad übertragen werden könnten, das auf einer rotierenden Platte mit spiralförmigen Rillen auflag. Ein Elektromagnet, an dessen Arm ein ritzender Stift befestigt war, lief über dieses Papier; die Zeichen, die durch diesen Magnet gingen, übertrugen sich darauf. Wenn man es aus der Maschine nahm und auf eine andere ähnliche Maschine brachte, die einen Kontakt trug, so ließen sich die Zeichen auf einen anderen Draht übertragen. Die gewöhnliche Geschwindigkeit beim Telegrafieren beträgt 35 bis 40 Worte pro Minute. Mit der neuen Maschine ließen sich mehrere hundert Worte in der Minute wiedergeben." Hinweis: Die Zitate von Henry Ford sind der Originaltext aus dem Buch "Mein Freund Edison".

 

Edisons erstes Patent

 

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Die grundsätzlichen Prinzipien moderner Plattenaufnahme und Wiedergabe zeigt schon dieser wiederholende Telegraf von 1877.

 

Auf diesem beeindruckenden und wegweisenden Gerät, dem sogenannten Embossy Telegraph, wurde am 8. Februar 1877 das erste Patent genommen. Aus dem ersten Halbjahr von 1877 sind unzählige Skizzen erhalten, die sich mit diesem Projekt beschäftigen. Erstaunlicherweise ähnelt ein erhaltenes Gerät einem modernen Plattenspieler.

Das Gerät verfügt über zwei nebeneinanderliegende Plattenteller - einen für die Aufnahme und einen für die Wiedergabe. Die Platten bestehen aus wachsgetränktem Papier und sind quadratisch, wobei die Ecken zur Befestigung auf dem Plattenteller dienen. Unter dem Papier befinden sich vorgedrehte Rillen, in die von einem "Tonarm" mit elektromagnetisch gesteuertem, verrundetem Stift (keinem Stichel) die Morsezeichen in einer Art Hohlprägung eingedrückt werden.

Für die Wiedergabe dient ein ähnlicher Stift, der auf dem Abnahmearm sitzt und je nach Eindückung einen Kontakt öffnet oder schließt. Die ganze Aufzeichnung ist also digital! Es ist bemerkenswert, dass bereits die langsame Aufnahme, wie sie später bei der Tri-Ergon-Schallplatte angewendet wird, sowie die anschließend vierfach schnellere Wiedergabe hier vorweggenommen wurden. Dieser frühe Telegraf legte somit die grundlegenden Prinzipien für moderne Plattenaufnahme und -wiedergabe fest, die später in der Entwicklung der Schallplatte eine wichtige Rolle spielen sollten.

 

Henry Ford berichtet weiter

 

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 Edisons Notizbuch: 23. Dezember 1877 

 

Aus diesem Telegrafen entsteht dann die Sprechmaschine, wie Edison auch Ford erzählte:
„Ich wusste aus meinen Versuchen mit dem Telefon, dass Membranen Schallschwingungen übertrugen; denn ich hatte mir ein kleines Spielzeug angefertigt, das, wenn man sehr laut in den Trichter sprach, einen Zapfen in Bewegung setzte, der an eine solche Membran angeschlossen war. Dieser Zapfen, der wieder ein Sperrad antrieb, diente dazu, eine Rolle zu drehen. Diese Rolle war mittels einer Schnur verbunden mit einer Pappfigur, die einen Säger darstellte. Wenn man nun in den Trichter schrie, fing das Papiermännchen an zu sägen. Ich schloss nun, dass wenn die Bewegungen der Membran irgendwo festgehalten wären, von dem so Registrierten die Bewegungen wiederholt werden könnten, die die Stimme ursprünglich der Membran mitgeteilt hatte, so dass also die menschliche Stimme festgehalten und wiedergegeben werden könnte."

Anhand der Notizen und Handzeichnungen lässt sich feststellen, dass der Erfinder das Prinzip, wonach eine solche Aufzeichnung, wie sie der „einprägende" Telegraf auf paraffiniertem Papier gemacht hatte, auch von einer schwingenden Telefonmembran erzeugt werden kann, für einen Telefonverstärker anwenden wollte. Edison war von der Idee fasziniert, die Schwingungen einer Membran aufzuzeichnen und später wiederzugeben, um die menschliche Stimme so erstmals festhalten und vervielfältigen zu können. Diese Erkenntnis legte den Grundstein für die Entwicklung der Sprechmaschine, die später als Phonograph bekannt wurde.

 

Edison war fast taub

 

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17. Juli 1877. Erster grundsätzlicher Hinweis auf die Sprachspeicherung

 

Für Edison war ein Schallverstärker von großer Bedeutung, da er fast taub war. Sein Gehörschaden stammte nicht von einer Ohrfeige, wie in vielen Büchern über ihn steht, sondern von einem hilfreichen Eisenbahner, der ihn einst am Trittbrett eines schon angefahrenen Zuges hochzog, indem er ihn an den Ohren packte. Edison nahm diese Taubheit mit Humor: „Diese Taubheit ist mir vielfach zustatten gekommen! .... Meine Nerven sind heil geblieben. Viele störende Geräusche sind gar nicht an mein Ohr gekommen."

Am 18. Juli 1877 taucht auf einer Zeichnung, die „Replay-Telegraph" genannt wird, also von einem antwortenden Telegrafen handelt, nebenbei eine Bemerkung auf, die sich auf die Sprachspeicherung bezieht). Sie ist etwa so zu übersetzen:
„Habe soeben ein Experiment mit einer Membran gemacht, ein herausstehender Punkt drückt gegen rasch vorbeibewegtes, paraffiniertes Papier. Die Sprachvibrationen sind eingedrückt, kein Zweifel, dass es möglich ist, sie zu speichern und jederzeit davon die menschliche Stimme automatisch zu reproduzieren." Ob an diesem Tag Edison schon übersehen konnte, was er erfunden hatte, ist nachträglich nicht mehr festzustellen).

 

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Vom Fadentelefon zum Zinnfoliengrafen - Ablauf einer Entwicklung

 

a) Die sprechende Membran, über den Faden von der Ferne gesteuert, hatten wir bereits beim jahrtausendealten Kindertelefon.

b) Edisons lautsprechendes Telefon („Kreidetelefon"). Auf einem in Drehung versetzten Metallzylinder, der mit nasser Kreide überzogen ist, schleift eine Metallfeder, die senkrecht an der Membran angreift. Telefonströme durch die Kreide geschickt verändern die Adhäsion zwischen Feder und Zylinder, die Membran wird mehr oder weniger gezogen.

 

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Telefonverstärker

 

c) Telefonverstärker von Edison: Gewachstes Papier oder Zinnfolie wird an einer Membranspitze vorbeigezogen, deren Schwingungen werden „eingedrückt". Eine zweite Membran wird von den Eindrücken in Bewegung gesetzt und spricht lauter als die erste.

d) Sprechmaschine von Edison: Sprachschwingungen werden in Zinnfolie auf einer Walze bleibend eingedrückt. Die auf der Walze „gespeicherten" Sprachschwingungen werden abgetastet und beliebig oft in sprechende Membranschwingungen verwandelt.

Einen knappen Monat später, am 12. August 1877, findet sich erstmalig das Wort „Phonograph" in seinen Notizen, von da an taucht es immer öfter auf (Bild 18).

 

3. Die Sprechmaschine war geboren worden

 

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Am 29. November 1877 erteilte Edison den Auftrag an Kruesi zur Anfertigung eines Modells der Sprechmaschine (Phonograph) .

 

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Am 6. Dezember 1877 lieferte Kruesi die erste Sprechmaschine gemäß Edisons Entwurf .

 

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Das erste Patent auf die Sprechmaschine wurde am 24. Dezember 1877 angemeldet .

 

Am 17. Juli 1877 wurde die Idee für die Sprechmaschine geboren, obwohl Charles Cros seine Überlegungen zuvor bei der Akademie hinterlegt hatte, waren sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht. Am 10. Oktober desselben Jahres erschien der Artikel von Lenoir in Frankreich, der möglicherweise dazu führte, dass Edison's Mitarbeiter E.H. Johnson die Experimente mit dem Telefonverstärker in einem Brief an die Redaktion veröffentlichte. In dieser Veröffentlichung wurde Edisons Grundidee zum ersten Mal offenbart.

Innerhalb von nur fünf Minuten entstand am 29. November 1877 die Zeichnung für das erste Modell des Phonographen. Edison entschied sich, anstelle des prägenden Telegrafen ein Modell mit einem Zylinder zu entwerfen, der außen herum gerillt war. Darauf wurde Stanniol (Zinnfolie) gelegt, das die Membranbewegungen leicht festhielt und wiedergab.

 

Das erste Experiment

Es wurde also ein Entwurf angefertigt und mit dem Vermerk von 18 Dollar als Stückarbeitspreis versehen. Edison hatte die Gewohnheit, auf seinen Entwürfen den Preis zu nennen, den er bereit war zu zahlen. Verlor der Arbeiter dabei Geld, zahlte Edison ihm den gewöhnlichen Lohn. Gewann der Arbeiter mehr als den angegebenen Preis, gehörte der Überschuss ihm.

Der Arbeiter, der den Entwurf erhielt, hieß John Kruesi. Edison hatte nicht allzu viel Vertrauen, dass die Sache funktionieren würde, aber er hoffte, etwas zu hören, was seinem Einfall eine gewisse Zukunft versprechen würde. Als die Maschine fertig war, fragte Kruesi, wozu sie dienen solle. Edison erklärte ihm, dass er die menschliche Rede festhalten wolle und die Maschine das Hineingesprochene wiedergeben könne. Kruesi hielt dies zunächst für Unsinn. Dennoch wurde das Stanniol (Zinnfolie) aufgelegt.

Dann brüllte Edison "Mary hat ein kleines Lämmchen" usw. hinein. Er brachte den Wiedergabemechanismus in die richtige Position, und die Maschine funktionierte tadellos. Alle waren erstaunt. Edison hatte immer Bedenken, wenn Dinge gleich beim ersten Versuch richtig funktionierten, denn eine lange Erfahrung hatte gezeigt, dass es noch viele Probleme zu überwinden gab, bevor solche Erfindungen marktfähig waren. Doch hier hatte er etwas ganz Einwandfreies vor sich. Die Geburtsstunde des Phonographen war gekommen.

 

Der Beweis

 

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Besprochene Folie (Rillenabstand 2.5mm) aus 1877

 

Am 6. Dezember 1877 war der entscheidende Tag, an dem Edison, aufgrund seiner Schwerhörigkeit, laut in den Apparat (Bild 22) "schrie" und dieser daraufhin die von seiner kräftigen Stimme tief in den Schallträger, das weiche Stanniol, eingeprägten Schwingungen wiedergab. Die Aufzeichnungsmethode beim ersten Sprechapparat bestand darin, dass die weiche Folie, die straff um den Zylinder gespannt war, nicht eingeschnitten, sondern von einem an der Kuppe verrundeten Stahlstift mehr oder weniger "eingedrückt" wurde. Bei der Aufnahme wurde der Schreibstift mittels einer Schraubspindel genau über der Rille geführt, und bei der Wiedergabe bewegte sich der mit der Sprechmembran verbundene Wiedergabestift entsprechend in der Spur. Die Sprachenergie selbst drückte die "Tiefenschrift" ein, und diese wiederum setzte die Sprechmembran in Bewegung.

 

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Ein Blatt der Original- konstruktionszeichnung des ersten Modells aus 1877

 

Beim nächsten Gerät wurde dann vereinfacht für Aufnahme und Wiedergabe eine Membran mit dem gleichen Stift benutzt; lediglich die Schalltrichter wurden ausgewechselt. Eine einfachere Methode war kaum denkbar! (Bild 23). Edisons Arbeit am Phonographen führte zu einer revolutionären Entwicklung in der Geschichte der Aufnahme und Wiedergabe von Schall und Sprache. Seine Erfindung legte den Grundstein für die spätere Entstehung der Schallplatte und anderer Audiotechnologien, die bis heute in der Musik- und Kommunikationsindustrie weit verbreitet sind.

 

Ein fast neues Exemplar ist erhalten

Es ist faszinierend zu sehen, wie diese erste Sprechmaschine von Edison, das bahnbrechende Gerät, das die Grundlage für die moderne Audiotechnologie legte, bis heute erhalten geblieben ist. Die Detailzeichnung, die nur sechs Tage nach der ersten erfolgreichen Vorführung angefertigt wurde und von Edison persönlich datiert und signiert ist, ist ein wertvolles historisches Dokument.

Nachdem das Erstgerät nach England gebracht wurde, fand es seinen Platz im Britischen Patentamt als Nachweis für die Funktionsfähigkeit des Verfahrens. Für 50 Jahre war es in London im Museum zu bewundern, bevor es schließlich nach Amerika zurückkehrte und im Edison-Museum in West Orange sicher unter Glas steht. Es ist bemerkenswert, dass diese historische Maschine noch immer funktionstüchtig ist und sogar für eine Fernsehsendung aus den Edison-Laboratorien in Betrieb gesetzt werden konnte, um die Geschichte dieses bedeutenden Meilensteins der Technik zu präsentieren.

Die Erfindung des Phonographen durch Thomas Edison im Jahr 1877 war zweifellos ein Wendepunkt in der Geschichte der Tonaufnahme und -wiedergabe. Sie führte zu einer neuen Ära der Kommunikation und Unterhaltung und hat bis heute einen unvergleichlichen Einfluss auf die menschliche Gesellschaft. Edison's bahnbrechende Arbeit hat die Grundlage für die moderne Musik- und Unterhaltungsindustrie geschaffen und ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie eine innovative Idee die Welt verändern kann.

  

Die Kunde von der „Wunder-Sprechmaschine" geht um die Welt

 

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Die Redaktion der Zeitschrift Scientific American war zweifellos beeindruckt von Edisons Auftritt und der Vorführung seines neuartigen Geräts. Die Tatsache, dass der Phonograph vorher eingesprochene Worte beliebig oft wiederholen konnte, war eine Sensation, die sowohl in Amerika als auch in Europa großes Interesse weckte. Am Morgen nach dem erfolgreichen Versuch begab sich der erfindungsreiche Edison mit seinem Gerät in die Redaktion von Scientific American in New York, um sein neues Werkzeug vorzuführen. Der Redakteur, F.C. Beach, beschrieb den Moment, als Edison das Gerät auf den Schreibtisch legte und es auspackte. Neugierig drehte Beach an der Kurbel, und zu seiner Verblüffung erklangen klare Worte aus dem Gerät, die besagten: "Guten Morgen! Wie denken Sie über den Phonographen?"

Die Vorführung war zweifellos ein großer Erfolg und erregte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Edison war stets daran interessiert, seine Erfindungen zu vermarkten und bekannt zu machen, und sein Besuch in der Redaktion von Scientific American war ein geschickter Schachzug, um die Nachricht von seinem bahnbrechenden Gerät schnell zu verbreiten. Mit dem Phonographen hatte Edison eine Technologie geschaffen, die die Welt verändern sollte. Die Idee, die menschliche Stimme aufzuzeichnen und wiederzugeben, war damals absolut revolutionär und legte den Grundstein für die moderne Audiotechnologie. Edison's unermüdliche Arbeit und sein Unternehmergeist machten ihn zu einem der einflussreichsten Erfinder seiner Zeit und hinterließen einen bleibenden Eindruck auf die Welt der Kommunikation und Unterhaltung.

 

Erstaunen und Begeisterung

 

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 Edison spricht 1878 in die Sprechmaschine. Zeichnung von J.E. Kelly

 

Die Vorführung von Edisons Sprechmaschine war zweifellos ein triumphaler Moment und verursachte eine Welle der Begeisterung und Verblüffung im Büro von Scientific American. Nachdem Edison das Gerät auf den Schreibtisch gelegt und die Verse des Kinderliedes "Mary hatte ein kleines Lamm" hineingesprochen hatte, war die Reaktion der umstehenden Personen ein Erstaunen, das kaum in Worte zu fassen war. Der Erfinder schien den Scherz über das Gerät zu genießen und erfreute sich an der Verblüffung seiner Kollegen. Schnell verbreitete sich die Nachricht von dem bahnbrechenden Gerät im Büro, und bald war Edison von einer Menge aufgeregter Leute umringt, die alle die Möglichkeit hatten, das erstaunliche Gerät auszuprobieren.

Das Interesse an der Sprechmaschine verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und schon bald strömten Reporter von verschiedenen Zeitungen herbei, um das Gerät zu überprüfen und Zeugen der beeindruckenden Vorführungen zu sein. Edison zeigte die Sprechmaschine bereitwillig für mehrere Stunden, doch die Menge wuchs stetig an, und es bestand die Sorge, dass der Boden unter dem Gewicht der Menschenmassen nachgeben könnte. Die Vorführung war ein großer Erfolg und machte Edison und seine Erfindung über Nacht berühmt. Die Welt war fasziniert von der Möglichkeit, die menschliche Stimme aufzuzeichnen und wiederzugeben, und die Sprechmaschine markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Kommunikation und Technologie. Edisons bahnbrechende Arbeit mit dem Phonographen sollte in den kommenden Jahren weitere Fortschritte in der Audiotechnologie und der Musikindustrie inspirieren.

 

Das Patent

Die Bedeutung eines Patents für Edison und sein Laboratorium kann nicht unterschätzt werden. Es war für ihn nicht nur ein Schutz seiner Erfindung vor Nachahmung, sondern auch eine Möglichkeit, sein Laboratorium finanziell zu unterstützen. Durch die Einnahmen aus den Patentlizenzen konnte er seine Forschungsarbeit fortsetzen und neue Projekte vorantreiben. Das rasche Erteilen des Patents, nur neun Wochen nach der Anmeldung, zeugt von der Einzigartigkeit und Innovationskraft von Edisons Sprechmaschine. Das amerikanische Patentamt fand keine vergleichbaren Technologien oder Veröffentlichungen, die der Erteilung des Patents im Wege standen. Es ist bemerkenswert, dass der Artikel im Scientific American, der bereits vor der Patentanmeldung veröffentlicht wurde, offenbar keine Hürde für die Patenterteilung darstellte. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Patentamt den Caveat, eine Art Vorankündigung, als ausreichenden Nachweis für die Priorität ansah.

Die Notiz in den Notizbüchern von Charles Batchelor am 7. Dezember, dass ein Modell für das Patentamt angefertigt wurde, zeigt, wie entschlossen und zielgerichtet Edison und sein Team bei der Realisierung ihrer Ideen waren. Die Planung und Vorbereitung für das Patent erfolgte offenbar schon frühzeitig, um die Priorität und den Schutz der Erfindung zu sichern. Edison war nicht nur ein genialer Erfinder, sondern auch ein geschickter Geschäftsmann, der die Bedeutung von Patenten und deren rechtzeitiger Anmeldung erkannte.

 

Edison beim Präsidenten der USA

 

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Für den selbstgemachten und autodidaktischen Erfinder Edison war es eine enorme Ehre und Auszeichnung, als er von der Akademie der Wissenschaften in Washington D.C. zu einer Vorführung seiner Sprechmaschine eingeladen wurde. Es war eine Anerkennung seiner bahnbrechenden Arbeit und technologischen Errungenschaften. Nach der Vorführung durfte er sogar den damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Rutherford B. Hayes, im Weißen Haus besuchen. Es war ein stolzer Moment für Edison, der sich nach diesem besonderen Anlass im April 1878 mit seinem Zinnfolien-Phonografen fotografieren ließ, um diesen wichtigen Moment festzuhalten ). Die Begegnung mit dem Präsidenten und die Aufmerksamkeit der Akademie zeigten, dass seine Erfindung nicht nur eine technische Kuriosität war, sondern als wegweisende Innovation anerkannt wurde, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der politischen Führungskräfte auf sich zog.

 

Vorführung in Paris

 

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 Ausschnitte aus dem britischen Patent Nr. 1644, der Plattenspieler ist eindeutig erfunden

 

Die Anerkennung für Edisons Sprechmaschine kam nicht nur aus den Vereinigten Staaten, sondern auch aus Europa. Die Akademie in Paris, bei der Charles Cros seine Idee hinterlegt hatte, lud Edison ein, seine Erfindung vorzuführen. Obwohl Edison selbst nicht persönlich anwesend sein konnte, entsandte er einen Vertreter mit einem funktionsfähigen Gerät nach Paris. Die Vorführung fand im Büro der Akademie statt. Edisons Gehilfe setzte sich vor den Tisch, an dem der Phonograf aufgestellt war, und sprach durch das am Apparat befindliche kleine Sprachrohr mit deutlicher Aussprache die Worte: "Der Phonograf fühlt sich sehr geehrt, der Akademie der Wissenschaften vorgeführt zu werden". Alle Anwesenden waren erstaunt, als der Apparat mit einer klaren, wenn auch leicht nasalen Stimme, die gleichen Worte wiederholte.

Die Vorführung beeindruckte die Versammlung so sehr, dass Applaus im ganzen Saal erklang. Einige Mitglieder der Akademie waren so erstaunt, dass sie zunächst nicht glauben konnten, dass der Apparat tatsächlich die Stimme des Gehilfen wiedergab. Sie vermuteten, dass ein Bauchredner im Spiel sei. Anschließend sprach du Moncel, ein Mitglied der Akademie, selbst in den Apparat, zuerst mit seiner normalen leisen Stimme, von der die Wiedergabe kaum zu hören war. Doch nach einer weiteren Aufnahme wurde auch seine Stimme einwandfrei mit allen Nuancen wiedergegeben, und die Zweifel waren ausgeräumt. Die Vorführung überzeugte die Anwesenden von der Funktionsfähigkeit des Phonografen und trug dazu bei, dass seine Erfindung auch international Beachtung fand.

 

Das Patent auch für die Schallplatte

Die Sprechmaschine von Charles Cros erhielt nicht nur in seiner Heimat, sondern auch in ganz Europa Anerkennung als eine bedeutende eigenständige Erfindung. Im Verlauf des Jahres wurde zudem ein englisches Patent gewährt, das eine Vielzahl von Innovationen aus Cros' Notizbüchern von 1877 zusammenfasste und sogar die Schallplattenerfindung vorwegnahm. Dieses britische Patent mit der Nummer 1644 wurde am 24. April 1877 angemeldet und bereits am 6. August desselben Jahres genehmigt. Die Registrierung befasste sich hauptsächlich mit Verbesserungen und deckte nicht die grundlegende Technologie zur Aufzeichnung und Wiedergabe ab, wie es in der Bezeichnung "Verbesserungen bei den Mitteln zur Aufzeichnung von Klängen und bei der Wiedergabe solcher Klänge aus diesen Aufzeichnungen" zum Ausdruck kommt.

Einige Werke erwähnen, dass das britische Patent von 1877 ursprünglich neu angemeldet werden musste. Dabei beziehen sie sich auf das britische Patent mit der Nummer 2909, das am 30. Juli 1877 eingereicht wurde und ein lautsprechendes Telefon beschreibt. Nebenbei wird vermerkt, dass dieses Telefon auch dazu geeignet wäre, Schallwellen aufzuzeichnen. Thomas Edison versuchte, die Priorität seines Phonografen bis zu diesem Zeitpunkt auszudehnen, jedoch ohne Erfolg. Ein entsprechendes amerikanisches Patent zu diesem Aspekt konnte nicht gefunden werden, was darauf hindeutet, dass seine Schallplattenerfindung nur in England öffentlich bekannt wurde.

 

4. Phonograph, Phonet und Phonogramm verändern die Welt

In diesem Patent werden der Aufnahmeapparat als Phonograph, der Wiedergabeapparat als Phonet und die Aufzeichnung als Phonogramm bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen Aufnahme und Wiedergabe ist wichtig, da die Aufnahme auf einer Kupferfolie erfolgt, die für die Wiedergabe elektrolytisch mit einem harten oder härtbaren Material überzogen wird. Auch der Diamantstift wird bereits erwähnt. Besonders bedeutend ist, dass dieses Patent sowohl Platten als auch Walzen gleichberechtigt nebeneinander behandelt. Einige Bilder aus der Patentschrift (Bild 27) verdeutlichen dies.

 

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Ein Modell einer Zinnfolien- Plattensprechmaschine mit Federmotor nach Du Moncel 

 

Bild 28 zeigt ein Modell einer Zinnfolien-Plattensprechmaschine mit Federmotor nach Du Moncel (Edison 1878). In diesem Patent wird auch die Möglichkeit vorgeschlagen, Platten durch Pressen in eine Matrize zu vervielfältigen. Die Platten waren quadratisch und wurden an den Ecken mit dem Plattenteller verbunden, um eine sichere Mitnahme zu gewährleisten. Es ist erkennbar, dass bei diesem Eindrückverfahren die weiche Platte leicht deformiert wurde, was bei der fest um die Walze gespannten Folie nicht zu befürchten war. Von der Aufnahmetechnik her betrachtet, erwies sich der Vorschlag, Platten als Tonspeicher zu verwenden, als nicht sehr vorteilhaft. Du Moncel soll 1878 einen Sprechapparat (Bild 28) von Edison mit Platten gehabt haben, bei dem der Plattenteller von einem Federmotor angetrieben wurde. Der Federwerksmotor mit Regulator findet sich ebenfalls in dem englischen Patent.

 

Charles Cros ist der Erste, aber Edison ist der Erfinder

 

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Hier haben wir erneut eine Aussage über die Erfindung der Schallplatte, die ähnlich ist wie die Debatte über Charles Cros und die subtraktive Farbenfotografie: Charles Cros hat die Idee der Schallplatte zuerst niedergeschrieben, aber Edison gilt als ihr tatsächlicher Erfinder! Hunderte von Zinnfoliensprechmaschinen wurden hergestellt und sorgten auf Jahrmärkten für spektakuläre Vorführungen. Die Menschen strömten in Sonderzügen nach Menlo Park, um diese Geräte vom Erfinder selbst präsentiert zu bekommen. Jedoch wandte sich Edison bald einer anderen Erfindung zu: Die Realisierung der Glühlampenbeleuchtung beanspruchte ihn für Jahre. Obwohl er überall im Land als der "Zauberer von Menlo Park" bezeichnet wurde, hatte er vorerst genug von diesem Zauber. Gleichzeitig regte sich Kritik an der Unvollkommenheit des Zinnfolien-Phonografen, der mehr ein wissenschaftliches Demonstrationsobjekt als ein praktisches Gebrauchsgerät war.

 

1879 noch lange nicht fertig

Auch eine zeitgenössische Stimme, die in der "Leipziger Illustrierten Zeitung" im August 1878 zu finden war, äußerte sich zur damaligen Gestalt des Phonographen wie folgt: "In seiner gegenwärtigen Gestalt ist der Phonograph kaum mehr als ein interessanter Versuch. Und wenn er auch vorerst noch Verbesserungspotenzial aufweist, scheint er vorläufig kaum einer praktischen Verwendung fähig zu sein. Vor allem ist die Wiedergabe der einzelnen Sprachlaute sehr ungleich. Während einige Laute deutlich erklingen, klingen andere dumpf und undeutlich, sodass sie kaum verständlich sind."

Auch bei der Wiedergabe musikalischer Töne macht sich jede Unregelmäßigkeit bei der Drehung der Walze, die durch Handbetrieb erfolgt, unangenehm bemerkbar; der Phonograph singt dann falsch. "Von einem ewigen Konservieren der Stimmen einer Lucca oder Patti ist also gar keine Rede. Mit voller Kraft der Lungen gesprochene Sätze klingen etwa wie die Sprache eines heiseren Menschen. Und die Wiedergabe längerer Reden ist wohl auch nur ein frommer Wunsch ... Somit dürfen zunächst alle weitreichenden Hoffnungen und überschwenglichen Pläne noch als Luftschlösser betrachtet werden."

 

Wenige Originale sind erhalten

 

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  Ein Exponat aus dem Phonomuseum St. Georgen

 

Es ist bedauerlich, dass die Aufnahmen aus jener Zeit heute nicht mehr abspielbar sind, da Zinn als Material nicht beständig ist und alte Folien nicht mehr aufgespannt werden können. Einige Stimmen von Edison wurden gelegentlich auf Schallplatten reproduziert, aber die meisten Aufnahmen vom Stanniolfolien-Phonografen sind verloren gegangen. Allerdings gibt es eine besondere Aufnahme von Edisons Stimme, die 50 Jahre später anlässlich einer Tonfilmaufnahme auf dem alten Gerät aufgenommen und dann auf Tonfilm umgespielt wurde. Schließlich wurde diese Tonfilm-Aufnahme wieder auf Schallplatte übertragen und für weitere 50 Jahre aufbewahrt. Ab 1888 existieren jedoch Originalstimmen, die auf einem neuen, haltbaren Tonträger aufgezeichnet wurden. Edison nahm die Entwicklungsarbeiten nach einer zehnjährigen Unterbrechung wieder auf, aufgrund der Herausforderung von zwei Konkurrenten. Dadurch schuf er den Sprach- und Musikspeicher unserer Großeltern, der bis zum Beginn der 1920er Jahre in Verwendung war.

 

Mister Bell bringt die Sache wieder in Fluss

 

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 Alexander Graham Bell, etwa im Jahr 1876

 

Der Sprachschwingungsschreiber von Scott spielte nicht nur eine wichtige Rolle in der Entwicklung, die von der Sprechmaschine zur Musikmaschine führte, sondern er wirkte auch auf den Erfinder des Telefons, Alexander Graham Bell, zumindest anregend. Bell, der als Lehrer für Sprachbehinderte tätig war, studierte in den frühen 1870er Jahren ähnlich wie Donders und König die Schwingungskurven der menschlichen Sprache. Doch das Gerät von Scott befriedigte ihn nicht vollständig, da er gewisse Feinheiten vermisste. Um genauere Ergebnisse zu erzielen, ersetzte er im Verlauf seiner Untersuchungen Leons Scotts Trichter und Membran durch ein menschliches Ohr mit vollständigem Hörsystem, das ihm ein Arzt von einem verstorbenen Körper präpariert hatte. Auf diese Weise zeichnete er die tatsächlichen Bewegungen des Trommelfells unter Einfluss der Sprache auf. Im Zuge dieser Untersuchungen kam Bell schließlich im Jahr 1876 zur Erfindung des magnetischen Telefons.

 

Alle schauten bei Scott "ab"

Das "Große Geld", das mit dem Telefonverkauf zu verdienen war, war eine Seite der Medaille. Die andere Seite war jedoch das unbefriedigende Lautstärkenproblem bei Weitverbindungen, wenn das Magnetsystem von Bell sowohl auf der Sender- als auch auf der Empfängerseite eingesetzt wurde. Dies regte zwei Erfinder schnell dazu an, Verbesserungen vorzunehmen. Einer von ihnen war Edison, der in derselben Zeit wesentliche Elemente von Leon Scotts Gerät für seine Sprechmaschine übernahm. Der andere Erfinder war Emile Berliner (1851-1929), der einige Jahre später das Grammophon erfinden sollte. Berichten zufolge wurde auch er durch die Studie eines in Washington stehenden Gerätes von Scott inspiriert. Edison war ein erfahrener Erfinder und erkannte, dass man, um "Großes Geld" zu machen, frei von Bells Patent sein musste und daher auf keinen Fall Stromänderungen im Magnetfeld nutzen durfte.

Er kam schnell zu dem Schluss, dass dies nur erreicht werden konnte, indem für die aufnehmende und sprechende Einheit unterschiedliche Prinzipien angewendet wurden, im Gegensatz zu Bell, der dasselbe Magnetsystem für beide Seiten verwendete. Diese Überlegungen führten Edison zur Entwicklung seines lautsprechenden "Kalkwalzenhörers" und zur Steuerung eines Batteriestroms mit einem sogenannten Mikrofon auf der Senderseite.

 

Edisons Kohlemikrofon-Patent

Am 22. April 1877 reichte Edison eine voll ausgearbeitete Patentanmeldung für sein Kohlemikrofon beim Patentamt in Washington ein. Zu seinem Erstaunen erfuhr er, dass der bis dahin noch völlig unbekannte Emile Berliner in aller Stille ebenfalls an demselben Problem gearbeitet hatte. Berliner hatte bereits zwei Wochen vor Edison eine provisorische "Caveat"-Anmeldung eingereicht, um sich eine Priorität zu sichern. Diese damals in den USA erlaubte Möglichkeit diente dazu, sich frühzeitig für eine Erfindung zu registrieren und eine spätere Patentanmeldung abzusichern. Die gleichzeitige Erfindung des Mikrofons ist erneut ein Beweis dafür, dass bestimmte Erfindungen gewissermaßen in der Luft liegen, sobald die Zeit dafür reif ist.

Ähnliches musste Elisha Gray im Jahr zuvor erleben, als seine Erfindung des Telefons nur Stunden nach dem Eingang der Patentanmeldung von Bell im Patentamt in Washington eintraf. Im Gegensatz dazu stellte die von Charles Cros im selben fruchtbaren Jahr 1877 für eine Sprechmaschine eingereichte Idee für Edison's Phonograph keine Bedrohung dar, da sie ein ganz anderes Aufnahmeverfahren verwendete - die direkte "Eindrückung" durch Schallschwingungen, was genau Edison's Erfindung war. Der Streit um die Priorität ging mehr oder weniger um die Anerkennung als Erfinder im Sinne von Ehre. Im Fall des Mikrofons und Telefons ging es jedoch um wirtschaftliche Interessen, letztendlich um viel Geld. Dieser Patentprozess dauerte 14 Jahre an, selbst als die Bell-Gesellschaft, die Berliners Anmeldung für 75.000 Dollar erwarb, und die Western Union, die Edisons Telefonpatente besaß, durch einen Lizenzvertrag die Rechte an diesen Patenten sicherten. Ursprünglich hatten beide Gesellschaften um ein Fernsprechmonopol gekämpft. Bell selbst hatte schon sehr früh bezogen auf Weitverbindungen die Ergebnisse seiner Erfindung als "unzureichend und entmutigend" bezeichnet.

 

Immer noch nicht zufriedenstellend

In kurzen Entfernungen funktionierte Edisons Anordnung mit einem magnetischen System am Anfang und am Ende halbwegs zufriedenstellend. Doch als man versuchte, von New York nach Washington und weiter zu telefonieren, erwies sich dieses System als unbefriedigend. Die Verständlichkeit war gering, und kaum ein Wort war zu verstehen. Dagegen ermöglichte die Kombination von Mikrofon, Batterie und Magnethörer solche Fernübertragungen einwandfrei. Interessanterweise spielte der Lampenruß, der bereits bei der Sprachaufzeichnung eine Rolle spielte, auch beim Edisonschen Mikrofon eine Rolle. Sein erstes Mikrofonkohle war aus gepresstem Lampenruß hergestellt. Heutzutage würden junge Erfinder wahrscheinlich nicht auf Lampenruß als Material kommen. Während wir als Kinder noch mit Lampenruß herumspielten, war es auch während der Blockade von Berlin eine unbeliebte Beigabe unserer Petroleumlampen. Die Kohlekontakte, die ihren Übergangswiderstand unter dem Einfluss der Schallschwingungen änderten und heute auch in modernen Telefon-Mikrofonen verwendet werden, hatte Berliner nicht. Stattdessen nutzte er einen losen Metallkontakt.

 

Von Hundertausend zu Millionen 

Die Bell Gesellschaft erwarb zunächst die Patentanmeldung von Berliner und anschließend die von Edison. Durch den Abschluss eines Lizenzvertrags mit der Western Union über das von Edison erworbene Patent für 100.000 Dollar erhielt die Western Union im Laufe der Jahre 3,5 Millionen Dollar. Berliner wurde mit 75.000 und Edison mit 100.000 Dollar für ihre jeweilige Erfindung des Mikrofons honoriert. Im Fall von Edison können wir anhand des Nutzens, den die Gesellschaft aus seiner Erfindung zog, eine Art "Erfindervergütung" abschätzen, ähnlich wie es bei Diensterfindungen bezeichnet wird: ca. 3%. Aus heutiger Sicht mag dieser Anteil für eine bedeutende Erfindung gering erscheinen, aber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schienen beide Erfindungen einen angemessenen Preis erzielt zu haben. Es standen gerichtliche Auseinandersetzungen bevor, die keiner der beiden Erfinder allein hätte durchstehen können, und deren Ausgang war ungewiss. Es ist nicht möglich, genau anzugeben, wie viel die Bell Gesellschaft letztendlich durch die drei Erfindungen verdient hat, da die genauen Zahlen nicht mehr verfügbar sind.

 

Und die Schallaufzeichnungen?

Der Bezug zur Schallaufzeichnung liegt darin, dass dieselben drei Erfinder, die in den Jahren von 1876 bis 1878 den Fernsprecher (Telefon) in Amerika erfolgreich praxisreif gemacht haben, im folgenden Vierteljahrhundert die Grundlagen für die heutige Schallplattenindustrie geschaffen haben. Alexander Graham Bell, Emile Berliner und Thomas Edison spielten eine entscheidende Rolle sowohl bei der Entwicklung des Telefons als auch bei der Weiterentwicklung der Sprechmaschine zur Schallplattentechnologie. Einen erheblichen Teil des Geldes, das diese Erfinder für die Entwicklung und Verbesserung der Telefonie erhielten, setzten sie für die Vervollkommnung der ersten Sprechmaschine ein. Alexander Graham Bell, der zwar nicht mehr als Erfinder wie beim Telefon auftrat, wurde stattdessen zum Initiator und Finanzier eines Projektes, das die stagnierende Entwicklung der Sprechmaschine wiederbelebte. Dieser Schritt markiert die zweite Etappe auf dem Weg zur Musikmaschine, nämlich der Schallplattenindustrie.

 

Der „Volta Preis"

Der "Volta Preis" wurde Alessandro Volta zu Ehren gestiftet und wurde ursprünglich an den deutschen Physiker Heinrich Rühmkorff verliehen. Als Anerkennung für seine Erfindung des Telefons erhielt Alexander Graham Bell im Jahr 1880 von der französischen Regierung ebenfalls den "Volta Preis". Dieser Geldbetrag, 50.000 Franken oder etwa 10.000 Dollar, wurde ihm als Auszeichnung für seine Verdienste um die Menschheit überreicht. Bell beschloss, das Preisgeld wieder für das Wohl der Menschheit einzusetzen. Mit dem Preisgeld gründete der damals 33-jährige Bell ein kleineres Laboratorium nach dem Vorbild seines Mentors Edison. Zunächst war es auf Sprachforschung ausgerichtet. In dieser Zeit schloss er seine Forschungen über die Lichttelefonie ab, bei denen Charles Sumner Tainter, ein gut ausgebildeter und ideenreicher Mechaniker aus Watertown, Massachusetts, die wichtigsten Experimente durchführte. Während dieser Forschungen drangen sie auch in den Infrarotbereich vor. Als Bell im selben Jahr der Academie of Sciences über die Ergebnisse dieser Forschungen berichtete, schloss er mit den Worten: "Es ist oft interessanter, die ersten zaghaften Schritte eines Kindes als den festen Schritt eines Erwachsenen zu beobachten, und ich habe das Gefühl, dass unsere ersten Schritte in diesem neuen wissenschaftlichen Bereich für Sie vielleicht von größerem Interesse sind als ergiebige Resultate reifer Forschungsarbeit."

 

Bell hört hier auf und macht dort weiter

Es ist faszinierend zu sehen, wie Alexander Graham Bell, nachdem er die Forschung auf dem Gebiet der Schallaufzeichnung abgeschlossen hatte, dennoch eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung von Edisons Sprechmaschine spielte. Nachdem sein Interesse an der Forschung nach den ersten Schritten nachließ, gründete er 1880 ein kleines Laboratorium in Washington und holte seinen Vetter Chichester A. Bell sowie Sumner Tainter als gleichberechtigte Gesellschafter mit ins Boot.

 

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Mikroskop-Phonographen, der zur Untersuchung der aufgenommenen Sprachschwingungen diente, ähnlich wie es heutzutage mit einem Oszilloskop gemacht wird. Dieses Instrument war für die Phonetiker äußerst wertvoll, da es ermöglichte, die feinen Details und Nuancen der Schallschwingungen zu analysieren.

 

Ihre erste Aufgabe bestand darin, Edisons Zinnfolien-Sprechmaschine zu verbessern. Dabei untersuchte Bell die besprochenen Folien mit einem Mikroskop und stellte fest, dass die Feinheiten der Sprachschwingungen nicht deutlich genug sichtbar waren, was den blechernen Klang der frühen Sprechmaschine verursachte. In ihrem Labor führten sie Experimente durch und fanden heraus, dass sie bessere Aufzeichnungen erzielen konnten, wenn sie Edisons Rillen mit Wachs füllten und die Schallschwingungen als Vertiefungen darin einbrachten, gesteuert von einem von der Sprache abhängigen Luft-, Wasser- oder Preßluftstrahl. Edison selbst hatte ähnliche Methoden für seine Folienaufzeichnung in Erwägung gezogen, aber nicht umgesetzt.

Die Kombination eines Mikroskops mit dem späteren Wachswalzen-Phonographen erwies sich auch für die Phonetiker als wertvolles Instrument. In Edisons Labor fand sich eine solche Kombination, die für weitere Sprachuntersuchungen genutzt wurde. Bell, Tainter und Chichester Bell hatten entscheidenden Einfluss auf die Weiterentwicklung der Schallaufzeichnungstechnologie, und ihre Forschung legte den Grundstein für viele weitere Fortschritte in diesem Bereich. Ihre Arbeit ebnete den Weg für die Entstehung moderner Phonographen und die Entwicklung des Mediums Schallplatte, das schließlich zu einem der beliebtesten Mittel zur Musikwiedergabe wurde.

Die Geschichte der Schallaufzeichnungstechnologie ist reich an faszinierenden Entdeckungen und Erfindungen, und die Beiträge von Edison, Bell und anderen Pionieren haben die Welt der Musik und Unterhaltung für immer verändert. Es ist erstaunlich zu sehen, wie weit diese Technologie seit den ersten zaghaften Schritten vorangekommen ist und wie sie bis heute einen wichtigen Platz in unserem Leben einnimmt.

 

Die Sprache wurde eingedrückt

In früheren Zeiten geschah die Aufzeichnung der Sprache auf bemerkenswerte Weise. Die Schwingungen der Stimme wurden nur leicht in das Wachs gedrückt, wodurch die Wiedergabelautstärke reduziert wurde. Um die Lautstärke zu erhöhen, nutzte man ein Verfahren der Verstärkung, das bereits von Edison vorgeschlagen wurde: Eine bewegte "Nadel" kontrollierte einen Luftstrahl, der auf die Wiedergabemembran traf.

Das erste Gerät, das sie im Jahr 1881 entwickelten, erhielt den Namen "Phonograph-Graphophon" - ein Gerät zum Aufzeichnen und Wiedergeben von Tönen. Später vereinfachten sie den Namen all ihrer Apparate zu "Graphophon". Dieses erste Gerät, das mit Wachs gefüllte Rillen besaß, wurde in einem verschlossenen Behälter im "Smithsonian Institute" in Washington aufbewahrt. Dort sollte es bleiben, bis mindestens zwei der drei Beteiligten die Freigabe und Wiedergabe der auf der Walze aufgenommenen Sprache forderten.

 

15 Jahre nach seinem Tod

Im Jahre 1937, als nur noch der 90-jährige Sumner Tainter am Leben war, jedoch aufgrund seines hohen Alters nicht mehr teilnehmen konnte, wurde das Gerät in Anwesenheit der Erben von Graham Bell herausgeholt, und die Aufnahme wurde abgespielt. Man konnte die Stimme von Alexander Bell, dem Erfinder des magnetischen Telefons, gut verstehen - 15 Jahre nach seinem Tod.

55 Jahre nach der Aufnahme zitierte er abgewandelt aus Shakespeares "Hamlet":• "Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horatio, als in eurer Philosophie geträumt werden. Ich bin ein Graphophon, und meine Mutter war ein Phonograph." Diese Aufzeichnung stellt die älteste erhaltene Stimmaufnahme dar. Es ist wahrscheinlich, dass man sie auch heute noch einmal abspielen und auf Tonband festhalten könnte. Obwohl dieses Gerät nicht das war, was sich Graham Bell wünschte, kritisierte er erneut, und er und seine beiden Kollegen setzten ihre Forschung fort. Schließlich, im Jahr 1886, gelang der Durchbruch, und die neue Diktiermaschine namens "Graphophone" wurde vorgestellt.

 

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Schneideart der Schallplatte nach Bell und Tainter

 

Bild 33 zeigt die bahnbrechende neue Aufzeichnungsmethode von Bell und Tainter. Mit einem scharfen Grabstichel wurde die Schallrille in das Material eingeschnitten (siehe Bild 33). Heutzutage wird immer noch geschnitten, allerdings verwenden moderne Schallplatten die Seitenschrift statt der Tiefenschrift. Obwohl Edison das "Schneiden" bereits vorgeschlagen hatte, geschah dies nur an der seitlichen Kante eines Metallbands. Dabei plante er, das Band mit seiner Kante gegen eine rotierende Schleifscheibe zu drücken, um die Schwingungen in die Kante einzusägen. Dieses Verfahren kollidierte nicht mit der Erfindung von Chichester Bell und Sumner Tainter.

Für die neue Diktiermaschine wählten sie eine Tonwalze aus Pappe mit ca. 3 mm Wandstärke, auf der eine Schicht Wachs mit einer Stärke von 1,25 bis 1,50 mm aufgebracht wurde, in die die Rillen eingeschnitten wurden. Die Rillen hatten nur noch eine Tiefe von 0,03 mm und waren weniger als 0,1 mm breit. Unbenutzte Flächen wurden mit einem glatten Boden versehen. Je nach Schallschwingungen entstanden "Berge und Täler" auf dem Boden der Rille, was einer Tiefenschrift entsprach. Diese nur unten modulierte Rille bot eine gute Führung für die Abtastnadel, die an der Spitze mit einem vergleichsweise großen Radius von 0,4 mm abgerundet war. Die Walze hatte einen Durchmesser von nur 3 cm, war aber 12,5 cm lang. Mit etwa 60 Rillen pro cm konnten in 4 Minuten etwa 700 Worte aufgenommen werden. Jede Walze war nur für eine Aufnahme verwendbar.

 

Antrieb und Kopf und die Tasten

 

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Das Bild zeigt das Walzen-"Graphophon" von Bell und Tainter aus dem Jahr 1888 mit einem Tretantrieb, der dem einer Nähmaschine ähnelt. Das Schwungrad der Nähmaschine wurde zusätzlich durch einen Zentrifugalregulator stabilisiert (im Bild 34 hinten zu erkennen). Eine bedeutende Verbesserung bestand in der beweglichen Aufhängung der Wiedergabeeinheit, die von den Erfindern als "Kopf" bezeichnet wurde - ein Begriff, der bis heute in Verwendung ist.

 

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Der Kopf war an einem beweglichen Arm aufgehängt, der um eine Achse bewegt werden konnte. Durch das optimale Gewicht und die ausbalancierte Konstruktion folgte die Abtastnadel oder der Schneidstichel elastisch den Bewegungen der Walze. Edison und spätere Konstrukteure übernahmen dieses Prinzip ebenso für ihre Geräte. Auch moderne Tonabnehmer für die Schallplattenwiedergabe funktionieren nach ähnlichen Prinzipien.

Statt des klirrenden Metalls wurde für die Membran des Kopfes Hartgummi mit einem Durchmesser von 7,5 cm verwendet. Die Aufnahmemembran wurde über einen Schlauch besprochen, der ein Mundstück enthielt, das auch für die Nasenpassage geeignet war. Für die Wiedergabe wurde ein Schlauch gewählt, der sich auf beide Ohren verzweigte - eine Art Vorläufer des Stereo-Klangs. Es scheint, als hätte dieses Gerät schon damals höchsten Bedienungskomfort geboten. Das Gerät wurde auch für Diktierzwecke und das Beschreiben auf einer neu aufgekommenen Schreibmaschine verwendet. Es war mit zwei Tasten ausgestattet: Eine Taste stoppte bei laufender Walze die Sprachaufzeichnung und den Vorschub, bis der Text getippt war. Die zweite Taste diente dazu, das Abspielen an der Stelle fortzusetzen, an der es zuvor gestoppt wurde.

Bereits im Jahr 1885 wagten sich die Erfinder Chichester Bell und Sumner Tainter an ein Diktiergerät mit einer flachen Platte als Aufzeichnungsträger. Das realisierte Gerät trug die Handschrift des begabten Konstrukteurs Tainter, während die Idee dazu vermutlich von Graham Bell stammte. Wie Bell damals mitteilte, wünschte er sich statt Walzen flache Platten aus unzerbrechlichem Material, da man diese bequem mit der Post verschicken konnte.

Dies erinnert uns an die Geburt der TED-Bildplatte: Dort wählte man gezielt die dünnen, flexiblen Platten, da man glaubte, und auch heute noch glaubt, dass man solche Platten den Wochenzeitschriften beilegen kann, um beispielsweise am Montag die Fußballspiele vom Sonntag im Bild ins Haus zu bringen.

 

5. Die Idee der Platte

 

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Die Plattenapparatur in der Patentschrift von Bell und Tainter.

 

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Konstruktionszeichnung, die aus dem im Jahr 1887 angemeldeten US-Patent 341 214 entnommen wurde. In dieser Zeichnung sind alle Merkmale einer modernen Plattenschneideinrichtung enthalten, zusätzlich zu einem interessanten Antrieb für eine konstante Schreibgeschwindigkeit.

 

Das Erfinderteam Chichester Bell und Sumner Tainter wagte sich bereits 1885 an ein Diktiergerät mit einer Platte als Aufzeichnungsträger. Das realisierte Gerät trägt die Handschrift des begabten Konstrukteurs Tainter, während alles darauf hindeutet, dass die Idee von Graham Bell stammte. Bell äußerte damals, dass er anstelle von Walzen lieber flache Platten aus unzerbrechlichem Material verwenden wollte, da man diese bequem mit der Post verschicken konnte.

Dies erinnert uns an die Geburt der TED-Bildplatte im Jahr 1972: Dort wählte man bewusst die dünne flexible Platte, da man glaubte und auch heute noch glaubt, dass man solche Platten den Wochenzeitschriften beilegen kann, um beispielsweise am Montag die Fußballspiele vom Sonntag in Bild und Ton ins Haus zu bringen.

 

Die Wachsplatte

Aus der sehr detaillierten Patentschrift vom 27. Juni 1885 (Bild 36) kann man gut erkennen, wie die Plattenschreiber und Spieler damals aussahen. Das Patent wurde nach 10 Monaten erteilt, was beweist, dass Edisons britische Patentschrift dem neu hinzugekommenen Patent nicht im Weg stand. Die Platte bestand aus 2,5 mm dicker Pappe, die mit einer 1,25 mm starken Wachsschicht überzogen war. In diese Wachsschicht wurde ähnlich wie bei der Walze in Tiefenschrift geschnitten.

Die Rille auf der Platte war eine Spirale, wie sie heute noch üblich ist, allerdings verlief sie von innen nach außen. Der Abnahmekopf war, ähnlich wie bei ihrem Walzengerät, beweglich gelagert, sodass er auch bei schlagender Platte in der Rille blieb und Kontakt mit der Schallgravur behielt. Die Funktion des Tonarms beim modernen Plattenspieler war irgendwie enthalten, nur war der Abtastkopf in dieser Konstruktion feststehend, und stattdessen war der sich drehende Plattenteller am Ende eines schwenkbaren Arms gelagert.

Durch diese geschickte Konstruktion wurde eine konstante Schreibgeschwindigkeit in jeder Rille erreicht, sowohl innen als auch außen, indem die Umdrehungsgeschwindigkeit an den jeweiligen Rillendurchmesser angepasst wurde. Dies wurde auf eine ganz einfache Weise erreicht: Ein Friktionsantrieb griff mit seinem Antriebsrädchen genau unter dem Schreibstichel oder dem Abnahmestift an. Dabei änderte sich beim seitlichen Vorschub des Plattentellers die Umdrehungszahl mit dem Rillendurchmesser so, dass die Schreibgeschwindigkeit konstant blieb (siehe Bild 37 und 38).

 

1887 die Volta Graphophon Gesellschaft

 

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Bild 38 zeigt ein interessantes historisches Foto von Bell und Tainters Modell des Platten-"Graphophons". Es wurde im Jahr 1884 im Volta Laboratorium von Alexander Graham Bell in Washington aufgenommen. Die Vorderansicht zeigt das Gerät im Aufnahmebetrieb mit einer Sprechmuschel, während ein Hörschlauch daneben liegt. Die Rückansicht zeigt deutlich die Lagerung der Plattendrehachse am Ende eines pendelartigen Hebelarms, über den der Radialvorschub erfolgt.

Um ihre Erfindungen zu vermarkten, gründeten Bell und Tainter im Jahr 1887 die Volta Graphophon Gesellschaft, bei der Tainter als technischer Leiter fungierte. Die Gesellschaft stellte nur das Walzen-Graphophon her und verfolgte die Weiterentwicklung der Plattenapparatur nicht weiter. Die Gesellschaft geriet bald in Konflikt mit Edison, da die mechanische Aufzeichnung in Tiefenschrift und die Wiedergabe dieser Aufzeichnung im Wesentlichen von Edison geschützt waren. Dennoch fand man auf irgendeine Weise immer wieder eine Lösung.

Es ist jedoch festzustellen, dass Bell und Tainter mit ihren Verbesserungen Maßstäbe für die Zukunft gesetzt haben. Edison, der die Sprechmaschine als sein Lieblingskind betrachtete, wurde aufgerüttelt und setzte alles daran, den Vorsprung von Bell und Tainter aufzuholen. Zunächst lehnte er ein Angebot zur Zusammenarbeit ab und auch eine Einladung der Graphophon-Gesellschaft zu einer Vorführung schlug er aus.

 

Edison nimmt den Kampf auf ... und vollendet den Phonographen

Die Verbesserungen von Bell und Tainter an der Sprechmaschine wurden draußen in der Nation zwar zur Kenntnis genommen, aber mehr auch nicht. Der Name Bell war eng mit dem Telefon verbunden - auch wenn es dieses Mal sein Vetter war -, und die Sprechmaschine wurde mit Edison assoziiert. Man erwartete von ihm das Wunder.

Es dauerte nicht lange, bis Edison darauf reagierte. Er kündigte an, am Phonographen zu arbeiten und Neuerungen zu erwarten seien. Er war gereizt, dass Bell und Tainter sich seinem Lieblingsprojekt zugewandt hatten, besonders zu einer Zeit, in der er mit der Entwicklung des elektrischen Lichts stark beschäftigt war.

Trotz Angebote der Gruppe Bell/Tainter, sich mit ihm, dem Inhaber des grundlegenden Patents, zu verständigen, lehnte er ab. Am 1. August 1878 telegrafierte er seinem englischen Vertreter: "Will mit denen nichts zu tun haben! Sind die reinsten Piraten ... Habe begonnen, den Phonographen zu verbessern. Edison."

Er hatte vor, das einstige Spielzeug von 1877 zu einem industriellen Apparat zu entwickeln. Zunächst dachte er nicht daran, den Phonographen für die Unterhaltung der Menschen zu nutzen. Er betrachtete ihn weiterhin als Ersatz für Stenografen. Doch seine Ansicht änderte sich schnell, als er die Vielseitigkeit seiner neuen Geräte erkannte.

 

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Immer wenn Edison ein Projekt gezielt umsetzen wollte, kannte er keine Grenzen in Bezug auf die Anspannung seiner eigenen geistigen und physischen Kräfte sowie der seiner Mitarbeiter. Alles wurde darauf ausgerichtet, diese eine Aufgabe zu bewältigen. Die Presse und seine Geldgeber wurden regelmäßig darüber informiert, dass bald ein bedeutender Fortschritt zu erwarten sei.

Besonders bekannt wurde der Endspurt, eine 72-Stunden-Schicht, die am 17. Juni 1888 angeblich morgens um 5 Uhr endete. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich Edison, erschöpft von der nächtlichen Arbeit, neben seinem neuen Phonographen fotografieren (Bild 29). Dieses Foto, als farbiges Gemälde nachgebildet, hängt heute noch in der Bibliothek seines Laboratoriums in West Orange. Während dieser intensiven Endphase gab Edison alles, um sein Projekt erfolgreich abzuschließen, und diese Energie und Hingabe haben ihn zu einem der herausragenden Erfinder seiner Zeit gemacht.

 

  

Wachswalzen für Mehrfachaufnahmen

 

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Das Bild zeigt den sogenannten "Perfekten Phonographen" im Jahr 1889, der endgültig entwickelt wurde. Wenn wir uns das neue Gerät genauer ansehen, stellen wir fest, dass Edison ebenso rücksichtslos wie Bell und Tainter deren Ideen verwertet hat, während er sich ihrerseits deren geistiges Eigentum angeeignet hat.

Edison hatte nun auch Wachswalzen, in die er schneiden konnte. Er übernahm Hörschläuche und die schwingende Lagerung der "Köpfe" von Bell und Tainter. Für den Antrieb verwendete er einen "integrierten" Elektromotor, der von einer 2,5V "Grenet"-Batterie betrieben wurde. Die Walze wurde mit einer Schwungmasse und einem Zentrifugalregler über einen elastischen Riemen angetrieben, um einen ausreichenden Gleichlauf zu gewährleisten. Damit wurde der Phonograph auch für Musikaufnahmen geeignet.

Allerdings waren Edisons Walzen aus so dickem Wachs, dass man sie viele Male abdrehen konnte und sie danach immer wieder für neue Aufnahmen verwenden konnte (siehe Bilder 31, 32 und 33). Die ersten Walzen hatten eine Länge von ca. 10 cm und einen Durchmesser von ca. 5 cm, mit 40 Rillen pro cm, das entspricht 4 auf einen Millimeter. Bei 120 Umdrehungen pro Minute ergab sich eine Diktatzeit von 4 Minuten, was etwa 400 Wörtern entspricht.

 

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Das Bild zeigt eine Abdrehvorrichtung für die Wachswalzen - ein nachgestelltes Bild.

 

Bild32.pngDer Phonograph zunächst ausschließlich als "Sprechmaschine", vornehmlich als Diktiergerät, gedacht war.

 

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Die Geräte hatten einen "Aufsprechkopf" und einen "Lesekopf". Durch Umschwenken wurde jeweils der benötigte Kopf in die Arbeitsposition gebracht.

 

Edison meldete sein Patent auch in Europa an. Dafür konstruierte er einen eigens dafür entwickelten, integrierten Elektromotor (Bild 44) und nutzte die bewegliche Kopfaufhängung von Bell und Tainter. Zusammen mit seinem aktiven Vertreter, dem amerikanischen Colonel George Edward Gouraud in London, reichte er am 8. Januar 1888 ein Patent ein, aus dem die Konstruktion dieses ersten Motors gut ersichtlich ist (Bild 45).

Aus diesem Grund wurde bereits am Tag, als das erste endgültige Modell fertiggestellt wurde, ein zweites Exemplar in eine Kiste verpackt und mit Leerrollen sowie zwei besprochenen Walzen nach England geschickt. Edison wollte seine neuesten Entwicklungen auch auf dem europäischen Markt präsentieren.

 

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Blick auf den Elektromotor.

 

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Bild stellt das Patent von 1888 dar 

 

Ein Funktions-Muster fürs Patentamt in London

Dies ist der erste phonographische Brief, den Edison selbst auf die eine Walze gesprochen hat: „Ahem! In meinem Laboratorium in Orange, New Jersey. 16. Juni 1888, 3 Uhr nachmittags."

„Freund Gouraud, - Ahem! Dies ist mein erstes Post-Phonogramm. Es wird Ihnen durch die regelmäßige Vereinigte Staaten Post von New York über Southampton mit dem Dampfer Eider des Norddeutschen Lloyd zugehen. Durch Herrn Hamilton sende ich Ihnen einen neuen Phonographen, den ersten nach einem neuen Modell, das ich gerade ausgearbeitet habe."

„Er ist in aller Eile fertiggestellt worden, wie Sie sehen werden. Ich habe Ihnen eine Anzahl leerer Phonogramme mitgeschickt, damit Sie zu mir zurück sprechen können. Ich werde Ihnen Phonogramme für Sprache wie Musik mit jeder hier abgehenden Post übermitteln, bis wir das beste Stück für Postsendungen gefunden haben. Meiner Frau und dem Baby geht es gut. Des letzteren Artikulation ist laut genug, nur etwas undeutlich, für ein erstes Experiment übrigens gar nicht übel." „Mit besten Empfehlungen, der Ihrige, Edison."

Edison bereitete auch eine besondere Aufnahme für die Pressevorführungen vor. Er sprach eine Ansprache auf eine zweite Walze:

„Gentlemen - im Namen Edisons, dessen seltenem Genius, unvergleichlicher Geduld und unermüdlicher Tätigkeit ich mein Dasein verdanke, begrüße ich Sie.

Ich danke Ihnen für die Ehre, welche Sie mir durch Ihre Gegenwart hier heute erweisen. Mein einziges Bedauern ist nur, dass mein Herr nicht zugegen sein kann, um persönlich vor Ihnen zu stehen, anstatt nur mit seiner Stimme. In seiner Abwesenheit würde ich indes weder meiner Pflicht noch meinem Verlangen genügen, ergriffe ich nicht diese meine erste Gelegenheit, Ihnen wie der gesamten Presse der großen Stadt London, sowohl den an- als abwesenden Gliedern für den edelmütigen und schmeichelhaften Empfang zu danken, welchen Sie mir nach meiner Ankunft im Heimatland bereitet haben."

Edison war von der Beständigkeit der Aufzeichnungen auf den neuen Wachswalzen beeindruckt und ließ ein Stimmenarchiv anlegen. Gouraud erhielt den Auftrag, die Stimmen bedeutender Persönlichkeiten in London aufzunehmen. Besonders wünschte Edison die Stimme von Sir William Edward Gladstone, dem Premierminister von Queen Victoria. Nach einigem Zögern ließ sich Gladstone aufnehmen. Zusammen mit den Stimmen vieler anderer, wie dem Lord Mayor von London, wurden diese Neujahrsgrüße zum Jahreswechsel 1888/1889 nach Amerika geschickt. Diese oft abgespielten Walzen wurden vor einiger Zeit wiederentdeckt.

Weitere erhaltene Aufnahmen: In der Niederschrift von Jones lautet Gladstones Ansprache: „Ich fühlte mich tief verpflichtet, Ihnen nicht allein für die Unterhaltung, sondern auch für die Belehrung und die Wunder, die ich an einem der denkwürdigsten Abende meines Lebens zu genießen den Vorzug hatte, zu danken. Ihr großes Land hält auf dem wichtigen Gebiet der Erfindungen die Führung. Von Herzen wünschen wir sein Gedeihen, und Ihnen, als einem seiner berühmtesten Bürger, erlauben Sie mir, meine herzlichsten Glückwünsche im Verein mit meinen ernsten Gebeten darzubringen, dass Sie noch lange leben mögen, zum Zeuge seiner Triumphe bei all dem zu sein, was zur Wohlfahrt der Menschheit dient - Gladstone."

 

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Bild zeigt eine Aufnahme, bei der Papst Leo XIII. auf den Phonographen spricht. Diese Ansprache war die allererste Aufzeichnung einer Rede eines Politikers, und es ist bemerkenswert, dass sie bis heute erhalten geblieben ist.

Die Fortschritte in der Technik der Schallaufzeichnung wären anfangs kaum bekannt geworden, wenn die Erfinder nicht durch spektakuläre Vorführungen der Presse Anlass zu aufsehenerregenden Veröffentlichungen gegeben hätten.

 

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Die Resonanz, die diese Vorführungen fanden, besonders nachdem es möglich geworden war, auch aufgezeichnete Musik vorzuführen (Bild 47), wurde zur Stimulanz für die Konstrukteure und Fabrikanten dieser Musikgeräte. Die Berichte über einige dieser ersten Demonstrationen gehören daher zur Technikgeschichte.

Die Menschen sahen in den Erfinder-Stars so etwas wie Zauberer und trauten ihnen die Erfüllung jedes Wunsches zu. In den letzten 20 Jahren des 19. Jahrhunderts war für die Schallaufzeichnungstechnik Edison dieser Mann, auch als Emile Berliner mit seinem Grammophon schon auftrat. Berliner wurde später mehr gefeiert, da er der Initiator der heutigen Schallplatte war, aber damals schaute alle Welt auf Edison.

Sein öffentliches Debüt in Europa hatte der neue Wachswalzen-Phonograph 1888 auf der Ausstellung im Kristallpalast in London gegeben, doch sensationelle Nachrichten über ihn wurden erst verbreitet, als Edison selbst nach Europa gekommen war.

 

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Der französische Staatspräsident hatte ihn persönlich zur glanzvollen Weltausstellung eingeladen, die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der großen Revolution 1889 in Paris stattfand. Neben dem von Gustave Eiffel für diese Ausstellung errichteten 300 m hohen Eiffelturm waren das elektrische Licht von Edison und sein Phonograph die Sensationen (Bild 48). Die Phonographen-Vorführung war immer umlagert, und Dutzende von Menschen hingen ständig an den Hörschläuchen, um die erstaunlichen Aufnahmen zu hören.

 

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Dr. Wangemann, der mit dem Phonographen ganz Europa bereiste, steht in der Mitte des Laboratoriums, in dem die ersten Musikaufnahmen gemacht wurden. Diese Aufnahmen führte er bei seinen Reisen vor.

 

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Kaiser Wilhelm II. hielt in Hofkreisen Vorträge über den Phonographen. Eine von vielen Karikaturen zeigt den Kaiser bei der Besprechung einer Walze, wertvolle Werbung für Edison.

 

Auf seinem Rückweg nach Amerika besuchte Dr. Wangemann in Deutschland Werner von Siemens; die beiden Erfinder, obwohl von unterschiedlicher Herkunft und Bildung, freundeten sich an. Werner von Siemens wurde ein überzeugter Propagandist für den Phonographen. Es dauerte Jahre, bis er sich dem Grammophon von Emile Berliner zuwandte. Auf Veranlassung von Siemens wurde Dr. Theo Wangemann (Bild 49), ein sprachkundiger und hochgebildeter Mitarbeiter von Edison, mehrfach nach Berlin eingeladen, um den Phonographen bei europäischen Demonstrationsreisen vorzuführen. Höhepunkt dieses Besuches war eine Vorführung vor Kaiser Wilhelm II., der sich schon für die alte Zinnfoliensprechmaschine interessiert hatte (Bild 50). Der Kaiser (damals noch Kronprinz) ließ sich gerne über die Fortschritte der Technik informieren.

Das Buch von Prof. A. Slaby, "Entdeckungsfahrten in den elektrischen Ozean", das in vielen Auflagen erschien, enthält heute noch lesenswert eine Reihe solcher technischer Vorträge, die er vor der kaiserlichen Familie gehalten hat. Die Berichte über Dr. Wangemanns Vorführung sind sicher werbewirksam ausgeschmückt worden, denn der Deutsche Kaiser war natürlich für die Werbung attraktiver als Mr. Hayes, Präsident der Vereinigten Staaten. Ein gesellschaftliches Ereignis - der Kaiser führt den Phonografen vor.
Einen davon möchte ich zitieren, der zeigt, welches gesellschaftliche Ereignis in den 80er Jahren eine Phonographenvorführung sein konnte. Der Bericht stammt von einem Autor, dem Dr. Wangemann seine Erlebnisse erzählt hatte.

"Auf besonderen Wunsch seiner kaiserlichen Hoheit brachte Wangemann eines Morgens den Phonographen ins Schloss, wo er in den privaten Gemächern des Kaisers die Tätigkeit der Maschine demonstrierte. Er nahm sie auseinander, setzte sie wieder zusammen und erklärte die Grundgesetze, bis der junge Kaiser fast ebenso viel von dem Phonographen verstand wie der Erfinder. Doch seine kaiserliche Hoheit waren nicht eher zufrieden, bis sie das Instrument selbst zerlegt und wieder zusammengesetzt, Ansprachen aufgenommen und imstande waren, die Erfindung ebenso gut wie Herr Wangemann zu erklären. Dann befahlen sie, dass das Instrument am selben Abend erneut ins Schloss gebracht werde, damit es auch der Hof hören könne. Einen Vortrag über den Gegenstand werde von ihm nicht verlangt, da seine kaiserliche Hoheit diesen Teil der Unterhaltung selbst übernehmen werde. Herr Wangemann war selbstverständlich gern damit einverstanden, und an jenem Abend versammelte sich eine glänzende Gesellschaft im kaiserlichen Schloss, um Edison's neuestes Wunder zu hören. Zehnfach wuchs das Erstaunen der Anwesenden, als seine kaiserliche Hoheit selbst den Vortrag hielt, die Maschine aufstellte und den Mechanismus erklärte, als hätte er sein ganzes Leben im Edison Laboratorium verbracht. Bewunderungsvoll hörten die Gäste den jungen Kaiser über Akustik, Schallwellen, Schwingungen usw. sprechen, und als er eine Walze einfügte, die Maschinenteile zusammensetzte, den elektrischen Motor in Gang brachte und zu seiner Zuhörerschaft durch das Medium des Phonographen sprach, ging eine, wenn auch unterdrückte, Erregung tief. Der hohe Vortragende verweilte einige Stunden, erklärte abwechselnd die Einzelheiten und spielte Aufnahmen ab, um bei seinen Hofleuten den Eindruck zu hinterlassen, dass der Phonograph zwar etwas Wunderbares sei, dies jedoch noch viel mehr auf den Kaiser zutreffe...".

Werner von Siemens wurde ein überzeugter Propagandist für den Phonographen, und auf Veranlassung von Siemens wurde Edisons Mitarbeiter Dr. Theo Wangemann während seiner europäischen Demonstrationsreise mehrfach nach Berlin eingeladen. Höhepunkt dieses Besuches war eine Vorführung vor Kaiser Wilhelm II, der sich schon für die alte Zinnfoliensprechmaschine interessiert hatte. Der Kaiser ließ sich gerne über die Fortschritte der Technik vortragen. Dr. Wangemann demonstrierte den Phonographen in den Privatgemächern des Kaisers im Schloss. Er nahm das Gerät auseinander, erklärte die Grundgesetze und der junge Kaiser zeigte großes Interesse und verstand schon fast so viel wie der Erfinder selbst. Der Kaiser war so begeistert, dass er das Gerät sogar selbst auseinandernahm und wieder zusammenbaute. Anschließend befahl er, dass der Phonograph am selben Abend erneut ins Schloss gebracht werde, damit auch der Hof die Vorführung hören könne.

An jenem Abend versammelte sich eine glänzende Gesellschaft im kaiserlichen Schloss, um Edisons neuestes Wunder zu hören. Doch zum Staunen der Anwesenden übernahm Kaiser Wilhelm II selbst den Vortrag. Er erklärte den Mechanismus und sprach über Akustik, Schallwellen und Schwingungen, als ob er sein ganzes Leben im Edison Laboratorium verbracht hätte. Die Zuhörer waren voller Bewunderung für den Kaiser, der die Einzelheiten erklärte und Aufnahmen wiedergab. Der Phonograph hinterließ einen tiefen Eindruck auf die Hofleute, und sie waren beeindruckt davon, wie der Kaiser das Gerät bediente und damit sprach.

Dieses Ereignis war ein gesellschaftliches Highlight und zeigte, wie groß die Begeisterung für den Phonographen war, insbesondere in den Kreisen des Kaisers und des Hofes. Werner von Siemens' Unterstützung und die Vorführung vor Kaiser Wilhelm II trugen dazu bei, die Bekanntheit des Phonographen in Europa weiter zu steigern und die Technologie zu fördern.

 

Eine der ersten Tonstudio-Aufnahmen

Es scheint, als hätte der Phonograph von Edison in Berlin einen großen Eindruck hinterlassen und bei verschiedenen Anlässen für Begeisterung gesorgt. Kaiser Wilhelm II. persönlich zeigte großes Interesse an den Aufnahmen und ließ sogar ein Orchester aufnehmen. Anfangs waren die Ergebnisse enttäuschend, aber nach einer Neuanordnung der Musiker erzielte der Phonograph eine beeindruckende Wiedergabe der Musik, was den Kaiser entzückte.

Die öffentliche Vorführung des Phonographen in Berlin zog auch die Aufmerksamkeit von Stadtverordneten auf sich, die die Versuche mit Staunen verfolgten. Sie waren so beeindruckt, dass sie Herrn Wangemann darum baten, den Phonographen auch im Rathaus vorzuführen. Die Einladung wurde gerne angenommen, und die Vorführung im Rathaus wurde von vielen hochrangigen Persönlichkeiten, einschließlich Herrn Professor Dr. von Helmholtz, besucht.

Der Phonograph nahm auch die Stimmen einiger schauspielerischer Berühmtheiten sowie des Sängerpaars Kalisch-Lehmann auf. Frau Lilli Lehmann sang eine Arie aus der Oper "Norma" und später ein Duett aus "Fidelio" zusammen mit Herrn Kalisch. Es scheint, dass der Phonograph in Berlin nicht nur technisches Interesse weckte, sondern auch als Unterhaltungsmedium und zur Aufnahme von künstlerischen Darbietungen genutzt wurde.

Die Erfindung des Phonographen war zweifellos bahnbrechend und faszinierte die Menschen in jener Zeit, auch hochrangige Persönlichkeiten wie Kaiser Wilhelm II. und Werner von Siemens. Die Vorführungen und öffentlichen Veranstaltungen trugen dazu bei, die Bekanntheit des Phonographen zu steigern und sein Potenzial als Aufnahme- und Wiedergabegerät zu demonstrieren.

 

6. Verbreitung des Phonographen

Die Fortschritte des Phonographen und seine Fähigkeit, Musik wiederzugeben, führten zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz und fanden sogar Interesse bei prominenten Persönlichkeiten wie Otto von Bismarck und Kaiser Wilhelm II. Dr. Wangemann hatte die Gelegenheit, den Phonographen persönlich in Friedrichsruh vorzuführen, und es scheint, dass die Firma Siemens und Halske, die Werner von Siemens vertrat, einen Teil der Kosten für die Reiseabrechnung von Dr. Wangemann übernahm.

 

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Bild zeigt Ausschnitte aus der Original-Reiseabrechnung von Dr. Wangemann. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um eine Dokumentation der Reisekosten und -ausgaben, die Dr. Wangemann während seiner Vorführungen des Phonographen in Europa hatte.

 

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Bild zeigt einen Brief, den Thomas Edison an Dr. Werner von Siemens geschrieben hat. In diesem Brief kündigt Edison die Absendung eines Phonographen für den Deutschen Kaiser an. Der Brief könnte Einzelheiten über das geplante Geschenk oder den Anlass für die Gabe enthalten. Es deutet darauf hin, dass Edison eine enge Beziehung zu Dr. Werner von Siemens hatte, da er ihm solche Ankündigungen persönlich machte.

 

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Antrieb mit Wassermotor

 

Ein weiterer Brief ( von Thomas Edison zeigt, dass der Erfinder einen Wassermotor-Phonographen an Fried. Krupp übergab. Dies zeigt, dass Edison seine Technologie nicht nur für Unterhaltungszwecke, sondern auch für praktischere Anwendungen wie die Diktiermaschine und den Wassermotor nutzte.

Obwohl Elektrizität noch nicht in allen Haushalten verbreitet war, fand der Wassermotor als Antriebsmechanismus Verwendung. Edison musste sich an die Gegebenheiten der Zeit anpassen und die Technologie nutzbar machen, auch wenn sie noch nicht perfekt war.

 

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 Sensationell waren Edisons sprechende oder singende Puppen.

 

Die Idee der sprechenden oder singenden Puppen war eine sensationelle Innovation und führte zu einem erfolgreichen Markt für Edison. Jede Walze wurde von einem jungen Mädchen besprochen oder besungen, und es gab eine Auswahl von 12 verschiedenen Programmen. Es ist bemerkenswert, dass moderne sprechende Puppen und ähnliches Spielzeug heute noch existieren und sich nur geringfügig von den von Edison vor über 85 Jahren entwickelten Geräten unterscheiden.

Insgesamt zeigt die Geschichte des Phonographen die kontinuierliche Weiterentwicklung von Technologie und deren Anpassung an die Bedürfnisse und Interessen der Gesellschaft. Edison war ein Pionier auf diesem Gebiet und hat mit seinen Erfindungen die Grundlage für viele weitere Entwicklungen in der Tonaufzeichnung und -wiedergabe gelegt.

 

Die Fabriken von Menlo Park (an der Ostküste)

 

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 Puppenwerbung

 

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Puppe

 

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Bild

 

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Puppenfabrik

 

Im späten 19. Jahrhundert entwickelte Thomas Edison den Phonographen, eine bahnbrechende Erfindung zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Klängen. Die frühen Modelle waren noch recht simpel, bestehend aus kleinen Wachswalzen, die von Hand besprochen oder besungen wurden. Diese Technologie ermöglichte die Produktion von sprechenden Puppen, die damals große Begeisterung hervorriefen. Bis zu 500 solcher Puppen wurden täglich in einer Fabrik in West Orange hergestellt.

Edisons Laboratorien und Fabriken wuchsen im Laufe der Zeit beträchtlich, und West Orange wurde zum Zentrum seiner Innovationen. Dort wurden nicht nur die sprechenden Puppen hergestellt, sondern auch tausende von Phonographen und Walzen produziert, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Täglich verließen 6000 Phonographen und 80.000 Walzen die Fabrik, die zu einer der erfolgreichsten Technologie- und Unterhaltungsindustrien ihrer Zeit wurde.

Im Jahr 1972 hatte ich die Gelegenheit, die historischen Räumlichkeiten von Edison's Laboratorium in West Orange zu besichtigen. Die Begeisterung der Jugendlichen im Kinovorführraum zeigte, dass Edisons Erfindungen auch nach vielen Jahren noch faszinierend waren und ihr Erbe weiterlebte. Der Besuch gab mir einen Einblick in die beeindruckende Arbeit, die hinter diesen Innovationen steckte und wie Edison die Technik- und Unterhaltungslandschaft für immer veränderte.

 

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Das Bild zeigt Edisons Bücherei und Arbeitszimmer in "West Orange". Hinter seinem Schreibtisch hängt ein Gemälde, das auf einem Foto vom 10. Juli 1888 basiert. In diesem Raum kann man die Atmosphäre spüren, in der der große Erfinder seiner Zeit kreative Meisterwerke schuf. Die Bücherei ist gefüllt mit wertvollen Schriften und Referenzmaterialien, die Edison bei seinen Forschungen und Erfindungen unterstützten. Hier verbrachte er Stunden des Nachdenkens und des Studiums, um neue Ideen zu entwickeln. Der Schreibtisch, an dem Edison unzählige Stunden verbracht hat, ist ein Ort von historischer Bedeutung und symbolisiert seine Genialität und Hingabe an die Wissenschaft und Technik.

Bei meinem Besuch kann ich mich auf das beschränken, was normale Besucher nicht zu sehen bekommen. Ich habe das Privileg, mit Menschen zu sprechen, die den Erfinder persönlich gekannt haben. Die Werkstätten sind beeindruckend, und ich erkenne, wie viel Mechanik und Chemie in Edisons Entwicklungen involviert waren. Die Räume sind mit Bildern von Künstlern jener Zeit geschmückt, darunter auch eine Zeichnung, die Kaiser Wilhelm II bei einer Phonographenvorführung zeigt.

Besonders fasziniert mich der Raum, in dem die Aufnahmen für die Wachswalzenproduktion gemacht wurden. Überall stehen Trichter für verschiedene Arten von Aufnahmen herum, und ich staune darüber, wie die Schallschwingungen direkt über eine Membran den Schneidstichel ins Wachs trieben. Als ich mich an Edisons Schreibtisch mit seinem Diktiergerät setze, fühle ich eine Verbindung zu diesem großen Erfinder. Die Fabriken, in denen täglich Tausende von Phonographen und Walzen produziert wurden, sind Zeugnisse einer Ära, die sich in der Technologie- und Unterhaltungslandschaft für immer veränderte.

Mit der Einführung der Schallplatte mit Seitenschrift wurde die Ära der Wachswalzen und Tiefenschrift beendet. Die Forschungsstätte, die durch die Antriebskraft von Edison angetrieben wurde, konnte nicht weiter existieren, als diese Antriebskraft aufhörte. Es war das Ende eines Kapitels, aber die Erinnerung an Edison und seine bahnbrechenden Innovationen lebt in diesen historischen Räumen weiter.

 

Bild_47._In_den_Laboratorien_von_West_Orange_fanden_sich_Ecken_wie_diese_in_denen_Trichter_und_nochmals_Trichter_für_Walzenaufnahmen_herumstanden._Für_jede_Aufnahmeart_ein_spezieller_Trichter.png

 

Auf Bild sieht man einen Ausschnitt aus den Laboratorien von West Orange. In dieser Ecke sind zahlreiche Trichter zu sehen, die für die Walzenaufnahmen verwendet wurden. Jeder Trichter wurde speziell für eine bestimmte Aufnahmeart entworfen. Die Vielfalt der Trichter zeigt, wie sorgfältig Edison und sein Team die technischen Details der Aufnahmen erforschten und optimierten.

Die Trichter spielten eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Schallschwingungen in das Wachs. Jeder Trichter war darauf ausgelegt, die Schallsignale optimal auf die Membran zu übertragen, die dann den Schneidstichel bewegte und die Schwingungen in das Wachs ritzte. Die präzise Gestaltung der Trichter war von großer Bedeutung, um eine klare und qualitativ hochwertige Aufnahme zu erzielen. Diese Laboratorien waren das Herzstück von Edisons bahnbrechenden Arbeiten zur Schallaufzeichnung und demonstrieren seine fortwährende Suche nach Innovationen und Verbesserungen in der frühen Audiotechnik. Die Vielzahl der Trichter zeigt die faszinierende Detailarbeit, die in diesen Pionierjahren der Schallaufzeichnung geleistet wurde.

 

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Auf dem oberen Bild sieht man Walter Bruch, am Schreibtisch von Thomas Edison mit dessen Diktiergerät. Das Foto wurde bei einer Fernsehsendung aufgenommen, bei der Walter Bruch über die bahnbrechenden Entwicklungen von Thomas Edison in der Audiotechnik sprach. Der Schreibtisch von Thomas Edison, der im Hintergrund zu sehen ist, ist ein faszinierendes Zeugnis der Kreativität und Erfindungsgabe des berühmten Erfinders. Hier entstanden einige der bedeutendsten Ideen und Innovationen, die die Welt der Schallaufzeichnung und -wiedergabe revolutionierten.

Das Diktiergerät auf dem Schreibtisch war ein weiteres Beispiel für Edisons Innovationsgeist. Mit diesem Gerät konnte er seine Ideen, Gedanken und Erfindungen direkt aufzeichnen und später darauf zurückgreifen. Solche Diktiergeräte waren in ihrer Zeit revolutionär und trugen zur Effizienz und Produktivität von Edison und seinem Team bei.

 

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Auf dem Bild sehen wir Edison in seinem Laboratorium, wie er sich eine kurze Ruhepause auf einer improvisierten Liege gönnt. Später wurde in der Bücherei eine bequemere Liege aufgestellt, die heute den jugendlichen Besuchern als Museumsstück gezeigt wird. Diese Liege ist ein Zeugnis für die außergewöhnliche Arbeitsmoral und Hingabe, die Edison seinem Schaffen widmete. Während er unermüdlich an seinen Erfindungen arbeitete, nahm er sich ab und zu Zeit für kurze Pausen, um neue Kraft zu tanken. Seine unermüdliche Leidenschaft für die Forschung und die Entwicklungen in seinem Laboratorium sind ein bedeutender Teil seines Vermächtnisses als Pionier der Technologie.

Die bequeme Liege in der Bücherei erinnert die heutigen Jugendlichen daran, dass selbst das größte Genie Momente der Entspannung braucht und dass Erfolg und Fortschritt harte Arbeit und Einsatz erfordern. Edison bleibt ein Symbol für unermüdliche Entdeckung und Innovation, das auch zukünftige Generationen inspirieren wird. Die Zeit von einzelnen Universalgenies wie Edison, die mit ihrem außergewöhnlichen Talent die Technik vorantrieben, war zu Ende gegangen. Heutige Forscher benötigen eine umfangreiche Ausbildung und ein tiefes mathematisches Wissen, um avantgardistisch mitarbeiten zu können.

Obwohl Edison einer der größten Erfinder im Bereich der Elektrotechnik war, beherrschte er nicht einmal das grundlegende Ohmsche Gesetz, wie er in einem Patentprozess um die von Ohm erfundene hochohmige Glühlampe zugeben musste. Dennoch hatte er ein einzigartiges Gespür für technische Zusammenhänge - er war zweifellos ein Genie. Edison lebte nach dem Motto: "Genie ist Fleiß". Er drückte es in seiner eigenen Formulierung aus: "Erfindung bedeutet 1 Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration" - 1 Prozent für die Eingebung und dann 99 mal so viel harte Arbeit für die Vollendung und Verwirklichung der Erfindung.

Ein Besuch in seinem Laboratorium lässt einen das Ausmaß seiner Hingabe und Arbeitsmoral erahnen. Ein karges Bett, auf dem er sich gelegentlich eine Stunde ausruhte, während er tagelang im Laboratorium verbrachte, bis eine Herausforderung gemeistert war - wie etwa die 72-Stunden-Schicht bei der Vollendung des Phonographen. Mit vielen Informationen über die Frühgeschichte der Audiovision, die mich dazu inspiriert haben, diese Geschichte zu schreiben, verabschiede ich mich von meinen liebenswürdigen Führern durch die Laboratorien. Edison wird für immer als einer der größten Pioniere der Technologie in Erinnerung bleiben.

Am Ausgang des Museums in West Orange steht ein alter Amerikaner hinter einer Theke, umringt von neugierigen Jugendlichen, die kleine Büchlein und Poster über den großen Erfinder Edison kaufen möchten. Der alte Mann war einst einer der Mitarbeiter in Edisons Phonographenwerkstatt und ist nun selbst zu einem lebendigen Museumsstück geworden. Obwohl er den berühmten Erfinder kannte, lässt er sich nicht auf Gespräche ein und bleibt verschlossen. Vielleicht versteht er unser Englisch nicht oder ist müde von den vielen Fragen.

Zwei Jahre später kehre ich zurück, um Aufnahmen für eine Fernsehsendung zu machen, und der Mann ist in den Ruhestand gegangen. Vieles hat sich in West Orange verändert, aber die Erinnerungen an die Arbeitsstätten, in denen der Phonograph und unzählige Musikprogramme auf Walzen und Platten entstanden sind, bleiben lebendig. Die Räume werden nun zu einem Museum, und ich habe das Glück, sie in dem Zustand zu sehen, den der Erfinder und seine Nachfolger vor fast einem halben Jahrhundert hinterlassen haben.

Die Idee von der Platte als Tonträger nahm in Berliners Patent 1351 Gestalt an. Er entschied sich für eine plane Scheibe als Aufnahmematerial und berußtes Glas als Basis. Vor dem Aufbringen der Rußschicht ölte er die Oberfläche ein, um ein besseres Gleiten des Schreibstichels zu gewährleisten. Die glatte Platte ließ sich leichter für die Galvanoplastik fotografieren, und Berliner experimentierte weiter. Die von ihm hergestellten Platten waren vorführfähig, und er präsentierte sie stolz in einem überfüllten Saal beim Experimentalvortrag im Franklin-Institut in Philadelphia am 16. Mai 1888. Die Teilnehmer waren beeindruckt, als Werner Süß, einer von Berliners Mitarbeitern, eine Metallplatte auflegte, an einer Handkurbel drehte und laute Musik erklang. Das Publikum applaudierte begeistert.

 

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Erster Plattenspieler, mit dem E. Berliner am 16. Mai 1888 erstmals seine Metallschallplatten der Öffentlichkeit präsentierte. Dieser historische Moment markierte den Beginn einer neuen Ära in der Audiotechnologie.

 

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Dieses Modell aus dem Jahr 1890 war eine Weiterentwicklung des ersten Geräts und ermöglichte eine breitere Verbreitung der Schallplattentechnologie.

 

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Schalldose des Plattenspielers. Diese Schalldose war entscheidend für die Wiedergabe der auf den Metallschallplatten gespeicherten Töne und bildete das Herzstück des "Gramophones" von E. Berliner.

 

Mit dem von E. Berliner entwickelten Wiedergabegerät, dem "Gramophone", trat er am 16. Mai 1888 erstmals mit seinen Metallschallplatten in die Öffentlichkeit (Bild 63). Dieses Modell diente als Vorlage für das erste serienmäßig hergestellte Gerät (Bild 64). Die Schalldose (Bild 65) und der Trichter wurden erstmals nur von der Rille geführt, was durch die modulierte Tonspur im galvanoplastischen Prozess ermöglicht wurde.

Anders als der Phonograph von Bell und Tainter benötigte das "Gramophone" keinen zusätzlichen Vorschubmechanismus, da die Tonspur in Metall widerstandsfähiger gegen seitliche Belastung war. Dies machte es möglich, eine Vielzahl von Platten abzuspielen, ohne den Vorschub ständig anpassen zu müssen. Für die Premiere der Schallplatte hatte Berliner ein beeindruckend vielseitiges Programm zusammengestellt. Es wurden Bariton-Stücke, Cornet-Soli, Tenor-Bariton-Aufnahmen, Sopran-Darbietungen und Rezitationen präsentiert - ein echtes Unterhaltungsprogramm, das Berliners Ziel, das "Gramophone" als vielseitiges und unterhaltsames Gerät zu etablieren, verdeutlichte.

An dem Tag, als E. Berliner die auf fotogalvanoplastischem Weg hergestellten Platten vorführte, hatte er bereits eine neue Idee entwickelt, die diese Technologie in den Schatten stellen sollte. Noch bevor seine Präsentation stattfand, hatte er sein zweites Patent beim Patentamt in Washington eingereicht, um seine neueste Neuentwicklung zu schützen.

Diese neue Methode der Tonaufnahme vermied den aufwändigen Fotoprozess. Stattdessen nutzte Berliner seine Erfahrung im Druckgewerbe und adaptierte das Verfahren der Radierung auf die Schallplatte. Bei der Radierung wird eine ätzbare Metallplatte mit einer dünnen Wachsschicht überzogen, die vor dem Angriff von Säure schützt. Mit einer feinen Nadel wird die Zeichnung in das Wachs eingeritzt und das Metall an den freigelegten Stellen für den Säureangriff präpariert. Im Säurebad entsteht dann eine vertiefte Gravur im Metall, die die gewünschte Zeichnung ergibt. Berliner übertrug dieses Konzept auf die Herstellung seiner Schallplatten. Durch eine hin- und herschwingende "Nadel", die im Rhythmus der Tonschwingungen arbeitete, ließ er die Tonspur in eine rotierende Metallplatte "kratzen", die zuvor mit einer Wachsschicht versehen wurde. Diese innovative Methode ermöglichte eine präzisere und effizientere Aufnahme von Schall und bildete die Grundlage für den weiteren Erfolg seiner Schallplatten.

 

7. Die Platte entwickelt sich weiter

 

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Bild zeigt Berliners verbesserte Aufnahmeapparatur für die Herstellung seiner Schallplatten aus Zinkblech im Jahr 1888. Die Platte wurde zuerst in eine dünnflüssige Lösung von Wachs in Benzin getaucht, wodurch eine feine Wachsschicht auf der polierten Oberfläche des Zinkblechs zurückblieb, nachdem das Lösungsmittel verdunstet war.

Der Aufnahmeapparat bestand aus einem Plattenteller mit einem geschlossenen Blechrand, der einen flachen Becher bildete. Dieser Becher wurde mit einer Flüssigkeit gefüllt, einer Mischung aus Wasser und Alkohol. Der Schneidstichel, eine Nadel mit Platiniridiumspitze ähnlich einer Füllhalterspitze, hätte in Luft das weggekratzte Wachs in Klümpchen vor sich hergeschoben und somit das Schneiden einer gleichmäßig breiten Spur verhindert.

Durch die Rotation der Platte, die sich ausreichend unter der Flüssigkeitsoberfläche befand, wurde die Lösung so bewegt, dass die Wachsteilchen von der Schneidstelle weggeschwemmt wurden und sich an der Flüssigkeitsoberfläche sammelten. Dadurch wurde der Schneidvorgang nicht mehr behindert. Anschließend wurde die fertig geschnittene Platte in ein Ätzbad mit einer 3%igen Chromsäurelösung gegeben. Nach etwa zehn Minuten war eine Furche ausreichender Tiefe in die Metalloberfläche geätzt, und die abspielbare Schallplatte war fertiggestellt. Diese innovative Methode ermöglichte eine präzise und effiziente Herstellung von Schallplatten und legte den Grundstein für die Entwicklung der modernen Plattenspieler und Schallplattenindustrie.

 

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Die Entwicklung der Schallplatte ist das Ergebnis einer Reihe von Erfindungen und Ideen verschiedener Personen über mehrere Jahrzehnte hinweg. Um 1840 gab der Franzose Wertheim erste Anregungen, gefolgt von Leon Scott, der 1857 Sprache in Seitenschrift aufzeichnete. 1877 vereinigte Charles Cros die Ideen von Wertheim und Scott und entwickelte die Grundidee für eine Schallplatte über einen fotogalvanoplastischen Prozess.

 

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Emile Berliner führte die Ideen weiter und verbesserte die Aufnahmemethode für seine Schallplatten aus Zinkblech, die er 1888 erstmals der Öffentlichkeit vorführte. Jedoch stellte sich beim Abspielen der Zinkplatten das Problem des hohen Nebengeräuschs, da sich die Furchen schnell aufrauten. Berliner suchte nach Lösungen, darunter die Kopie der Aufnahmen auf einem glatteren Material und die Möglichkeit, viele Kopien über einen Kontaktkopierprozess herzustellen. Während dieser Zeit lieferte jede Aufnahme nur eine einzige Platte, und Berliners Absicht war es, Zentralstellen einzurichten, an denen jeder seine Stimme aufnehmen konnte, um sie dann den fernweilenden Angehörigen zukommen zu lassen. Die Entwicklung der Schallplatte war ein schrittweiser Prozess, bei dem verschiedene Erfinder und Entdecker ihre Ideen und Techniken beisteuerten, bis schließlich die Grundlage für das moderne Schallplattensystem geschaffen wurde.

 

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Nachdem Emile Berliner die Idee von Charles Cros aufgriff, begann er mit Experimenten und Verbesserungen, um die Schallplattentechnologie zu entwickeln. Er erkannte, dass die ursprünglichen Zinkplatten, wie sie von Cros vorgeschlagen wurden, nicht optimal für eine hochwertige Tonwiedergabe waren, da sie schnell abgenutzt wurden und ein hohes Nebengeräusch verursachten.

Berliner experimentierte mit verschiedenen Materialien und Beschichtungen für die Platten, um die Haltbarkeit und Klangqualität zu verbessern. Schließlich entschied er sich für eine Platte aus Zinkblech, die er mit einer dünnen Wachsschicht überzog. Durch dieses Verfahren konnte er die Tonspur präzise in das Wachs kratzen und eine klare und deutliche Wiedergabe erreichen. Zudem arbeitete Berliner daran, das Abspielen der Platten zu optimieren. Anfangs wurden die Platten mit vergleichsweise dicken Nadeln abgespielt, was jedoch zu einer schnellen Abnutzung der Rille führte. Berliner entwickelte eine Nadel mit einer verrundeten Kuppe, um die Rille zu schonen und das Abrauen zu minimieren.

Berliner verfolgte auch das Ziel, von jeder Aufnahme mehrere Kopien machen zu können, um eine breitere Verbreitung von Musik und Sprache zu ermöglichen. Er entwickelte den Kontaktkopierprozess, bei dem die aufgenommene Platte als Vorlage diente, um weitere Kopien auf glatteren Materialien herzustellen. Dadurch konnten mehr Menschen die Aufnahmen genießen, ohne dass die Qualität beeinträchtigt wurde.

 

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Die Entwicklung der Schallplatte ging weiter, und Emile Berliner war maßgeblich daran beteiligt, sie zu dem Massenmedium zu machen, das sie heute ist. 1888 führte er erstmals Platten aus Metall in Seitenschrift vor, die er selbst hergestellt hatte. Doch sein Durchbruch kam erst später, als er 1895 die ersten gepressten Schellackplatten auf den Markt brachte.

 

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Im Jahr 1884 gelang es Alexander Graham Bell und seinem Mitarbeiter Charles Sumner Tainter, die erste abspielbare Schallplatte aus festem Material herzustellen. Sie verwendeten eine Kombination aus Pappe und einer dünnen Wachsschicht als Aufnahme-Medium. Durch ihre Bemühungen konnten sie die Schallplatte erstmals erfolgreich abspielen.

 

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Drei Jahre später, 1887, erreichte Emile Berliner einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung der Schallplatte. Er stellte die ersten Platten aus Metall her, die in der sogenannten Seitenschrift graviert waren (oft auch als Berlinerschrift bezeichnet). Im Jahr 1888 präsentierte er seine bahnbrechende Erfindung der Welt. Berliner entwickelte daraufhin im selben Jahr die geätzte Zinkplatte, die eine Verbesserung gegenüber den vorherigen Aufnahmetechniken darstellte.

Der entscheidende Durchbruch erfolgte jedoch erst 1895, als Emile Berliner die ersten gepressten Schellackplatten auf den Markt brachte. Diese Schallplatten wurden in Serie hergestellt und konnten zu einem erschwinglichen Preis produziert werden. Damit wurde die Schallplatte als Massenprodukt verfügbar und begann ihren unaufhaltsamen Aufstieg als eines der beliebtesten Medien für Musik und Sprache.

Mit der Einführung der geprägten Schellackplatten erreichte die Entwicklung der Schallplatte in dieser ersten Phase einen entscheidenden Höhepunkt. Die Technologie wurde weiter verfeinert, und die Schallplatte etablierte sich als fester Bestandteil des Musikmarktes und als ein Medium, das die Kultur und Unterhaltung für Generationen prägte.

Berliner erkannte das Potenzial von Schellack, einer mit Schellack gebundenen Masse, die bereits von der Bell Gesellschaft für die Herstellung von Ohrmuscheln für Telefone verwendet wurde. Er passte diese Masse für die Herstellung von Schallplatten an und stellte fest, dass sie unter hohem Druck gut zu Platten gepresst werden konnte. Ein großer Vorteil des Schellacks war, dass er während des Pressvorgangs an die Oberfläche trat und eine glatte, "lackierte" Oberfläche erzeugte. Dadurch glitt die Nadel leicht über die Platte, ohne störende Geräusche zu verursachen.

Ab 1897 konnte Berliner mit dieser Methode hochwertige Platten in Serie herstellen, die eine klare und präzise Tonwiedergabe ermöglichten. Die Schellackplatten wurden zu einem großen Erfolg und setzten den Siegeszug der Schallplatte als populäres Medium für Musik und Sprache fort.

Obwohl Berliner nicht der alleinige Erfinder der Schallplatte war, hatte er den Entwicklungsgang entscheidend vorangetrieben. Er brachte die Schallplatte als Massenprodukt auf den Markt und revolutionierte damit die Art und Weise, wie Menschen Musik und Informationen konsumierten. Emile Berliner wurde zu Recht als Vater der Schallplatte gefeiert und hinterließ der Welt ein kulturelles Erbe, das bis heute lebendig ist. Die Schallplatte bleibt ein symbolträchtiges Medium für die Musikindustrie und ein faszinierendes Stück Geschichte der Tonwiedergabe.

Die Schellack Pressmasse, die bis etwa vor 20 Jahren verwendet wurde, bestand aus einer speziellen Mischung von feingemahlenen Mineralien wie Schwerspat und Schiefermehl. Diese Mineralien wurden mit Ruß vermischt, der für die Schwärzung der Platten sorgte, und Schellack diente als Bindemittel. Jeder Hersteller behielt die genaue Zusammensetzung als streng gehütetes Geheimnis. Der Ruß war entscheidend, um die Platten optisch ansprechend und scheckenfrei zu gestalten und somit den Verkauf zu fördern.

Schellack wurde vor der Zeit der Kunststoffe für die Herstellung vieler Lacke verwendet und stammte ursprünglich aus Indien. Es wurde aus einem Insektenstich auf den Zweigen gewonnen, ähnlich wie Galläpfel an Eichenblättern. Die Schellack Pressmasse musste eine bestimmte Konsistenz haben, damit sie die feinen Rillen der Negativmatrize perfekt abbilden konnte.

Die Schellackplatten waren jedoch zerbrechlich im Vergleich zu den heutigen Vinylplatten aus Kunststoff. Eine saubere Abhebung der Matrize war wichtig, damit keine Rückstände in den Rillen verblieben. Die fertigen Platten mussten eine möglichst harte Oberfläche haben, um nicht schnell abgenutzt zu werden, und gleichzeitig eine glatte Oberfläche, damit die Nadel reibungslos durch die Rille gleiten konnte.

Die ersten Schellackplatten hatten einen Durchmesser von 5 Zoll (etwa 12,5 cm) und waren einseitig bespielt. Damals war der Schallplattenspieler noch ein vornehmes Spielzeug, und das Abspielen erforderte das manuelle Drehen der Platte mit einer bestimmten Geschwindigkeit, in der Regel etwa 70 Umdrehungen pro Minute.

Die Geschichte des Grammophons nahm eine entscheidende Wendung, als Emile Berliner Eldridge R. Johnson traf, den Besitzer einer kleinen Werkstatt in Camden. Johnson brachte sein technisches Know-how und seine Geschäftstüchtigkeit ein und entwickelte einen leisen Federwerksmotor für Berliners Geräte. Ab etwa 1898 begann Johnson mit eigenen Entwicklungen und widmete sich dem Problem des Rauschens, das von den Zinkplatten als Master stammte. Er führte das Schneiden der Platten in Wachs ein, um das Rauschen zu reduzieren, und lernte von Edison, wie man aus einem Wachsmaster ein Metallnegativ herstellt. Ab 1902 wurden die Platten in Wachs geschnitten.

Johnson gründete 1900 seine eigene Firma, die später in "Victor Talking Machine Company" umbenannt und schließlich von der RCA übernommen wurde. Er war maßgeblich daran beteiligt, der Schallplatte in Amerika zum Durchbruch zu verhelfen. Die Firma trägt heute den Namen RCA-Victor. Obwohl Berliner ein Pionier der Schallplatte war, hatte er im Geschäftlichen Schwierigkeiten, und Johnson übernahm mit seinen Entwicklungen die Führung. Andere europäische Firmen werden gelegentlich erwähnt, da sie den technischen Fortschritt beeinflussten. Ein Patent über das Schneiden der Berlinerplatten in Wachs wird noch weiter erläutert.

 

Gründungen 

Emile Berliner unternahm 1889 eine Europareise, um sein Grammophon vorzuführen und bekannt zu machen. Einer seiner bedeutendsten Demonstrationsvorträge fand am 26. November 1889 vor dem Elektrotechnischen Verein in Berlin statt. Dort traf er auch den deutschen Erfinder Werner von Siemens.

 

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Damals ahnten die beiden Pioniere wohl nicht, dass 50 Jahre später die Firma Siemens von der Telefunken Gesellschaft die Deutsche Grammophon Gesellschaft übernehmen würde, die einst von Emile Berliner gegründet wurde. Die Deutsche Grammophon Gesellschaft wurde zur berühmtesten deutschen Schallplattenfirma und spielte eine bedeutende Rolle in der Musikgeschichte Europas.

Emile Berliners Europareise trug dazu bei, das Grammophon und die Schallplatte in Europa bekannt zu machen und die Technologie weiter zu verbreiten. Sein Beitrag zur Musikindustrie und sein Einfluss auf die Entwicklung des Massenmediums Schallplatte sind bis heute unvergessen. Die Übernahme der Deutschen Grammophon Gesellschaft durch Siemens war ein weiterer wichtiger Schritt in der Geschichte der Schallplattenproduktion und des Musikmarktes in Europa.

 

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Die Vorführung des Grammophons am 5. Januar 1890 im Foyer des Belle-Alliance-Theaters in Berlin wurde von einer Anzahl geladener Gäste besucht. Die Vossische Zeitung berichtete über die Demonstration und hob hervor, dass das Grammophon dem Edison'schen Phonographen den Rang streitig macht und große Konkurrenz für diesen darstellen wird.

Das Grammophon zeigte bereits beachtliche Leistungen und war in der Lage, sowohl die menschliche Stimme als auch Musik gut und getreu wiederzugeben, wenn auch mit einigen störenden Nebengeräuschen. Besonders beeindruckend war die Wiedergabe mehrstimmiger Musikstücke, bei denen die Klangfarben der einzelnen Instrumente und Stimmen nahezu tadellos zum Ausdruck kamen. Ein besonderes Highlight war die Schalltrichtervorrichtung des Grammophons, die die Töne so verstärkte, dass sie von einer größeren Anzahl von Menschen gleichzeitig gehört werden konnten. Diese Vorrichtung erwies sich als besser gelungen als die von Edison angewandte Methode.

Obwohl das Grammophon bereits vielversprechende Ergebnisse zeigte, fehlte noch eine geeignete Methode zur Vervielfältigung der Platten, um das Gerät marktreif zu machen. Eine Spielzeugfirma in Thüringen, der Berliner eine Lizenz zur Herstellung von Spielzeug-Grammophonen gegeben hatte, musste die Produktion nach zwei Jahren einstellen, da sie Platten aus Celluloid herstellten, die sich als unzureichend erwiesen. Erst sieben Jahre später, als Berliner Schellackplatten pressen konnte und die Aversion gegen die Musikmaschine in England abgemildert wurde, war die Zeit reif für die Einführung der Schallplatte in Europa, und sie sollte eine bahnbrechende Entwicklung in der Musikindustrie einläuten.

 

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Die Gründung der Gramophone Company in London im Jahr 1897 markierte den Beginn eines bedeutenden Unternehmens, das später unter dem Namen EMI (Electrical and Musical Industries) zu einem riesigen Konzern heranwuchs. Im Juli 1898 wurden die Brüder William und Frederick (Fred) Gaisberg von Emile Berliner nach London entsandt, um mit der Aufnahmeapparatur weltbekannte Künstler für Schallplattenaufnahmen zu gewinnen.

Obwohl Berliner die Platten nicht in England pressen ließ, sondern sich für die Produktion in Hannover entschied, war die Zusammenarbeit dennoch erfolgreich. Am 6. Dezember 1898, genau 21 Jahre nach Edisons erster Vorführung der Sprechmaschine, wurde die erste europäische Schallplattenfabrik in Hannover unter dem Namen "Deutsche Grammophon Gesellschaft" gegründet.

 

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Die Fabrik in Hannover begann ihre Arbeitsteilung mit der Herstellung der Platten aus den in England auf Zinkplatten aufgenommenen und geätzten Mastern. Emile Berliner entsandte seinen Neffen Joseph Sanders mit vier hydraulischen Pressen nach Hannover, und schon 1899 konnte die Produktion in der kleinen Telefonfabrik von Joseph Berliner in der Kniestraße beginnen.

Mit den hydraulischen Pressen konnten bis zu zehn Platten pro Stunde hergestellt werden. Die Deutsche Grammophon Gesellschaft entwickelte sich rasch zu einem bedeutenden Akteur in der Schallplattenindustrie und trug wesentlich zur Verbreitung der Schallplatte als Massenmedium bei.

 

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Bild 77 

 

Bild 77 zeigt die bescheidene Anfänge der ersten europäischen Plattenpresserei der Deutschen Grammophon Gesellschaft im Jahr 1898. Die Produktion begann in einer Ecke der Telefonfabrik von Joseph Berliner, der zweite von rechts auf dem Bild.

 

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Bild 78

 

Bild 78 zeigt eine Aufnahme in der Kniestraße in Hannover, wo die ersten hydraulischen Pressen betriebsfähig angeschlossen sind. Links im Bild sieht man die vier ersten Pressen, und rechts wurde eine weitere Presse hinzugefügt, um die Produktion zu erweitern.

 

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Bild 79

 

Bild 79 zeigt die gesamte Belegschaft der Deutschen Grammophon Gesellschaft im Gründungsjahr 1898. Das Unternehmen begann mit einer kleinen und engagierten Gruppe von Mitarbeitern, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Schallplattenindustrie leisteten und dazu beitrugen, dass die Schallplatte zu einem weit verbreiteten Massenmedium wurde.

 

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Bild 80

 

Bild 80 zeigt die Rückseite der einseitig bespielten Kino-Platten. Diese Platten waren nur auf einer Seite mit Musik bespielt und auf der anderen Seite meistens mit Werbung für Kinos oder anderen Unterhaltungseinrichtungen versehen.

 

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Bild 81

 

Bild 81 zeigt eine frühe Aufnahme ohne Papieretiketten. Stattdessen wurden Titel und Künstlername von Hand in die Platte eingeritzt. Es zeigt auch das Markenzeichen von Emil Berliner, einschließlich eines schreibenden Engels, das in die Platte eingestempelt wurde.

 

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Bild 82

 

Bild 82 zeigt eine der ersten Platten mit einem Papieretikett. Mit der Einführung von Papieretiketten wurde es einfacher, Informationen über den Inhalt der Platte, wie Titel und Künstler, zu vermitteln. Dies ermöglichte eine bessere Organisation und Kennzeichnung der Schallplatten, was die Nutzung und den Verkauf vereinfachte.

Emile Berliner und seine Deutsche Grammophon Gesellschaft waren maßgeblich an der Entwicklung der Schallplatte beteiligt, aber nach der Gründung der großen Schallplattengesellschaften übernahmen andere die Weiterentwicklung. Trotz des Erfolgs der Deutschen Grammophon Gesellschaft blieb Emile Berliner selbst vergleichsweise arm. Im Gegensatz zu Thomas Edison, der sein ganzes Leben lang mit seinem Phonographen und seinen Schallplatten verbunden blieb, wandte sich Berliners Interesse anderen Problemen zu.

Sein Bruder Joseph Berliner dagegen war ein erfolgreicher Unternehmer und hat seine Telefonfabrik zu einer Weltfirma ausgebaut. Er gründete die Deutsche Grammophon Gesellschaft und hatte ein beträchtliches Vermögen sowie ein hohes Jahreseinkommen. Die Brüder Emile und Joseph Berliner waren also in ihrer Lebensweise und ihren unternehmerischen Erfolgen sehr unterschiedlich. In den 1890er Jahren standen die Erfindungen des Phonographen und des Grammophons vor der Herausforderung, das breite Publikum an das neue Medium der Musikaufzeichnung heranzuführen. Obwohl Emile Berliner von Anfang an die Vision hatte, mit seinem Grammophon gespeicherte Musik überall verfügbar zu machen, waren seine ersten Geräte technisch noch nicht ausgereift und wurden eher als Spielzeuge betrachtet.

Die ersten kleinen Geräte, hergestellt von der Thüringer Firma Kämmerer und Reinhard, verwendeten Zelluloidplättchen von nur 7,5 cm Durchmesser und wurden nicht mehr als bessere Spielzeuge angesehen. Ähnlich verhielt es sich mit den anderen zwei in Amerika produzierten Spielern, die mehr oder weniger als physikalische Demonstrationsmodelle betrachtet wurden. Ein geübter Bediener war nötig, um bei der Vorführung ein akzeptables Klangergebnis zu erzielen und unerwünschtes Störgeräusch zu vermeiden. Die ersten Platten, die aus dem geätzten Zinkmaster hergestellt wurden, wiesen zudem ein viel stärkeres Störgeräusch auf als die in Wachs geschnittenen Walzen von Edison.

Obwohl die technischen Herausforderungen und Einschränkungen zunächst noch bestanden, sollte sich das Grammophon und die Schallplatte in den kommenden Jahren dennoch zu einem bedeutenden und beliebten Medium für die Musikspeicherung entwickeln.

 

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Bild 83

 

Bild 83 zeigt eine Vorführung von Berliners Grammophon im Jahr 1891. Das Grammophon, das sich als eine geniale und eigenständige Nebenerfindung neben Edisons Phonographen entwickelt hat, zieht stets andächtige Zuhörer an. Der Apparat ist gut sichtbar aufgestellt, und auf dem Tisch daneben liegen einige Schallplatten bereit.

Während die Menschen gespannt zuhören, zeigt sich die Begeisterung und Neugierde für dieses neue Medium der Musikaufzeichnung. Obwohl das Grammophon bekanntermaßen laut spricht, ist es dennoch faszinierend zu sehen und zu hören, wie Musik durch die Wiedergabe von Schallplatten reproduziert wird.

Die Leipziger Illustrierte hat diesen besonderen Moment festgehalten und veranschaulicht die frühe Begeisterung und das Interesse der Öffentlichkeit für die neue Erfindung. Es ist ein bedeutender Schritt in der Geschichte der Schallplatte, die sich von einem experimentellen Konzept zu einem Medium entwickelt hat, das schließlich weltweit die Musikindustrie revolutionieren würde.

 

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Bild 84

 

Bild 84 zeigt Edisons Musikautomat mit Hörschläuchen aus den 1890er Jahren. In dieser Zeit wurden die Schallplatten noch nicht in Wachs geschnitten, und die Plattenspieler waren noch nicht vollständig durchkonstruiert. Erst um die Jahrhundertwende wurden die Platten auch in Wachs geschnitten, und dann stand der durchdachte Plattenspieler mit Eldridge R. Johnsons Federwerk zur Verfügung.

Obwohl Edison seinen Phonographen ursprünglich als Diktiergerät entwickelt hatte und sich eher für die Sammlung von Stimmen großer Persönlichkeiten interessierte, erkannte er schließlich das Potenzial der Musikmaschine. Bereits 1890 hatte sein Gerät die Voraussetzungen für eine gute Musikwiedergabe.

Allerdings stand Edison vor der Herausforderung, das neue Medium erfolgreich auf dem Markt einzuführen. Er wusste, dass ein Konsumgerät dieser Art nur erfolgreich sein kann, wenn sowohl ausreichend "Hardware" (die Spieler) als auch reichlich "Software" (die Schallplatten) zur Verfügung stehen.

 

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Bild 85

 

Ein Vergleich mit der Telefunken TED Bildplatte, die in den 1970er Jahren als neues Medium gestartet wurde, verdeutlicht die Bedeutung der "Software". Die TED Bildplatte scheiterte größtenteils daran, dass es keine ausreichende Auswahl an attraktiven Inhalten (Platten) gab.

Ähnlich stand Edison vor der Herausforderung, genügend Originalaufnahmen und Kopien für seine Spieler bereitzustellen. Die Fabrikation der Spieler musste ebenfalls schrittweise gesteigert werden. Es war ein Prozess, der Zeit und Anstrengung erforderte, um das Medium der Schallplatte letztendlich erfolgreich zu etablieren.

 

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Bild 86. „Salon" mit einer „Straße" von Musikautomaten

 

In Amerika wurden die ersten Musikautomaten als "Jukebox", "Coin in the Slot" oder "Nickel in the Slot" bezeichnet, während der Berliner sie als "Groschenautomaten" bezeichnen würde. Diese Automaten waren jeweils für das Abspielen einer einzigen Walze vorgesehen. Um ein anderes Musikstück zu hören, musste man sich an einen anderen Automaten begeben. Ähnlich wie moderne Glücksspielautomaten in Spielkasinos wurden sie in speziellen "Salons" oder in einer Art von Straße nebeneinander aufgestellt.

Die Musik konnte man über Hörschläuche hören, die sich als äußerst praktisch erwiesen, da sie es dem Zuhörer ermöglichten, Musik ohne Störung der Nachbarn zu genießen. Ein Vergleich wurde gezogen zu modernen Überseeflugzeugen, in denen Passagiere Stereomusik über Kopfhörer hören können, ohne ihre Sitznachbarn zu stören. In der damaligen Zeit wurden die Hörschläuche vor jedem Gebrauch entsprechend den heutigen Hygieneansprüchen desinfiziert.

 

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Bild 87. Werkstätte in West Orange (1890)

 

Die Fabrik in West Orange, USA, entwickelte sich nach und nach zu einer bedeutenden Produktionsstätte für diese Musikautomaten. Bereits im ersten Jahr der Einführung der Musikautomaten im Jahr 1890 wurden beeindruckende 1449 dieser Automaten aufgestellt. Der Aufstieg der Jukeboxen und die Möglichkeit, Musik automatisiert in öffentlichen Räumen zu hören, legten den Grundstein für das weitere Wachstum und die Akzeptanz von Schallplatten und Musikautomaten als Teil des alltäglichen Lebens.

Die beeindruckenden Einnahmen aus den Musikautomaten ermöglichten den Ausbau der Fertigungseinrichtungen für Heimgeräte und die Produktion neuer Musikwalzen. Da die Musikwalzen jedoch einem großen Verschleiß ausgesetzt waren, waren die Ingenieure gezwungen, effizientere Vervielfältigungsmethoden für die Walzen zu entwickeln.

Um sicherzustellen, dass die Musikwalzen von ausreichender Qualität und ansprechend waren, um den Wert eines Nickels zu rechtfertigen, mussten die Musikaufnahmen sorgfältig gemacht werden. Auf diese Weise wirkten die Musikautomaten stimulierend für die Weiterentwicklung des Mediums Tonträger. Die Idee, mehrere wählbare Musikstücke auf einem Automaten anzubieten, wurde zum Prototyp für moderne Musikautomaten, bei denen man aus einer großen Auswahl von Schallplatten wählen kann, indem man eine Münze einwirft. Dies wurde zu einem globalen Millionengeschäft.

Die Musikautomaten waren somit ein wichtiger Treiber für die Weiterentwicklung und Popularisierung von Tonträgern und ermöglichten den Menschen, Musik auf einfache und zugängliche Weise zu genießen. Mit der Zeit entwickelten sich die Schallplatten zu einem dominierenden Medium für die Musikwiedergabe und spielten eine bedeutende Rolle in der Musikindustrie und im täglichen Leben der Menschen.

 

8. Aufkommen der Walzenautomaten

 

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Bild 88

 

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Bild 89

 

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Bild 90

 

1906 brachten die ersten Walzenautomaten mit fünf wählbaren Walzen eine neue Dimension der Musikwiedergabe. Diese Automaten ermöglichten es den Menschen, aus einer Auswahl von verschiedenen Musikwalzen auszuwählen und somit eine größere Vielfalt an Musikstücken zu genießen. Ein Beispiel für einen solchen Automaten war der "Multiphon-Automat" von 1896, der bereits fünf anwählbare Walzen bot.

Ein besonders beeindruckendes Exemplar aus dieser Zeit ist ein 24-Walzen-Apparat, der in der "Smithsonian Institution" in Washington zu finden ist. Dieser Musikautomat im Stil der "Belle Epoque" wurde sogar in Wohnräumen aufgestellt und ermöglichte den Menschen ein erweitertes Musikerlebnis (Bild 88).

Diese fortschrittlichen Automaten trugen weiterhin dazu bei, die Beliebtheit von Tonträgern zu steigern und die Musikerfahrung für die Menschen zugänglicher und vielfältiger zu gestalten. Die Technologie und das Angebot an Musikautomaten entwickelten sich weiter, und in den folgenden Jahrzehnten wurden immer raffiniertere und umfangreichere Musikautomaten entwickelt, die schließlich in den modernen Musikboxen gipfelten, die wir heute kennen. Die Musikautomaten waren somit ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte der Musikwiedergabe und ein Wegbereiter für die Entwicklung der modernen Unterhaltungselektronik.

 

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Bild 91

 

Der Übergang von Hörschläuchen zu Schalltrichtern war ein bedeutender Schritt in der Entwicklung der Musikautomaten. Die Einführung von Schalltrichtern ermöglichte es den Menschen, sich in Gruppen zu amüsieren und gemeinsam Musik zu hören. Die Schalltrichter wurden an den Musikautomaten angebracht und verstärkten die Musik, so dass mehrere Personen gleichzeitig hören konnten, ohne dass jeder einen eigenen Hörschlauch benötigte. Dies führte zu einem sozialeren Musikerlebnis und trug zur steigenden Beliebtheit von Musikautomaten bei.

Thomas Edison hatte bereits frühzeitig Musikautomaten mit Schalltrichtern hergestellt, die vor allem in Gaststätten und öffentlichen Orten beliebt waren (Bild 91). Diese Automaten erzeugten eine laute und klare Musikwiedergabe, die das Publikum ansprach und zum Tanzen und Vergnügen einlud.

 

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Bild 92

 

Das "Regina Hexaphon" (Bild 92) war ein Spitzengerät eines anderen Herstellers und wurde um 1908 mit sechs Langspielwalzen von je vier Minuten Spieldauer eingeführt. Dieser Musikautomat war in amerikanischen Tanzsalons bis in die 1920er Jahre weit verbreitet und sorgte für eine lebendige und unterhaltsame Atmosphäre in diesen Lokalen.

 

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Bild 93

 

Die Einführung von Schalltrichtern und Plattenapparaten markierte eine wichtige Phase in der Entwicklung der Musikautomaten und trug dazu bei, dass sie zu einem festen Bestandteil des öffentlichen und privaten Unterhaltungslebens wurden. Die Technologie und das Angebot an Musikautomaten entwickelten sich weiter, und die Menschen konnten nun eine Vielzahl von Musikstücken genießen, was zu einer gesteigerten Nachfrage nach solchen Geräten führte.

Die Schallplatte hatte in der Entwicklung der Musikspeichermedien einen bedeutenden Fortschritt gemacht, und ihre Qualität hatte die der Walze erreicht und sogar übertroffen. Schallplatten konnten lauter abgespielt werden und boten eine breitere Auswahl an Musikstücken. Dies führte dazu, dass auch die Schallplattenhersteller an den Erfolg der Musikautomaten teilhaben wollten und eigene Plattenmünzautomaten auf den Markt brachten, insbesondere in Deutschland. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das in Bild 91 gezeigte Gerät aus dem Jahr 1906. Die Schallplattenmünzautomaten ermöglichten es den Menschen, gegen eine Münzeinwurf eine Platte auszuwählen und abzuspielen. Diese Automaten wurden in öffentlichen Orten wie Gaststätten, Tanzsälen und anderen Unterhaltungsstätten aufgestellt, um den Menschen eine unterhaltsame musikalische Erfahrung zu bieten.

Zu dieser Zeit war das Medium Musikspeicher bereits gut bekannt, und die Massenproduktion von Schallplattenspielern, Platten und Walzen war etabliert. Musikautomaten, sei es mit Walzen oder Schallplatten, waren zu allgemeinen Unterhaltungsgeräten geworden und erfreuten sich großer Beliebtheit. Die Einführung von Schallplattenmünzautomaten markierte einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Musikautomaten und trug dazu bei, dass diese Geräte noch stärker in den Alltag der Menschen integriert wurden. Mit der steigenden Nachfrage nach Musikautomaten und einer breiteren Verfügbarkeit von Musikstücken wurde das Musikhören zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung für Menschen jeden Alters.

 

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Bild 94

 

Bild 94 zeigt die Aufnahmetechnik für die frühen Sprachaufnahmen im Jahr 1877. Damals wurde die Schallenergie direkt vom Schallfeld über ein Mundstück an ein Rohr angekoppelt, das wiederum mit einer beweglichen Membran verbunden war, die den Schreibstichel für die Tonaufzeichnung bewegte. Durch diese direkte Kopplung konnte die Sprachenergie weitgehend verlustfrei zur Membran übertragen werden. Ursprünglich wurde diese Technik für Sprachaufnahmen verwendet. Das Mundstück wurde fest an das Rohr angekoppelt, und die Schallenergie wurde durch das Rohr zur Membran geleitet, um die Töne auf einer Walze oder Platte aufzuzeichnen.

Später, als auch Gesangs- und Musikaufnahmen gefragt wurden, musste auf die feste Kopplung zwischen Schallquelle und Membran verzichtet werden. Stattdessen wurde ein Trichter verwendet, der die erzeugte Schallenergie sammelte und auf die Membran zuführte. Dieser Trichter wurde oft als "Aufnahmetrichter" bezeichnet und war eine vergrößerte Version eines Hörrohrs, wie es Großvater möglicherweise benutzt hatte. Das verjüngte Ende des Trichters war mit der Membran verbunden, die den Schreibstichel für die Tonaufzeichnung bewegte.

Diese Aufnahmetechnik ermöglichte die Entwicklung der frühen Phonographen und Grammophone und legte den Grundstein für die Tonaufzeichnungstechnologien, die wir heute kennen. Es war ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Tonaufzeichnung und ein Meilenstein auf dem Weg zu den modernen Tonträgern und Abspielgeräten.

 

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Bild 95

 

Bild 95 zeigt Enrico Caruso (1873-1921), einen weltberühmten Tenor und Pressezeichner. Für viele Gesangsstars, die von Publikumsbeifall verwöhnt waren, war es nicht einfach, sich dazu zu überwinden, in die dunkle Öffnung des Trichters zu singen, ohne zu sehen, was dahinter vor sich ging.

Eine eigene Berufsgruppe, die als Musikmanager bezeichnet werden kann, entstand, um die Künstler zu überreden, vor den Trichter zu treten und ihre Gesangsaufnahmen zu machen. Männer wie Fred Gaisberg wurden bekannt dafür, dass sie Künstler wie Caruso oder Feodor Chaliapin ermutigten, erstmals vor den Trichter zu treten und ihre Stimmen aufzuzeichnen. Diese Musikmanager hatten genügend Erfahrung in der Aufnahmetechnik und konnten dafür sorgen, dass die Debütaufnahmen der Künstler zum Erfolg führten. Fred Gaisberg war besonders bekannt dafür, dass er der einzige Mensch war, der den temperamentvollen und nervösen Bassbariton Feodor Chaliapin vor dem Trichter im Zaum halten konnte. Chaliapin war berüchtigt dafür, ungeduldig zu sein und wie ein brüllender Stier zu reagieren, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen lief. Doch Gaisberg gelang es, ihn zu beruhigen und erfolgreiche Aufnahmen mit ihm zu machen. Die Arbeit dieser Musikmanager war entscheidend für die Aufnahmekarrieren vieler Gesangsstars, die später durch ihre Schallplattenaufnahmen weltweit bekannt wurden und einen großen Einfluss auf die Geschichte der Musikindustrie hatten.

 

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Bild 96

 

Bild 96 zeigt eine Konstruktion von Edison, bei der Phonographenwalzen über ein mechanisches Hebelwerk umgespielt werden. Ab 1890 wurde eine große Anzahl von Musikwalzen benötigt, sowohl für die aufgestellten Automaten mit ihrem hohen Verschleiß als auch für die ersten Heimgeräte. Zu dieser Zeit war es noch nicht möglich, von den aufgenommenen Originalen Abgüsse zu machen. Anfangs musste jede in einen Wiedergabeapparat eingesetzte Walze als Einzelstück aufgenommen werden. Später begann man, die Mutterwalzen umzuspielen, aber von der weichen Wachswalze waren nur 20 bis maximal 100 Kopien möglich, wobei die Qualität von Kopie zu Kopie nachließ.

Das Umspielen erfolgte, indem der Stift, der das Original abspielte, über ein Hebelwerk mit einem Schreibstichel verbunden wurde, der das Profil der Mutterwalze in die Tochterwalze übertrug. Auf diese Weise konnten Kopien der Originalwalzen hergestellt werden, aber die Begrenzung der Qualität und Haltbarkeit der Wachswalzen machte die Massenproduktion und Verbreitung von Musikstücken zu dieser Zeit noch schwierig. Erst mit der Entwicklung der Schellackplatten als robustes und langlebiges Medium wurden die Herausforderungen der Massenproduktion von Musikaufnahmen überwunden.

 

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Bild 97

 

Die Firma Pathe in Frankreich, die später in die Schallplattenproduktion einstieg, nutzte zunächst ebenfalls Walzen, aber mit vergrößertem Durchmesser. Sie verwendeten ein dem Panthographen nachgebildetes Hebelsystem zur Einstellung des gewünschten Schneidehubs auf den verkleinerten Tochterwalzen. Dennoch benötigten sie immer noch viele Originalaufnahmen. Um diese zu bekommen, ließ man Sänger vor fünf bis sechs gleichzeitig laufenden Phonographen singen, um mehrere Aufnahmen gleichzeitig zu machen. Es erforderte Übung, bis brauchbare Aufnahmen entstanden (Bild 97).

 

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Bild 98

 

Bei Blasorchestern, insbesondere bei Militärkapellen, wurden sogar zehn bis 20 Phonographen rund um das Orchester aufgestellt, um gleichzeitig Aufnahmen zu machen. Nach jeder Aufnahme wurden die Geräte mit neuen leeren Walzen bestückt und aufnahmebereit gemacht. Ein Sprecher ging dann von Gerät zu Gerät, startete sie kurz und gab eine Ankündigung des folgenden Musikstücks, bevor sie gleichzeitig mit der Musik gestartet wurden (Bild 98). Solche Massenaufnahmen von beliebten Musikstücken wurden stundenlang hintereinander wiederholt, um eine ausreichende Tagesproduktion von Walzen zu erreichen.

Die ersten Musikmanager der Schallplatte, wie Fred Gaisberg und Joe Batten, waren zuerst als Pianisten für Walzenaufnahmen tätig. Gaisberg wurde bereits als "Professor Gaisberg" auf Walzen angekündigt, als er noch Musikschüler war. Mit seinen gesammelten Erfahrungen bei den Walzenaufnahmen kam er schließlich zu Emile Berliner, der ihn später nach Europa schickte, um Plattenaufnahmen durchzuführen.

Joe Batten, der ebenfalls von der Walzenaufnahme zur Schallplattenaufnahme wechselte, beschrieb seinen Einstand als Pianist bei einer Walzenaufnahme in seiner Autobiographie sehr anschaulich: An einem schwülen Morgen im September 1900 begab ich mich nach Hatton Garden in London. Dort befand sich zwischen schäbigen Büros eine Tür mit dem Namensschild "The Musiphone Company, Recording Room" - Musiphone änderte später den Namen und wurde zur weltbekannten Odeon-Gesellschaft. Das Büro, in das ich eintrat, diente zugleich als Aufnahmeraum. Heute würde man es vielleicht als Aufnahmestudio bezeichnen, aber damals hatten die Aufnahmegesellschaften noch nicht diese künstlerische Bedeutung erreicht, die eine solche Bezeichnung nahelegen würde.

Ein Amerikaner namens Dan Smoot wies mich in meine Arbeit ein. Als ich mich im Raum, der das Milieu meiner zukünftigen Tätigkeit darstellte, umsah, war ich bestürzt. Ein Großteil des Raumes wurde von einem hohen Podest eingenommen, auf das man ein Klavier so hochgestellt hatte, dass seine Saiten genau in die Höhe des Aufzeichnungstrichters kamen. Die Höhe des Trichters wurde wiederum durch die Größe der Sänger bestimmt. Die Vorder- und Hinterwandverkleidung des Klaviers waren entfernt, nur die Tastatur und das schallerzeugende System waren übrig geblieben, so dass der Klang ohne Behinderung den gegenüberliegenden Trichter erreichen konnte...

 

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Bild 99

 

Joe Batten beschreibt in seiner Autobiographie seine Erfahrung als Pianist bei einer Walzenaufnahme in einer phantastischen Anordnung:

Ich musste vier hohe hölzerne Stufen hinaufklettern und saß dann am Klavier, wobei mein Kopf nur wenig unter der Decke war. Der Sänger stand vor der dunklen Öffnung des Aufnahmetrichters, die etwa 13 cm im Durchmesser hatte, und ich konnte ihn nicht sehen. Mein Einsatz wurde mir durch Handzeichen von einer Person gegeben, die nicht an der Aufnahme beteiligt war. In dieser phantastischen Anordnung und bei der schwülen Hitze des Tages wechselten sich die beiden Sänger, ein Bariton und ein Tenor, ab und sangen Lieder wie "Komm in den Garten, Maud", "Der Taucher" und "Die Soldaten der Queen".

Ich saß auf einem Hocker auf dem Podest, hatte mein Sakko ausgezogen und schwitzte stark, während ich die Begleitung hämmerte. Dan Smoot hatte von mir verlangt, "doppelt forte" zu spielen, und ich spielte wirklich sehr laut. Von Zeit zu Zeit flüsterten mir die Sänger zu, ich solle leiser spielen. Wenn ich dies tat, kam Dan Smoot wie ein Affe auf das Podest geklettert und befahl mir wütend, lauter weiterzuspielen, da ich es gut machte. Ich konnte es selbst nicht beurteilen. Mein Verstand, der normalerweise kalt und kritisch meine Hände beurteilte, war in einem Zustand der Verwirrung, und ich spielte die Begleitung wie ein Automat herunter.

Am Ende des Tages zahlte man mir 15 Schillinge für meine sechsstündige Arbeit. Ich wurde gebeten, am nächsten Tag wiederzukommen, daher vermutete ich, dass man mit meiner Leistung zufrieden war. Das war mein Anfang in den Aufnahmestudios. Bis 1906 waren meine Tage mit Aufgaben dieser Art ausgefüllt. (Bild 99).

 

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Bild 100

 

Im Aufnahmestudio gab es keinen Unterschied zwischen Walzen- und Plattenaufnahmen, da Massenproduktionsverfahren für beide Medien entwickelt wurden und nur noch ein einziges Original für einen Titel aufgenommen werden musste. Der entscheidende Unterschied lag hinter dem Trichter, wo die Techniken für beide Tonträger sich unterschieden.

Für beide Tonträger war die bewegende Schallenergie allein für die Intensität der Schallschrift verantwortlich, und der optimale Beitrag jeder Schallquelle zur Gesamtaufzeichnung konnte nur durch Veränderungen im Aufnahmeraum eingeregelt werden. Instrumente und Gesang wurden entsprechend ihrer Lautstärke und Klangcharakteristik im Raum verteilt.

 

 

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Bild 101

 

Die Sänger sangen direkt in das Loch des Trichters, und gelegentlich wurde der Trichter in zwei Eingangsöffnungen aufgespalten, eine für das Orchester und eine andere für den oder die Solisten. Die Aufnahmetechniker mussten immer wieder Probeaufnahmen machen und diese abhören, um die Anordnung im Raum zu optimieren. Die endgültige Aufnahme durfte nicht sofort abgespielt werden, sondern musste erst nach etwa einer Woche von einem Probeabguss oder einer Probepressung gehört werden, um sicherzustellen, dass das Werk gelungen war. Diese Verfahren galten sowohl für Walzen- als auch für Plattenaufnahmen.

 

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Bild 102

 

Die Aufnahmetechnik von Instrumenten stellte die Toningenieure vor große Herausforderungen, insbesondere bei Flügeln und Streichinstrumenten wie der Geige. Der warme Klang des Holzresonanzbodens eines Flügels wurde von der Aufnahmemembran nicht gut wiedergegeben. In den frühen Versuchen, Musik vom Flügel aufzunehmen, klang es fürchterlich, und man erkannte, dass ein billiges Klavier, von allen Holzteilen befreit und mit blockierten Pedalen, besser klang als ein teurer Steinway-Flügel. Es wurde jedoch erkannt, dass spezielle Anpassungen und Modifikationen notwendig waren, um den Klang eines Flügels in der Aufnahme besser zur Geltung zu bringen.

Für Streichinstrumente, einschließlich der Geige, traten Probleme aufgrund der Eigenschwingungen ihres Resonanzkörpers auf, die während der Wiedergabe als murmelndes Hintergrundgeräusch erschienen. Dieser Effekt wurde als "pathetic and ghostly murmur" beschrieben. Zudem waren Streichinstrumente oft zu leise in der Aufzeichnung, insbesondere wenn mehrere Instrumente in einem Orchester mitspielten. Berühmte Violinsolisten wurden manchmal gebeten, ihre eigenen Instrumente zu verwenden, aber sie mussten sich regelrecht mit ihren Instrumenten in den Trichter hineinlehnen, um die Aufnahmen mit ausreichender Lautstärke und Klangqualität zu erzeugen (Bild 102).

Diese Herausforderungen führten dazu, dass spezielle Aufnahmetechniken und Anpassungen entwickelt wurden, um den Klang von Flügeln und Streichinstrumenten besser einzufangen und eine qualitativ hochwertige Wiedergabe zu ermöglichen. Die Toningenieure mussten kreativ und einfallsreich sein, um die bestmögliche Klangqualität für diese anspruchsvollen Instrumente zu erzielen.

 

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Bild 103 Strohgeige

 

Die von John Matthias Augustus Stroh entwickelte "Strohgeige" war eine spezielle Art von Streichinstrument, das für Aufnahmen in lauten Umgebungen wie Orchestern konzipiert war. Die Strohgeige war eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Violine, bei der die normale Membran durch eine besonders dünne und empfindliche ersetzt wurde, die die Schallwellen eines Orchesters nicht verkraftet hätte.

Die Erfindung von Stroh ermöglichte es, die Violine in lauten Orchesterarrangements besser in Aufnahmen einzufangen. Sie wurde auch für andere Streichinstrumente verwendet, die in einem Orchester benötigt wurden. Die Strohgeige und ihre Varianten wurden in den frühen Aufnahmetechniken eingesetzt, um die Klangqualität zu verbessern und den Instrumenten eine angemessene Lautstärke und Klarheit in den Aufnahmen zu verleihen.

Das Patent für die Strohgeige wurde 1899 von John Matthias Augustus Stroh eingereicht und beschrieb ausführlich die Konstruktion und Funktionsweise dieses besonderen Streichinstruments. Die Strohgeige war eine wichtige Innovation in der Entwicklung der Aufnahmetechnik und trug dazu bei, die Herausforderungen bei der Aufnahme von Streichinstrumenten in lauten Umgebungen zu bewältigen.

 

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Bild 104 Strohgeige mit den beiden „Tonstrahlern"

 

Die Strohgeige, entwickelt von John Matthias Augustus Stroh, war eine spezielle Form der Violine, die für Aufnahmen in lauten Umgebungen, wie Orchestern, konzipiert war. Bei der Strohgeige wurde der Resonanzboden entfernt, so dass nur noch das Saitensystem mit dem Hals der Violine übrig blieb. Dadurch wurde der Klang stark reduziert, und die Saiten gaben nur noch leise den Ton ihrer Eigenschwingungen wieder. Das Besondere an der Strohgeige war, dass das Saitensystem als eine Art Lautsprechermembran fungierte. Die Schallwellen, die von den Saiten erzeugt wurden, wurden gesammelt und von einem speziellen Trompetenhorn lautstark abgestrahlt. Dies ermöglichte es, die Violine in lauten Orchesterarrangements besser in Aufnahmen einzufangen und eine angemessene Lautstärke und Klarheit in den Aufnahmen zu erzeugen. Die Strohgeige hatte zwei "Tonstrahler" - ein großes, auf den Aufnahmeort hindrehbares Haupthorn und ein kleineres, das auf das Ohr des Spielers gerichtet war. Das kleine Horn ermöglichte es dem Spieler, das Instrument nach Gehör zu spielen, da der Klang der Strohgeige aufgrund des fehlenden Resonanzbodens für den Spieler selbst nur sehr leise wahrnehmbar war.

Das Foto von Bild 104  zeigt eine Original-Strohgeige mit den beiden Tonstrahlern und vermittelt einen Eindruck von dieser besonderen Form der Violine, die für die frühe Aufnahmetechnik entwickelt wurde.

 

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Bild 105

 

Abbildung 105 zeigt eine Aufnahme bei Victor. Im Vordergrund ist ein Instrument zu sehen, das als "Strohgeige" bekannt ist und zwei Tonstrahler in Funktion hat. Um den Künstlern den Übergang zu einem solchen Instrument zu erleichtern, baute man spezielle Instrumente, bei denen der Geigenresonanzboden zwar noch vorhanden war, aber gedämpft wurde, sodass nur der Künstler selbst den Klang beim Spielen hören konnte. Der für die Aufnahme bestimmte Schall wurde hauptsächlich von einer Membran erzeugt und über ein Horn abgestrahlt.

Auf älteren Fotos von Orchesteraufnahmen sieht man ähnliche Instrumente wie die "Strohgeige" (Abbildung 104), wenn es sich nicht um reine Blasorchester handelt. Berühmte Künstler lehnten es jedoch ab, eine "Strohgeige" zu benutzen, daher mussten die Aufnahmetechniker alles versuchen, um ihre Soli mit den begleitenden Streichorchestern mit "Strohgeigen" zu kombinieren. Eine Pressemitteilung aus dem Jahr 1904 erwähnt: "Kubelik hat zwei Records mit seiner eigenen Stradivari gemacht, nicht mit einer 'Strohgeige'. Das begleitende Orchester bestand aus folgender Kombination: Stroh als Erste Violine und Zweite Violine sowie Viola...," und es werden die normalen zum Orchester gehörenden Instrumente aufgezählt.

Wenn man jungen Schallplatten-Fans erzählt, dass die alten auf Langspielplatten erhältlichen Titel sogar in der ersten Hälfte der 1920er Jahre noch ähnlich aufgenommen wurden, glauben sie das oft nicht. Die beachtliche Qualität jener Aufnahmen sei ihrer Ansicht nach damit nicht zu erreichen.

Im Folgenden stammt ein Auszug aus einem humorvoll geschriebenen Buch von Gerald Moore, das seine erste Schallplattenaufnahme im Jahr 1921 im Aufnahmestudio von "His Masters Voice" in Hayes bei London beschreibt (H.M.V. ist die Nachfolgerin der Gramophone Co. und heute EMI.):

Das Aufnahmestudio befand sich im Inneren des Gebäudes, weit weg von Tageslicht und Straßenlärm. Es war ein schlichter Raum ohne gedämpftes Licht, Teppiche oder Vorhänge, was ihm jegliche Wärme in der Atmosphäre nahm. Die Wände waren rohe Bretter, und der Fußboden bestand aus Hartholzdielen, die jeden Schritt und jede Stimme widerhallen ließen, als wäre mein Kopf der Resonanzkörper eines riesigen Kontrabasses.

Als ich meine Finger über die Klaviertasten gleiten ließ, erschrak ich über die metallische Härte des Tons, der einen ehernen Klang eines Spucknapfes aus Messing hatte. Dies lag nicht nur an der Akustik des Raumes, sondern auch daran, dass der Klavierstimmer die Filze über den Hämmern kunstvoll abgefeilt hatte, um einen möglichst harten Anschlag zu erzielen.

Ein gigantisches Horn oder Schalltrichter ragte in den Raum und verjüngte sich in die Wand hinein, offensichtlich mit dem Maschinenraum verbunden, um die Töne auf die weiche Wachsplatte zu übertragen. Neben dem Trichter befand sich ein Fenster, gerade groß genug, um den Kopf hindurchzustecken, aber vom Studio aus nicht zu öffnen. Die Künstler durften damals den Maschinenraum nicht betreten, da das Verfahren streng geheim war.

Der Trichter war der Mittelpunkt unserer Welt - unverrückbar - und der Sänger musste genau davor stehen. Manchmal entstand ein wahrer Ringkampf zwischen den Sängern bei der Aufnahme von Duetten, da jeder den Trichter für sich haben wollte und glänzen wollte.

Am Anfang hatte man mit mir "große Mühe", weil ich leise spielen wollte, da es sich um eine Berceuse (Wiegenlied) handelte. Doch Arthur Clark *1), der von seinem offenen Fenster aus zusah, bestand darauf, dass ich die ganze Zeit forte spiele. Ich protestierte und sagte, dass es unmöglich sei, die Töne eines Wiegenliedes aus dem Klavier herauszuhämmern, da ich damit das Baby aufwecken würde.

In der Probeaufnahme hörte man mich schließlich überhaupt nicht. Das gefiel mir überhaupt nicht. Da der Flügel nicht näher gerückt werden konnte, weil die Geigerin kaum noch Platz zwischen ihm und dem Trichter hatte, um den Bogen zu führen, gab ich schließlich dem höheren Befehl nach und spielte meine Berceuse herunter, als ob es eine Reiterattacke wäre - und alle waren sehr zufrieden. Man könnte meinen, dass die Zeit zwischen der Erzählung von Joe Batten und dieser von Gerald Moore in den zwanzig Jahren stillgestanden hätte!

 

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Bild 106

 

Es handelte sich erneut um einen Außenseiter, Gianni Bettini, einen italienischen Kavallerieleutnant, der eine reiche Amerikanerin in Paris heiratete und mit ihr nach New York zog. Schon im Jahr 1888 erwarb er einen der ersten Edison-Phonographen. Aufgrund seiner hohen künstlerischen Veranlagung und seiner Freundschaft mit vielen Künstlern der Metropolitan Opera, machte es ihm Spaß, diese Künstler auch aufzunehmen.

Allerdings war das Ergebnis so unbefriedigend, dass er begann, die Qualität des Phonographen zu verbessern. Ihm waren die Untersuchungen bekannt, die Ernst Florens Friedrich Chladni (1756 ... 1827) einst an schwingenden Membranen durchgeführt hatte. Chladni hatte feines Pulver auf die Membranen gestreut und diese dann in Schwingungen versetzt. Dabei wurde das Pulver von den schwingenden Stellen abgeschleudert, während die nichtschwingenden Stellen, die sogenannten Knotenlinien, durch das dort liegende Pulver deutlich sichtbar wurden..

 

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Bild 107 Vorschläge

 

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Bild 108 Micro Graphophone

 

In Bild 107 sind verschiedene Vorschläge von Bettini für High-Fidelity-Membranen zu sehen, und in Bild 108 zeigt sein Micro Graphophone vier parallel angeordnete Membranen.

Obwohl Chladnis Aufnahmen von frei schwingenden Membranen nicht direkt auf die am Rand eingespannte Membran des Phonographen übertragbar waren, lernte Bettini dennoch daraus, dass auch an Edisons Membran Knoten bei bestimmten Frequenzen auftreten mussten, insbesondere an den Stellen, an denen der Schreibstichel befestigt war. Diese Frequenzen würden in der Aufnahme fehlen oder stark unterdrückt sein.

Durch eifriges Experimentieren fand Bettini eine Lösung für dieses Problem. In einer 1890 veröffentlichten Beschreibung setzte er seinen Schreibstichel nicht mehr nur an einer Stelle der Membran an, sondern über ein spinnenähnliches Drahtgestänge an vier bis fünf Stellen, die sich unterschiedlich weit von der Mitte entfernt befanden.

Alternativ verwendete er mehrere Membranen, die möglichst unterschiedliche Größen hatten und auf den einen Schreibstichel einwirkten. Seine Walzen wurden mechanisch nach dem Pantographenprinzip in kleiner Stückzahl vervielfältigt und wurden berühmt, besonders weil er viele bedeutende Künstler seiner Zeit in sein gastliches Haus einlud und aufnahm. Die wenigen erhaltenen Walzen sind heute unbezahlbare Kostbarkeiten.

Ein Bericht eines Reporters der Zeitschrift "Phonoskope" über eine Vorführung im Jahr 1896 in Bettinis Laboratorium in der Fifth Avenue, New York City, wie sie in Roland Gelatts hervorragendem Buch zu finden ist, mag dieses Kapitel über die Anfangsjahre der Aufnahmetechnik abschließen.

 

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Bild 109. Die Chansonette Yvctle Guilbert

 

Bettinis Sammlung ist in ihrer Qualität unübertroffen. Sie enthält Songs von Yvette Guilbert (siehe Bild 109), die während ihres letzten Besuchs in New York aufgenommen wurden. Vom Phonographen hörten wir einen ihrer letzten englischen Songs: "I Want You My Honey". Dann folgte "La Soularde" von ihr und eine hervorragende Imitation von Sarah Bernhardt sowohl im Stil als auch im Vortrag. Anschließend konnte man Sarah Bernhardt selbst in einem Ausschnitt aus "Izeyl" hören, mit all der Leidenschaft, die sie auch auf der Bühne zeigte.

Danach wurde eine Walze aus einer Schachtel genommen, die mit "Melba" beschriftet war. Es war wunderbar, wie der Phonograph ihre Stimme wiedergab. Ihre klaren, reinen hohen Noten schwebten über das Publikum.

Zwischen den Gesangseinlagen gab der Phonograph Bemerkungen von Mark Twain wieder, der über Experimente mit dem Instrument berichtete. Der bekannte Humorist befand sich zu dieser Zeit bereits auf einer Vortragsweltreise, und die aufgenommenen Bemerkungen waren schon im Jahr 1893 gemacht worden. Von vielen Walzen weltbekannter Künstler wird noch immer erzählt. ... Am Ende des Berichts heißt es: Diese Veranstaltung war eine Offenbarung für alle, die den Phonographen bisher nur in Fährbooten und Salons gehört hatten.

 

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Bild 110

 

In diesem Bericht wird über Bettinis Aufnahme der Stimme von Yvette Guilbert (1867...1944), der berühmten Klassikerin des französischen Chansons, "La Reine de Caf Gonc", wie sie genannt wurde, im Jahr 1894 berichtet. Dies inspirierte den Autor, in Paris nach einer Umspielung sehr alter Walzenaufnahmen von ihr zu suchen, und tatsächlich fand er eine solche Platte.

Die beim Umspielen elektrisch korrigierten Aufnahmen lassen in Bezug auf die Stimme bei der Wiedergabe in einer modernen Lautsprecheranlage kaum Wünsche offen. Jedoch war der Begleitmusik der Trichter nicht ganz so sympathisch. Es muss festgestellt werden, dass die Aufnahmetechnik damals schon sehr viel fortschrittlicher war als die Wiedergabetechnik, an der bis heute weitergearbeitet wird. Ohne ständig verbesserte High-Fidelity-Anlagen könnte der Markt nicht bestehen.

Neben dem "Caf Conc'", das durch Guilbert berühmt wurde, gab es in Paris auch andere Kabaretts, eines davon war das "Chat Noir", Verlaines Lieblingslokal. Im "Chat Noir" trugen viele Dichter ihre humoristischen Beiträge vor, darunter Charles Cros, der als "Urheber" der Schallplatte gilt und dort seine Gedichte vortrug. Man fragt sich, ob irgendwo eine Aufnahme davon existiert. Fast alle prominenten Künstler jener Zeit standen vor dem Trichter. Aber auch Päpste, Kaiser und Könige mussten vor dem dunklen Loch stehen (siehe Bild 110).

Nach dieser Abschweifung zu den Künstlern kommt der Bericht wieder zur Technik zurück. Wer mehr darüber wissen möchte, wie die einzelnen Künstler zur Walze oder Schallplatte gekommen sind, kann dies unter anderem in den Büchern von Gelatt, Riess und Haas nachlesen.

 

9. Beginn der Massenproduktion 

Der Weg von den anfänglichen vier Walzen, die ein Sänger gleichzeitig besang, bis zu den Millionen Schallplatten, die heute bei Bedarf von einer Aufnahme produziert werden können und auch von Bestsellern in Massen gepresst werden, war beschwerlich. Anfangs konnten in den 1890er Jahren bis zu 400 Kopien von einer Walze durch mechanische Umspielung hergestellt werden, wobei die Qualität mit jeder Kopie, die von der Mutterwalze abgeschliffen wurde, abnahm.

 

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Bild 111

 

Die Herstellung von Kopien durch das Gießen von Wachs in eine Form stellte eine Herausforderung dar. Die Spirale um die Walze mit den Bergen und Tälern in der Rille durch die Tonschrift hätte in der Form festgesessen, wenn nicht ein Trick entwickelt worden wäre, um die unbeschädigte Herausnahme der Walze zu ermöglichen. Obwohl die Walzen inzwischen von Schallplatten verdrängt wurden, wäre es interessant zu wissen, dass einige Entwicklungen bei der Herstellung der Walzen als Vorbild für die Produktion von in Wachs geschnittenen Schallplatten dienten.

Ein nahezu neuwertiger Edison Walzenspieler befindet sich im Museumsfundus des Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main, Heusenstamm. Die Geschichte von Walzen und Schallplatten als Massenprodukte ist ein wichtiger Teil der Entwicklung der Aufnahmetechnik und ihrer Verbreitung in der Musikindustrie.

 

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Bild 112

 

Bild 112 zeigt das erste Exemplar einer nachgeformten Walze aus dem Jahr 1889. Diese nachgeformten Walzen waren ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Aufnahmetechnik und der Massenproduktion von Musik. Durch das Gießen von Wachs in eine Form konnten mehrere Kopien einer Walze hergestellt werden, wodurch die Verbreitung von Musik und Aufnahmen ermöglicht wurde. Obwohl die Walzen später von Schallplatten abgelöst wurden, war diese Technologie ein Vorläufer für die Herstellung von in Wachs geschnittenen Schallplatten.

 

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Bild 113

 

Edison, der ursprünglich eine Ausbildung als Chemiker hatte, engagierte rechtzeitig einen geschulten Physiker namens Dr. F. Schulze-Berge für seine Entwicklungen. Dr. Schulze-Berge wurde an der Universität Berlin am physikalischen Institut von Prof. Helmholtz ausgebildet und bot seine Dienste Edison im Mai 1887 an. Schon im Jahr 1889 präsentierte er die erste als Kopie gegossene Walze, die in Zusammenarbeit mit C. Wurth hergestellt wurde. Das Ergebnis war so beeindruckend, dass sie dieses erste Exemplar eines Abgusses für alle Zeiten auf einem Foto festhielten (Bild 113).

Edison hatte den Grundgedanken für den Herstellprozess bereits am 21. Oktober 1887 in einem Caveat (einer Voranmeldung eines Patents in den USA) festgehalten. Im Wesentlichen besagte dieser Gedanke Folgendes:

Für die Herstellung einer Gussform wird die Wachswalze zunächst mit einem dünnen leitenden Metallüberzug versehen. Dazu wird sie in eine Vakuumkammer gebracht und rotierend mit einer Metallschicht bedampft. Zwei Elektroden aus Gold oder einem anderen nicht oxydierenden Metall werden dazu mit Bogenentladungen verdampft, die durch wiederholtes Kontaktieren eingeleitet werden. Auf diesem Metallüberzug als Elektrode wird dann im elektrolytischen Bad ein etwa 6 mm starker Kupfer- oder Nickelzylinder aufgetragen. Unter Ausnutzung der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten soll die Originalwalze unbeschädigt aus der Form genommen werden.

Diese Methode ermöglichte die Herstellung von Kopien der Originalwalze und war ein wichtiger Fortschritt in der Geschichte der Aufnahmetechnik.

 

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Bild 114

 

Die Einführung der Metallbedampfung im Vakuum war eine avantgardistische Idee, die es Edison und seinem Team ermöglichte, Kopien der Originalwalzen herzustellen. Jedoch dauerte es eine gewisse Zeit, bis sie die Technik perfektionierten und die Abgüsse unbeschädigt aus der Form bekommen konnten. Es vergingen etwa zehn Jahre, bis die Methode der Metallbedampfung im Vakuum in der Massenfabrikation eingesetzt werden konnte. Dies wird durch das Deutsche Reichspatent von 1900 (siehe Bild 113) belegt.

Das Foto in Bild 114 zeigt eine seltene Aufnahme einer solchen Vakuum-Metall-Bedampfungsanlage in der Fabrikation. Diese Technologie war ein bedeutender Fortschritt für die Herstellung von Schallplatten und trug zur Weiterentwicklung der Aufnahmetechnik bei. Für die Tonaufnahme verwendete man ein sehr weiches, reines weißes Wachs, das vor dem Schnitt sauber abgedreht und geschliffen wurde, um wie poliertes Elfenbein auszusehen.

Für die Kopien musste das Wachs dagegen widerstandsfähiger und härter sein und die Bedingung des Zusammenziehens nach dem Guss gut erfüllen. Dafür wurde eine dunkelbraun gefärbte Mischung verwendet. Die richtige Wahl des Wachses war entscheidend für die Qualität der Kopien und spielte eine wichtige Rolle in der Massenfabrikation von Schallplatten.

 

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Bild 115

 

Die Herstellung der Edison-Goldguß-Walzen war ein aufwändiger Prozess, der eine spezielle Gußtechnik erforderte. Ein Bild aus einer Publikation von 1903 veranschaulicht diesen Prozess (siehe Bild 115). In einer Fabrikationsanlage in Edisons Fabrik in Berlin wurden diese Walzen hergestellt und gewährten Einblick in die Umgebung, in der sie entstanden.

Der Herstellungsprozess begann damit, dass eine Form, wie im Bild gezeigt, in das heiße Wachs gelassen wurde, wodurch sich der Innenraum des Zylinders mit flüssigem Wachs füllte. Nach einer gewissen Zeit wurde die Form wieder hochgezogen, und im Inneren des Zylinders blieb ein Wachszylinder zurück, dessen Dicke von der Wachstemperatur und der Zeit des Eintauchens abhängte. Nach einer kurzen Kühlung, unterstützt durch einen Kaltluftstrom in das Innere des Zylinders, löste sich die Wachswalze von der Form. Anschließend wurde die Walze auf einer Art Drehbank innen nach Vorschrift ausgedreht, die Enden wurden angeschrägt und beschriftet.

Die Gußtechnik war entscheidend für die Qualität der Walzen und erforderte sorgfältige Handarbeit. Die Edison-Goldguß-Walzen wurden für ihre hohe Klangqualität und Langlebigkeit geschätzt und spielten eine wichtige Rolle in der Geschichte der Aufnahmetechnik.

 

Bild_93._Blick_in_den_Produktionsraum_für_Walzen_in_Edisons_Fabrik_in_Berlin._Foto_zur_Verfügung_gestellt_von_Leah_S.png

Bild 116 Produktionsraum für Walzen in Edisons Fabrik in Berlin

 

Das Bild 116 zeigt einen Blick in den Produktionsraum für Walzen in Edisons Fabrik in Berlin. Es vermittelt einen Eindruck von der Arbeitsumgebung und den Produktionsprozessen, die für die Herstellung der Edison-Goldguß-Walzen notwendig waren. Das Foto wurde zur Verfügung gestellt von Leah S. Burt aus West Orange.

Der Bedarf an Phonographenwalzen war durch die Werbung enorm angewachsen, wodurch viele Firmen in Amerika und Europa mit der Produktion begannen. Einige Unternehmen stellten Walzen und Platten nebeneinander her, während andere, wie die Deutsche Grammophon, die Walzen übersprangen und ausschließlich Platten produzierten.

Edison, als Vater der Walzen, gab auch den meisten Impuls für ihre Durchsetzung. Später begann er auch Platten herzustellen, jedoch in einer anderen Technik, der Tiefenschrift. Die Geschichte der Walzen ist eng mit Edisons Entwicklungen verbunden, und sein Beitrag zur Aufnahmetechnik und der Massenproduktion von Musik ist von großer Bedeutung.

 

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Bild 117

 

Nachdem man gelernt hatte, das Wachs unter Druck in die Form zu pressen, konnte man noch härtere Wachsmischungen verwenden. Dieses widerstandsfähigere Material erlaubte einen größeren Druck des Abtasters und somit eine größere Lautstärke bei der Wiedergabe. Obwohl die Zerbrechlichkeit der Walzen noch nicht vollständig beseitigt war, führte die Verwendung einer schwarzen Preßmasse, genannt "Ambero Walze", zu einer Verbesserung. Die genaue Zusammensetzung dieser schwarzen Preßmasse blieb Edisons Geheimnis.

Die Werbung spielte eine entscheidende Rolle bei der Popularisierung des Phonographen, auch in Deutschland (siehe Bild 117). Dank der Einführung von Fabrikationseinrichtungen für Walzen in verschiedenen Ländern konnte der Phonograph in der ganzen Welt vermarktet werden.

 

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Bild 118

 

In Frankreich war Emile Pathe in Paris nahezu der alleinige Produzent von Walzen und stellte 1904 stolz in einer Werbeanzeige bekannt, dass er 50.000 Walzen pro Tag herstellte. Seine Kataloge wiesen im selben Jahr über 12.000 verschiedene Titel aus!

Die Edison-Vertretungen boten den Kunden die Möglichkeit, sich auf Neuerscheinungen zu "abonnieren", da regelmäßig ein Wagen mit den neuesten Walzen auch zu den Außenvierteln kam, um die Kunden mit den neuesten Aufnahmen zu versorgen. Die stetig wachsende Auswahl an Titeln und die Zugänglichkeit zu den neuesten Aufnahmen trugen dazu bei, dass der Phonograph und die Walzen als beliebte Unterhaltungsmedien immer populärer wurden.

 

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Bild 119 Die „Blue-Amberol-Walze" von 1912

 

Edison strebte danach, die zerbrechlichen Walzen durch unzerbrechliche zu ersetzen. Er experimentierte frühzeitig mit Zelluloid, einem vielversprechenden Material, das sich verformen und aushärten ließ. Doch er wurde daran gehindert, Zelluloid in den Walzenherstellungsprozess einzuführen, da ein Patent von Thomas B. Lambert aus Chicago vom 14. August 1899 den Einsatz dieses Materials schützte. Im erbitterten und teuren Patentstreit gelang es Edison nicht, dieses Patent zu Fall zu bringen oder einzuschränken.

Erst als Lamberts Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten geriet, konnte Edison die Rechte an diesem Patent erwerben. Anschließend stand der Verwendung von Zelluloidoberflächen für die Walzen nichts mehr im Wege. Dadurch wurden die Walzen weniger zerbrechlich und langlebiger.

Die „Blue-Amberol-Walze", die im Jahr 1912 eingeführt wurde (siehe Bild 119), nutzte diese verbesserte Technologie und setzte einen Meilenstein in der Geschichte der Walzenaufnahmen. Diese Walzen waren mit einer blauen Zelluloidoberfläche versehen, die eine längere Haltbarkeit und eine bessere Klangqualität ermöglichte. Die Blue-Amberol-Walzen wurden zu einem beliebten Medium für die Wiedergabe von Musik und trugen zur weiteren Verbreitung der Phonographen bei.

 

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Bild 120

 

Die Einführung der neuen „Blue Amberol" Walze im Jahr 1912 markierte einen bedeutenden Fortschritt für Edison und die Phonographenindustrie. Die leuchtend blaue Oberfläche der Walze verlieh ihr ihren Namen und machte sie optisch ansprechend. Zu den beliebtesten Serien der „Blue Amberol" Walzen gehörten die „Berühmtheiten" und „Grand Opera", die mit Königspurpur benutzt wurden, aber nicht so weit verbreitet waren.

Die glatte und rauschfreie Oberfläche der „Blue Amberol" Walzen, die sogar härter war als moderne Vinyl-Langspielplatten, ermöglichte eine Erhöhung der Rillendichte. Während die früheren Wachs- und Amberol-Walzen bereits mit einer hohen Rillendichte von 100 Rillen pro Zoll (3,94 je mm) geschnitten wurden und etwa zwei Minuten Spielzeit boten, wurde die Rillendichte jetzt auf 200 Rillen pro Zoll (7,88 Rillen je mm) erhöht, was eine Spielzeit von vier Minuten bei 160 Umdrehungen pro Minute ermöglichte.

Die Einführung der neuen „Blue Amberol" Walze erforderte auch Anpassungen an den Abspielgeräten. Die Abspielgeräte mussten so gestaltet sein, dass sie sowohl die alten als auch die neuen Walzen abspielen konnten. Dies betraf nicht nur das Vorschubgetriebe, sondern auch die Nadel der Schalldose. Statt der Saphirnadeln wurde ein Diamant durch Galvanoplastik am metallischen Nadelträger befestigt. Der Schliff der Diamanten blieb ein Fabrikationsgeheimnis von Edison.

Schon 1902 gab es elliptisch geschliffene Saphire, jedoch waren sie anders als die neueren elliptischen Abtastdiamanten. Bei den früheren Saphiren war die große Achse parallel zur Rille orientiert. Die Membran der Schalldose bestand aus etwa 20 Lagen Reispapier, in Schellack getaucht und verpresst, und war auf der Seite mit Kork verstärkt. Eine fein gewebte Seidenschnur stellte die Verbindung zum Nadelträger her.

 

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Bild 121

 

Abbildung 121 zeigt das grundlegende Prinzip der Vorrichtung zur Formung der Zelluloidhaut. Von einem zuvor blau eingefärbten und elastisch gemachten Zelluloidschlauch wurden Abschnitte in der Länge der Walzen abgetrennt und in die Form eingelegt (Abbildung 121). Anschließend wurde der Schlauch mit heißem Dampf wie ein Ballon aufgeblasen und in die feinen Rillen der von außen gekühlten Form gedrückt (eine Minute lang gepresst, dann fünf Minuten abkühlen).

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Bild 122

 

In die fertige Hülle wurde dann ein kalibrierter Gipszylinder als Kern eingelegt. Die Herstellungseinrichtungen waren in einer Art Fertigungsstraße in Zehnereinheiten zusammengefasst (Abbildung 122). Trotz ihrer bemerkenswerten Qualität kam die "Blau-Bernstein-Walze" zu spät, da die Ära der Walzen bereits vorbei war. Die Einführung des Doppelstandardspielers verschärfte diesen Umstand, da ein neues Gerät ohne das umfangreiche Repertoire der 2-Minuten-Walzen nicht attraktiv genug gewesen wäre. Letztendlich beschleunigte der Erste Weltkrieg das Ende der Walzenära. Danach wurde die Schallplatte endgültig zur dominierenden Form der Tonaufzeichnung, während die Walze in den Hintergrund rückte.

Zusätzlich sei angemerkt, dass die Qualität dieser "Blau-Bernstein-Walzen" beachtlich war. Dies kann man auch 60 Jahre später noch feststellen, indem man eine solche alte Walze mit einem modernen Tonabnehmer abspielt oder die Aufnahmen auf Tonband überträgt.

 

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Bild 123. 1976 - Versuche mit moderner Technik von Walter Bruch

 

Wines Bralt hatted eschi einen geautb:

Abbildung 123. 1976 - Versuche mit moderner Technik von Wines Bralt - Eine selbstgebaute Vorrichtung zum Abspielen von Phonographenwalzen, zusammengestellt aus einem einfachen Plattenspieler.
Aus einem kostengünstigen Plattenspieler, der eigentlich für 78er Platten gedacht war, habe ich mir ein Abspielgerät für Amberol- und Blue-Amberol-Walzen selbst zusammengebaut (Abbildung 123). Die Übersetzung musste angepasst werden, um 120 oder 160 Umdrehungen pro Minute zu erreichen (manchmal half auch eine Über- oder Unterspannung bei der Drehzahleinstellung).

Ein Stereotonabnehmer wurde verwendet, wobei beide Kanäle zu einem Signal aus der Tiefenschrift zusammengeführt wurden. Für Wachswalzen war ein zusätzlicher Vorschub und spezielle Nadeln erforderlich, um die Schallschrift nicht zu beschädigen. Nylonnadeln oder, im Experiment, Kakteenstacheln erwiesen sich als nützlich.

Wines Bralt schreibt von sich selbst: "Diese Entwicklung habe ich mit wachsamem Interesse und aufmerksamen Ohren miterlebt. Als Schulanfänger verbrachten wir viele Stunden vor dem Phonographen. Das Gebet einer Jungfrau, das am Klavier gespielt wurde, klingt noch heute in meinen Ohren wie gestern. Als Oberschüler verbrachte ich Sonntagvormittage mit meinem Onkel vor dem Grammophon, bis meine Tante das Essen zubereitet hatte; mein Onkel liebte Wagner, während ich Caruso bevorzugte. Als Student quälte ich meine Nachbarn, indem ich mit dem ersten elektrischen Tonabnehmer den Rundfunkempfänger voll aufdrehte. Und heute ziehe ich mich mit 100 Watt High-Fidelity in meinen Hobbykeller zurück.
Von der Wachswalze haben wir viel gelernt.
Das war der Ausgangspunkt für die ersten Schallplatten, die in Wachs geschnitten wurden, jedoch nicht diejenigen, bei denen die Wachsschicht von den frühen Berliner-Aufnahmen weggekratzt wurde.

Ein Patent spielte jedoch auch hier eine bemerkenswerte Rolle. Bei den ersten Plattenaufnahmen von Berliner wurde eine dünne Wachsschicht über einer Metallplatte weggekratzt, und in diese Metallplatte wurde dann die Tonschrift in gleichmäßiger Tiefe eingeätzt. Es war naheliegend, stattdessen eine massive Wachsplatte zu verwenden - quasi einen aufgerollten Wachszylinder - und darin eine Rille mit konstanter Tiefe, aber seitlichen Auslenkungen für die Schallinformation zu schneiden.

Letztendlich war dies im Wesentlichen nichts anderes als Berliners erste Platte, bei der das Metall durch Wachs ersetzt wurde und der Schnitt so tief erfolgte, dass keine zusätzliche Vertiefung durch den Ätzprozess erforderlich war. Edison beschrieb in seinem Patent von 1887 deutlich, wie man eine solche Wachsoberfläche leitend macht und davon ein Galvano als Form für eine Kopie herstellt. Platte statt Walze, das war wohl kein großer Unterschied mehr. Dennoch erteilte das amerikanische Patentamt daraufhin ein Patent!

Um 1896 begann Berliner damit, Experimente mit dem Schneiden von Aufnahmen in Wachsplatten durchzuführen, und unabhängig von ihm tat dies auch Eldridge Johnson. Gemäß Fred Gaisberg arbeitete ein junger Mann namens Joseph W. Jones einen Sommer lang bei Berliner und beobachtete aufmerksam, was dort experimentiert wurde. Am 19. September 1897 reichte er ein Patent ein, das erstaunlicherweise am 10. Dezember 1901 erteilt wurde.

 

10. Kampf um Patente 

 

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Bild 124 Patent von J.W. Jonas

 

Dieses Patent schützt den Schnitt einer Platte aus weichem Wachs in Seitenschrift, den Überzug mit einem leitenden Material, ein Galvano als Preßmatrize und die Plattenpressung davon (Bild 124 zeigt das Blatt des Patentes mit den Zeichnungen). Der geschickte Eldridge Johnson verkaufte sein Patent für 25.000 Dollar an die American Graphophone Co., die ihn auch als Mitarbeiter einstellte. Das Patent bereitete jedoch Schwierigkeiten und wurde schließlich aufgehoben.

Um etwa 1900 waren die Entwicklungsarbeiten bei Eldridge Johnson zur Herstellung von Preßmatrizen aus in Wachsplatten geschnittenen Aufnahmen abgeschlossen.

Da Edison das Patent für die Metallbedampfung von Wachs-"Mastern" besaß, musste Johnson seine Wachsplatten für den galvanischen Prozess durch Bestäubung mit feinem Graphitpulver leitend machen. Diese Methode wurde in der Schallplattenindustrie viele Jahre lang beibehalten.

Im Jahr 1902 brachte Fred Gaisberg das neue Produktionsverfahren nach Europa. Obwohl die allerersten Aufnahmen von Caruso noch mit dem Ätzverfahren gemacht wurden, stammten die berühmten Aufnahmen, die Gaisberg 1902 in Mailand von ihm gemacht hatte, bereits von Wachsplatten. Heute geben diese umgespielten Aufnahmen immer noch einen Eindruck von dem, was damals erreicht werden konnte. Bei der Übertragung solch alter Aufnahmen auf Langspielplatten werden gerne moderne Abdrücke von den alten Originalmatrizen verwendet. Wenn man auf alte Platten zurückgreifen muss, filtert man das Plattenrauschen im elektronischen Kanal soweit wie möglich aus.

Von der Wachsplatte her waren diese Aufnahmen mindestens so rauschfrei wie die Wachs-Walzenabspielungen. Öfter gespielte Platten brachten aufgrund ihrer aufgerauhten Oberfläche das Rauschen mit sich, das uns zusammen mit dem blechernen Klang der Trichter so sehr an das Klangbild des Grammophons der zwanziger Jahre erinnert.

Von nun an nahm das Geschäft mit der Schallplatte einen unerhörten Aufschwung, und viele wollten daran teilhaben. Man wollte den Eigentümern der Grundpatente nicht das Vorrecht zugestehen, bestimmte Geräte allein zu fabrizieren, zumal die Erfinder selbst meist ihre Erfindungen weit unter Wert abgegeben hatten.

 

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Bild 125. Das für den Patentprozeß maßgebende Bild aus Emile Berliners zweiter Patentschrift

 

Man versuchte, die Patente nichtig zu klagen oder sie im Erfindungsumfang oder in der Laufdauer einzuschränken. Findige Anwälte fanden Ansätze für die Einleitung solcher Prozesse. Unverständlich ist heute, und die Gründe sind nicht mehr zu ermitteln, warum Berliner die Schutzzeit nicht eingehalten hat, die ihm sein Gaveat geboten hatte, das er 1888 für seine zweite Erfindung eingereicht hat. Einigen Ärger hätte er sich ersparen können. Erst am 30. Mai 1892 reichte er dafür eine formelle Patentanmeldung in Amerika ein; am 19. Februar 1895 wurde ihm das Patent erteilt.

Auf dem dritten Blatt (Bild 125) des Patentes findet sich eine detaillierte Zeichnung der Abspielapparatur. Der dazugehörige Schutzumfang war der Stein des Anstoßes. Nachdem schon mehr als zwei Jahre vor der Anmeldung die Erfindung vorgeführt wurde, hätte nach Ansicht der Kläger der Schutz des Caveats nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Doch damit kamen sie nicht durch, das Gericht entschied in diesem ersten Prozess (in der veröffentlichten Entscheidung 140 Fed. Rep., 800), dass die damalige Vorführung im Franklin-Institut nicht als eine öffentliche angesehen werden kann, da sie vor einer geschlossenen Gesellschaft stattfand und kein Eintrittsgeld verlangt wurde. Somit sei sie wie ein Experiment zu werten, das einer Patenterteilung nicht im Wege gestanden hätte.

Insgesamt waren es fünf Prozesse. In einem weiteren von den fünf Prozessen wollte man erreichen, dass die Laufdauer des amerikanischen Patentes um ein Jahr verkürzt wird, da Berliner schon am 11. Februar 1893 ein kanadisches Patent bekommen habe und mit diesem das amerikanische erlöschen müsse. Auch das lehnte das Gericht ab (146 Fed. Rep., 147).

In einem anderen Prozess wiederum wollte man beweisen, dass das kanadische Patent die alleinige Führung der Schalldose in der Schallrille schon vorweggenommen habe. Hierzu entschied das Gericht unter Zitierung der entscheidenden Stelle in den Ansprüchen (150 Fed. Rep., 147), dass es sich diesbezüglich bei dem kanadischen Patent um eine ganz andere Erfindung handle. Zur Erläuterung seien die beiden Stellen im englischen Originaltext zitiert:

Im kanadischen Patent heißt es:
"A rotating record tablet, a reproducing Stylus mounted to have a free movement over the record tablet."

Im amerikanischen Patent steht dagegen:
"The method of reproducing sound from a record which consists in vibrating a Stylus and propelling the same along the record by and in accordance with the said record."

 

Bild_102._Werbung_von_Columbia_für_die_doppelseitig_bespielte_Platte_-_Columbia_durfte_das_nicht_und_mußte_die_Produktion_wieder_einstellen.png

Bild 126 Werbung von Columbia

 

Das Bild 126 zeigt eine Werbeanzeige von Columbia für doppelseitig bespielte Schallplatten. Columbia warb offenbar für dieses innovative Produkt, bei dem beide Seiten der Platte für Aufnahmen genutzt werden konnten. Allerdings stieß Columbia auf rechtliche Probleme, die dazu führten, dass sie die Produktion dieser Platten wieder einstellen mussten.

 

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Bild 127

 

Das Bild 127 zeigt möglicherweise einen Anspruch von Odeon auf das ausschließliche Recht zur Herstellung von doppelseitig bespielten Schallplatten. Odeon beanspruchte vermutlich, dass sie das alleinige Recht besitzen, diese Art von Platten herzustellen, womit sie anderen Konkurrenten wie Columbia das Recht streitig machten, ähnliche Produkteherzustellen. Es scheint, dass Odeon rechtliche Schritte unternahm, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

 

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Bild 128

 

1904 - Das Label "Odeon" führte die ersten doppelseitig bespielten Schallplatten ein. Diese Innovation brachte der Firma, die die Rechte besaß, einen entscheidenden Vorteil, da sie ihren Konkurrenten die Nutzung dieser Technologie untersagen konnte. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1904 präsentierte Odeon erstmals diese doppelseitigen Platten, was eine Sensation war und von vielen genutzt werden wollte.

Jedoch, als auch Columbia 1904 ähnliche doppelseitig bespielte Platten mit guter Werbung (Bild 128) herausbrachte, musste Columbia die Produktion wieder einstellen, da Odeon über Patente und Gebrauchsmuster verfügte, die sie vor Gericht durchsetzten. Dadurch verzögerte sich die Einführung von doppelseitigen Platten bei vielen anderen Herstellern um Jahre. Meines Wissens ging die englische EMI erst 1912 dazu über, doppelseitige Platten herzustellen.mEs ist verständlich, dass Edison 1912, als das Geschäft mit Walzen nachließ, auf Schallplatten umstieg. Dabei entschied er sich getreu seiner Tradition, die von der Walze herkam, und aus der echten Überzeugung, dass dies die bessere Lösung sei, für die Tiefenschrift. Da Edison die erste Langspielplatte herstellte, werden wir bei der Besprechung der Edison-Platte darauf näher eingehen.

 

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Bild 129

 

Deutschland wurde zum europäischen Marktführer in der phonographischen Industrie. Dort entwickelte sich eine beachtliche Branche, die sowohl Phonographen als auch Walzen herstellte. Jedoch entschieden sich die deutschen Fabrikanten, Edisons neueste Entwicklungen nicht weiter zu verfolgen. Ab etwa 1902, als die Platte die Qualität der Walze erreichte, begannen die Hersteller, sich auf die Produktion von Sprechmaschinen und Platten zu konzentrieren.

In Deutschland mussten die Plattengeräte aus rechtlichen Gründen als "Sprechmaschinen" bezeichnet werden, um das Warenzeichen "Grammophon" zu berücksichtigen, das einer Firma gehörte. Trotz dieser offiziellen Bezeichnung nannte das Volk die Sprechmaschine unabhängig vom Hersteller immer noch das "Grammophon", und die Schallplatte wurde als "Grammophonplatte" bezeichnet.

 

Bild_104._Die_Stimme_seines_Herrn._Das_berühmte_Bild_mit_dem_Hund_Nipper.png

Bild 130 Berühmte Bild mit dem Hund Nipper, der die Stimme seines verstorbenen Herrchens von einem Phonographen lauscht.

 

Bild_105._Dieses_Warenzeichen_erstmalig_von_Emile_Berliner_am_10._Juli_1900_in_den_USA_angemeldet_ging_um_die_Welt.png

Bild 131 Warenzeichen "His Master's Voice", das Emile Berliner am 10. Juli 1900 erstmals in den USA angemeldet hatte und das weltweit bekannt wurde.

 

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Bild 132 zeigt ein Werbebild der Edisongesellschaft als Antwort auf das Bild mit dem Hund Nipper.

 

In den USA wurde Emile Berliner das Recht, das Wort "Grammophon" als Markenzeichen für seine Geräte zu führen, abgesprochen, da es zum allgemeinen Begriff für eine bestimmte Art von Geräten geworden war. Er musste sich daher ein neues Warenzeichen suchen und fand es in einem Gemälde des französischen Malers François Barraud.

Das Gemälde zeigte den Hund Nipper, der aufmerksam der Stimme seines verstorbenen Herrchens lauschte, die aus einem Phonographen erklang. Berliner erkannte die Möglichkeit, dieses Bild als neues Warenzeichen für sein Grammophon zu verwenden. Der Maler übermalte den Phonographen mit einem Grammophon, und so wurde das Gemälde als Warenzeichen unter dem Titel "His Master's Voice" (Die Stimme seines Herrn) geschützt (Bild 131). Später wurde es zur Deutschen Grammophon Schutzmarke. Das Gemälde hängt noch heute bei der EMI in Hayes.

Die Verwendung des Bildes "His Master's Voice" als Warenzeichen war ein großer Erfolg und wurde weltweit bekannt.

Ab 1907 begann die Karl Lindström G.m.b.H. mit der Produktion von Grammophonen. Dieses werbewirksame Bild (Bild 132) und einige weitere einprägsame Werbebilder wurden von den Phonographenherstellern ebenfalls verwendet. Die Sprechmaschine, also das Grammophon, setzte sich immer mehr durch, und dies zeigte sich deutlich in den Produktionszahlen eines führenden deutschen Herstellers, der Karl Lindström G.m.b.H.:

- 1904: 5.000 Phonographen, 10.000 Sprechmaschinen
- 1905: 6.000 Phonographen, 27.000 Sprechmaschinen
- 1906: 2.000 Phonographen, 70.000 Sprechmaschinen
- 1907: Phonographenproduktion eingestellt, 150.000 Sprechmaschinen
- 1908: keine Angaben zu Phonographen, 2.000.000 Sprechmaschinen

 

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Edison Werbebild

 

Dies zeigt, dass die Schallplatte einen klaren Sieg errungen hatte. Bei Lindström wurde die Phonographenproduktion 1907 eingestellt, und ähnliches geschah auch bei anderen deutschen Firmen. Die Produktion von Walzen für die bereits verkauften Geräte wurde jedoch fortgesetzt, um die Kunden weiterhin mit Aufnahmemöglichkeiten zu versorgen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erlebte die deutsche phonographische Industrie eine erste Hochkonjunktur mit einem außergewöhnlich hohen Exportanteil. Im Jahr 1907 blieb nur etwa 5% der Produktion im Inland, während 95% exportiert wurden.

Die Industrie wurde erstmals im Jahr 1907 in die offizielle Exportstatistik aufgenommen. Die Statistiken sind jedoch schwer auszuwerten, da sowohl Phonographen und Sprechmaschinen als auch Walzen und Platten zusammengefasst wurden und nach Gewicht aufgeführt waren.Im Jahr 1907 wurden insgesamt 2.000 Tonnen Geräte im Wert von 7,65 Millionen Goldmark und 1.530 Tonnen Walzen und Platten im Wert von 12,2 Millionen Goldmark exportiert. Von diesem Export blieben 86,8% in Europa, 24,1% gingen nach Russland, 19,1% nach Großbritannien und so weiter. Es gab fast 100 verschiedene Markenzeichen für Geräte, Walzen und Platten im Jahr 1907, da jeder kleine Fabrikant mit eigenen Marken vertreten war.

Die Deutsche Grammophon in Hannover presste im Jahr 1907 bereits bis zu 36.000 Schellackplatten pro Tag mit 200 Pressen. Da sie einen Großteil dieser Platten für Großbritannien herstellte, erklärt dies den hohen Anteil des deutschen Exports, der für Großbritannien ausgewiesen wurde. Auch nach Eröffnung einer Presserei in Hayes bei London im Jahr 1909 lieferte Hannover weiterhin große Stückzahlen nach England, nun für den Bedarf des Britischen Empire.

 

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 Schllack in Mainz

 

Die schnelle Spitzenposition der deutschen phonographischen Industrie im Export kann darauf zurückgeführt werden, dass sie sowohl für die Sprechmaschinenherstellung als auch für die Plattenproduktion über alle erforderlichen Ressourcen verfügte. Es gab hervorragende Ingenieure und Mechaniker, geschulte Aufnahmetechniker, weltbekannte Komponisten und ihre Interpreten. Zusätzlich dazu verfügten sie über ein Netzwerk von Auslandsvertretungen, die ihnen halfen, den Markt zu erobern. Die Firmen eroberten schrittweise den Markt mit ihren vergleichsweise kostengünstigen, aber qualitativ hochwertigen Sprechmaschinen und den dafür benötigten Walzen und Platten.

 

 

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 Werbung im Krieg 

 

Die deutschen Schellackplatten fanden weltweit große Resonanz, da sie beste deutsche Musik enthielten. Ergänzend wurden Aufnahmeteams in verschiedene Länder geschickt, um dort lokale Musik aufzunehmen und diese dann in Form von Walzen oder Platten in die Ursprungsländer zu exportieren. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete jedoch diese Blütezeit. Die Produktion von Schallplatten wurde aufgrund des Mangels an Facharbeitern und Material, insbesondere Schellack für die Platten, eingestellt. Zwar wurden anfangs noch Platten mit patriotischen Liedern und Märschen verkauft, aber die schwierigen Bedingungen und der Geldmangel der Käufer führten schließlich zur Fabrikationseinstellung.

Während des Krieges wurden die Betriebe auf Rüstungsproduktion umgestellt, was ihnen nach Kriegsende eine vergleichsweise gute Überlebenschance ermöglichte. Kurz nach Kriegsende konnte die Produktion von Schallplatten wieder aufgenommen werden, und es entstand ein Bedürfnis nach Unterhaltung, insbesondere bei der jungen Generation. Dies führte zur Entstehung von Tanzschlagern, die uns heute noch an die "goldenen zwanziger Jahre" erinnern.

 

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Die Schallplattenindustrie erlebte eine enorme Expansion bis Mitte der 1920er Jahre. Doch dann kam es zu einer Kettenreaktion von Zusammenbrüchen, insbesondere am "schwarzen Freitag" an der Wall Street, der 1929 die Weltwirtschaftskrise auslöste. Gerade zu dieser Zeit begann der Übergang zur elektrischen Aufnahme und Abspielung von Schallplatten. Die Elektroindustrie übernahm schließlich das Zepter und führte die Schallplattenindustrie durch eine Zeit des Umbruchs und der Veränderungen.

 

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Die deutsche Schallplatte erlebte nach dem konzentrierten Neubeginn noch einmal eine Glanzzeit, in der sie sich weltweit einen hervorragenden Ruf verschaffte. Auch nach dem Zusammenbruch im Jahr 1945 erlangte die deutsche Schallplatte dank der Unterstützung befreundeter ausländischer Firmen, die von den Kriegsverlusten verschont geblieben waren, erneut internationale Anerkennung.

Die Frage, warum die Schallplatten mit einer Geschwindigkeit von 78 U/min drehten, wurde oft gestellt. Anfangs waren die Umdrehungszahlen der Platten ziemlich unterschiedlich, da es dem Aufnahmetechniker überlassen war, den Gewichtsmotor für die Plattenschneideapparatur einzustellen. Um einen weltweiten Austausch von Platten und Preßmatrizen zu ermöglichen, wurde jedoch eine einheitliche Normung notwendig. Mit dem Übergang zum elektrischen Synchronmotor als Antrieb der Plattenschneideapparatur entschied man sich für 78 U/min, ausgehend vom 60Hz-Netz in Amerika und 50Hz-Netz in Europa.

 

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Dual Plattenspieler

 

In Amerika erreichte ein Zweipolsynchronmotor mit einer Umdrehungszahl von 3600 U/min, herabgesetzt durch ein Getriebe 46 zu 1, eine Geschwindigkeit von 78,26 U/min. In Europa erreichte man eine Geschwindigkeit von 77,92 U/min mit einem Synchronmotor, der 3000 U/min lief, und einem Getriebe mit einer Untersetzung von 38,5 zu 1.

Heutzutage verwendet man verschiedene Antriebsarten, wie Vielpolmotor-Direktantriebe und quarzgesteuerte Thyristor-Generatoren. Die damals festgelegten Beziehungen waren jedoch maßgeblich für die Normfestlegung und die Geschwindigkeit der sogenannten 78er Platte.

 

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Die Postkarte mit Tonschrift in einer Celluloidhaut, wie es früher verwendet wurde, gibt es auch heute noch, allerdings wird anstelle von Celluloid jetzt ein moderner Kunststoff als Tonschriftträger verwendet. Dieser Kunststoff bietet möglicherweise bessere Eigenschaften in Bezug auf Haltbarkeit, Stabilität und Klangqualität im Vergleich zum alten Celluloidmaterial. Die Idee, Tonaufnahmen in einer kleinen und handlichen Postkarte zu speichern, hat sich jedoch über die Jahre erhalten und findet möglicherweise auch in der heutigen Zeit Verwendung für besondere Anlässe oder kreative Anwendungen.

 

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Der Trichter des Grammophons war ein reichlich verzierter und beleuchteter Gegenstand, der in Gaststätten und Wohnzimmern unserer Großeltern einen besonderen Platz einnahm. Er bestand aus glänzend poliertem oder lackiertem Metall und war oft mit kunstvollen Ornamenten im Jugendstil verziert. Tontechniker und Konstrukteure hatten ihn entwickelt, um eine optimale Schallwiedergabe zu erreichen, während gestaltende Künstler ihm sein charakteristisches Gesicht für die Jugendstilepoche gaben.

Der Ursprung des Trichters kann auf das jahrtausendealte Sprachrohr zurückgeführt werden, das als Inspiration diente, nicht das Hörrohr der Aufnahmeseite, das eher anspruchslos war und den Schall einsammelte. Ein Reim zum Grammophon beschreibt humorvoll, wie der Teufel Gott ein Grammophon bringt, um ihm die Musik der Sphären zu präsentieren. Gott ist anfangs begeistert von der himmlischen Musik, aber nachdem er sie dreimal gehört hat, wird sie ihm bereits zu viel, und er wirft den Teufel zusammen mit dem Grammophon in die Hölle.

 

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Bild zeigt ein Relief aus dem 9. Jahrhundert v.Chr., das in den Trümmern des Palastes von Ninive gefunden wurde. Es stellt ein Sprachrohr dar, das als Vorbild für den Grammophontrichter diente. Das Sprachrohr wurde verwendet, um Geräusche zu verstärken und einer größeren Menschenmenge hörbar zu machen. Es zeigt die frühe Verwendung von akustischen Trichtern für verschiedene Zwecke.

 

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Bild stammt aus der Schrift "Misurgia Universalis" von Athanasius Kircher aus dem Jahr 1650 und illustriert ebenfalls die Verwendung von Hör- und Sprechtrichtern in der Antike und im Mittelalter. Die Abbildung zeigt verschiedene Anwendungen dieser Schalltrichter, die dazu dienten, Geräusche zu lenken und zu verstärken. Diese historischen Beispiele zeigen, dass akustische Trichter bereits seit langer Zeit in verschiedenen Kulturen und Epochen verwendet wurden und eine wichtige Rolle in der Menschheitsgeschichte gespielt haben, lange bevor sie im Kontext der Schallplattentechnologie eingesetzt wurden.

Das Sprachrohr, das als Vorbild für den Grammophontrichter diente, hat eine lange Geschichte und wurde bereits im antiken und mittelalterlichen Zeitalter für verschiedene Zwecke eingesetzt. Eine Relieftafel aus dem 9. Jahrhundert v.Chr., die im Palast von Ninive gefunden wurde und heute im Britischen Museum in London ausgestellt ist, zeigt, wie solche Schalltrichter verwendet wurden, um den Transport von riesigen Steinblöcken zu dirigieren.

Die Aufgabe solcher Schalltrichter bestand darin, Geräusche hörbar zu machen und sie einer größeren Menschenmenge zugänglich zu machen, was sonst in der Nähe verklungen wäre. Ein weiteres Beispiel für die vielseitige Anwendung solcher Schalltrichter im Mittelalter findet sich in einem Werk über Akustik namens "Misurgia Universalis" aus dem Jahr 1650 von Athanasius Kircher, einem Jesuitenpaten aus Fulda.

Emile Berliner, der den Grammophontrichter für sein Grammophon einsetzte, hatte ebenso wie seine Vorgänger Edison und Bell-Tainter keine genaue Vorstellung davon, wie man einen solchen Schalltrichter dimensionieren musste. Ihnen diente die Trompete als allgemeines Vorbild für das Design.  Es ist faszinierend zu sehen, wie die Entwicklung akustischer Trichter im Laufe der Geschichte von verschiedenen Kulturen und für verschiedene Zwecke genutzt wurde. Die Bezeichnung "Sprech-Trompete" für das Sprachrohr im Jahr 1671 zeigt, dass die Menschen schon damals erkannten, dass solche Trichter die Lautstärke von Geräuschen verstärken können.

Die frühen Erfinder von Grammophonen hatten zwar wenig physikalisches Wissen über die Funktionsweise der Trichter, wussten aber, dass längere Trichter im Vergleich zu ihrem Enddurchmesser einen besseren Wirkungsgrad erzielten. Dies führte zur Verwendung von langen, "sprechenden" oder "singenden" Trompeten als Trichter für die Grammophone.

 

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Es ist erstaunlich zu sehen, wie auch im 18. Jahrhundert bereits riesige Schalltrichter von 35,5 Metern Länge verwendet wurden. Solche Trichter wurden sogar zur Unterstützung der Feuerwehr eingesetzt, um Feuerwehrleute an die Brandstelle zu dirigieren. Die Geschichte der akustischen Trichter zeigt, wie die Menschen über die Jahrhunderte hinweg das Prinzip der Schallverstärkung erkannt und genutzt haben, lange bevor es in der Schallplattentechnologie eine Rolle spielte.

 

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Der Grund für die langsame Erweiterung des Trichterdurchmessers bei linear ansteigendem Verlauf war die Vermeidung von Schallreflexionen im Inneren. Bei abrupten Querschnittsänderungen treten Reflexionen auf, wodurch ein Teil der Schallenergie zur Membran zurückläuft. Durch eine sanfte und langsame Veränderung des Querschnitts werden diese Störungen minimiert, weshalb ein langer Trichter verwendet wurde. Hätten die Erfinder der Sprechmaschine die Forschungen von Johann Heinrich Lambert (1728-1777) über Schalltrichter gekannt, hätten sie wahrscheinlich früher den Trichter mit exponentiell zunehmendem Querschnitt verwendet. Dieser ermöglicht eine optimale Abstrahlung bei wesentlich kürzerer Länge im Vergleich zu einem Trichter mit gleichem Enddurchmesser und linearem Querschnittsverlauf.

Dieses Mitglied der Akademie Friedrich des Großen hatte bereits 1863 den Schalltrichter theoretisch untersucht und herausgefunden, dass Reflexionen vermieden werden können, wenn der Trichterquerschnitt gegen Ende hin stärker als linear ansteigt. Allerdings dauerte es einige Jahre, bis man die Optimierung des Grammophontrichters beherrschte. Es wurden auch spezifische Regeln für diese Optimierung gefunden. Eine Regel wurde später auch bei den ersten Lautsprechertrichtern der 1920er Jahre übernommen. Ähnlich wie bei einer konzentrischen elektrischen Leitung mit wachsendem Wellenwiderstand werden Reflexionen vermieden, indem aufeinanderfolgende Querschnittselemente des Trichters exponentiell ansteigend gestaltet werden. Eine optimale Schallabstrahlung wird erreicht, wenn die Trichterwand am Ausgang einen Neigungswinkel von 45° zur Achse hat.

 

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Walter Burstyn beschrieb 1915 die Erfindung der "Schallwand", die ähnlich wie ein Trichter die untere Grenzfrequenz der Abstrahlung durch den Durchmesser bestimmt. Burstyn demonstrierte zunächst anschaulich mit einer Stimmgabel, die er in einem Ausschnitt in der Mitte einer Schallwand schwingen ließ, dass auf diese Weise eine Schallverstärkung erreicht werden konnte. Die Schallwand, später 1924 von dem Amerikaner Rice für die Erweiterung des Abstrahlbereichs eines dynamischen Lautsprechers eingeführt, wurde von Burstyn am 17. Juni 1921 bei einer Vorführung vor den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für technische Physik bekannt gemacht.

 

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Lautsprecher

 

Burstyn erklärte die Schallwand in Analogie zum Grammophontrichter wie folgt: Wenn die Wellenlänge des abzustrahlenden Schalls eine bestimmte Größe erreicht, bei der die Schallwelle um die Wand "herumfließen" kann, heben sich die Schwingungen, die von der Vorderseite und der Rückseite der Membran kommen, gegenseitig auf. Dadurch findet keine Schallabstrahlung mehr statt.

Um etwa 75% Schallabstrahlung im Vergleich zu den hohen Frequenzen zu erreichen, hat sich als Näherungsregel ergeben, dass der Weg von der Vorderseite zur Rückseite der Membran mindestens so weit sein sollte wie ein Drittel der Wellenlänge. Für eine untere Grenzfrequenz von 50 Hz bedeutet dies einen Mindestdurchmesser von 2,2 m (bei einer Wellenlänge von 6,6 m in Luft); für 100 Hz Grenzfrequenz beträgt der Mindestdurchmesser etwa 1 m.

 

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Schalltrichter

 

Burstyn erkannte, dass der Grammophontrichter nicht nur eine Richtwirkung hat, sondern auch als Schallverstärker fungiert, indem er die nützliche Dämpfung der Membran erhöht.

Die Leistungsverstärkung ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, dass der Hub der Membran ausschließlich von der Auslenkung der Schallrille abhängt, vorausgesetzt, dass eine steife Nadel verwendet wird. Wenn die Membran stärker belastet wird, muss der Antrieb zusätzliche Leistung aufbringen. Mit einem Trichter wird die kleine Membran nur mit einem geringen Strahlungswiderstand pro Flächeneinheit belastet, doch durch den Trichter wird dieser Widerstand erheblich vergrößert. Dadurch wird bei gleicher Membranschnelle die abgestrahlte Leistung mit einem vorgesetzten Trichter um ein Vielfaches größer. Das wird besonders deutlich beim Trichterlautsprecher, dessen Membran bei Betrieb mit einem bestimmten Trichter eine bestimmte Amplitude erreicht. Wenn der Trichter entfernt wird und die Belastung dadurch erheblich verringert wird, kann die Amplitude so groß werden, dass die Membran zerstört wird.

  

11. Dimensionen im Wandel 

 

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Lautsprechertrichter mit großem Durchmesser

 

Das Bild zeigt einen Lautsprechertrichter mit großem Durchmesser, der für die Abstrahlung tiefer Frequenzen benötigt wird. Für die ersten Tonfilme wurden solch riesige Lautsprechertrichter konstruiert und mit Hilfe eines Mikrofons vermessen.

In den frühen 1920er Jahren, als Trichter mit elektromechanischen Wandlern und Mikrofonen verwendet wurden, konnte man messen und eine gute Bestätigung der von Burstyn vorhergesagten Regel für den minimalen Durchmesser von etwa 1/3 der unteren Grenzwellenlänge feststellen, die auch für den Grammophontrichter galt. Gute Grammophontrichter zeigten einen steilen Abfall der Abstrahlung bei etwa 250 Hz, obwohl die Frequenzkurve sonst näherungsweise linear verlief.

Um diesen Bereich nach unten hin zu erweitern, waren Trichter mit einem Durchmesser von mindestens 1 m erforderlich. Solche Durchmesser waren jedoch beim Grammophontrichter nicht realisierbar, insbesondere da damals auch tiefe Frequenzen nicht aufgezeichnet werden konnten. Erst mit der Entwicklung elektromechanisch aufgenommener Platten und der Erfindung der Gegenkopplung wurde dies später möglich.

 

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Einfache Trompete

 

Es zeigt, wie die einfache Trompete als Vorbild für die Trichter der ersten Grammophone diente. Damals musste der drehbar gelagerte Trichter noch der Bewegung der Schalldose folgen.

 

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Trichtergrammophon

 

Im Bild ist ein Trichtergrammophon aus dem Jahr 1909 zu sehen. Der mit Rippen versteifte Trichter ist bereits ein Exponentialtrichter und bewegt sich nicht mehr mit der Schalldose. Über einen Hohltonarm wird der Schall zugeführt, und die Schalldose mit Glimmermembran wird zum Nadelwechsel hochgeklappt. Durch Kunstgriffe wie die Faltung des Trichters, die bereits beim Schrankgrammophon angewendet wurden, konnte die Lautsprechertiefe auf die verfügbare Raumtiefe beschränkt werden.

Trotzdem kehren wir zum Grammophon zurück: Der typische Blechklang war nicht ausschließlich auf die Ausführung des Trichters aus Blech zurückzuführen. Vieles davon konnte man durch Versteifungsrippen mindern, und auch durch Bekleben mit schalldämmendem Material ließ sich das Klirren erheblich reduzieren. Der blecherne Ton wurde jedoch weitgehend durch die Frequenzbegrenzung nach unten bedingt, die auf den viel zu geringen Durchmesser des Trichters zurückzuführen war.

 

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Schema der Schalldose

 

Als man sich dem Exponentialtrichter mit größerem Trichterausgang näherte, ohne zunächst die mathematischen Gesetze dafür zu kennen, war man bei der Einführung von Versteifungsrippen zur Verminderung des Klirrens noch sehr zurückhaltend. Das Bild 114 zeigt deutlich, dass der ganze Trichter von der Schalldose in der Schallrille geführt und mitgedreht werden musste.

Deshalb blieb man noch länger beim Blechton, bis eine Erfindung von Eldridge R. Johnson und Wilburn N. Dennison im Jahr 1902 das Grammophon vollkommen machte. Sie entwickelten eine aufklappbare Schalldose in Ergänzung zu dem von Bell und Tainter bereits erfundenen Hohlrohrtonarm. Dieser Durchbruch ermöglichte eine verbesserte Klangqualität und trug dazu bei, den blechernen Ton zu reduzieren. Die hochklappbare Schalldose war ein bedeutendes Patent und trug zur weiteren Entwicklung des Grammophons bei.

 

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Das obere Bild zeigt eine Werbung der Deutschen Grammophon Gesellschaft für den Trompetenarm, bei dem die hochklappbare Schalldose deutlich zu erkennen ist.

 

Die zum Nadelwechsel hochklappbare Schalldose war akustisch mit dem Hohlrohrtonarm gekoppelt, der den Schall zum nunmehr feststehenden Trichter transportierte. Da der Trichter nicht mehr der Schalldose folgen musste, konnte er getrennt auf die Zuhörer zugedreht werden, selbst während des Abspielens, da Tonarm und Schalldose mechanisch vollständig entkoppelt waren. Aufgrund seiner unabhängigen Lagerung durch den Tonarm konnte der Trichter viel stabiler gemacht werden als bei den ersten Grammophonen. Das bedeutete, dass der Trichter eine größere Austrittsöffnung erhalten und durch mehr Versteifungsrippen klirrfreier gemacht werden konnte.

Die Deutsche Grammophon Gesellschaft hatte dank der Patente eine führende Rolle inne und warb ausgiebig dafür. Das einfache Auswechseln der Nadel wurde inzwischen wichtig, um die nun schon sehr guten Platten möglichst oft in bester Qualität abspielen zu können. Nach dem Abspielen jeder Plattenseite sollte die Nadel erneuert werden, da sie durch den Gebrauch stumpf geschliffen wurde und anderen Platten schaden könnte.

In den USA nannte man den geschwungenen Trompetenarm der zweiten Generation auch "Goose-Neck", also Gänsehals. In Deutschland wäre wahrscheinlich "Schwanenhals" für die Form des Trichterhalses verwendet worden, da sein Schwerpunkt etwa über dem Drehlager lag, um bei Schwenkbewegungen keine instabile Position des Gerätes zu erzeugen.

 

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Schalldose über einen Hohltonarm

 

Das Bild zeigt, dass auch Edison später die Schalldose über einen Hohltonarm mit dem Trichter koppelte. Die Nachführung erfolgte jedoch bei ihm nicht durch eine Rille, sondern durch eine Schraubspindel. Edison verzichtete auf die Notwendigkeit einer hochklappbaren Schalldose, da er bereits frühzeitig die Diamantdauernadel eingeführt hatte.

Die einfache Konstruktion der akustisch an einen Hohlraum angekoppelten hochklappbaren Schalldose wurde von allen Grammophonen übernommen. Edison führte den Hohlrohr-Tonarm später auch bei seinem Phonographen ein und profitierte von der Diamantdauernadel, die eine hochklappbare Schalldose überflüssig machte.

 

Die Gehäuse mussten sich anpassen 

Nachdem der Trichter nun in einer festen Position bleiben konnte, beschäftigten sich die Erfinder und Konstrukteure damit, wie man ihn getarnt in einem Gehäuse unterbringen konnte. Die Pionierzeit des Grammophons, in der man stolz darauf war, eine solche technische Neuheit zu besitzen und sie seinen Besuchern vorführte, war vorbei.

Von nun an sollte das Grammophon möglichst als Ziermöbel in der Wohnung stehen und nicht mehr als demonstratives Wunderwerk präsentiert werden. Es war schon lange keine Sprechmaschine mehr, die man von seinen Besuchern bestaunen ließ.

 

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Das erste Grammophon mit einem getarnten Trichter, das den Trichter in einem eleganten Gehäuse verbirgt.

 

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Eine weiterführende Erfindung, die dazu beitrug, das Grammophon noch mehr zu einem ästhetischen Möbelstück zu machen.

 

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Originell ist das von der Firma Holzweissig in Leipzig 1904 auf den Markt gebrachte Gerät Hymnophon

 

Es gab einige Zwischenstufen bis zum Musikschrank der 1920er Jahre:

 

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Das Gerä, das ab 1904 auf den Markt kam. Der Trichter wurde in ein Gestell eingebaut, was zum Grundmodell des Tischgrammophons wurde. Die Firma Holzweissig in Leipzig ließ sich diese Geräte patentieren und brachte sie in fein verzierter Ausführung auf den Markt.

 

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Hier wird gezeigt, wie das Tischgerät später auch einen Exponentialtrichter erhielt, wie in dem Patent DKP 425 367 vom 30. Mai 1923 der Columbia Graphophone Ges. beschrieben.

 

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Ein Schrankgerät, das zur Zierde eines jeden Wohnzimmers wurde. Die Musikschrank-Grammophone wurden in den 1920er Jahren beliebt und integrierten den Trichter und das Abspielgerät in einem schmucken Möbelstück.

 

Vor allem amüsant war das "Sprechende und singende Bierfass", von der Firma Holzweissig als "Hymnophon" hergestellt, bei dem der Trichter in einem Fass getarnt war. Solche ungewöhnlichen Designs wurden damals entwickelt, um das Grammophon als unterhaltsame und kuriose Attraktion zu präsentieren. Auch Eldridge Johnson beteiligte sich zusammen mit seinem Mitarbeiter English an den Entwicklungen. Er umging das Grundpatent für das Tischgrammophon (Bild 159) von 1910, indem er einen Trichter im Klappdeckel einbaute. Erst 1923 folgte ein Patent für ein Tischgerät mit einem akustisch optimierten Exponentialtrichter. In dieser Zeit gab es bereits die Musiktruhe, ein wohlklingendes und je nach Gehäuseausführung mehr oder weniger teures Möbelstück.

Auch Edison baute solche Truhen für seinen Phonographen und später auch für seine Schallplatten-Truhen mit einem hervorragenden Klang. Das Vordringen von Tanz- und Unterhaltungsmusik-Platten nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) führte zur Einführung eines neuen Gerätetyps, dem Koffergrammophon. Fast jede junge Familie besaß in den 1930er Jahren ein solches Koffergrammophon, und bei Partys brachte man entweder sein eigenes mit oder zumindest eine Aktentasche voller Platten.

Die Geräte hatten einen recht guten Klang, der auf Tanzmusik abgestimmt war. Viele von ihnen wurden später mit einem elektrischen Tonabnehmer versehen, der anstelle der Schalldose an das Radiogerät angeschlossen werden konnte. Der Autor Walter Bruch erinnert sich an seine eigenen Erlebnisse und berichtet, dass die Geräte ein Federwerk hatten, das je nach Preisklasse einmaliges Aufziehen ermöglichte, um eine oder zwei Plattenseiten abzuspielen. Die Truhen konnten mit Federwerk (Bild 159) sogar bis zu drei Plattenseiten mit einmaligem Aufziehen abspielen.

 

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Typisches Federwerk 

 

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Typisches Federwerk 

 

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Typisches Federwerk 

 

Die oberen Bilder zeigen verschiedene typische Federwerke, die in Grammophonen und Koffergrammophonen verwendet wurden. Das Koffergrammophon ermöglichte es, das Gerät überall im Freien aufzustellen. Der Trichterklang des Koffergeräts war jedoch Gegenstand von Verbesserungsversuchen. Einer der berühmtesten Erfinder seiner Zeit, Louis Lumiere, versuchte, den Trichter durch eine große Fächermembran zu ersetzen. Das untere Bild zeigt das Koffergrammophon, bei dem der Trichter geschickt in dem kleinen Gehäuse untergebracht ist. Der aufgeklappte Deckel dient als zusätzlicher Schallreflektor. Dieses tragbare Grammophon eröffnete ganz neue Möglichkeiten und wurde bei den Menschen sehr beliebt, da sie es leicht überallhin mitnehmen konnten.

 

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Ein Koffergrammophon, das eine bahnbrechende Innovation in der Welt der Musikwiedergabe darstellte. Es eröffnete ganz neue Möglichkeiten, da es tragbar und leicht zu transportieren war.

 

Das Koffergrammophon ist so konstruiert, dass der Trichter geschickt in dem kleinen Gehäuse untergebracht ist. Der aufgeklappte Deckel des Koffers dient dabei als zusätzlicher Schallreflektor. Durch diese intelligente Gestaltung wurde der Klang des Grammophons verbessert und die Schallwellen wurden effizienter in den Raum abgestrahlt.

Diese mobilen Grammophone ermöglichten den Menschen, ihre Lieblingsmusik überallhin mitzunehmen, sei es zu Picknicks, Ausflügen oder anderen Freizeitaktivitäten im Freien. Das Koffergrammophon war ein bedeutender Schritt in der Entwicklung der Musikwiedergabe und trug dazu bei, die Musik in das Leben der Menschen zu integrieren und sie noch stärker zu genießen.

 

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Das obere Bild zeigt einen anderen Ansatz, der als Vorläufer des späteren trichterlosen Lautsprechers betrachtet werden kann. Hier wird der Schall über eine Fächermembran abgestrahlt. Der berühmte Sänger Fedor Schaljapin hört sich eine seiner Platten auf dem von Louis Lumiere erfundenen Gerät an.

Diese Fächermembran-Technologie war ein experimenteller Ansatz, um den Klang zu verbessern und den traditionellen Trichter zu umgehen. Statt den Schall durch einen Trichter zu leiten, wurde er über eine große, fächerartige Membran abgestrahlt, um eine breitere und gleichmäßigere Schallverteilung zu erreichen.

Obwohl sich diese Technologie nicht so weit verbreitete wie der traditionelle Trichterlautsprecher, legte sie den Grundstein für spätere Entwicklungen in der Lautsprechertechnik. Heutzutage werden trichterlose Lautsprecher, wie zum Beispiel Flachmembran- oder elektrostatische Lautsprecher, in vielen modernen Audio-Systemen eingesetzt, um einen präzisen und detailreichen Klang zu erzeugen.

 

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Bild zeigt das Telefunkengerät Lido, ein Koffergrammophon, das Mitte der 1930er Jahre immer noch sehr beliebt war, obwohl es zu dieser Zeit schon mehr als 10 Jahre Plattenspieler mit elektrischem Tonabnehmer gab. Die Koffergeräte blieben weiterhin Marktführer.

In diesem Bild ist die Schalldose mit der Glimmermembran und dem Halter für die auswechselbare Nadel gut zu erkennen. Dieses System ermöglichte die akustische Abtastung der Schallplatten, bevor elektrische Tonabnehmer weit verbreitet waren. Lumiere hatte bereits lange vor der Erfindung des trichterlosen Lautsprechers für den Rundfunk die Schallabstrahlung tieferer Frequenzen mit einer kreisförmigen, geformten Fächermembran erreicht. Diese innovative Technologie wurde im Bild gezeigt, wo der berühmte Bassist Fedor Schaljapin sich eine seiner Aufnahmen auf einem solchen Gerät anhört.

Pathé hatte eine ähnliche Konstruktion mit einer Konusmembran von 38 cm für seine Platten, die eine Vorlage für den späteren Konuslautsprecher war. Für Platten mit Seitenschrift wurde diese Konusmembran ebenfalls verwendet, wobei über ein Hebelwerk die Bewegung erst in die richtige Richtung auf das Membranzentrum übertragen wurde. Die Schallplättchen in den "Sprechenden Puppen" haben oft Tiefenschrift, was eine besonders einfache Konstruktion für den Membranantrieb ermöglichte, ähnlich wie bei Pathé.

Die Anwendung elektrischer Tonabnehmer blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Minderheit, da die meisten Rundfunkempfänger keinen Tonabnehmereingang hatten. Aus diesem Grund wurden Koffergeräte mit klassischer Technik immer noch in großer Stückzahl verkauft, auch von den Elektrokonzernen, die in dieser Zeit viele der großen Schallplattenfirmen übernommen hatten.

 

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Das Bild zeigt das Luxusgerät von Telefunken, das einen Koffer aus Leder besitzt. Dies war nur eines der vielen Modelle, die vor Kriegsbeginn (1939) auf dem Markt waren.

 

Eine Werbeanzeige der Firma Telefunken  veranschaulicht das breite Angebot an preiswerten Koffergeräten, die damals erhältlich waren. Neben den Geräten mit aufklappbarem "Trichter" gab es auch noch Spieler mit Federwerk und Tonabnehmer, die für den Anschluss an den Rundfunkempfänger gedacht waren.

Es ist interessant anzumerken, dass diese Koffergeräte heutzutage auf Flohmärkten für hohe Preise gehandelt werden, da sie zu historischen Sammlerstücken geworden sind. Viele dieser Geräte wurden im Laufe der Zeit jedoch achtlos weggeworfen und sind nun ein Teil der Geschichte der Schallplattenwiedergabe.

 

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Der Abschied vom Trichter als Hauptlautsprechertechnologie wurde durch den Kriegsausgang in Deutschland verzögert, aber in den 1950er Jahren setzte schließlich der endgültige Übergang zu den vollelektrischen und elektronischen Plattenspielanlagen ein. Die Technologie, die ab etwa 1925 langsam an Bedeutung gewann, führte schließlich zum endgültigen Abschied vom Trichter als Hauptlautsprechertechnologie. Bild 167 zeigt ein Grammophon der Spitzenklasse, das bereits die modernere Technologie repräsentiert, die den Trichter ablösen sollte.

 

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Das Angebot an Plattenspielanlagen, einschließlich der Hi-Fi-Systeme, wurde im Laufe der Zeit immer breiter. Die Bemühungen der Verkäufer richteten sich stets nach der Preislage der gefragten Anlagen. Ein humorvolles Bild ohne Worte aus der englischen satirischen Zeitschrift "Punch" von 1919 zeigt, wie Grammophone damals in London verkauft wurden. Es verdeutlicht, wie sich das Angebot und die Technologie im Laufe der Zeit entwickelt haben und wie sich die Verkaufsstrategien an die Bedürfnisse der Kunden angepasst haben.

 

12. Die Elektroindustrie wird aktiv 

 

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Selbstspielende Musikinstrumente, mechanische Musikdosen und die frühen Phonographen mit ihren Trichtern prägten die Anfänge der Musikwiedergabe. Seit der ersten Schallaufzeichnung im Jahr 1877, als Thomas Edison die menschliche Stimme auf eine Wachswalze aufzeichnete, lieferten die Schallwellen selbst die Energie für den Schnitt der Tonrille. Der berühmte schreibende Engel, das Markenzeichen von Emile Berliner (Bild 169), symbolisierte die Entstehung der Schallplattenindustrie. Jedoch Anfang der 1920er Jahre war die Zeit für eine bahnbrechende Veränderung gekommen. Die Technologie der Elektronenverstärker wurde immer fortschrittlicher und ermöglichte nun den elektromechanischen Schnitt von Schallplatten. Anstatt die Schallwellen direkt für den Schnitt zu nutzen, wurde das Mikrofon verwendet, um den Schneidevorgang elektromechanisch zu steuern. Dies eröffnete neue Möglichkeiten für die Schallplattenherstellung und Wiedergabe, da nun eine präzisere Kontrolle über den Schneideprozess möglich war.

Für die Entwicklung dieser neuen Schneidetechnik waren Ingenieure mit Erfahrung in der Entwicklung von elektronischen Tonverstärkern und Lautsprechern entscheidend. Deshalb verlagerte sich die Schallplattenindustrie in die Laboratorien großer Elektroindustrieunternehmen, die die notwendige Expertise und Ressourcen hatten, um diese technologischen Fortschritte voranzutreiben. Mit der wachsenden Bedeutung der elektronischen Schneidetechnik begann die Elektroindustrie auch die Herstellung von Schallplatten und Abspielgeräten aufzunehmen. Sie erkannten das Potenzial dieser neuen Technologie und investierten in die Entwicklung und Produktion von modernen Schallplatten und Abspielgeräten.

Allerdings gab es auch Herausforderungen. Patentinhaber, die die neuen Methoden der elektromechanischen Schallplattenschnitttechnik entwickelt hatten, meldeten ihre Patente an und blockierten teilweise die Verwendung dieser Technologie durch andere Unternehmen. Dies führte zu Streitigkeiten und Patentverletzungsansprüchen, die die Entwicklung der Schallplattenindustrie beeinträchtigten. Trotz dieser Herausforderungen führte der Übergang zur elektromechanischen Schneidetechnik und den Elektronenverstärkern schließlich zu einem bedeutenden Umbruch in der Schallplattenindustrie. Es markierte den Beginn einer neuen Ära für die Musikwiedergabe und legte den Grundstein für die moderne Audio- und Unterhaltungselektronik, die wir heute kennen. Die Fortschritte in der Technologie ermöglichten eine bessere Klangqualität und trugen dazu bei, dass Schallplatten und Abspielgeräte immer beliebter wurden. Die Musikwiedergabe wurde zunehmend zugänglich und erschwinglich, und die Schallplattenindustrie boomte in den kommenden Jahrzehnten.

 

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Weiterenwickelte Mikrophonograph

 

Bild 170 zeigt eine Weiterentwicklung des von Frangois Dussaud im Jahr 1897 vorgestellten Mikrophonographen. Dussaud hatte bereits in den 1890er Jahren sowohl die elektromechanische Schneidetechnik als auch die Abnahme durch einen Wandler demonstriert. Dabei verwendete er eine Nadel, um die Stromschwankungen in einem Bell-Telefon aufzuzeichnen, ähnlich wie beim Phonographen, um Rillen in Wachs zu schneiden. Diese Rillen enthielten die aufgenommenen Schallsignale. Später konnte die Nadel wieder über die Rillen laufen und den ursprünglichen Strom des Elektromagneten erzeugen, um die Stimme zu reproduzieren und den Ton wiederzugeben. Durch diese Methode hatte Dussaud die mechanische Aufnahme durch eine elektrische ersetzt.

Obwohl Dussaud diese Techniken bereits in den 1890er Jahren öffentlich vorgestellt hatte, war die damalige Zeit noch nicht reif für die breite Anwendung elektrischer Verstärker und Wandler, da sie zu dieser Zeit noch nicht verfügbar waren. Daher blieben diese Entwicklungen vorerst in der Versenkung. Erst in den 1920er Jahren, als die Technologie der Elektronenverstärker immer weiter fortgeschritten war, konnte die elektromechanische Schneidetechnik endlich realisiert und erfolgreich in der Schallplattenindustrie eingesetzt werden. Dussauds Ideen und Entwicklungen waren jedoch wegweisend und haben die Grundlage für die spätere Entwicklung der elektromechanischen Schallplattenschnitttechnik gelegt.

In den dunklen Gängen des Museums für Kybernetik, dessen Hüterin Madame Dussaud ist, befinden sich zwei faszinierende Relikte vergangener Zeiten: die erste Aufnahmedose, die im Jahr 1892 erschaffen wurde, und der innovative Pick-Up für die Wiedergabe. Ein neugieriger Pariser Wissenschaftler, der Physiologe J. B. Laborde, hatte zufällig von den bahnbrechenden Experimenten des jungen Physikers gehört und teilte seine Entdeckungen mit anderen Kollegen in der Hauptstadt. Dadurch richteten sich die wissenschaftlichen Kreise in Paris auf den faszinierenden Mikrophonographen und seinen Schöpfer.

Im Winter 1896 kam Daussaud persönlich nach Paris, seine kostbaren Apparate stets in der Hand. Empfangen wurde er von Laborde, der ihn an der renommierten Universität Sorbonne vorstellte. Dort führte der Schweizer Gelehrte seine revolutionären Entdeckungen zum ersten Mal vor und begeisterte die medizinische Fakultät in einer Sitzung. Voller Begeisterung enthüllte der Forscher seine Geheimnisse und betonte die Bedeutung dieser elektrischen Phänomene, die nun mit erstaunlicher Präzision aufgezeichnet werden konnten. Die Wissenschaftler aller Richtungen erkannten das Potenzial dieser neuen Wissenschaft, dieses ersten Mikrofons des Tons.

Sogar der einflussreiche Minister des Post- und Telegraphenministeriums, Boucher, verlangte eine Vorführung in seinen Räumlichkeiten. Dussaud erfüllte seinen Wunsch im Oktober 1897, indem er einen seiner Apparate im Arbeitsraum des Ministers und einen weiteren in Lille aufstellte. Das Experiment erwies sich als durchschlagender Erfolg. Besonders beeindruckt war die Regierung von der außergewöhnlichen Empfindlichkeit des Apparates, der selbst aus mehreren Metern Entfernung jedes Wort klar aufzeichnete, ohne dass man wie beim Telefonieren direkt davor stehen musste. Diese Eigenschaft führte zu einer neuen Anwendung: einem versteckten "Spioniergerät" in einem gewöhnlichen, unauffälligen Telefon, das heimlich alles aufzeichnete, was unvorsichtigerweise in seiner Nähe gesprochen wurde. So entstand das Abhörgerät, mit dem sogar der ahnungslose Saint Saens als Pianist bei einem Treffen mit dem türkischen Prinzen Buradin auf einem Zylinder aufgenommen wurde.

Trotz des Aufsehens, das Dussauds Demonstrationen damals in Frankreich erregten, konnte die "elektromechanische" Aufzeichnungsmethode keinen Durchbruch erzielen, ebenso wenig wie eine ähnliche Vorführung, die in Amerika stattfand. Mr. Hammer präsentierte in Philadelphia Aufzeichnungen von Signalen, die vom Phonographen in New York auf die Fernsprechleitung nach Philadelphia übertragen wurden. Es war unterhaltsam, aber letztendlich nur eine technische Spielerei. Die Versuche, Telefontechniken auf die Tonwalze anzuwenden, wurden bald vergessen. Auch gelegentliche Versuche, Schallplatten elektromechanisch zu schneiden, waren nicht erfolgreich und führten lediglich zu einigen Patenten. Die Experten der akustisch-mechanischen Schneidetechnik produzierten Schallplatten von so hoher Qualität, dass kein dringender Bedarf für eine verbesserte Technik bestand. Man hatte sich an das gewöhnt, was auf den Schallplatten aufgezeichnet werden konnte.

Die klugen Schallplattenhersteller beschränkten sich darauf, nur solche Aufnahmen zu machen, die für die akustisch-mechanische Schneidetechnik geeignet waren, und diese betonte die Stimme auf schmeichelhafte Weise, wie ein Experte einmal sagte. Die Plattenkataloge dieser Zeit zeigten eine Vorliebe für Sänger. Die unzureichende Qualität der Begleitmusik führte dazu, dass sie mehr oder weniger im Hintergrund gehalten wurde. So hatte man sich damit abgefunden, bis Mitte der zwanziger Jahre eine sensationelle Verbesserung der Schallplattentechnik aus Amerika kam, ähnlich wie die Tonwalze und die Schallplatte selbst ein Vierteljahrhundert zuvor. Diese Innovation machte alles, was zuvor als vollkommen erschien, über Nacht unvollkommen.

 

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Abbildung zeigt das elektromagnetische Schneidesystem für Wachsplatten, das von Maxfield und Harrison auf der Grundlage mathematischer Berechnungen entwickelt wurde.

 

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Abbildung zeigt das elektrische Ersatzbild für das Schneidesystem, ebenfalls von Maxfield und Harrison erstellt.

 

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Abbildung zeigt die neue Schalldose, die im Vergleich zu den bisherigen Modellen einen wesentlich verbesserten Frequenzgang aufweist.

 

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Abbildung zeigt die bis dahin übliche einfache Schalldose, die im Vergleich zu der technisch raffinierteren Schalldose den Grammophonen der ersten 25 Jahre verwendet wurde.

 

Fred Gaisberg, der herausragende Experte der akustisch-mechanischen Aufnahmetechnik, beschrieb 1924, inmitten dieser revolutionären Neuerung, wie er erstmals mit den ersten Plattenschnitten aus Amerika in Berührung kam und wie sie ihn damals beeindruckten. Er erzählte, wie die Ingenieure von Western Electric heimlich an der elektromechanischen Aufzeichnungstechnik gearbeitet hatten und dann ihre ersten Aufnahmen in Wachs der Firma Pathe in New York zur Herstellung von Musterpressungen übergaben.

In New York arbeiteten Frank Capp, ein ehemaliger Mitarbeiter von Edison, und Gaisbergs Freund Russel Hunting. Neugierig auf das, was die Außenseiter aufgenommen hatten, spielten die beiden die Platten ab, bevor sie sie weitergaben. Sie waren überrascht von dem, was sie hörten – zum ersten Mal hörten sie Zischlaute und Trompeten in natürlichem Klang.

Gaisberg fuhr fort: "Eines Tages im Herbst 1924 erreichte mich ein Telefonanruf von Russel Hunting, der gerade im Hotel Imperial Russel Square in London angekommen war. 'Fred', sagte er, 'wir haben alle unsere Jobs verloren. Komm her, ich zeige dir etwas, das dich verblüffen wird!' In seinen Räumen angekommen, musste ich Geheimhaltung zusichern, bevor er mir die mitgebrachten Platten vorspielte – unautorisierte Kopien der Western Electric Experimentalaufnahmen. Wie Hunting sah ich ein, dass von nun an keine Schallplattenfirma mehr konkurrenzfähig sein konnte, wenn sie nicht über dieses elektrische Aufnahmeverfahren verfügte.

Was die Western Electric als Nebenprodukt ihrer Forschung im Bereich der Telefon-Nachrichtentechnik erreicht hatte, ließ in meiner Welt eine Bombe platzen. Meine Kollegen, die in der einfachen akustisch-elektrischen Aufnahmemethode erfahren waren, mussten neu beginnen und Elektrotechnik studieren. Mit Bestürzung mussten sie sehen, wie junge Elektrotechniker ihnen ihre Arbeit abnahmen, auf die sie sich in langer Lehrzeit eingearbeitet hatten. Nur einige meiner alten Kollegen meisterten den Übergang."

Und dann, im Jahr 1925, fügte Gaisberg dieser Niederschrift hinzu: "Es gab viele technische Geheimnisse bei der Aufnahme und Herstellung der Matrizen, die nur mir bekannt waren. Von 1889 war ich bei meiner Firma fortlaufend unter Vertrag, bis 1925, bis zu dem Tag der elektrischen Aufzeichnung, da mein Ruhm verblasste." Gaisberg war zu pessimistisch, denn auch wenn andere die Aufzeichnung übernahmen, blieb er selbst noch ein weiteres Vierteljahrhundert in der Welt der Schallplattenaufnahme aktiv. Niemand hätte deutlicher zeigen können, wie gewaltig der Schritt von der alten (mechanischen) Technik der "Probierer" zur mathematisch berechenbaren Elektrophysik war, ein Schritt auf einem Weg, der bis zur heutigen Hi-Fi-Technik geführt hat.

Durch eine mathematische Analyse, basierend auf einem elektrischen Ersatzbild für den elektromagnetischen "Schreiber", lieferte man die Regeln für seine Dimensionierung. In einer wegweisenden Veröffentlichung berichteten Maxfield und Harrison aus den Bell-Laboratorien (Western Electric) darüber im Jahr 1926. An dieser Stelle können wir nur eine Schnittzeichnung des Schreibers und sein elektrisches Ersatzbild wiedergeben (Bild 173 und Bild 174). Mit den neuen Platten, die einen erweiterten Frequenzbereich aufwiesen, benötigte man auch eine verbesserte Wiedergabeapparatur, um das volle Potenzial der Aufzeichnung auszuschöpfen. Maxfield und Harrison widmeten sich dem klassischen Trichtergrammophon und leiteten ein ähnliches elektrisches Ersatzbild dafür ab, ähnlich wie sie es für den Schreiber getan hatten. Die Optimierung der Schaltung führte zuerst zu einer verbesserten Schalldose zurück, wobei zum ersten Mal auch die Nadeleigenschaften in die Berechnungen einbezogen wurden.

 

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Frequenzgang

 

Bild zeigt die Wiedergabefrequenzkurve des verbesserten Grammophonschrankes (A), der mit der neuen Schalldose geebnet und durch Verbesserungen am Trichtersystem im unteren Bereich erweitert wurde. Diese Kurve wird mit dem Verhalten des zuvor üblichen Schrankes (B) verglichen.

Das Schnittbild der neuen Schalldose  entstammt einem daraus resultierenden deutschen Patent. Die daneben gezeigte klassische Schalldose (Bild 174) verdeutlicht, wie komplex die neue Schalldose im Vergleich zur alten ist. Das Erreichte ist bemerkenswert: Durch die Verbesserung der Schalldose und eine Optimierung des Schalltrichters ergab sich die in Bild 175 gezeigte Linearisierung und Erweiterung des Frequenzbereichs. Unter dem Namen "Orthophonic Vitrola" wurde das Gerät in Amerika auf den Markt gebracht.

 

13. Aufkommen der Patente

 

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Bild zeigt eine Zeichnung aus dem Vorbeck-Patent, das einen Mikrophonverstärker (k, l, m) darstellt. Einige der deutschen Schallplattenhersteller, die auf die elektrische Aufnahmetechnik umgestellt hatten, gerieten unerwartet in Schwierigkeiten mit den Inhabern von zwei älteren Patenten, die ihnen eine Monopolstellung zusicherten.

Das sogenannte "Vorbeck-Patent" wurde bereits 1913 angemeldet und schützte generell die Einschaltung eines Verstärkers zwischen dem Mikrophon und dem Schreiber. Interessanterweise hatte der Erfinder zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal an einen Röhrenverstärker gedacht, sondern an einen sogenannten Mikrophonverstärker, wie in der Patentzeichnung zu sehen ist.

Das zweite Patent, das als das "Sykes-Patent" bekannt ist, wurde erst 1920 angemeldet und hatte daher noch eine lange Laufdauer, was die Situation besonders unangenehm machte. Dieses Patent schützte die Frequenzlinearität des Aufzeichnungszuges und ihre Erreichung durch Kompensationsmittel im Verstärker. Eigentlich wäre dies eine triviale Selbstverständlichkeit. Dennoch wurden insbesondere um das letzte Patent eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten ausgetragen, einer davon betraf die Deutsche Grammophon A.G. und ging sogar bis zum Reichsgericht.

In seinem Gutachten äußerte sich Prof. Dr. Heinrich Barkhausen, der als Verstärker-"Papst" bekannt war, zu den beiden Patenten und zur Rechtssituation aus der Sicht eines Ingenieurs. Er führte aus, dass für die Bewertung eines Patentes drei verschiedene Grundsätze aufgestellt werden können:

1. Die geistige und materielle Leistung, die der Erfinder aufgewandt hat.
2. Der Nutzen, den das Patent der Industrie oder der Allgemeinheit gebracht hat.
3. Der Schaden, den der Besitzer des Patents der Industrie oder der Allgemeinheit zufügen kann.

Barkhausen betonte, dass seiner Meinung nach nur der erste und zweite Grundsatz für die Bewertung maßgebend sein sollten, während der dritte Grundsatz, der die Umgehungsmöglichkeit in sich schließt, nur als juristische Handhabe betrachtet werden sollte. Er merkte jedoch an, dass in der Rechtsprechung und im Geschäftsgebahren der Industrie in den letzten zwanzig Jahren zunehmend der dritte Grundsatz an Geltung gewonnen habe.

Bezogen auf das Vorbeck-Patent erklärte Barkhausen, dass die geistige Leistung darin äußerst gering sei und die materielle Leistung des Erfinders ausschließlich in den Kosten für die Anmeldung und Aufrechterhaltung des Patents bestehe. Er führte weiter aus:

1. Nach dem Grundsatz 1 wäre der Wert des Patents mit 1000 Reichsmark (RM) reichlich bezahlt.
2. Nach dem Grundsatz 2 wäre das Patent völlig wertlos, da die Verwendung elektrischer Verstärker für die elektrische Schallaufzeichnung eine absolute Selbstverständlichkeit war, sobald brauchbare Verstärker entwickelt worden waren.
3. Nach dem Grundsatz 3 war das Patent bis etwa 1919 ebenfalls völlig wertlos, da es bis dahin mangels brauchbarer Verstärker gar nicht umsetzbar war. Erst durch die langjährigen und umfangreichen Bemühungen zahlloser Erfinder, die zu vielen Hunderten von Patenten führten, wurden die Verstärker und damit die elektrische Schallaufzeichnung auf einen solchen Grad der Vollkommenheit gebracht, dass sie die alte, reine mechanische Schallaufzeichnung an Güte weit übertrafen und diese technisch unmöglich machten.

Nach dem Grundsatz 3 muss das Vorbeck-Patent einen ungeheuren und kaum abschätzbaren Wert besitzen, da sein Besitzer die gesamte Schallplattenindustrie und möglicherweise sogar die gesamte Tonfilmindustrie vollständig in der Hand hatte. Mit der heutigen Technologie ist eine Schallaufzeichnung ohne elektrische Übertragung und diese wiederum ohne Verstärker überhaupt nicht mehr denkbar. Der Besitzer des Vorbeck-Patents konnte jeden Schallplattenfabrikanten, der ihm nicht wohlgesonnen war, den Betrieb sperren und von jedem willfährigen Fabrikanten mühelos beliebig hohe Lizenzen erpressen. Offenbar gelang ihm dies mit Unterstützung der Gerichte. Das Patent, das 1917 noch für 1000 Reichsmark seinen Besitzer gewechselt hatte, war 1927 ein Millionenobjekt geworden, weil sein Wert ausschließlich nach dem Grundsatz 3 abgeschätzt wurde.

 

Grundsätze

Hinsichtlich des Sykes-Patents äußerte Barkhausen, dass die Verhältnisse wesentlich anders lagen:

Grundsatz (Sykes-Patent): Er stellte die Vermutung auf, dass Sykes alle heute bekannten Veröffentlichungen, insbesondere den Rheographen von Abraham, nicht gekannt habe. In diesem Fall müsse man die geistige erfinderische Leistung unvergleichlich viel höher bewerten als die von Vorbeck. Es bedürfe bereits eines hohen Maßes an Scharfsinn und erfinderischer Kombinationstätigkeit, um auf den Gedanken zu kommen, dass ein an sich ungünstig arbeitender Apparat mit sehr tiefer Abstimmung durch Verstärker und eine einfache elektrische Entzerrung vom theoretischen Standpunkt aus besonders günstig und verzerrungsfrei arbeiten könne.

Die Idee der elektrischen Entzerrung, wie sie am deutlichsten von Abraham in seinem Rheographen ausgesprochen wurde, dass Fehler in der mechanischen Apparatur nicht nur angenähert, sondern sogar mathematisch exakt durch geeignete Maßnahmen in der elektrischen Leitung wieder aufgehoben werden können, sei auch heute noch für jeden Ingenieur eine überraschende Erscheinung. Die wertvollen Teile der Überlegungen von Sykes seien abstrakte wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich patentrechtlich nur schwer erfassen lassen.

Sykes stritt sich vier Jahre lang mit dem Reichspatentamt, um seinen Gedanken eine patentfähige Form zu geben. Die so entstandene Form sei leider wenig glücklich und ermögliche eine leicht missverständliche Deutung. Falls Sykes jedoch alle Vorveröffentlichungen gekannt hätte, bliebe kaum etwas von wertvoller erfinderischer Leistung übrig. Ob der Erfinder außer den Kosten für die Anmeldung weitere Ausgaben hatte, entzog sich Barkhausens Kenntnis. Sowohl der theoretische erste Teil der Anmeldung als auch die Art der späteren konstruktiven Vorschläge ließen den Eindruck entstehen, dass die Erfindung am Schreibtisch entstanden sei und nicht im Laboratorium oder in der Werkstatt.

Gemäß dem 2. Grundsatz beurteilt Prof. Dr. Heinrich Barkhausen den Nutzen und die technische Anregung, die die deutsche Industrie durch das Sykes-Patent erhalten hat, als nicht besonders hoch. Das Patent wurde erst 1924 bekannt gemacht und war so wenig klar abgegrenzt, dass es auch heute noch Fachleuten Schwierigkeiten bereitet, das erfinderische Neue praktisch zu erfassen.

Er argumentiert weiter, dass ähnliche Gedankengänge im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung der Elektroakustik und der Erfindung der Elektronenröhren nicht mehr fernliegend waren. Die experimentelle Forschertätigkeit zahlreicher Ingenieure habe hochwertige Verstärker mit einem den Eigenheiten der verwendeten Mikrophone und Lautsprecher angepassten Frequenzgang geschaffen, wie er für eine verzerrungsfreie Aufzeichnung erforderlich ist. Barkhausen ist der Meinung, dass die technische Entwicklung trotz des Sykes-Patents den gleichen Stand erreicht hätte.

Gemäß dem 3. Grundsatz richtet sich der Wert des Patents danach, inwieweit es möglich ist, die elektrische Schallaufzeichnung nach dem heutigen Stand der Technik zu umgehen. Die Möglichkeit der Umgehung hängt jedoch vollständig von der Art der Auslegung ab. Barkhausen kritisiert die Grammophon-Industrie und wirft ihr vor, ein abgeschlossenes Dasein geführt und sich in einem Stadium ängstlich abgeschlossener Probiertechnik befunden zu haben.

Er beklagt, dass er trotz mehrfacher Bemühungen in früheren Jahren nichts über die Probleme und Methoden der Grammophonindustrie erfahren konnte, obwohl er sich als Lehrer dazu verpflichtet fühlte. Barkhausen hebt hervor, dass die bedeutende Entwicklungsarbeit im Bereich der Schalltechnik seit der Erfindung der Elektronenröhre ausschließlich von elektrotechnischen Firmen mit großen Laboren und einem Stab von hervorragenden Ingenieuren geleistet wurde. Dies habe nicht nur die Grammophontechnik völlig umgestaltet, sondern auch die klangreine Lautsprecherübertragung, den Rundfunk und den Tonfilm geschaffen.

 

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So wurden erste Schallplatten elektrisch geschnitten, noch ziemlich improvisiert. Ein Bild aus der „Illustrierten Zeitung Leipzig" vom Jahre 1927

 

Prof. Barkhausen hat in seinem Gutachten ein hartes Urteil über die Patente und deren Wert gefällt. Er betonte, dass die geistige und materielle Leistung des Vorbeck-Patents äußerst gering war und dass der Nutzen für die Industrie oder die Allgemeinheit ebenfalls sehr gering war. Er kritisierte auch das Sykes-Patent und zweifelte an seiner großen Bedeutung für die technische Entwicklung, da ähnliche Gedankengänge bereits existierten und die technische Entwicklung sich auch ohne das Patent zum gleichen Stand entwickelt hätte.

 

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Ungeachtet dieser Patentstreitigkeiten ging kein Schallplattenproduzent am elektrischen Aufnahmeverfahren vorbei. Die elektrisch aufgenommenen Platten wurden immer beliebter, und viele Marken betonten dies sogar auf ihren Etiketten oder in ihren Markennamen. Die neue Technik war der Standard für Schallplattenaufnahmen, und es entstanden spezielle Marken wie Elektrola und Elektro-Vox, die die elektrische Aufnahme hervorhoben. Die Tri-Ergon-Platte, die als "photoelektrisch aufgenommen" beworben wurde, spielte ebenfalls eine Rolle in der Geschichte der Schallplattenaufnahme. Obwohl das Unternehmen einige Jahre lang Platten herstellte, schloss jedes Jahr mit einem Verlust ab, was schließlich zur Einstellung der Produktion führte. Trotz der Herausforderungen und Patentstreitigkeiten hat die elektrische Schallaufzeichnung einen enormen Einfluss auf die Schallplattenindustrie gehabt und den Weg für die heutige Hi-Fi-Technik geebnet.

 

Tri-Ergon und die Pioniere 

 

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Die Geschichte von Tri-Ergon ist faszinierend und zeigt, wie die Pioniere der Tonfilmtechnik versuchten, ihre Erfahrungen auf die Schallplattenherstellung zu übertragen. Tri-Ergon war ein deutsches Unternehmen, das in den 1920er und 1930er Jahren bedeutende Fortschritte in der Tonaufzeichnung und -wiedergabe machte. Das von Hans Vogt, Dr. Jo Engl und Joseph Masolle entwickelte Tri-Ergon-Verfahren basierte auf der Verwendung von Lichtton, bei dem der Ton auf einem Filmband fotografisch aufgezeichnet wurde. Diese Technik wurde zunächst für den Tonfilm eingesetzt, aber später auch auf die Schallplattenherstellung angewendet.

Die Methode der Zeitlupe, bei der der Ton mit einer verlangsamten Geschwindigkeit auf die Schallplatte übertragen wurde, ermöglichte eine detailliertere Aufnahme von Schallwellen und feinen Schwingungen. Diese Technik umging das zuvor erwähnte Sykes-Patent, das die Frequenzlinearität des Aufzeichnungszugs schützte. Allerdings stieß die Tri-Ergon-Technik auf Schwierigkeiten, da die damalige Tonaufzeichnung auf Film noch nicht die Qualität erreichte, die für die Übertragung auf hochwertige Schallplatten notwendig war. Die Tonqualität von Lichttonfilmen aus jener Zeit war im Vergleich zu der der damaligen Schallplatten unzureichend. Dies führte dazu, dass bestimmte Tonfilme mit prominenten Schauspielern wie Alexander Moissi nicht den erwarteten Erfolg hatten, da die klangvolle und nuancenreiche Sprachmelodik der Schauspieler nicht angemessen wiedergegeben werden konnte. Obwohl die Tri-Ergon-Platten in der Geschichte der Schallplattenaufnahme eine wichtige Rolle spielten, hatte die Tri-Ergon Musik AG keine langfristige Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen schloss jedes Jahr mit Verlusten ab und stellte schließlich die Produktion von Schallplatten ein. Nichtsdestotrotz haben die Bemühungen und Innovationen von Tri-Ergon einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Tonaufzeichnungstechnologie geleistet und den Weg für weitere Fortschritte in der Schallplattenindustrie geebnet.

 

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Das Bild zeigt die Arbeitsweise der Tri-Ergon bei der Schallplattenherstellung mit dem Einsatz eines Zwischenträgers. Zunächst wurde der Ton nach dem Lichttonverfahren auf einem Filmband photographisch aufgezeichnet. Anschließend erfolgte die Übertragung dieses Filmbands mit einer stark verlangsamten Geschwindigkeit auf die Schallplatte.

Der Prozess funktionierte folgendermaßen:

1. Tonaufzeichnung auf Film: Der Ton wurde zunächst mit Hilfe des Lichttonverfahrens auf einem Filmband festgehalten. Dabei wurde der Ton in Form von optischen Tonspuren auf dem Film belichtet.

2. Zeitlupen-Abtastung: Das aufgezeichnete Filmband wurde dann mit einer extrem verlangsamten Geschwindigkeit abgetastet. Dies bedeutet, dass der Ton in Zeitlupe wiedergegeben wurde, wodurch die Tonfrequenzen um einen Faktor von 20 bis 100 herabgesetzt wurden.

3. Schneiden der Schallplatte: Die verlangsamten Tonfrequenzen wurden genutzt, um die Schallplatte abzuschneiden. Die Schallplatte lief ebenfalls mit einer entsprechend langsameren Geschwindigkeit.

Durch diese Methode konnte Tri-Ergon Schallplatten herstellen, die feinere Schwingungen und nuancenreichere Tonspuren erfassten, als es mit den herkömmlichen Schneidetechniken möglich war. Die verlangsamten Tonfrequenzen lagen unterhalb möglicher Resonanzen des Schneidesystems und ermöglichten so eine bessere Aufnahmequalität. Obwohl die Tri-Ergon-Technik bahnbrechend war, stieß sie aufgrund der noch begrenzten Qualität der Tonaufzeichnung auf Film auf gewisse Schwierigkeiten. Dennoch leistete Tri-Ergon einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Tonaufzeichnungstechnologie und beeinflusste die Schallplattenindustrie maßgeblich.

Die Tri-Ergon-Erfinder haben in der Schallplattenherstellung zwei innovative Prinzipien eingeführt:

1. Einsatz eines Zwischenträgers: Die Tri-Ergon benutzte erstmals ein Filmband als Zwischenträger, das vor dem eigentlichen Plattenschnitt programmgerecht bearbeitet werden konnte. Dies ermöglichte eine gezielte Bearbeitung und Optimierung des Tonsignals auf dem Filmband, bevor es auf die Schallplatte übertragen wurde. Heutzutage wird häufig Magnetband als Zwischenträger für die Schallplattenherstellung verwendet.

2. Verlangsamter Schnitt: Das zweite von Tri-Ergon neu eingeführte Verfahren war der verlangsamte Schnitt. Dabei wurde der Ton auf dem Filmband in einer Zeitlupe, also mit wesentlich verlangsamter Geschwindigkeit, aufgenommen und dann mit derselben langsamen Geschwindigkeit auf die Wachsplatte übertragen. Durch diesen verlangsamten Schnitt wurden die Tonfrequenzen um einen Faktor von 20 bis 100 herabgesetzt, sodass sie unterhalb möglicher Resonanzen des Schneidesystems lagen. Dadurch konnten auch feinste Schwingungen erfasst werden, die bei der herkömmlichen Methode oft unberücksichtigt blieben. Diese Technik ermöglichte eine verbesserte Aufnahmequalität und umging gleichzeitig das Sykes-Patent, das die Frequenzlinearität des Aufzeichnungszugs betraf.

Obwohl die Tri-Ergon-Technik bahnbrechend war, hatte die Tonaufzeichnung auf Film zu jener Zeit noch gewisse Einschränkungen hinsichtlich der erreichbaren Tonqualität. Die Tonfilmtechnologie steckte noch in den Kinderschuhen und konnte nicht mit der Spitzenqualität der damaligen Schallplatten mithalten. Lichttonfilme aus dieser Zeit zeigen im Vergleich zur Tonqualität der damaligen Schallplatten eine bescheidenere Klangqualität. Trotz der Fortschritte durch Tri-Ergon blieb die Tonaufzeichnung auf Film für die Übertragung auf Schallplatten der Spitzenklasse unzureichend. Dennoch legte die Tri-Ergon einen wichtigen Grundstein für die Entwicklung der Tonaufzeichnungstechnologie und ihre Erfahrungen wurden später bei der Entwicklung von Bildplatten und anderen Tonfilmtechniken genutzt.

 

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In den Anfangsjahren der elektrischen Schallplattenaufnahmen waren die Mikrofone noch vergleichsweise primitiv und es wurden sogar Kohlemikrofone verwendet (Bild 181). Diese frühen Mikrofone hatten begrenzte technische Möglichkeiten und konnten nicht die volle Bandbreite der menschlichen Stimme erfassen. Daher konnten einige Künstler, deren Stimme von den Trichtermikrofonen in ihrer begrenzten Bandbreite "geschmeichelt" wurde, bei der Verwendung von elektrischen Mikrofonen enttäuschen und ihre Stimme kam möglicherweise nicht so gut zur Geltung wie erwartet. Ein Beispiel dafür war der Schauspieler Alexander Moissi, dem nach seiner Aufnahme in einem Tonfilm der Erfolg versagt blieb, da die damalige Tontechnik nicht in der Lage war, die nuancenreiche Sprachmelodik seiner klangvollen und weichen Stimme angemessen wiederzugeben.

In der Frühzeit der elektrischen Aufnahmen standen noch keine fortschrittlichen Methoden wie elektrische Filter oder die digitale Bearbeitung zur Verfügung, mit denen man heute eine Stimme oder andere Aufnahmen nachträglich "bearbeiten" kann, um bestimmte Klangcharakteristiken zu verändern oder zu verbessern. Die Technologie für solche nachträglichen Audiobearbeitungen war damals noch nicht entwickelt, und die Aufnahmen mussten weitgehend so bleiben, wie sie ursprünglich aufgenommen wurden. Trotz der primitiven Technik und den Herausforderungen in der Anfangszeit der elektrischen Schallplattenaufnahmen, führten die Fortschritte in der Mikrofontechnik und der Audiotechnologie im Laufe der Zeit zu immer besserer Aufnahmequalität, und die elektrische Schallplattenindustrie setzte ihren Siegeszug fort, veränderte die Musikindustrie und ermöglichte eine ganz neue Ära der Musikwiedergabe und -aufnahme.

 

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Das Mikrofon spielte eine entscheidende Rolle dabei, einige Künstler zu Stars zu machen, die sonst auf der Bühne vielleicht keine Chance gehabt hätten. Ein hervorragendes Beispiel dafür war der Sänger Joseph Schmidt, der klein an Gestalt war und eine vergleichsweise kleine Stimme hatte. Dank des Mikrofons und der entsprechenden Verstärkung konnte seine Stimme jedoch bei der Aufnahme auf Platte wie die eines ganz großen Sängers klingen.

Seine ersten Aufnahmen wurden 1929 mit dem neuen Kondensatormikrofon gemacht, das intern als die "Neumann Flasche" bekannt war und von Georg Neumann in Berlin für Telefunken gebaut wurde. Dieses Kondensatormikrofon revolutionierte die Welt des Rundfunks und der Schallplatte und ermöglichte eine deutlich verbesserte Klangqualität bei den Aufnahmen.

In den folgenden Jahrzehnten bis zur Mitte der fünfziger Jahre wurden viele Schallplatten mit diesem Kondensatormikrofon aufgenommen. Es eröffnete den Künstlern neue Möglichkeiten, da sie nun mit ihrer Stimme oder ihrem Instrument eine viel größere Hörerschaft erreichen konnten. Das Mikrofon half dabei, die musikalischen Darbietungen lebendiger und ausdrucksstärker einzufangen und somit die Schallplattenindustrie zu revolutionieren.

 

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Bild zeigt den berühmten Berliner Kapellmeister Woitschack bei einer Aufnahme für Telefunken mit dem Kondensatormikrofon vor der legendären "Neumann Flasche". Diese Bilder verdeutlichen, wie das Mikrofon die Welt der Musikwiedergabe und -aufnahme verändert hat und viele Künstler zu Weltruhm verholfen hat.

 

Bild zeigt ein weiteres Beispiel für die primitiven Mikrofon-Setups der damaligen Zeit. Hier ist ein Mikrofon durch einen Tisch erhöht, um die Schallquelle besser aufzunehmen. Im Vergleich zu den heutigen hochentwickelten und empfindlichen Mikrofonen waren die damaligen Modelle weniger raffiniert und erforderten oft improvisierte Lösungen, um optimale Aufnahmen zu erzielen. Trotzdem gelang es den Aufnahmetechnikern und Produzenten, mit den vorhandenen Mitteln bemerkenswerte Aufnahmen zu realisieren.

 

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Bild zeigt eine Schneideapparatur aus den dreißiger Jahren. Hier wird der Schall auf eine Schneidewalze übertragen, um die Wachsplatte für die Schallplattenherstellung zu erstellen. Die Schneideapparatur wurde von der Firma Klangfilm verwendet, einem bedeutenden Hersteller von Tonfilmtechnik in Deutschland.

Diese Bilder illustrieren die technologischen Fortschritte und Herausforderungen, mit denen die Schallplattenindustrie und die Tontechniker zu kämpfen hatten. Trotz der damals primitiven Ausrüstung gelang es ihnen, wegweisende Aufnahmen zu produzieren und die Grundlage für die weitere Entwicklung der Tonaufzeichnung zu legen. Mit der Zeit wurde die Technologie immer fortschrittlicher, was zu einer erheblichen Verbesserung der Klangqualität und Aufnahmetechniken führte. Heutzutage verfügen wir über hochentwickelte Mikrofone, digitale Aufnahmetechniken und digitale Signalverarbeitung, die uns ermöglichen, Klänge in höchster Qualität zu erfassen und zu reproduzieren.

 

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Bis 1945 wurden die Schallplatten, die für die Massenproduktion bestimmt waren, vor allem in Wachs geschnitten, jedoch bereits mit einem aufgeheizten Schneidstichel (siehe Bild 184 und 185). Der elektrisch geheizte Schneidstichel wurde erstmals 1892 von W. Brüning benutzt. Beim Schneiden der Wachsmatrizen für die Schallplatten beschränkte man sich jedoch lange Zeit auf das Anwärmen der Wachsmasse.

Die dicken Wachsplatten wurden kurz vor dem Schnitt sauber plangedreht, und das Wachs wurde für den Schnitt zusätzlich erwärmt. Die Wachsabdrehmaschine auf Bild 185 stammt von der Firma Georg Neumann und wurde im Jahr 1932 gebaut. Für Platten, die zum baldigen Abspielen bestimmt waren oder für Archivzwecke des Rundfunks oder politische Zwecke verwendet wurden, schnitt man vornehmlich in Folie anstelle von Wachs.

Diese frühen Aufnahmetechniken und Materialien waren zwar primitiver als die heutigen Methoden, dennoch gelang es den Tontechnikern, beeindruckende Aufnahmen zu machen, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Schallplattentechnologie und der Tonaufzeichnung insgesamt leisteten. Mit der Zeit wurden die Techniken und Materialien immer weiter verbessert, was schließlich zu den hochwertigen Schallplatten und Tonaufnahmen führte, die wir heute kennen.

 

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Die wirtschaftliche Situation in den zwanziger und dreißiger Jahren hatte einen erheblichen Einfluss auf die Schallplattenindustrie. Nach einem enormen Aufschwung erreichte die Industrie im Jahr 1929 einen Höhepunkt mit einem Plattenabsatz von 30 Millionen Stück. Allerdings wurde die Schallplattenindustrie auch stark von der einsetzenden Weltwirtschaftskrise betroffen, die in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren begann.

Die Krise führte zu einem drastischen Rückgang der Plattenverkäufe und stellte die Unternehmen vor große Herausforderungen. Das Schaubild des Börsenkurses der Aktien des riesigen Deutschen Carl Lindström-Konzerns (siehe Bild 147), zu dem das Label Parlophon gehörte, veranschaulicht die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Schallplattenindustrie.

Die schwierige wirtschaftliche Lage führte dazu, dass viele Schallplattenhersteller ihre Produktionsmethoden überdachten und neue Technologien, insbesondere die Elektroindustrie, in den Fokus rückten. Die elektrische Schallaufzeichnung und die Verwendung von elektrischen Verstärkern ermöglichten eine deutlich verbesserte Klangqualität und waren kosteneffizienter in der Produktion.

In den dreißiger Jahren, trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen, wurden immer noch bedeutende Fortschritte in der Schallplattentechnologie gemacht, und die Branche erholte sich langsam. Neue Aufnahmetechniken, verbesserte Mikrofone und innovative Schneidetechniken trugen dazu bei, dass die Schallplatte als Medium für die Musikwiedergabe weiterhin beliebt blieb und sich weiterentwickelte. Die Elektrifizierung und technologische Fortschritte hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Schallplattenproduktion und verhalfen der Musikindustrie zu neuen Möglichkeiten und Chancen.

 

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Die Weltwirtschaftskrise von 1929 hatte verheerende Auswirkungen auf die Schallplattenindustrie und führte zu einem drastischen Einbruch des Plattenabsatzes. Das Schaubild der Aktienkurse des deutschen Schallplattenkonzerns Lindström verdeutlicht den rasanten Aufstieg der Industrie bis 1929 und den starken Absturz nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise.

Die Aktienkurse von Lindström und anderen Schallplattenunternehmen erlitten massive Kursverluste, und einige Unternehmen mussten sogar Insolvenz anmelden. Die Deutsche Ultraphon, eine große Schallplattenfirma in Deutschland, war Teil des unterkapitalisierten Küchenmeisterkonzerns, der 1931 zusammenbrach. Die Schallplattenindustrie in den USA war ebenfalls stark betroffen. Der Umsatz an Platten sank von 110 Millionen am Ende der zwanziger Jahre auf unter 10 Millionen im Jahr 1934. Die Absatzrückgänge und wirtschaftlichen Herausforderungen zwangen die Unternehmen dazu, ihre Produktionsmethoden zu überdenken und nach kosteneffizienten Lösungen zu suchen.

Eine der Folgen der Krise war die Übernahme des umfangreichen Matrizenlagers der Marken "Ultraphon" und "Musica Sacra" durch die neu gegründete Telefunken Platte GmbH, die aus der Liquidation der Deutschen Ultraphon hervorging. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage setzte die Schallplattenindustrie ihre technologische Entwicklung fort und arbeitete an neuen Aufnahmetechniken, um die Klangqualität weiter zu verbessern. Die Einführung der elektrischen Schallaufzeichnung und die Verwendung von elektrischen Verstärkern halfen der Branche, sich allmählich von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu erholen und neue Perspektiven zu erschließen.

 

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Die Übernahme der Deutschen Grammophon durch Telefunken im Jahr 1937 markierte eine bedeutende Verlagerung der deutschen Schallplattenindustrie zur Elektroindustrie, insbesondere zu Unternehmen wie AEG und Siemens, den Muttergesellschaften von Telefunken. Nach der Übernahme blieb die Telefunkenplatte bei Telefunken, während die Deutsche Grammophon zu Siemens kam, nachdem AEG und Siemens sich 1941 getrennt hatten.

Die Schallplatteninteressen von Telefunken führten dazu, dass das Unternehmen nun auch in die Forschung und Entwicklung im Bereich der Schallplattentechnik einstieg. Dies umfasste unter anderem die Entwicklung erster elektrischer Tonabnehmer. Die Grundlagen für diese Technologien wurden jedoch bereits in den USA entwickelt, wie es in der weiteren Betrachtung der Geschichte deutlich wird. Der Wechsel zur Elektrotechnik und Elektronik ermöglichte der Schallplattenindustrie weitere technologische Fortschritte und Verbesserungen in Bezug auf die Aufnahme- und Wiedergabetechnik. Dies war ein wichtiger Schritt für die Entwicklung der Schallplatte als Medium für die Verbreitung von Musik und Informationen. Die Forschung und Innovation im Bereich der Schallplattentechnik setzte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort, was zu weiteren Verbesserungen der Klangqualität und Haltbarkeit von Schallplatten führte.

 

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In den USA führte ein ähnlicher Trend wie in Deutschland dazu, dass der wichtigste Teil der Schallplattenindustrie in den 1930er Jahren mit der Elektroindustrie verschmolz. Eldridge Johnson, der Pionier der Schallplatte, zog sich aus seinem Unternehmen zurück, das dann von der Radio Corporation of America (RCA) übernommen wurde und den Namen RCA-Victor Corp erhielt.

Im Gegensatz dazu verlief die Entwicklung in England anders. Dort übernahm nicht die blühende Radioindustrie den angeschlagenen Schallplattenbereich, sondern die Grammophone Company (später als EMI bekannt) erweiterte ihr Arbeitsgebiet durch den Zusammenschluss mit elektrotechnischen Firmen, die Radiogeräte, Kühlschränke und andere elektronische Geräte herstellten.

Die Verbindung von Schallplattenfirmen mit Elektronik- und Elektroindustrieunternehmen ermöglichte es, Synergien zu nutzen und die Entwicklung und Verbreitung von Technologien in der Tonträgerindustrie weiter voranzutreiben. Die Elektronik spielte eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Aufnahme- und Wiedergabetechnik und führte zu einer besseren Klangqualität und Haltbarkeit von Schallplatten. Dies trug zur weiteren Popularität und Verbreitung der Schallplatte als Hauptmedium für Musik und Tonübertragung bei.

Der Name "EMI" hat eine interessante Bedeutung, da er für "Elektrische und Musikalische Industrien" steht.

 

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Bild 190

 

Die Firma, die jetzt unter dem neuen Namen "Elektrische und Musikalische Industrien" (EMI) bekannt ist, ist nicht nur Englands führender Schallplattenhersteller, sondern auch international bekannt für ihre hochwertigen Funkanlagen. Im Jahr 1936 leitete Isaac Shoenberg, später bekannt als Sir Isaac, die Entwicklung des ersten vollelektronischen Fernsehstudios in England, was erneut die enge Verbindung zwischen der Schallplatten- und Elektroindustrie unterstreicht!

 

14. Die neue Ära beginnt 

Ein neues Zeitalter brach an: Die Ära der elektronischen Verstärkung für die Wiedergabe.

 

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In Bild 191 konnte die Lautstärke des Klangs - wenn auch begrenzt - durch die Form und Dicke der Nadeln beeinflusst werden. Der Hersteller empfahl ein Sortiment, das sich besonders für Damenstimmen und Streichinstrumente eignete.

 

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Bild 192 zeigt vier parallel abgespielte Platten, um die Lautstärke zu erhöhen (Foto: Decca).

 

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Auf Bild 193 sehen wir den stolzen Besitzer eines "Kaffeehaus-Grammophons".

 

Die mechanisch-akustische Wiedergabe hatte dem klassischen Grammophon eine große Verbreitung verschafft, dank seiner beeindruckenden Einfachheit.

Jedoch hatte es zwei unvollkommene Eigenschaften: Die Lautstärke konnte nur unbefriedigend reduziert werden und es war auch nicht einfach, es auf Saallautstärke zu bringen. Die Bewegung der Membran und die damit erzeugte Schallenergie wurden ausschließlich von den Auslenkungen in der Schallrille gesteuert, ohne die Zwischenschaltung einer Verstärkereinrichtung. Die frühen Methoden der Lautstärkeregelung

Die Wiedergabelautstärke konnte man - wenn auch nur in begrenztem Maße - durch die Verwendung spezieller Nadeln verändern (siehe Bild 148).

Bei den Schrankgrammophonen konnte man die Türchen vor dem Trichterausgang schließen, und bei Edisons Spitzentruhe befand sich ein Hebel, um eine Blende zur Lautstärkeregelung mehr oder weniger in den Trichter hineinzuschieben und so den Schallaustritt zu beeinträchtigen. Als Studenten nutzten wir sogar Wollsocken, um den Trichter zu dämpfen, wenn wir uns abends ohne die Einwände der Wirtin mit Musik unterhalten wollten.

Die Anhebung der Lautstärke war jedoch schwieriger. Die Energie, die aus der Schallrille entnommen werden konnte, reichte bei weitem nicht aus, um eine Lautstärke zu erzeugen, die für einen großen Saal ausreichend gewesen wäre. Die Notwendigkeit solcher Vorführungen wurde offensichtlich, wie die Geräte in Bild 149 und Bild 150 belegen. Das gleichzeitige Abspielen mehrerer Platten, um die Lautstärke zu erhöhen, erwies sich jedoch als technische Unzulänglichkeit, eine vorübergehende Lösung, die keinen Erfolg brachte. Was man wirklich brauchte, war eine Verstärkungseinrichtung, die die von der Rille gesteuerte Schallenergie verstärken konnte.

Edisons "Aerophons" - ein pneumatischer Schallverstärker und das Auxetophon

Bereits lange bevor man auch nur an den Elektronenröhrenverstärker dachte, schlug Edison einen pneumatischen Schallverstärker für den Phonographen vor. Das von ihm am 4. März 1878 beim amerikanischen Patentamt angemeldete Prinzip seines "Aerophons" wurde später von Sir Charles Angernon Parsons (1854-1931), dem weltberühmten Erfinder der Überdruckdampfturbine, für die Schallplatte perfektioniert. "His Masters Voice" baute das Gerät unter dem Namen Auxetophon, und es verursachte eine Sensation, als es im Dezember 1906 die riesige Albert Hall in London beschallte.

Am 12. Mai 1912 wurde Tausenden von Besuchern im "Crystal Palace" noch einmal das Abschiedskonzert der Patti von Platten vorgeführt. Das Prinzip bestand darin, dass die Grammophonnadel ein Ventil (eine Blende) bewegte, das einen von einem Kompressor in den Schalltrichter geleiteten Preßluftstrahl in seiner Stärke im Rhythmus der Tonschwingungen steuerte. Das Ergebnis war eine Schallwiedergabe, deren Lautstärke nahezu unbegrenzt gesteigert werden konnte - daher erhielten diese Wiedergabegeräte in Deutschland den treffenden Namen "Starktonmaschine".

 

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Bild 194 Stentorphon / Starkton-Grammophon

 

Bild 151 zeigt das "Stentorphon", ein Starkton-Grammophon, das durch einen Kompressor mit Preßluft betrieben wird.

Weltweit entstanden Varianten des Auxetophons (siehe Bild 151). Eine solche, von den Berlinern als "Windmusikmaschine" bezeichnete Variante stand lange Zeit im Zirkus Busch in Berlin. In Wien wurde ein Modell namens "Makrophon", das von Pathe gebaut wurde und 1907 aufgestellt wurde, ausführlich beschrieben:

"Gegenwärtig werden in Wien, wo das erste Modell im Kärntnerhof ausgestellt ist, täglich vormittags von 11-12 Uhr und nachmittags von 5-6 Uhr Konzerte gegeben. Diese erfreuen sich stets eines großen Zuspruchs und der Besuch ist für jedermann kostenlos. Der Aussteller hatte die clevere Idee, bei diesen Konzerten nur hochklassische Stücke zur Vorführung zu bringen, um den bloß neugierigen Mob in den ersten Tagen fernzuhalten, und dieser Plan war erfolgreich.

Der Kärntnerhof, dessen Glashalle den Innenraum der größten Wiener Theater noch deutlich übertrifft, ist derzeit eine der Hauptattraktionen in Wien. Fast täglich kommen verschiedene Sänger, deren Stimme aufgenommen wurde, um sich an ihrer eigenen Stimme zu erfreuen, die sie nicht besitzen. Die Töne des Makrophons sind in ruhigeren Stunden, wenn der Wagenverkehr nicht zu lebhaft ist, bis zum Operngebäude hörbar."

 

 

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Bild 195 zeigt ein Lautsprechersystem, das auf den Grammophontrichter aufgesteckt werden kann (um 1925).

 

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Bild 196 zeigt, wie es 1923 bei einem Radiobastler aussah. Ein elektromagnetisches System (rechts) bewegt im Rhythmus des Radioempfangs die Nadel der Schalldose eines Grammophons und macht es so zum Lautsprecher.

 

Bereits in den ersten Tagen des Rundfunks fand das Grammophon bei den Amateuren eine ganz andere Anwendung: Man konnte elektromagnetische Schalldosen kaufen (Bild 152) oder sie sich selbst aus einem Telephonhörer zusammenbasteln. Diese wurden dann statt der Schalldose an den Grammophontrichter gesteckt und somit das Grammophon als Lautsprecher genutzt - und das in einer Zeit, als ein Lautsprecher noch eine Seltenheit war (Bild 153).

Der elektromagnetische Tonabnehmer revolutionierte die Situation schlagartig, als er 1926/27 aus Amerika nach Europa kam. Bereits zwei Jahre zuvor war die elektromagnetische Schneidtechnik aus Amerika angekommen, und nun war auch der elektromagnetische Tonabnehmer verfügbar. Dadurch wurde die Einspielung von Schallplatten in Rundfunkprogramme endlich gelöst.

Die Entwicklung des elektromagnetischen Tonabnehmers wurde maßgeblich von Ingenieuren der Forschungsabteilung der General Electric Corp. (GE) vorangetrieben, insbesondere von Edward Kellogg. Er veröffentlichte seine Arbeiten dazu im Jahr 1927. Schon zwei Jahre zuvor, auch für die Schallplattenwiedergabe, hatte er zusammen mit Chester Rice den elektrodynamischen Konuslautsprecher (Rice-Kellogg-Lautsprecher) erfunden. Dieser Lautsprecher nutzte ein Grundprinzip, das heute noch fast ausschließlich verwendet wird.

 

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Bild 197

 

Abbildung 154 zeigt ein innovatives Grammophon von Pathe mit einem außergewöhnlichen Papierkonus-"Sprecher". Dieses Grammophon war ein Übergang von mechanischer zu elektronischer Technologie, bei dem das bisherige Hebelsystem zwischen Nadel und Konus durch einen mechanisch-elektrischen Wandler, einen Verstärker und ein elektromagnetisches Antriebssystem für den Konus als Lautsprecher ersetzt wurde.

 

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Bild 198 Radiolautsprecher mit einem Papierkonus, hergestellt von Crosley im Jahr 1925.

 

Während früher beim Pathe-Grammophon die Nadel den Konus durch ein Hebelwerk direkt beeinflusste, wurde dies nun durch eine mechanisch-elektrische Wandlung ersetzt. Ein Tonabnehmer (Pick-Up) mit regelbarem Verstärker und elektrisch-mechanischem Antriebssystem für den Konus übernahm diese Aufgabe.

 

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Bild 199 Anlage aus dem Jahr 1930, die einen Lautsprecher mit Faltmembran sowie als sogenannte Kraftverstärkeranlage mit zwei Rice-Kellogg-Lautsprechern zeigt.

 

Dieses Tischgrammophon verfügt über einen Tonabnehmer, dessen separater Verstärkungsregler anstelle der Abstimmspule in den Audionempfänger (mit einem Faltmembran-Lautsprecher) gesteckt ist. Durch die Ergänzung mit "Kraftverstärkern" und dynamischen "Kraftlautsprechern" wurde daraus eine Saalanlage, wie sie um 1930 von Telefunken angeboten wurde.

 

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Bild 200 die verschiedenen möglichen Wandler-Systeme laut Kellogg.

 

Kellogg entschied sich für die elektromagnetische Wandlung, nachdem sein Kollege Rice wenig Erfolg mit der piezoelektrischen Wandlung hatte.

In der Erstveröffentlichung über elektromagnetische Tonabnehmer stellte Kellogg die verschiedenen möglichen Systeme zusammen. Heute, 50 Jahre nach dieser Veröffentlichung, könnte man nur noch dasjenige System hinzufügen, bei dem von der Nadel ein winziges Magnetchen in einer Spule bewegt wird, sodass das äußere Magnetfeld entfallen kann.

 

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Bild 201 links das Grundprinzip des Wandlers mit gesteuertem magnetischem Fluss. In der Mitte und rechts sehen wir die von Kellogg gewählte Vierpolausführung und ihre Funktion.

 

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Bild 202 das deutsche AEG-Patent.

 

Die engen Beziehungen zwischen der deutschen AEG und der amerikanischen General Electric (GE) - GE war Aktionär der AEG - führten dazu, dass die GE-Patente über die AEG zu Telefunken gelangten. Als Tochterunternehmen der AEG und Siemens wurde bei Telefunken die Weiterentwicklung dieser Patente durchgeführt. Die AEG-Patentschrift von 1926 enthält eine detaillierte Zeichnung des ersten serienmäßig gefertigten Tonabnehmers (Abbildung 202).

 

Die Schalldose

 

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Bild 203

 

 

Die Schalldose, auch als Tondose bezeichnet, war eine innovative Entwicklung, die von der Firma EMT bis heute verwendet wird. Abbildung 203 zeigt das "Arcofar", eine der ersten Kombinationen von Rundfunkgerät mit Plattenspieler, hergestellt von Telefunken um 1930. Interessant ist, dass der Lautstärkeregler für die Schallplattenwiedergabe oben und hinten neben dem Tonarmlager platziert ist.

Abbildung 204 zeigt die ersten Doppelplattenspieler mit eingebauten Verstärkern, die für professionelle Zwecke wie den Rundfunkbetrieb entwickelt wurden.

Es gab verschiedene Firmen, die ähnlich konstruierte Tonabnehmer auf den Markt brachten, meist in Form von Dosen, die man anstelle der Schalldose in das klassische Grammophon einsetzte, sodass dieses dann nur noch als Plattenspieler fungierte. Es wurden auch komplette Kombinationsgeräte entwickelt, die ein Rundfunkgerät mit einem Plattenspieler kombinierten.  Die Verbindung eines Plattenspielers mit einem handelsüblichen Rundfunkgerät war anfangs nicht einfach, da die einfacheren Geräte keinen Tonabnehmeranschluss und keinen niederfrequenten Lautstärkeregler besaßen. Bei den Audioempfängern wurde die Lautstärke beim Rundfunkempfang durch unterschiedliche Ankopplung der Antenne oder Rückkopplung reguliert.

 

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Bild 204

 

Deshalb wurden den ersten Tonabnehmern ein aufsteckbarer Lautstärkeregler beigelegt, während bei kompletten Tonarmen dieser direkt an der Drehlagerstelle des Armes eingebaut war. Für den Rundfunkbetrieb und Großveranstaltungen wurden spezielle Doppelplattenspieler mit eingebauten Verstärkern entwickelt.

Im Zuge der Entwicklung der akustisch-mechanischen Aufnahmetechnik waren zunächst geübte Ohren das Maß der Dinge, um die Aufnahmen zu bewerten. Mit der Beteiligung von Physikern und Elektrotechnikern in der Entwicklung der Aufnahmetechnik und elektromechanischen Wiedergabetechnik gewannen jedoch physikalische Überlegungen und Messmethoden an Bedeutung.

Diese Weiterentwicklung ermöglichte es, nach und nach die Hi-Fi-Technik zu schaffen. Im Folgenden wird ein bisschen elementare Physik erläutert:

Wenn wir im linearen Bereich Sinusschwingungen aufzeichnen und eine Amplitude A betrachten, ist die Geschwindigkeit v, die beim Durchgang durch die Nullinie vorhanden ist, gegeben durch:

 

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Dabei steht f für die Frequenz der Sinusschwingung.

Für Töne unterschiedlicher Höhe, also verschiedener Frequenzen f, steigt bei einer festgehaltenen Auslenkungsamplitude A die Auslenkungsgeschwindigkeit (auch als Schnelle bezeichnet) proportional zur Frequenz f an. Wenn die Schnelle v jedoch konstant bleiben soll, folgt daraus ein Frequenzgang für die Auslenkungsamplitude A, der mit 1/f abfällt.

Ein anschauliches Beispiel ist die Saite einer Geige, die mit dem Bogen gestrichen wird. Alle Töne haben dieselbe Geschwindigkeit, nämlich die des streichenden Bogens. Daher schwingen bei tiefen Tönen die Saiten mit großen sichtbaren Ausschlägen, während die Ausschläge bei hohen Frequenzen so klein sind, dass sie nicht sichtbar sind.

Die maximale Beschleunigung in der Schwingungsmitte berechnet sich zu:

 

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Hier wird die Geschwindigkeit v durch Differentiation der Amplitude A nach der Zeit erzeugt, und die Beschleunigung wird durch zweimalige Differentiation der Amplitude erhalten. Die Differentiation entspricht bei der Sinusschwingung einer Multiplikation mit f. Dann wäre noch die Kraft zu erwähnen, mit der die Masse M hin- und hergezerrt wird. Es ist, wieder im Sinusfall, also bei einer sinusförmigen Kraft p

 

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Die folgende Passage beschreibt die Zusammenhänge zwischen der Frequenz f einer hin- und herzerrenden Kraft p und den resultierenden Werten für Beschleunigung b, Geschwindigkeit v und Amplitude A einer Masse M:

1. Wenn eine Kraft p mit der Frequenz f = 10 Hz wirkt, wird der Masse eine Beschleunigung b verliehen, die gleich ist wie bei einer Kraft der gleichen Größe p, die mit der Frequenz f = 1 Hz eine ganze Sekunde lang wirkt. Allerdings ist die Geschwindigkeit v in diesem Fall 10-mal kleiner und die Amplitude A sogar 100-mal kleiner.

Dies zeigt, dass die Wahl der Schneidkennlinie einer Platte von den oben beschriebenen Zusammenhängen abhängt. Es muss berücksichtigt werden, dass bei elektromagnetischen Tonabnehmern eine Spannung erzeugt wird, die proportional zum Produkt aus Auslenkung und Frequenz ist, wenn die Spule durch die Nadel sinusförmig bewegt wird. Dies ist gleichbedeutend mit der Schnelle oder, auf die Schallrille bezogen, proportional zum Produkt aus Umfangsgeschwindigkeit und maximaler Steilheit der Auslenkung. Ein Schnitt mit konstanter Schnelle würde daher für alle Frequenzen eine konstante Ausgangsspannung bei einem solchen Tonabnehmer ergeben.

 

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Bild 205

 

Bild 205 zeigt den Schneidfrequenzgang, der 1943 in DIN 6151 für die 78er-Platte festgelegt wurde. Dabei ist die Lichtbandbreite (Schnelle) auf 18 mm bei 800 Hz normiert. In der Zeit, als die Platten noch von mechanischen Geräten mit Schalltrichtern abgespielt wurden, ähnlich einem Schnelletonabnehmer, wurde angestrebt, möglichst wenig von einem Schnitt mit konstanter Schnelle abzuweichen.

Allerdings würde dies bedeuten, dass die geometrische Amplitude nach höheren Frequenzen hin abfällt, um eine konstante Spannungsabgabe zu gewährleisten. Dadurch würden die Ausschläge bei höheren Frequenzen, trotz gewähltem Ausschlag bei der tiefsten Frequenz, in die Größenordnung der Plattenkörnigkeit kommen, sodass die Wiedergabequalität beeinträchtigt würde.

Aus diesem Grund einigte man sich für die 78er Platte auf einen Kompromiss, der schließlich - nach unterschiedlicher Handhabung bei den einzelnen Herstellern - 1943 zu einer ersten Normung führte: DIN 6151. Dieser Normung ist in auszugsweise dargestellt.

 

15. Schellackplatten im Wandel 

Die 78er Schellackplatte wurde oft mit 84, 96 oder 106 Rillen pro Zoll aufgenommen, was zu einem mittleren Schallrillenabstand von etwa 0,25 mm führte. Für 25- und 30 cm Platten ergab dies eine Spielzeit von etwa 3 bis 5 Minuten. Da statistisch festgestellt wurde, dass die größte Schalleistung bei Musik und Sprache zwischen 400 und 1000 Hz auftritt, entschied man sich für eine Frequenz von 800 Hz, bei der die maximal aufgezeichnete Schnelle etwa 30 cm/s betrug.

Dies entspricht einer Sinus-Amplitude von 60 µm und einer Steilheit der Schallrille von etwa 40°. Unterhalb von 300 Hz verzichtete man auf eine konstante Schnelle und wählte stattdessen eine konstante Amplitude für den Frequenzgang. Dadurch vermied man die extremen Auslenkungen bei tiefen Frequenzen. Die Festlegung dieser Schneidkennlinie erforderte jedoch auch eine geeignete Messtechnik.

 

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Bild 206

 

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Bild 207

 

Es wird noch an einem Versuch gearbeitet, das Leucht-Band darzustellen.

 

Die Meyer-Breite und Normen

 

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Bild 208

 

Die "Meyer-Breite" ist ein optisches Verfahren, das 1930 von einem Mitarbeiter von Professor E. Meyer, Herrn G. Buchmann, entdeckt wurde. Bei diesem Verfahren lässt man ein paralleles Lichtbündel nahezu streifend auf eine beschriebene Schallplatte fallen und betrachtet die Platte dann von der Richtung der Lichtquelle aus. Dabei nimmt man ein leuchtendes Band wahr, das als "Meyer-Breite" bezeichnet wird. Die Breite dieses Bandes ist ein direktes Maß für die Schnelle der auf der Platte aufgezeichneten Kurvenschrift.

DIN 6151 schrieb diese Messtechnik vor, und mit ihrer Hilfe konnten einwandfreie Frequenzmeßplatten hergestellt werden.

Zuvor verwendete man elektromechanische Schwingungsgeber, um Tonabnehmer für Meßzwecke an der Nadel mechanisch zu erregen, wie in Bild 208 links dargestellt. Die Frequenzmeßplatten wurden vorher mithilfe dieser elektromechanischen Schwingungsgeber hergestellt.

 

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Bild 209

 

Bild 209 zeigt die heute für Platten nach DIN 45 541 genormte Schneidkennlinie (Schnelle bei konstanter Eingangsspannung) und die dazu korrespondierende Wiedergabekennlinie.

Die DIN 45541 besteht aus drei Teilkurven, wie in Bild 209 dargestellt. Unterhalb von 500 Hz fällt die Schnelle mit einer Steilheit von 6 dB/Oktave bis 50 Hz ab und steigt dann wieder an. Oberhalb von 2.120 Hz steigt die Schnelle ebenfalls mit 6 dB/Oktave an. Der Wiedergabeverstärker muss eine gegenläufige Frequenzkurve haben, um die gewünschte Wiedergabekennlinie zu erzielen.

Die Absenkung in der Wiedergabekennlinie bei den Höhen reduziert das Plattenrauschen, während die Absenkung bei den tiefsten Frequenzen dazu dient, das Rumpeins des Plattenspielers in der Wiedergabe zu verringern. Die Vorarbeiten in den dreißiger Jahren, damals noch für die 78er Schellackplatte, waren für diese Überlegungen eine wertvolle Hilfe.

 

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Bild 210

 

Bild 210 zeigt eine Werbung aus dem Jahr 1937 für Tonabnehmer der ersten Generation, die noch mit einem gewichtigen Tonabnehmer arbeiteten und bereits eine Tangentialabtastung aufwiesen. Die Tonabnehmer der ersten Generation wogen etwa 120 Gramm und drückten stark auf die Platte, wodurch Nadel und Platte schnell abgeschliffen wurden.

In der damaligen Zeit wurde das Auflagegewicht angegeben, nicht die Gewichtskraft. Als Maßeinheit wurde das Kilopond (kp) verwendet, bis später das Internationale Einheitensystem (IS) eingeführt wurde, das die Kraft in Newton (N) misst. Ein Newton entspricht der Kraft, die einem Körper der Masse 1 kg auf der Erde eine Beschleunigung von 1 m/s² verleiht. Umgerechnet sind 1 kp ≈ 9,806 N und 1 N ≈ 0,102 kp. Im IS ist 1 p ≈ 10 mN (Millinewton) und 1 mN ≈ 0,1 p. 1932 wurde das Auflagegewicht durch eine Entlastungsfeder am Tonarm auf 100 g vermindert.

 

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Bild 211

 

Bild 211 zeigt die Frequenzkennlinien von zwei Tonabnehmern aus dem Jahr 1930. Obwohl Schallplatten nun im Rundfunk für Sendungen verwendet wurden, genügte die Qualität der ersten Tonabnehmer mit einem Frequenzumfang von nur 100 bis 5.000 Hz nicht den Anforderungen. Vor allem bei den nutzbaren hohen und tiefen Frequenzen wiesen sie erhebliche lineare Verzerrungen auf, wie in Bild 211 dargestellt.

Die Überhöhung bei den hohen Frequenzen wurde durch die Eigenresonanz des Ankersystems mit der Nadel verursacht. Diese konnte zwar durch Gummi gedämpft werden, aber das System wurde dadurch zu steif und zerstörte die Platten.

Die Überhöhung bei den tiefen Frequenzen, bekannt als "Schüttelresonanz", entstand, weil die für die Massenbeschleunigung des gesamten Tonarms erforderliche Kraft in die Größenordnung der Auslenkkraft des schwingenden Systems kam.

In den frühen 1930er Jahren stellten sich die Telefunken-Ingenieure die Aufgabe, einen Tonabnehmer mit Dauernadel für einen Frequenzbereich von 40 bis 10.000 Hz zu entwickeln. Um einen Saphir als Dauernadel einzusetzen, musste das Gewicht des Systems erheblich reduziert werden, ebenso wie die Rückstellkräfte des Systems.

Das erste Modell, der TO 1000, erreichte eine Auflagekraft von 30g, und schließlich im Jahr 1937 kam man zum endgültigen Modell TO 1001. Seine Schüttelresonanz lag bei 25 Hz und seine Ankerresonanz auf der Platte während des Betriebs bei 14.000 Hz - also in beiden Fällen außerhalb des damals vorgesehenen Frequenzbereichs.

Bei einer Auflagekraft von 30g betrug die Ankerrückstellkraft nur 7g bei einem Ausschlag von 0,06 mm. Dadurch wurde die Platte geschont und erstmals konnte ein Saphirstift als echte Dauernadel ohne nennenswerten Abschliff eingesetzt werden.

 

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Bild 212

 

Bild 212 zeigt die Frequenzkurven des Leichtgewichtstonabnehmers TO 1001 mit einer Dauernadel aus Saphir, gemessen bei der ersten Abspielung und bei der 2000. Abspielung. Die Abspiellebensdauer einer Platte wurde dabei verzehnfacht, und die Saphiernadel erhielt eine - wie man sagte - "50.000fach" längere Lebensdauer im Vergleich zu einer Stahlnadel. Die Frequenzkurven wurden mit einer Schellack-Frequenzschallplatte ermittelt.

 

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Bild 213

 

Bild 213 zeigt weitere Details dieses interessanten Telefunken Tonabnehmers. Zusammen mit einer Abspielanlage wurde dieser Tonabnehmer auf der Weltausstellung 1937 in Paris ausgestellt, wo er als eine der sensationellen Entwicklungen Deutschlands präsentiert wurde.

 

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Bild 214

 

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Bild 215

 

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Bild 216

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Bild 217

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Bild 218

 

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Bild 219

 

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Bild 220

 

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Bild 221

 

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Bild 222

 

Der Leichttonabnehmer TO1001 von Telefunken aus dem Jahr 1937 enthält bereits fast alle Merkmale eines modernen, monophonen Tonabnehmers. Die folgenden Texte beziehen sich auf die Bilder 214-222:

• Bild 214) Das System ist geöffnet, um die inneren Komponenten zu zeigen.
• Bild 215) Der zerbrechliche Saphir wird bei hartem Aufsetzen auf die Platte durch eine Gummirolle geschützt. Die rotierende Platte entfernt den Schutz, und die Nadel senkt sich in die Rille.
• Bild 218) Ein kräftiger Magnet ermöglicht große Luftspalte, die einen linearen Wandlungsprozess sichern.
• Bild 219) Nadel und Anker sind auf einer Torsionsfeder befestigt, sodass eine zusätzliche Gummidämpfung nicht mehr notwendig ist. Beim TO1001 ist das schwingende System komplett mit der Nadel austauschbar, ähnlich wie bei modernen Systemen.
• Bild 220) Der Tonarm ist in beiden Bewegungsrichtungen in Spitzen gelagert.
• Bild 221) Eine Entlastungsfeder hebt einen Teil des Tonarmgewichtes auf. Sie liegt auf einer rollenden Kugel, um die Reibung bei der Bewegung in horizontaler Richtung zu verringern.
• Bild 222) Ein Gewicht von 25 g (durch die Entlastungsfeder teilweise aufgehoben) verschiebt die Schüttelresonanz (Bassresonanz) nach unten, sodass sie unterhalb des Übertragungsbereichs bleibt.

Anfang der dreißiger Jahre wurde vom Rundfunk ein Instrument zur Aufzeichnung und Speicherung von Sendungen und Konzerten gefordert. Die Magnetbandaufzeichnung befand sich damals noch im Anfangsstadium und erfüllte die Qualitätsanforderungen noch nicht. Aus diesem Grund griff man auf die Schallplattenaufnahme zurück.

Die Zeit, die für den gesamten Prozess von der Wachsaufnahme bis zur fertig gepressten Schallplatte benötigt wurde, war jedoch zu lang und zu teuer. Daher wagte man sich an das direkte Abspielen von Wachsplatten, was Thomas Edison mit seinen Wachswalzen schon lange zuvor getan hatte, jedoch ohne die Qualitätsanforderungen des Rundfunks zu erfüllen.

Es war eine anspruchsvolle Aufgabe für Telefunken, die leicht formbare Wachsplatte so mit einem Tonabnehmer abzutasten, dass sie nach der Aufnahme im Archiv aufbewahrt und später ohne Qualitätsverlust mehrfach abgespielt werden konnte. Dafür musste ein spezieller Tonabnehmer entwickelt werden, der in der Lage war, die empfindliche Wachsplatte schonend abzutasten. Gleichzeitig war es erforderlich, die Schneidetechnik zu vereinfachen, um eine optimale Wiedergabequalität zu gewährleisten. Diese herausfordernde Aufgabe wurde im Telefunken-Laboratorium durchgeführt, wo umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten stattfanden, um die gewünschte Technologie zu realisieren.

 

Wachs als Plattenmaterial?

 

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Bild 223 Frequenzgang Tonabnehmer

 

Bild 171 zeigt den Frequenzgang des Tonabnehmers für Wachsplatten bei der ersten und zehnten Abspielung. Es war eine Herausforderung, die zulässige Flächenbelastung und die Wärmebelastung des Wachses genau zu studieren und daraus die Daten für die zulässige Auflagekraft, die Rückstellkraft, die Massenbeschleunigungskräfte und die erforderliche Auflagefläche in der Rille zu bestimmen. Das Wachs besitzt eine statische Druckfestigkeit von etwa 70 kg/cm2 bei 35°C. Um sicherzustellen, dass das Wachs nicht übermäßig beansprucht wurde, sowohl im Rillengrund (durch die Auflagekraft) als auch in der Rillenflanke (durch die Massenbeschleunigungs- und Rückstellkraft), musste die Nadel eine genau zum Rillenprofil passende Form haben.

 

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Bild 224 Zwei Waschschreiber 

 

Bild 224 zeigt zwei Arten von Wachsschreibern: links den Zungenschreiber und rechts den Vierpolschreiber. Diese speziellen Schreibwerkzeuge wurden verwendet, um die Tonaufzeichnungen direkt auf die Wachsplatte zu schreiben und ermöglichten die Überbrückung der Zeit, bis die Magnetbandaufzeichnung weiterentwickelt wurde.

Die Kurven in Bild 223 zeigen, dass es mit dem neu entwickelten Wachstonabnehmer praktisch nicht mehr zu Beschädigungen von Wachsplatten im oberen Frequenzbereich kam, selbst wenn diese mit voller Amplitude geschnitten wurden. Früher war es nicht möglich, derart geschnittene Wachsplatten ohne Zerstörung der Schallrille auch nur einmal abzuspielen. Das gewählte Schreibsystem, der sogenannte Zungenschreiber, ermöglichte eine deutliche Verbesserung der Aufnahmeeigenschaften und eine längere Haltbarkeit der Wachsplatten.

Trotz ihrer Unpraktikabilität für den Rundfunkbetrieb, da sie schwer, umfangreich und zerbrechlich waren und ein hohes Gewicht erforderten, hatten sich die Wachsplatten dennoch für die Speicherung von Rundfunkaufnahmen im großen Umfang durchgesetzt. Um mobiler zu sein, suchte man jedoch nach einem leichteren Schallträger als Schellack oder Stahldraht. Hierfür wurden Schallfolien entwickelt, die zuvor von Amateuren für ihre Aufnahmen verwendet wurden. Diese Schallfolien wurden dann weiterentwickelt, um den Anforderungen des Rundfunks gerecht zu werden.

 

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Bild 225 Kleiner transportabler Wachs- plattenschneider 

 

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Bild 226

 

Bild 225 zeigt einen Folienschneider als Koffer für Reportagezwecke, der auch als Spieler verwendet werden kann. Er ist mit einem Wachs- oder Folientonabnehmer ausgerüstet. Bild 226 zeigt eine Kombination von Wachsplattenschneider und -Spieler, die 1934 von der Firma Georg Neumann geliefert wurde.

Die neuen Platten bestanden meist aus einem Trägermaterial wie Metall, Glas oder Kunstharz und einer darauf befindlichen Schicht aus Gelatine oder Nitrolack. Diese schneidbare Schicht war deutlich härter als Wachs, wodurch der Schneidstichel einer starken Abnutzung unterlag. Versuchsweise wurden Diamanten eingesetzt, aber aufgrund der hohen Kosten ging man wieder zu Stahlsticheln über, die nach jedem Schnitt ausgewechselt werden mussten. Die Geräte wurden transportabel, um den mobilen Einsatz zu ermöglichen.

 

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Bild 227 Die Firma Georg Neumann lieferte 1934 diese Kombination von Wachsplattenschneider und -Spieler

 

Die Schallplatten, insbesondere die Wachsplatten und Schallfolien, spielten eine bedeutende Rolle bei der Aufzeichnung und Speicherung von Rundfunkaufnahmen, vor allem in der Hitlerzeit. Die Schallplatte ermöglichte eine breite Palette an Aufnahmen und Reden, die Historikern heute wertvolle Informationen liefern.

Die Verbreitung und Kommerzialisierung der Schallplatten verlief jedoch nicht immer reibungslos. In Deutschland kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Rundfunk und der Schallplattenindustrie, da Letztere glaubte, dass der Rundfunk ihren Absatz beeinträchtigte. In den USA gab es auch eine Auseinandersetzung zwischen der Gewerkschaft der Musiker und der Schallplattenindustrie. Trotz dieser Herausforderungen war die Schallplatte eine bedeutende Technologie, die die Aufnahme und Verbreitung von Musik und Informationen revolutionierte.

 

Die Auseinandersetzungen zwischen der Schallplattenindustrie und dem Rundfunk führten zu zwei "Schallplattenkriegen" in den Jahren 1932 und 1935. Im ersten Konflikt sperrten einige Schallplattenhersteller ihre Lieferungen an den Rundfunk, der bisher kostenlose Plattensendungen für Werbezwecke verwendet hatte. Dieser Krieg endete mit einer Einigung, bei der der Höchstumfang der Plattensendungen auf 60 Stunden pro Monat begrenzt wurde. Während der zwei Stunden täglich, in denen Platten gesendet wurden, sollten alle Fabrikate gleichmäßig berücksichtigt werden.

Im Jahr 1935 kam es erneut zu Spannungen, als die sieben größten deutschen Schallplattenfirmen auf Unterlassung der Plattensendungen klagten. Die Reichs-Rundfunkgesellschaft reagierte, indem sie die Schallplattenarchive der Reichssender versiegelte. Die Klage wurde daraufhin zurückgezogen. Die Industrie betonte, dass sie nicht die Absicht hatte, die Plattensendungen im Rundfunk generell zu verbieten, forderte jedoch angemessene Entschädigung.

 

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Bild 228

 

Schließlich entschied der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, dass die Schallplattenarchive der Sender wieder geöffnet werden sollten, und die Plattensendungen wurden wieder aufgenommen. Die Konflikte zeigten, wie bedeutend die Schallplatte als Werbemittel und Verbreitungsmedium für Musik und Informationen im Rundfunk war.

In Deutschland wurde nach den Konflikten zwischen der Schallplattenindustrie und dem Rundfunk beschlossen, dass der Rundfunk weiterhin Platten senden durfte, jedoch für die Nutzung eine Entschädigung an die Industrie zu zahlen hatte. Die Rundfunkplatten wurden fortan als "Industrieschallplatten" bezeichnet, um sie von den eigenen Wachsaufnahmen der Reichs-Rundfunkgesellschaft zu unterscheiden.

 

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Bild 229

 

In den USA hingegen gab es keine derartigen Auseinandersetzungen zwischen Rundfunk und Schallplattenindustrie. Stattdessen gab es Konflikte zwischen Musikern und Plattenfirmen. James C. Petrillo, Präsident der American Federation of Musicians (AFM), führte während des Kriegseintritts der USA einen Schallplattenaufnahme-Streik durch. Dieser Streik dauerte vom 1. August 1942 an und führte dazu, dass Schallplattenfirmen auf ihre Lagerbestände an unveröffentlichten Aufnahmen zurückgreifen mussten und diese als Neuerscheinungen herausbrachten. Dies geschah als Gegenmaßnahme gegen die Konkurrenz der 400.000 Musikboxen und der Schallplattenmusiksendungen des Rundfunks, die als Bedrohung für die direkten Musikaufführungen angesehen wurden. Es ist ein historisches Ereignis, das eher einem gewaltlosen Protest ähnelte, als einem Konflikt mit Waffen und Gewalt.

 

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Bild 230

 

Ein Unternehmen mit dem Namen DECCA aus den Vereinigten Staaten war involviert. Eine Firma namens RCA-Victor wurde im Herbst 1943 ebenfalls in die Knie gezwungen und unterzeichnete einen Vertrag mit der AFM. Dadurch wurden sie verpflichtet, für jede verkaufte Platte einen Beitrag an die Gewerkschaft zu leisten, der den arbeitslosen Musikern zugutekam. Diese Verpflichtung kam zusätzlich zu den Abgaben für die Urheberrechte. Columbia und RCA-Victor folgten diesem Beispiel im Sommer 1944.

 

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Bild 231

 

Das Taft-Hartley-Gesetz von 1947 machte diese von Pedrillo auferlegten Abgaben illegal. Als Reaktion darauf startete er 1948 einen zweiten Streik bezüglich Schallplattenaufnahmen. Dieser Streik erwies sich jedoch als weniger wirksam, da die streikenden amerikanischen Musiker durch ausländische Musiker ersetzt werden konnten. Schließlich einigten sich die Parteien, und es wurde ein Fond eingerichtet, dessen Verwaltung einem von beiden Seiten akzeptierten Delegierten übertragen wurde. Diese Ereignisse zeigen die immense Bedeutung, die das Medium der Schallplatte bereits zu der Zeit erlangt hatte, als es nur 78er Platten mit einer maximalen Spielzeit von 4,5 bis 5 Minuten pro Seite gab.

Der Weg zur Langspielplatte verlief nicht ohne Herausforderungen. Insbesondere bei längeren Musikstücken wie dem berühmten Tschaikowski Konzert Nr. 1 in B-Moll, II. Satz, 1. Teil, 4. Fortsetzung stieß man auf Probleme. Die Spielzeit von 4 1/2 Minuten auf einer Plattenseite war einfach unzureichend. Für längere Programme wie Symphonien oder Opernquerschnitte war selbst die große 78er Platte mit 30 cm Durchmesser viel zu kurz. Die Aufzeichnung musste daher sorgfältig geplant werden, und Dirigenten, Orchester oder Solisten mussten bereit sein, sofort zu spielen, sobald die Signallampe das Starten der Wachsplatte ankündigte, um keine wertvolle Aufzeichnungskapazität zu verschwenden.

 

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Bild 232

 

Oftmals reichte die Zeit nicht aus, um das gesamte Musikstück aufzuzeichnen, und die Aufnahme musste in beschleunigtem Tempo wiederholt werden. Manchmal wurden auch Takte weggelassen, um das Stück auf einer Plattenseite unterzubringen.

Gerald Moore beschreibt in seinen Erinnerungen, dass mit dem Wachsverfahren nur Platten in zwei Größen hergestellt wurden: eine große mit normalerweise vier Minuten fünfzehn Sekunden und eine kleine mit drei Minuten zehn Sekunden Laufzeit. In besonderen Fällen konnte eine halbe Minute zusätzlich auf eine Platte gequetscht werden, aber das führte zu einer Verschlechterung der Tonqualität, wenn die Nadel dem Plattenzentrum zu nahe kam.

Die Sehnsucht nach einer Schallplatte mit längerer Spielzeit, einer sogenannten "Langspielplatte", blieb lange Zeit ein Wunschtraum. Es gab drei Möglichkeiten, dies zu erreichen:

1. Vergrößerung des Plattendurchmessers.
2. Enger nebeneinanderliegende Tonspuren, um mehr davon auf einer Plattenseite unterzubringen.
3. Reduzierung der Umdrehungszahl pro Minute, um mehr Zeit für eine Rille zu haben.

Die naheliegendste Option war die Vergrößerung des Plattendurchmessers. Bereits um 1905 wurden erste 50 cm Platten von Unternehmen wie Neophone in England und Pathe in Frankreich hergestellt. Jedoch waren diese Platten unhandlich und zerbrechlich und wurden vom Publikum nicht gut angenommen. Ein Kompromiss wurde schließlich mit der Einführung der 40 cm Platte gefunden, die ausschließlich für die Hände sachkundiger Kinovorführer während der Ära der Plattentonfilme bestimmt war.

 


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Bild 233

 

Bild 133 zeigt den betagten Edison bei der Entwicklung seiner Schallplatte. Obwohl er bereits auf die 80 zugeht, arbeitet der leidenschaftliche Erfinder an seinem Lebenswerk, um eine erste 40-minütige Platte zu realisieren. Ursprünglich ein überzeugter Verfechter der Walze, die eine konstante Abtastgeschwindigkeit während der gesamten Spielzeit gewährte im Gegensatz zur Platte, bei der die Geschwindigkeit nach innen hin abnimmt, musste er auf Drängen seiner Geschäftspartner im Jahr 1910 die Entwicklung einer eigenen Schallplatte in Angriff nehmen.

 

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Bild 234

 

Obwohl Edison diese Arbeit anfangs widerwillig aufnahm, begeisterte ihn das Projekt bald derart, dass er und seine Mitarbeiter viele Patente in diesem Bereich anmeldeten.

Im Jahr 1912 kamen die ersten Edison-Platten (Bild 234) auf den Markt, zusammen mit speziell für diese Platten konzipierten Abspielgeräten. Edison glaubte fest daran, dass die Tiefenschrift der Seitenschrift qualitativ überlegen sei, daher wurden die Platten mit Tiefenschrift hergestellt und konnten nicht mit herkömmlichen Grammophonen abgespielt werden.

Edisons Platten hatten zunächst einen Durchmesser von 25 cm und wurden mit 80 U/min abgespielt, womit sie in die Kategorie der 78er Platten einzuordnen wären. Man könnte ihn als Vorläufer von Hi-Fi bezeichnen, da er unermüdlich an der Verbesserung der Aufnahmequalität arbeitete. Aufnahmen, die seinen hohen Qualitätsansprüchen nicht genügten, wurden nicht auf den Markt gebracht.

 

 

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Bild 235

 

Bild 235 zeigt den Abnahmeraum für die fertigen Platten in West Orange, wo viele nicht freigegebene Platten in den Regalen stehen. In der Fabrik in West Orange existiert ein Saal (siehe Bild 235), in dem alle neuen Platten vor ihrer Freigabe einer sachkundigen Gruppe vorgeführt werden. An den Wänden stehen Regale mit unzähligen Platten, darunter auch viele, die letztendlich nicht auf den Markt gebracht wurden.

 

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Bild 236

 

Es gab eine Fernsehsendung, bei der einige dieser nicht freigegebenen Platten zusammen mit H. Gotzmer über ein Mikrofon von einer dort stehenden Truhe abgespielt wurden, um das Publikum mit der herausragenden Technik von Edisons Aufnahmen vertraut zu machen, selbst bei den von ihm kritisierten Platten. Als Abtaster verwendete Edison die Dauernadel aus Diamant (siehe Bild 236), die bereits für die Walze entwickelt worden war. Sie wurde schiffchenförmig geschliffen und poliert, eine Spitzenleistung der damaligen Technik.

Im Gegensatz zur üblichen Schellacktechnik wurden diese Platten von Anfang an aus eigenen Materialmischungen hergestellt. Als während des Ersten Weltkrieges einige der aus Deutschland bezogenen Ingredienzien nicht mehr verfügbar waren, begann Edison Experimente, die ihn zu einem eigenen Kunststoff führten, den er "condensite" nannte.

 

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Bild 237

 

Später stellte sich heraus, dass dieser Kunststoff identisch mit dem von dem Amerikaner H. Bakeland im Jahr 1915 erfundenen härtbaren vollsynthetischen Kunstharz namens "Bakelite" war, das weltbekannt wurde. Dieses Material wurde gehärtet und bildete die Oberfläche eines massiven Kerns aus kostengünstigerem Material. Damit waren die ersten Platten entstanden, bei denen die Nadel auf synthetischem Kunststoff lief.

Als es schließlich möglich war, auch 30 cm Platten aus Bakelite herzustellen - Edison hatte zuvor Schwierigkeiten mit der Vergoldung der 30 cm Masterplatten -, war alles bereit für die Herstellung einer Langspielplatte.

 

16. Der Traum wurde wahr 

 

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Bild 238 Edisons 40-Minuten-Platte

 

In der frühen Ära der Schallplatten, als die Aufnahmetechnologie noch in den Kinderschuhen steckte, spielte das Kunststoffmaterial eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieser damals revolutionären Technologie. Thomas Edison, der Erfinder und Pionier der Schallaufzeichnung, strebte eine bemerkenswerte Rillendichte von 400 Rillen pro Zoll an, was etwa 16 Rillen pro Millimeter entspricht. Um dies zu erreichen, wurde eine besondere Abtastnadel aus Diamant verwendet, die lediglich halb so breit war wie die heutigen Nadeln für moderne Langspielplatten. Diese innovative Kombination aus Kunststoffplatten und einer feinen Diamantnadel ermöglichte es, Töne und Musik auf eine bisher ungekannte Weise aufzuzeichnen und abzuspielen.

Die technischen Herausforderungen waren enorm. Die Schrift in den Rillen konnte aufgrund der begrenzten Einschnitttiefe nicht allzu tief sein. Um dennoch genügend Lautstärke und Klangqualität zu erzielen, musste die Diamantnadel mit einem beachtlichen Druck von mehr als 300 Gramm auf die Platte gedrückt werden. Der spezifische Druck betrug dabei einige 100.000 Kilopond pro Quadratzentimeter, was angesichts heutiger Standards nahezu unvorstellbar ist.

Die Bezeichnung "Edison Record 40 Minute" auf den 30 cm großen Platten für 80 Umdrehungen pro Minute war zwar etwas irreführend, denn sie enthielten tatsächlich nur 2 x 22 Minuten Spielzeit. Dennoch war dies zu der Zeit eine beachtliche Leistung, da eine Seite der Platte eine Spielzeit von 20 Minuten hatte. Im Vergleich dazu boten moderne Langspielplatten (LPs) deutlich weniger Spielzeit pro Seite.

 

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Bild 239 Edison-Abspieltruhe mit auswechselbarer Dose für Normal -und Langspielplatten

Zusätzlich zu den technischen Herausforderungen und den innovativen Entwicklungen sah Edison keine Notwendigkeit, auf die elektrische Schneidetechnik umzusteigen. Statt dessen wurden die auf dem Markt erhältlichen Schallplatten mechanisch-akustisch von Edisons Normalplatten abgeleitet. Dies mag heutzutage merkwürdig erscheinen, insbesondere weil Edison einst die elektromechanische Aufzeichnung von Telegrafensignalen entwickelt hatte. Er wird oft als einer der bedeutendsten elektrotechnischen Erfinder seiner Zeit neben Werner von Siemens angesehen.

 

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Bild 240 Elektrische Schneideapparatur

 

Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Schallaufzeichnungstechnologie von der reinen Mechanik hin zur Elektrik. In einem Versuch, die Tiefenschriftplatte zu verbessern, wagte der alte Thomas Edison widerwillig, dass sein Sohn Charles experimentelle Schnitte mit einer elektrischen Schneidapparatur durchführte. In den Werkstätten in West Orange wurden solche Apparaturen gefunden, die Platten von bemerkenswerter Qualität erzeugten. Dennoch fanden diese Platten keinen nennenswerten Absatz.

Edisons Langspielplatten, die nur für wenige Jahre produziert wurden, stießen nicht auf das gewünschte Interesse beim Publikum. Die Nachfrage tendierte eher zu lauten Platten. Schließlich begann die elektrische Abspielung von Schallplatten, besonders durch die Berliner-Platten, populär zu werden.

 

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Bild 241 43 Centimeter Kino-Platte aus dem Jahr 1925

 

Im November 1929, einen Monat nach dem "schwarzen Freitag", stellte der 82-jährige Edison die Herstellung von Schallplatten und Plattenspielern ein. Die Ära der Phonographen, Walzen, Platten und Plattentruhen aus seinen Fabriken hatte die Geschichte der Schallaufzeichnungstechnik maßgeblich geprägt und übertraf alles, was später folgte. Edisons Zeit war vorbei, und zwei Jahre später verstarb er. Doch sein Vermächtnis lebte fort, indem er den nachfolgenden Generationen zeigte, dass Langspielplatten mit größerer Rillendichte möglich waren.

Eine weitere Methode, um längere Spielzeiten zu erreichen, bestand darin, die Umdrehungszahl der Platten zu reduzieren. Dies bedeutete eine Herabsetzung der Abtastgeschwindigkeit, um mehr Musik in einer Rille unterzubringen. Maxfield, der während der Entwicklung der elektromechanischen Plattenschnitte arbeitete, entdeckte, dass solche Platten gut als musikalische Untermalung von Stummfilmen verwendet werden konnten.

 

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Bild 242

 

Schließlich kam die Idee auf, Platte und Film miteinander zu verbinden, sodass die Platte synchron zum Film abgespielt wurde, und das alte Prinzip des Tonfilms wurde neu belebt. Die Qualität des Lichttones, der speziell in Deutschland für den Tonfilm entwickelt wurde, konnte jedoch noch nicht mit der Klangqualität der Schallplatte konkurrieren. Es würde noch einige Zeit dauern, bis die Technologie so weit fortgeschritten war, dass der Tonfilm seine volle Blüte entfaltete und ein fester Bestandteil der Filmindustrie wurde.

 

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Bild 243 40cm Platte

 

Die Entstehung der Drehzahl von 33 1/3 Umdrehungen pro Minute (U/min) für Schallplatten ist eine faszinierende Geschichte. Ursprünglich wurden Schallplatten mit einer Drehzahl von 78,26 U/min produziert, aber mit der Einführung des Tonfilms entstand die Notwendigkeit, längere Musikstücke auf einer einzigen Platte unterzubringen, um die Filmzeit von 11 Minuten zu begleiten. Dafür musste die Drehzahl der Platten reduziert werden, während der Durchmesser der Platte bei etwa 40 cm bleiben sollte.

 

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Bild 244

 

Der Antrieb von Aufnahmekameras und Plattenschneidapparaturen musste synchron erfolgen, aber die schweren Plattenschneidapparaturen sollten räumlich getrennt von den beweglichen Filmkameras arbeiten können. Aus diesem Grund entschied man sich für einen Antrieb vom Wechselstromnetz mit einem Synchronmotor. Dieser Synchronmotor lief normalerweise mit 1.800 Umdrehungen pro Minute bei 60 Hz Netzfrequenz.

Um die gewünschte Untersetzung zu erreichen, wählte man ein Verhältnis von 54:1. Dabei wurde eine von dem Motor angetriebene Schnecke verwendet, die im Verlauf einer Umdrehung ein Zahnrad mit 54 Zähnen um einen Zahn weitertransportierte. Dadurch ergab sich eine Drehzahl von exakt 33,3333 U/min. Aus praktischen Gründen wurde diese Zahl auf 33 1/3 U/min gerundet.

Diese ungewöhnliche Drehzahl von 33 1/3 U/min ermöglichte es, längere Musikstücke auf einer einzigen Platte aufzuzeichnen und war daher perfekt für die musikalische Untermalung von Tonfilmen geeignet. So wurde die 33 1/3 U/min zur Norm für Langspielplatten und blieb bis heute in Gebrauch.

Interessanterweise geriet die genaue Herkunft dieser Drehzahl im Laufe der Zeit sogar bei den großen Schallplattenfirmen in Vergessenheit. Dennoch bleibt die 33 1/3 U/min eine wichtige kulturelle und technologische Errungenschaft, die die Geschichte der Schallaufzeichnung maßgeblich geprägt hat.

Bei der Entwicklung der neuen Langspielplatte wurden vor allem zwei Möglichkeiten genutzt, um die Spielzeit zu verlängern: die Verringerung der Drehzahl und die Vergrößerung des Durchmessers der Platte.

 

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Bild 245 35 Millimeter Nadelton Kinofilmprojektor

 

Durch die Vergrößerung des innersten Durchmessers konnte die kleinste aufzuschreibende Wellenlänge im Vergleich zur 78er Platte nicht nennenswert verkürzt werden. Dies ermöglichte es, im Wesentlichen die bewährte 78er Schneidetechnik beizubehalten. Die Platte wurde von innen nach außen geschnitten, was den synchronen Start der Platte von einer Marke am neu anlaufenden Film weniger problematisch gestaltete. Zudem hatte eine auswechselbare Stahlnadel eine längere Lebensdauer, da sie erst verschlissener war, wenn die kleineren Wellenlängen am inneren Bereich der Platte abgetastet wurden. Diese Technik wurde von Maxfield in einem Patent dokumentiert.

Ähnlich wurde auch bei den Schallfolien des Rundfunks vorgegangen, mit denen Sendungen bis zur Einführung der Magnetband-Aufzeichnung aufgezeichnet wurden. Die Schallfolien wurden von innen nach außen beschrieben, und die nächste Platte startete bereits, bevor die vorhergehende den Rand erreicht hatte. Dadurch wurde sichergestellt, dass keine Information verloren ging.

 

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Bild 246

 

Die bahnbrechende Idee der "Nadeltonfilme", also Filme mit synchroner Tonspur, wurde von den Brüdern Sam und Harry Warner, den Chefs der Warner Brothers Pictures Corporation, erkannt. Die ersten Vorführungen von Probeaufnahmen dieser Technologie fanden Ende 1926 in den Labors der Bell Telephone Co., einer Tochtergesellschaft der mächtigen Western Electric Corporation, in New York statt. Während viele andere Filmproduzenten den Tonfilm als eine nette Spielerei ansahen, erkannten die Warner Brothers das Potenzial und entschieden sich mutig, ihr gesamtes verfügbares Geld in diese Technologie zu investieren, um ihr in einer kritischen Situation befindliches Unternehmen zu retten. In Zusammenarbeit mit der Western Electric wurde das Unternehmen Vitaphone gegründet, um die Western Electric-Tonfilmpatente zu nutzen.

Ein großer Erfolg des Unternehmens war auch dem Entdecken des talentierten Darstellers Joseph Rosenblatt, alias Al Jolson, zu verdanken. Jolson, der als Sänger in der Synagoge begonnen hatte und dann als Negerimitator die Menschen im Haarlemer Negerviertel mit Schlagern begeisterte, erwies sich als idealer Darsteller für die Einführung des Tonfilms.

Die erfolgreiche Kombination aus technischen Innovationen und dem richtigen Darsteller führte dazu, dass der Tonfilm eine Revolution in der Filmindustrie auslöste und den Weg für die zukünftige Entwicklung von Filmen und Schallplatten ebnete. Es war eine Zeit, in der ein kleines Stückchen Glück und visionäre Entscheidungen die Weichen für die Zukunft stellten.

 

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Bild 247

 

Im Oktober 1927 feierte der Tonfilm mit der Premiere von "The Jazz Singer" in den Warner-Kinos in New York einen sensationellen Erfolg. Die rührend sentimentale Geschichte des Films zog das Publikum in den Bann, und die Prominenz der Stadt war begeistert. Der Film wurde von den Zuschauern bejubelt, und Warner Bros. war damit vorerst gerettet.

Der darauf folgende Tonfilm "The Singing Fool" mit Al Jolson als Hauptdarsteller erwies sich als noch größerer Erfolg. Erneut erzählte der Film eine rührselige Geschichte und zog die Zuschauer in seinen Bann.

In Deutschland wurde die Aufführung der Tonfilme zunächst durch Patente der Telefunken-Gesellschaft verhindert. Dies gab der deutschen Filmindustrie Zeit, aufzuholen und eigene technologische Fortschritte zu erzielen. Die Telefunken-Gesellschaft erlaubte keine Vorführungen des "Jazz Singer", daher musste das Publikum den Film vorerst stumm erleben. Erst am 3. Juni 1929 wurde die einstweilige Verfügung gegen die Aufführung des Tonfilms "Der singende Narr" aufgehoben, und der Film konnte endlich auch in Deutschland gezeigt werden.

 

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Bild 248 - aus der Berliner Morgenpost vom 4. Juli 1929

 

Die Premiere des Films "Der singende Narr" im Gloria Palast in Berlin wurde ein ebenso großer Erfolg wie in Amerika. Etwa 300.000 Berliner sahen den Film und waren begeistert. Besonders das Lied "Sonny Boy", gesungen von Al Jolson, wurde ein großer Hit und wurde in riesigen Mengen auf Schallplatten gepresst, was ihn zum ersten "Tonfilmschlager" machte.

 

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Bild 249 Al Jolson verhalf in dem Film „Der singende Narr" auch in Deutschland dem Tonfilm zum Durchbruch

 

Die deutsche Industrie kam schnell mit eigener Tonfilmapparatur nach, und die Filmvorführer benötigten nun zwei Assistenten. Einer war im Saal, um die Lautstärke mit einem Saalregler zu regeln, während der andere Gehilfe im Projektionsraum alle 11 Minuten eine neue Platte vorbereitete, um den synchronen Start beim Anlauf der nächsten Filmrolle sicherzustellen.

Walter Bruch, der spätere Erfinder des PAL-Fernsehstandards, war einer der Tonvorführer jener Zeit. Die Tonfilmapparatur der Firma Zeiss-Ikon mit einem angebauten Plattenspieler kam zum Einsatz, um die Tonfilme zu zeigen. Die Technologie entwickelte sich schnell weiter, und bald darauf kamen auch Abtaster für Lichtton zum Einsatz.

 

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Bild 250 Eine erste Tonfilmapparatur der Firma Zeiss-Ikon

 

Der Siegeszug des Tonfilms revolutionierte die Filmindustrie und veränderte die Art und Weise, wie Filme gemacht und genossen wurden. Es war eine aufregende Zeit, in der Technik und kreative Kunst miteinander verschmolzen und das Publikum in Staunen versetzten.

 

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Bild 251 Dr. Peter Goldmark

 

Bild 251 zeigt Dr. Peter Goldmark, den Initiator der modernen 33er Vinyl-LP. Als junger Student verdiente ich mir damals in einem Provinzkino pro Tag eine Mark und habe somit ein kleines Stückchen Schallplattengeschichte aktiv miterlebt.

Der Lichtton hielt im Jahr 1930 Einzug in die deutschen Tonfilmtheater. Dennoch waren zu dieser Zeit noch 42% der Apparaturen in den Theatern für Nadelton, 26,5% für Licht- und Nadelton und nur 32,3% für reine Lichttonmaschinen ausgelegt. Doch schnell entschied man sich in Deutschland, ganz auf den Lichtton umzusteigen, obwohl er damals noch nicht die Qualität des Nadeltones erreichte. Interessanterweise ermöglichte die erste 33er Langspielplatte dem Tonfilm seinen Massenstart.

Dr. Peter Goldmark, geboren in Ungarn, war ein Experte auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik und ein erfahrener Forscher und Ingenieur. Nach seinem Studium an der Technischen Hochschule in Berlin und seiner Promotion in Wien arbeitete er unter anderem bei Pye in England, bevor er in die USA auswanderte. Dort wurde er 1936 Entwicklungstechniker bei CBS (Columbia Broadcasting System) und initiierte dort mehrfach neue Techniken, darunter die LP, das Farbfernsehen und EVR.

Ich hatte das Vergnügen, den charmanten Erfinder persönlich kennenzulernen, da wir gemeinsame ungarische Bekannte in Berlin hatten und uns über die Entstehung der LP unterhielten. In seinem Buch "Maverick Inventor - My Turbulent Years at CBS", das er zusammen mit Lee Edson verfasste, beschreibt er sich selbst als einen Einzelgänger, der manchmal mit dem Kopf durch die Wand rannte, wenn er davon überzeugt war, dass es notwendig war. Dr. Peter Goldmark hat zweifellos einen bedeutenden Beitrag zur modernen Musik- und Tonträgertechnologie geleistet und den Weg für die LP geebnet, die bis heute als beliebtes Format für Musikalben verwendet wird.

 

LP Entwicklung laut Peter Goldmark

 

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Bild 252

 

Dr. Peter Goldmark erzählte, dass er während des Krieges in England für CBS arbeitete und mit einem Kriegskameraden in einem Zimmer lebte, in dem ständig dessen Grammophon mit unerträglich blechernem Klang, Knacken, Zischen und Rauschen lief. Er war entschlossen, dieses Problem zu lösen und einen besseren Klang für Musikwiedergabe zu schaffen. Als ihm kurz nach Kriegsende 1945 die Leitung einer kleinen Forschungsgruppe bei CBS übertragen wurde, nahm er sich dieser Aufgabe an.

Dr. Goldmark war besonders an klassischer Musik interessiert und stellte fest, dass 90% aller Symphonien auf einer Platte mit 45 Minuten Gesamtspielzeit untergebracht werden konnten. Er hatte die Vision einer "neuen" Platte mit hervorragender Klangqualität und einer Spielzeit von 22 1/2 Minuten pro Seite, was eine ähnliche Zeit war, die Thomas Edison einmal fast erreicht hatte.

 

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Bild 253 40cm Film-TOn Schellack Platte

 

Voller Begeisterung begann Goldmark mit einigen wenigen Mitarbeitern an diesem Projekt zu arbeiten. Die Technologie der Aufzeichnung mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute übernahm er aus dem Hause CBS. Während des Krieges wurden damit unzählige Rundfunksendungen auf 40 cm großen Folien geschnitten, die eine Spieldauer von 15 Minuten hatten und zur lokalen Wiederholung von Sendungen in den Regionen dienten, in denen amerikanische Soldaten im Einsatz waren.

Um die gewünschte Spielzeit von 22 1/2 Minuten bei einem kleineren Plattendurchmesser von nur 30 cm zu erreichen, musste die Tonschrift feiner ausgeführt werden. Dies war einfacher als zu Edisons Zeiten, da die neue Platte ausschließlich für elektrische Abtastung bestimmt war.

Dr. Peter Goldmark und sein Team waren Pioniere in der Entwicklung der modernen Langspielplatte (LP). Die LP revolutionierte die Musikaufnahme- und -wiedergabetechnologie und ermöglichte es den Menschen, längere Musikstücke auf einer einzelnen Platte zu genießen. Ihre Einführung war ein Meilenstein in der Geschichte der Schallplattenindustrie und veränderte die Art und Weise, wie wir Musik hören und erleben.

Frank Lewis Dyer, ein amerikanischer Erfinder, hatte bereits 1923 ein Patent erhalten, in dem er die Aufzeichnung von Schallsignalen in ihrer Amplitude so weit verkleinerte, dass nur eine Wiedergabe nach Verstärkung auf elektrischem Wege möglich war. Dyer wollte damit die Wiedergabezeit der Normalplatte um das 20-fache erhöhen. Obwohl Peter Goldmark sich nicht so weit vorwagte, erkannte er die Möglichkeit, die Schallschrift durch besseres Material und eine kleinere Größe zu verbessern.

Im Gegensatz zu Thomas Edison, der sein Material hauptsächlich nach seiner Widerstandsfähigkeit gegen den Auflagedruck der Nadel auswählen musste, konnte Goldmark aufgrund des neuen elektrischen Tonabnehmers den Auflagedruck um das 100-fache verringern. Die Glätte der Oberfläche des Materials wurde daher von größerer Bedeutung, da sie den Signal-Rausch-Abstand und die Grenze der Verkleinerung der Tonschrift beeinflusste.

 

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Bild 254 Kristallines Stück einer Schellackblatte

 

Goldmark und sein Team wählten als Plattenmaterial einen Kunststoff namens "Vinylite", einen härtbaren Thermoplasten. Die Polyvinylchloride, die heute als PVC bekannt sind, hatten ihren Ursprung bereits 1913 mit einem Patent der I.G.Farben in Deutschland. Es ist interessant zu wissen, dass die ersten Schallplatten aus plastisch verformbaren Massen in Deutschland entstanden sind, aber Goldmark nutzte die Möglichkeiten des neuen Kunststoffs, um fast oder ganz unzerbrechliche Platten herzustellen, die nach ihrer Abnutzung sogar wieder umpressbar waren.

Trotz der Fortschritte in der Entwicklung von Kunststoffplatten in Deutschland und der Verbesserung der mechanischen Haltbarkeit wurden diese nicht verwendet. Die Industrie war zurückhaltend gegenüber den deutschen Kunststoffen und gab dem Ausland dadurch einen bemerkenswerten Vorsprung in diesem Bereich. Letztendlich führte Goldmarks Arbeit zur Schaffung der modernen Langspielplatte (LP), die eine Revolution in der Schallplattenindustrie darstellte und bis heute als beliebtes Format für Musikalben verwendet wird.

 

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Bild 255 Peter Goldmark

 

Bei einer Vorführung stand Peter Goldmark neben einem Turm von Normalschallplatten, der den gleichen Musikinhalt hatte wie das LP-Paket in seinen Händen. Im Gegensatz zur Schellackplatte mit ihrem groben Korn hatte das von Goldmark verwendete Material eine feinere Oberflächenstruktur, die es ihm ermöglichte, die Rillensteigung und -breite zu verringern. Er führte die Bezeichnung "Microgroove" für diese feine Schrift ein und nannte seine Platte LP, was für "Long Playing Record" steht.

 

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Bild 256 David Sarnhoff auch bekannt als Mister RCA im Jahre 1956

 

Für Goldmark war es ein Triumph, als er Anfang 1948 seine Platten David Sarnoff, dem Präsidenten der RCA (die das Plattenlabel Victor besaß), vorführen konnte. Sarnoff und seine Ingenieure waren begeistert, aber trotzdem lehnte Sarnoff das Angebot ab, gemeinsam mit CBS die LP weltweit einzuführen. Daher brachte Columbia allein noch im selben Jahr die LP auf den Markt, unterstützt von der Firma Philco, die die dafür erforderlichen Plattenspieler lieferte.

Peter Goldmark verdanken wir die optimale Zusammenstellung der technischen Bausteine zur LP und seine begeisterte Propagierung dieses neuen Formats. Die Einführung der LP wurde ein riesiger Erfolg und entwickelte sich zu einem Billionen-Dollar-Geschäft für CBS im Laufe der Jahre.

Die Geschichte der LP und ihrer Entwicklung weist Parallelen zur Geschichte des PAL Farbfernsehsystems auf, bei dem auch die Bausteine für das System schon lange bekannt waren, aber erst durch das Engagement und die Akribie von Walter Bruch in einem optimalen Kompromiss zusammengeführt wurden. In beiden Fällen spielten diese visionären Erfinder eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung und Popularisierung ihrer bahnbrechenden Technologien.

 

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Bild 257 Geheimprojekt der RCA - Madam X

 

Bei der RCA lief seit 1942 unter dem Tarnnamen "Madame X" eine Entwicklung für ein neues Plattensystem. Die RCA hatte aus den Erfahrungen eines früheren Versuchs im Jahr 1931 mit einer Schellack-Langspielplatte bei 33 1/3 U/min gelernt. Damals hatte RCA es versäumt, gleichzeitig ein billiges Abspielgerät auf den Markt zu bringen, was zum Scheitern des Projekts führte. Deshalb sollte "Madame X" ein integriertes System aus Spieler und Platten werden, um diese Probleme zu umgehen.

Die RCA hatte eine andere Arbeitsphilosophie als die von Peter Goldmark. Sie strebte nach billigen, handlichen Platten und wollte die lange Spielzeit durch einen schnellen Plattewechsler mit mehreren Platten erreichen. Aus der Analyse aller bei RCA-Victor gemachten Aufnahmen hatten sie erkannt, dass die meisten Musikstücke in 5-Minuten-Abschnitte unterteilt werden können. Daher entschieden sie sich für eine Spielzeit von 5 1/3 Minuten pro Plattenseite.

 

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Bild 258 Prinzip des RCA Wechslers 

 

Diese Vorgabe führte zu einer 7-Zoll-Platte (17,78 cm) mit einem großen Zentrierloch von 1,504 Zoll (3,82 cm) Durchmesser. Der kleine Durchmesser sollte ein schnelles Ein- und Ausschwenken des Tonarms beim Wechselvorgang ermöglichen. Das Plattenmaterial war auch hier Vinyl, das im Vergleich zur Schellackplatte einen höheren Materialpreis hatte, aber durch das geringere Materialvolumen mehr als ausgeglichen wurde.

Was die Abspielgeschwindigkeit von 45 U/min betrifft, scheint es keine direkte Erklärung in der vorliegenden Information zu geben. Es ist jedoch möglich, dass die RCA die Geschwindigkeit von 45 U/min aufgrund technischer Überlegungen oder anderer Vorteile gewählt hat.

Die Entwicklung von "Madame X" führte letztendlich zur Einführung von 7-Zoll-Singles, die bei 45 U/min abgespielt wurden. Diese Singles wurden sehr beliebt und fanden weitreichende Akzeptanz im Musikmarkt.

 

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Bild 259 Schokoladen Platte

 

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Bild 260 "Sprechende Schokolade" Werbung

 

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Bild 261

 

Die Wahl der Abspielgeschwindigkeit von 45 U/min für das neue Plattensystem von RCA hatte technische Gründe und hing nicht mit der Differenz zwischen 78 und 33 U/min zusammen. Vielmehr war es das amerikanische 60Hz Wechselstromnetz, das die exakte Drehzahl bestimmte. Man entschied sich für 45 U/min, weil dies eine ganzzahlige Untersetzung von 40:1 von einem Synchronmotor mit 1.800 U/min ergab.

Das dicke Innenloch bei den 7-Zoll-Singles von RCA war ebenfalls keine Neuerfindung. Schon um die Jahrhundertwende gab es in Amerika kleine Wachsplatten mit einem Durchmesser von 8 cm und einer Dicke von 12,5 mm, die ein großes Mittelloch von 2,2 cm hatten. Ähnlich waren auch die Platten aus Schokolade, die ab 1902 von der Schokoladenautomatenfabrik Stollwerck mit einem eigenen Spieler für Kinder verkauft wurden.

Die Schallaufzeichnung auf den RCA-Singles befand sich natürlich nicht auf der Schokolade selbst, sondern auf einer auf der Schokolade liegenden runden Scheibe aus Metallfolie.

Ende 1948 brachte die RCA ihr neues Plattensystem auf den Markt und es entbrannte ein Wettstreit zwischen den beiden Konkurrenten RCA und Columbia, der in der Presse als "Battle of Speed" (Kampf der Geschwindigkeiten) bekannt wurde. Beide Unternehmen kämpften um die Vorherrschaft in der Schallplattenindustrie und den Markt für Abspielgeräte.

 

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Bild 262 RCA - World Leader in Radio

 

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Bild 263 Debussy auf einer 45er RCA

 

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Bild 264 Enrico Carusoe auf 45er RCA

 

Die Auseinandersetzungen zwischen RCA und Columbia, bekannt als der "Krieg der Geschwindigkeiten", führten zu einem großen Werbeaufwand und einem intensiven Wettstreit um die Vorherrschaft auf dem Markt für Schallplatten und Abspielgeräte. Die RCA versuchte, ihr System mit einem schnellen Wechsler und Plattenalben, die wie Bücher ins Regal gestellt werden konnten, durchzusetzen. Allerdings zeigte sich bald, dass der schnelle Wechsler nicht so reibungslos funktionierte wie erhofft, und klassische Musikstücke konnten nicht ohne merkbare Unterbrechungen abgespielt werden, was die LP von Columbia mit nur einer Unterbrechung deutlich besser machte.

Im Laufe der Zeit schlossen sich jedoch immer mehr Schallplattenproduzenten dem LP-Konzept von Columbia an, und die RCA konnte dem Trend nicht länger widerstehen. Schweren Herzens musste David Sarnoff schließlich seine Zustimmung zur Aufnahme der eigenen LP-Produktion bei RCA-Victor geben. Am 4. Januar 1950 kündigte die RCA-Victor ihre ersten 33er Vinyl-Platten an. Einige der Mitarbeiter, die Sarnoff zuvor zur Auseinandersetzung mit der CBS "ermutigt" hatten, wurden daraufhin entlassen.

Den letzten Anstoß für die Übernahme der LP durch RCA-Victor soll der Dirigent Arturo Toscanini gegeben haben. Toscanini war beeindruckt, als er bei Columbia eine Aufnahme seines Kollegen Bruno Walter beobachtete. Walter musste eine Symphonie nur einmal unterbrechen, während bei RCA eine Unterteilung in "5-Minuten-Portionen" nötig war. Dieses Erlebnis soll dazu beigetragen haben, dass Toscanini die LP-Technologie bei RCA unterstützte.

 

17. Verbreitung der Langspielplatte

 

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Bild 265 10fach Wechsler

 

Nachdem die RCA auch längere klassische Musikstücke auf LPs veröffentlicht hatte, wurde die ursprüngliche Bestimmung der 45er Platte mit dem Schnellwechsler irrelevant. Der Schnellwechsler wurde aufgegeben. Dennoch sah man eine echte Marktchance für die 45er Platte als günstige Einzelplatte. Mit einer neuen Werbekampagne konnte die RCA tatsächlich erreichen, dass auch andere Plattenproduzenten, einschließlich Columbia, die 45er-Platte als sogenannte "Single" übernahmen. Insbesondere für populäre Einzeltitel, darunter Schlager, löste die 45er-Platte bald die 78er-Platte vollständig ab.

Das für den eigenen Wechsler entwickelte große Mittelloch verlor seine Bedeutung, abgesehen von seiner Verwendung in Musikautomaten. Die meisten Hersteller liefern heute Platten mit einem herausdrückbaren Kern, der das normale Mittelloch enthält und je nach Bedarf genutzt werden kann. So wurde das Format der 45er-Platte als Single zu einem beliebten Standard für die Veröffentlichung einzelner Songs und hatte großen Einfluss auf die Musikindustrie.

 

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Bild 266 Wechselachse eines Wechslers für Platten mit normalem Mittelloch

 

Die Einführung der 30cm LP in den 1950er Jahren in Deutschland brachte viele Firmen dazu, Plattenwechsler für dieses Format anzubieten, obwohl das Stapeln auf der normalen Achse nicht besonders günstig war (Bild 266). Bei Opernaufnahmen, die auf beispielsweise vier Platten aufgeteilt waren, wurden die Teile 1, 2, 3 und 4 jeweils auf den ersten Plattenseiten platziert, während die Teile 5, 6, 7 und 8 auf den anderen Plattenseiten angeordnet wurden. Dadurch konnte der Wechsler nacheinander vier Plattenseiten (oder mehr) abspielen, bevor der Stapel umgedreht werden musste.

Heutige Plattenspieler mit automatischer Tonarmein- und -ausschwenkung werden oft mit einer austauschbaren Wechslerachse geliefert, mit der der Spieler auch als Wechsler betrieben werden kann. Jedoch wird die Wechslerfunktion heutzutage nur selten genutzt, zumindest in Deutschland; in den USA war das möglicherweise anders. Viele Besitzer solcher Spieler haben möglicherweise vergessen, dass ihre Geräte diese Wechslermöglichkeit haben.

Internationale Normblätter legen heute fest, wie Schallplatten hergestellt werden müssen, damit sie auf Abspielgeräten aller Hersteller einwandfrei funktionieren. Dies umfasst auch die genormte Ein- und Auslaufrille, die exakte Dimensionierung des Mittellochs und die Dicke der Schallplatte, da all diese Maße wichtig sind, um einen störungsfreien Betrieb mit automatischen Plattenspielern zu gewährleisten.

 

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Bild 267 Die 30cm-33er Platte

 

Im Schnittbild der 30cm LP (Bild 267) sieht man den Wulstrand, der sicherstellt, dass sich die im Stapel des Wechslers aneinanderliegenden Platten im tonmodulierten Teil nicht gegenseitig berühren. Seine um 5° geneigte Schräge sorgt dafür, dass die Abtastnadel beim Aufsetzen sicher in die Einlaufrille rutscht. Die Einlaufrille führt von dort mit einer Steigung von 0,8 bis 1,6 mm direkt zur ersten modulierten Rille.

Bei der 17,5cm 45er Schallplatte (Bild 267) ist statt des Wulstes am Plattenrand das Mittelteil verstärkt. So können auch diese Platten gestapelt werden, ohne dass sich die Flächen mit der Tonmodulation berühren. Zur einwandfreien Mitnahme der nur in der Mitte auf dem Stapel aufliegenden Platten sind entweder am Außenrand des Mittelteils 0,15mm hohe Rippen angebracht oder das Zentrierstück ist entsprechend geformt. Die Rippen der übereinanderliegenden Platten greifen ineinander und verhindern das Rutschen während des Abspielens. Weitere Daten der drei Platten (78er, 45er und 33er) wurden bereits in Tabelle 1 beschrieben.

In Deutschland wurden die neuen Plattentypen zunächst nur zögerlich eingeführt, da das Land zuerst die Folgen des verlorenen Krieges verkraften musste. Eine Statistik für das Jahr 1954 zeigte, dass 77,5% der Plattenproduktion aus 78er Platten bestand, 18,3% aus 45er und nur 6,2% aus 33er Platten. Doch diese Situation änderte sich schnell! Die 78er Platten sind längst vergessen, und das gilt auch für die monofonen Platten, deren Entwicklungsgeschichte wir soeben beschrieben haben; auch sie sind schon fast Geschichte, durch Stereo abgelöst.

 

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Bild 268 

 

Die Technik der "Füllschrift" ermöglicht es, die Spielzeit der Schallplatten zu verlängern, ohne die Aufzeichnungsnorm zu verändern. Dies wird erreicht, indem der Rillenabstand an die jeweilige Signalamplitude, also die seitlichen Ausschläge, angepasst wird. Mit dieser Technik kann die Spielzeit bei geeigneten Musikstücken bis auf das Doppelte verlängert werden. Eduard Rhein, ein Erfinder, Journalist und Romanschriftsteller, sowie Gründer und langjähriger Herausgeber der Zeitschrift "Hör zu", prägte den Begriff "Füllschrift" für diese Technik.

Eduard Rhein trieb diese Technik mit großer Leidenschaft voran und glaubte, sie auch grundsätzlich erfunden zu haben. Allerdings musste er nach dem Einreichen seiner ersten Patentschrift vom Patentamt erfahren, dass das Prinzip bereits patentiert war. Das Patent der Columbia Graphophone Comp., das in London am 19. April 1928 angemeldet wurde (meines Wissens nicht verwirklicht), schlägt vor, die radiale Bewegung der Schneiddose, also den Vorschub, von der jeweils aufzuzeichnenden Amplitude abhängig zu machen. Die für die Vorschubsteuerung notwendigen Steuerspannungen müssen jedoch bereits vor dem Aufzeichnen der Nutzamplitude bekannt sein. Das erfordert eine Zwischenaufzeichnung, die nach einem Vorschlag im Patent auf einer Platte mit zwei Tonabnehmern erfolgen sollte.

Während Rhein und seine Konkurrenten die Zwischenaufzeichnung auf Magnetband nutzten, um das Verfahren zu realisieren, könnten heute elektronische Verzögerungsketten verwendet werden, um eine Zeitverzögerung zu erzielen, was sogar den Direktschnitt ermöglichen würde. Eduard Rhein erhielt dennoch eine Menge Patente, und seine Technik wurde von Teldec, einem Plattenlabel, das während der Laufzeit dieser Patente im Besitz war, umgesetzt und realisiert.

 

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Bild 267

 

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Bild 268 Das Prinzip der Füllschrift

 

Das Prinzip der Füllschrift von Eduard Rhein basiert auf einer Schneid-Apparatur, die es ermöglicht, die Mikrofonströme über ein Verzögerungsglied dem Tonschreiber S zuzuführen. Gleichzeitig gelangen die Mikrofonströme auch zu einem Regelorgan, das den Schneidkopf S bereits vor dem Eintreffen der verzögerten Tonfrequenzen über die Welle A, abhängig von der Lautstärke der aufzuzeichnenden Rille, mehr oder weniger schnell vorwärts oder zeitweilig auch rückwärts bewegt.

Um sicherzustellen, dass jede neue Rille sich eng an die vorher geschnittene anschmiegt, werden von einem Tonabnehmer die Lage und Lautstärke der vorhergehenden Rille bei 1 und 2 elektrisch gemessen und ebenfalls dem Regelorgan mitgeteilt. Das Regelorgan berechnet und bestimmt dann aus den ihm zugeführten drei Werten die endgültige richtige Lage des Schneidkopfes mit einer Genauigkeit von Tausendstelmillimetern.

Eduard Rhein meldete sein Verfahren 1942 zum Patent an und hoffte, innerhalb eines Jahres eine zuverlässig arbeitende Schneid-Apparatur bauen zu können. Allerdings verzögerte der Krieg, der Zusammenbruch und die Geldentwertung seine Pläne. Zudem unterschätzte er die praktischen Schwierigkeiten und hätte sich als Privatmann wohl kaum an diese Aufgabe herangewagt, wenn er die Herausforderungen im Voraus gekannt hätte. Dennoch erhielt Rhein eine Reihe wichtiger Patente für seine Technik, die später von anderen Unternehmen, darunter Teldec, umgesetzt wurde.

 

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Bild 269

 

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Bild 270

 

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Bild 271

 

Die Bilder 269, 270 und 271 zeigen den Fortschritt, den das Füllschriftverfahren von Eduard Rhein in der Schallplattenherstellung erzielt hat.

Bild 269 zeigt eine normal geschnittene Schallplatte unter der Lupe. Die Rillen sind gleichmäßig nebeneinandergelegt, ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Raumbedarf. Links sieht man sieben Rillen ohne Tonmodulation.

Bild 270 zeigt das Füllschriftverfahren, das mit der Platzverschwendung aufräumt. Ein elektrisch gesteuertes "Rechengerät" regelt den Rillenabstand so ein, dass jeweils gerade noch der notwendige, konstant gehaltene Steg übrig bleibt. Auch hier sind sieben Rillen ohne Tonmodulation zu sehen, jedoch ist der Abstand zwischen den Rillen optimiert.

Bild 271 zeigt einen weiteren Fortschritt. Rhein verändert jetzt auch die Stegbreite mit der Lautstärke. Die sieben Rillen ohne Musik (links) liegen so eng wie möglich nebeneinander. Aber dort, wo die Tonmodulation besonders große Amplituden hat, wird zusätzlich die Stegbreite vergrößert. Dadurch wird noch mehr Platz gespart und die Spielzeit der Schallplatten kann weiter verlängert werden.

Diese Fortschritte haben es ermöglicht, die Effizienz und Kapazität von Schallplatten zu verbessern und eine längere Spielzeit bei gleichbleibender Klangqualität zu erreichen. Eduard Rhein und seine Technik der Füllschrift haben somit maßgeblich zur Weiterentwicklung der Schallplattentechnologie beigetragen.

 

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45-Füllschriftplatte

 

Bild zeigt eine 45er-Füllschriftplatte in der Hülle, auf der auch Werbung für das Füllschriftverfahren zu sehen ist. Es wird dargestellt, wie der Kern der Platte herauszudrücken ist, wenn das große Mittelloch zur Anwendung kommen soll.

Am 14. Juli 1950 führte Eduard Rhein das nach seinem Verfahren geschnittene Platten der Öffentlichkeit vor, und sie wirkten sensationell. Die Teldec übernahm seine Apparatur im Jahr 1953 und mit ihr wurden Hunderte von Platten geschnitten und wertvolle Erfahrungen gesammelt. Diese Erfahrungen führten zu einer Reihe erfreulicher Verbesserungen. Die Apparatur entwickelte sich aus einem empfindlichen Laborgerät zu einer Gebrauchsmaschine: robuster, präziser, einfacher und billiger.

Das Verfahren lässt sich anhand der Bilder 269, 270, 271, 272 elementar beschreiben und wurde in der Funkschau vorgestellt. Eduard Rhein hat mit seiner Füllschrifttechnik einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Schallplattenherstellung geleistet, indem er die Spielzeit der Platten verlängerte und Platzverschwendung minimierte. Sein Verfahren revolutionierte die Produktion von Schallplatten und trug maßgeblich dazu bei, die LP als Standardformat in der Musikindustrie zu etablieren.

 

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Ausschnitt aus der Plattentasche mit der Aufschrift „Schallplatte mit verlängerter Spieldauer durch variable Micrograde 78"

 

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Etikett einer Platte der Deutschen Grammophon mit „Variable Micrograde 78"

 

Es ist bedauerlich, dass die Leistung von Eduard Rhein bei der Durchsetzung der Füllschriftplatte oft in Vergessenheit geraten ist. Tatsächlich kam die erste auf dem Markt erschienene Platte mit gesteuertem Rillenabstand von der Deutschen Grammophon Gesellschaft, und die Bezeichnung "Verlängerte Spieldauer durch variable Micrograde 78" auf der Plattentasche war sicherlich unglücklich gewählt.

Es ist wichtig, die Ingenieure Dr. Gerd Schöttler von Grammophon und Alexander Schaaf von Siemens, die diese Platte entwickelt haben, aus der Vergessenheit zu holen und ihre Leistungen anzuerkennen. Auch sie erhielten Patente für ihre Arbeit. Bild 200 zeigt das Etikett einer der ersten Platten aus dem Jahr 1950, die die Füllschrifttechnologie nutzte. Diese Platten markierten einen wichtigen Schritt in der Geschichte der Langspielplatte und ermöglichten eine längere Spielzeit mit gesteuerter Rillenbreite und -abstand, was die Musikindustrie revolutionierte.

 

Telefunken übernimmt 

 

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Ein Unternehmen feierte den Triumph

Eine Firma hatte den Wettbewerb gewonnen, und zwar das Unternehmen Telefunken. Sie besaß ein Patent von Dr. Heinz Lübeck, das bereits am 20. Juni 1943 angemeldet wurde und einen einzigartigen Schutzumfang hatte. In dem Patent stand unter anderem: "...bei dem der Frequenzgang des Steuerorgans für den Rillenabstand dem Frequenzgang des die Rillenamplitude bestimmenden Aufzeichnungsorgans des Nadeltonträgers angepaßt ist." Dadurch waren alle Platten, bei denen der Rillenabstand richtig gesteuert wurde, lizenzpflichtig für Telefunken. (Anmerkung: Nur in Deutschland!)

 

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Der Zeitspareffekt beim platzsparenden Schneiden war am größten, wenn die Darbietung eine starke Dynamik aufwies. Mit dem Rheinschen Füllschriftverfahren und der geschickten Ausnutzung aller Erfindungen gelang es beispielsweise, auf einer Seite einer 33er LP mit den üblichen Mikrorillen die Scheherazade von Rimsky-Korssakow mit einer Spieldauer von 40 Minuten unterzubringen. Ohne Rillenverdichtung könnte die gleiche Plattenseite höchstens 24 Minuten Abspielzeit bieten.

Eine 45er-Platte konnte je nach Art der Musik bis zu 9 Minuten für klassische Musik oder nur 7 Minuten für moderne Tanzmusik aufnehmen. Damit war die Entwicklung der analogen Schallplatte in Bezug auf ihre Spielzeit abgeschlossen. Platten mit 8 1/3 U/min und 16 2/3 U/min, die nur für Sprachaufzeichnungen verwendet wurden, können wir vergessen.

Technische Daten für Schallplatten bei verschiedenen Geschwindigkeiten (U/min) und Rillendichten (Rillen pro Zoll bzw. Rillen pro Zentimeter) sowie deren Spieldauer:

78 U/min:
- Normalrillen (Rillenbreite 100-140 µm):
- Rillen pro Zoll: 96
- Rillen pro Zentimeter: 38
- Spieldauer (25 cm): 3,5 Minuten
- Spieldauer (30 cm): 4,8 Minuten

- Engster Schnitt (Rillenbreite 50-70 µm):
- Rillen pro Zoll: 106
- Rillen pro Zentimeter: 42
- Spieldauer (25 cm): 3,8 Minuten
- Spieldauer (30 cm): 5,2 Minuten

45 U/min:
- Mikrorillen (Rillenbreite 50-70 µm):
- Rillen pro Zoll: 218
- Rillen pro Zentimeter: 86
- Spieldauer (17 cm): 5,5 Minuten
- Spieldauer (25 cm): 15,5 Minuten
- Spieldauer (30 cm): 22 Minuten

- Engster Schnitt (Rillenbreite nicht angegeben):
- Rillen pro Zoll: 241
- Rillen pro Zentimeter: 95
- Spieldauer (17 cm): Nicht angegeben
- Spieldauer (25 cm): 6 Minuten
- Spieldauer (30 cm): 17 Minuten
- Spieldauer (33 cm): 24,3 Minuten

Teldec-Füllschrift (Rillenbreite 50-140 µm):
- Spieldauer (17 cm): 7 Minuten
- Spieldauer (25 cm): 9,5 Minuten
- Spieldauer (30 cm): 9 Minuten
- Spieldauer (33 cm): 26 Minuten
- Spieldauer (40 cm): 40 Minuten

Bitte beachten Sie, dass die angegebenen Werte nur ungefähre Schätzungen sind und je nach Herstellungsverfahren und Plattentyp variieren können.

 

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Stereo

 

Vor 20 Jahren (Anmerkung: im Jahr 1978) wurden Schallplatten eingeführt, die eine zweite Information für die stereophone Wiedergabe in der Rille enthalten. Dadurch hat die für die mechanisch-elektrische Wiedergabe bestimmte Schallplatte ein vorläufiges Endstadium erreicht. Die Entwicklungen der letzten 80 Jahre seit Edisons erstem Phonographen vor 100 Jahren sind nun Geschichte. In meinem Bericht habe ich von den vielen einzelnen Erfindern gesprochen, deren Leistungen diesen Entwicklungsabschnitt geprägt haben, ohne dabei tief nachzuforschen.

 

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Nach der Einführung der Stereophonie hat die Verfeinerung der Schallplattentechnik im Sinne von High-Fidelity viele Ingenieure herausgefordert, deren Leistungen in der Geschichte Bestand haben werden. Für weitere Informationen dazu empfehle ich die Lektüre der FUNKSCHAU, insbesondere der beiden Sonderhefte "FUNKSCHAU-Spezial High-Fidelity" 1 und 2.

Für diejenigen, die sich mit der Technik vertraut machen wollen und nach weiteren Literaturnachweisen suchen, empfehle ich das Buch "Phonotechnik ohne Ballast" von Günther Fellbaum und Wolfgang Loos aus dem Franzis-Verlag, das besonders geeignet ist, um eine Einführung zu erhalten.

Die Geschichte der Stereophonie, die durch Schallplatte, Rundfunk und Tonband alltäglich geworden ist, ist etwa so alt wie der Phonograph selbst. Die Erkenntnisse darüber, wie das Richtungshören funktioniert, sind jedoch nicht viel älter. Im Jahr 1838 bestritt der Schotte Alexander Bain, bekannt als einer der ersten Erfinder einer Bildübertragungseinrichtung, ernsthaft, dass unser beidohriges Gehörsystem eine Rolle bei der Schallokalisation spielt. Dies forderte den deutschen Physiologen Ernst Weber heraus, der mittels einfacher Experimente mit zwei Uhren eindeutig das Gegenteil bewies.

 

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Zur akustischen Schallokalisation hatte man bereits 1880 die Basis der Ohren durch ein Gerät vergrößert, das den Namen „Topophon" erhielt. Dieses patentierte Gerät sollte es den Kapitänen erlauben, im Nebel die Richtung exakt zu bestimmen, in der sich ein anderes, mit seinem Nebelhorn tutendes Schiff befand.

 

Lord John Rayleigh, der Nobelpreisträger von 1904, gelang es schließlich, in eindeutigen Experimenten den Nachweis zu erbringen, dass der Abstand unserer Ohren primär für die Möglichkeit der Ortung einer Schallquelle verantwortlich ist. Eine ähnliche Erkenntnis wurde bereits vom Erfinder des in Bild 279 dargestellten Gerätes angewendet, der zur Ortung von Schallquellen die Basis seiner Ohren durch zwei gespreizte Schallempfänger vergrößert hatte.

Lord Rayleigh führte ein Experiment durch, bei dem er sich mit geschlossenen Augen auf einer Rasenfläche inmitten eines Kreises seiner Assistenten positionierte, von denen jeder eine Stimmgabel als Tonquelle in der Hand hielt. Er konnte die Richtung jedes angeschlagenen Tons einigermaßen genau bestimmen, wenn er beidohrig hörte. Jedoch konnte er einen direkt hinter ihm angeschlagenen Ton nicht von einem direkt von vorn kommenden Ton unterscheiden.

Eine wichtige Erkenntnis, die auch für uns von Bedeutung ist, ergab sich daraus: Die Ortung eines Tons mit tieferer Frequenz ist viel schwieriger als die eines Tons mit höherer Frequenz. Zudem stellte Lord Rayleigh fest, dass das Ohr, das der Richtung der Schallquelle mehr zugewendet ist, den Schall mit mehr Intensität wahrnimmt als das Ohr, das in die entgegengesetzte Richtung zeigt.

 

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Lord John Rayleigh stellte zunächst die Theorie der "Intensitätsstereophonie" auf, wonach die Lokalisierung eines Schalls durch die unterschiedliche Intensität bestimmt wird, mit der er beide Ohren erreicht. Diese Theorie galt vor allem für höhere Frequenzen, etwa oberhalb von 400 Hz. Später erkannte Rayleigh jedoch, dass bei tieferen Frequenzen auch die unterschiedliche Phasenlage eine Rolle bei der Lokalisierung spielt.

Bei höheren Frequenzen, die symmetrisch vor dem Hörer angeordnet sind, kann man zwei Schallquellen als aus der Mitte kommend orten, wenn sie auf beide Ohren mit gleicher Intensität treffen. Mit einem Balanceregler bei der stereophonen Wiedergabe kann man die Mitte verschieben, indem man das Intensitätsverhältnis des von beiden Lautsprechern kommenden Schalls ändert. Dies funktioniert umso besser, je weniger auf tiefe Frequenzen geachtet wird, da deren Ortung durch das Phasenverhältnis bestimmt wird.

Die elektronische Stereophonie geht auf das Jahr 1881 zurück, also nur vier Jahre nach Edisons Erfindung des Phonographen. Im August 1881 erhielt der Pariser Ingenieur Clement Ader ein Patent für eine Einrichtung zur direkten Übertragung von der Bühne zum Fernsprechteilnehmer in Stereo für Theater. Es wurden ähnliche Mikrofone wie das Kohlemikrofon von Edison verwendet, um eine zweikanalige Übertragung aus der Pariser Oper in Stereo zur "Exposition Internationale d'Electricite" durchzuführen.

Die Bilder 280, 281, 282 und 283  zeigen die Anordnung der Mikrofone auf der Bühne der Pariser Oper und deren Übertragung zur Ausstellung. Die Stereophonie und deren Entwicklung haben seitdem große Fortschritte gemacht und sind zu einem wesentlichen Bestandteil der heutigen Audio- und Unterhaltungstechnologie geworden.

 

Patent von Clement Ader 

Das Patent von Clement Ader beschrieb eine Einrichtung zur direkten Übertragung von der Bühne zum Fernsprechteilnehmer in Stereo für Theater. Die Aufnahmegeräte wurden auf der Bühne in zwei Serien eingeteilt, eine linke und eine rechte, und jeder Empfangsapparat beim Abonnenten war mit einem Sender einer der beiden Serien verbunden. Dadurch konnte der Hörer mit beiden Ohren die verschiedenen Laute verfolgen, und die Variationen in der Intonation entsprachen den Bewegungen und Ortsveränderungen der Schauspieler auf der Bühne. Clement Ader war sich bewusst, dass dieses "doppelte Hören" ähnlich dem Stereoskop für das Sehen ist.

 

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AEG Magnetophon K7 in Stereo - 1944

 

Hätte man zu dieser Zeit bereits ein Tonband mit zwei Spuren oder eine entsprechende Schallplatte gehabt, wäre die Stereo-Aufzeichnung wohl schon früher erfunden worden. Leider war es um 1935 noch nicht so weit. Telefunken hatte zu dieser Zeit zwar mit der Stereophonie experimentiert, aber noch nicht besonders erfolgreich.

 

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Die Stereomusikaufnahmen mussten im Laufe der Zeit weiterentwickelt werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen, basierend auf den Erkenntnissen von Lord Rayleigh und anderen Forschern. Für weitere Informationen zur Tonstudio-Technik und Stereophonie empfiehlt der Autor das Buch "Tonstudio-Technik" von Johannes Webers. Während in Deutschland aufgrund des Zweiten Weltkriegs keine weiteren Fortschritte bei der stereophonischen Aufzeichnung gemacht werden konnten, überließen die Amerikaner dies nicht dem Zufall. Kurz vor Amerikas Eintritt in den Krieg führten sie eine interessante Vorführung durch.

Das verblüffende Ergebnis des Experiments war, dass die Zuhörerschaft sich in zwei Lager spaltete. Die Hälfte der Hörer glaubte, dass der erste Satz tatsächlich von den Musikern auf der Bühne gespielt worden sei, während die andere Hälfte darauf bestand, dass die Musiker den zweiten Satz gespielt hätten. In Wirklichkeit war der erste Satz tatsächlich live vom Orchester gespielt worden, während der zweite Satz eine Stereo-Aufnahme war, die über die Lautsprecher ausgestrahlt wurde.

Das Experiment demonstrierte eindrucksvoll, dass durch die Kombination von hochentwickelter Elektroakustik und wissenschaftlichen Kenntnissen über den Hörweg die Illusion einer Live-Aufnahme erzeugt werden konnte. Für eine Generation, die zuvor nur monaurale Schallplatten mit geringer Wiedergabequalität kannte, war dies eine bemerkenswerte Erfahrung. Das Konzert im Jahr 1941 zeigte das Potenzial und die Möglichkeiten der Stereophonie und elektronischen Aufzeichnung auf, die in den folgenden Jahrzehnten zu einer grundlegenden Veränderung der Audioaufnahmetechnologie führen sollten.

 

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 Lächerliche Vorstellung des Raumtons um 1906 

 

In der Vergangenheit wurde für diese Technik ein besonderes Verfahren eingesetzt, das auf zwei Kanälen auf der Schallplatte beruhte. Fehlten diese Kanäle, griff man auf eine clevere Methode zurück, bei der eine zeitlich verschobene zusätzliche Abspielung der gleichen Aufnahme verwendet wurde - ganz anders als die humorvolle Darstellung eines Spaßvogels im Jahr 1906.

Es gab eine Reihe von Plattenspielern, bei denen zwei miteinander verbundene Tonabnehmer gleichzeitig die gleiche Rille abtasteten und den dadurch gewonnenen Schall gemeinsam an den Trichter weitergaben. Eine Herausforderung dieses Ansatzes bestand jedoch darin, dass sich der zeitliche Abstand auf dem Weg zu den inneren Rillen verlängerte, wenn die Tonabnehmer mit einem konstanten Abstand die gleiche Rille abtasteten. 

 

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Schalldosenführung des Raumtongerätes "Ultraphon"

 

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Ultraphon-Gerät

 

In 1925 präsentierte Küchenmeister sein "Ultraphon" auf dem Markt, ein bemerkenswertes Gerät mit zwei Schalldosen und zwei Schallführungen. Die Markteinführung wurde sensationell beworben und das Gerät verkaufte sich in beträchtlicher Stückzahl (DRP 418 667). Die gewünschten Effekte wurden durch die Verwendung von zwei unterschiedlich langen Tonarmen und Schalleitungen verschiedener Dimensionen und Materialien erzielt. Die Konstruktion der Schalldosenführung ist zu sehen, während ein Foto eines funktionsfähigen Geräts aus dem Besitz der Polydor International zeigt.

1925/1926 untersuchte H. E. Hollmann in einer preisgekrönten Arbeit an der Technischen Hochschule Darmstadt, was man durch die Zugabe von "Vorhall" und "Nachhall" zur normalen Tonaufnahme erreichen kann, um einen raumakustischen Effekt zu erzeugen. Hollmann verwendete bereits einen Magnetspeicher für die Klangveredelung (Bild 288). Zusätzlich wurde bereits ein Patent für die zeitversetzte Abtastung derselben Rille mit zwei elektrischen Tonabnehmern eingereicht.

 

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Hollmanns Arbeit, bei dem durch einen umlaufenden Stahldraht zeitversetzte Vor- und Nachläufer für einkanalige Raumtoneffekte erzeugt wurden.

 

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Ein amerikanisches Patent, bei dem zwei elektrische Tonabnehmer zwei zeitlich verschobene Signale für den Raumton liefern.

 

18. Doch nur Pseudostereophonie?

 

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 a) Auszug aus der Patentschrift von Blumlein, die 45/45° -Zweikomponent aufzeichnung betreffend,

 

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b) Realisierung eines modernen Zweikomponentenschreibers. Durch entsprechende Matrizierung der beiden Signale (auch die Matrizierung der Signale erfand Blumlein) können damit folgende Schriften geschnitten (und abgetastet) werden:

 

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 c) Tiefenschrift nach Edison, d) Seitenschrift nach Berliner (übliche Monoschrift) und e) 45°-Flanken- schrift (im Bild ist zur Verdeutlichung nur eine Flanke mit einem Signal moduliert; wird auch die zweite Flanke moduliert, dann entsteht die Zweikomponenten- schrift, also unsere Stereoschrift)

 

Als die wahre "Intensitätsstereophonie" eingeführt werden sollte, beschäftigte man sich erneut eingehend mit der "Pseudostereophonie", bei der es nur einen monophonen Aufnahmekanal gibt, die Wiedergabe jedoch über zwei oder mehr Kanäle erfolgt. Im Experimentalstudio Gravesano führte Wolfgang Grau solche Untersuchungen durch und veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Hans Raug. Diese Erkenntnisse hatten keinen Einfluss auf die Wiedergabe, nachdem die zweikanalige Schallplattenstereophonie so herausragend gelöst werden konnte. Dennoch geben sie Anregungen für die Umwandlung alter einkanaliger Aufnahmen in Stereoplatten.

Die heutige zweikanalige Schallplattenschrift, 1958 in den USA eingeführt, wurde tatsächlich bereits am 14. Dezember 1931 erfunden und kurze Zeit später bereits in einer ersten Platte umgesetzt. Walter Bruch, der von sich selbst spricht, besitzt einen Tonbandausschnitt von dieser ersten Platte, auf der alle Demonstrationsaufnahmen enthalten sind, mit denen Stereo bei uns eingeführt wurde, wie zum Beispiel: "Ich gehe jetzt von links nach rechts" usw.

Alan Dower Blumlein, ein Genie, wurde kurz nachdem die Western Electric durch ihre Patente die elektrische Schallplattenaufnahme blockierte, von Isaac Shoenberg, dem Forschungschef der EMI, beauftragt, eigene Methoden für den Plattenschnitt zu entwickeln. Alan Dower Blumlein war einer der ideenreichsten Erfinder, die jemals bekannt wurden. Leider verunglückte er Anfang des Krieges, gerade 35 Jahre alt geworden, tödlich bei einem Flug zur Erprobung neuer elektronischer Geräte. Seine vielversprechende Karriere endete tragisch.

Viele Jahre nach der Wiederaufnahme des Fernsehens musste die deutsche Industrie immer noch Lizenzen an die EMI für jeden Fernsehempfänger bezahlen. Denn Blumlein hatte auch die stromsparende Zeilenablenkschaltung bei der EMI erfunden, die weltweit verwendet wurde. Die Ergebnisse von Blumleins Forschung im Bereich der Schallplatte sind in dem genannten Patent veröffentlicht. Seine 70 Patentansprüche bieten eine Fülle von Informationen. Darunter befindet sich auch die orthogonale 45°-Stereoschrift

An dieser Stelle kann ich glücklicherweise einige bisher unveröffentlichte Bilder von Blumleins Aufnahmeapparatur zeigen (Bild 292 und 293), sowie einen Tonabnehmer.

 

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Mit dieser Apparatur schnitt Blumlein im Jahr 1932 die weltweit erste Stereoplatte in 45/45°-Zweikomponentenschrift.

 

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 Detailansicht von Blumleins Zweikomponenten-Schreiber aus dem Jahr 1932.

 

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 Blumleins Stereotonabnehmer von 1932.

 

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Einkomponentenschrift mit Träger - trägerfrequente Aufzeichnung mit einem Träger oberhalb des Hörbereichs (z. B. 20 kHz) nach RCA (Patent DRP 483 542 vom 5. Mai 1925).

 

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Zweikomponentenschrift mit Träger - das Stereosystem von Decca (1955): Dem normal niederfrequent aufgezeichneten Kanal 1 wurde auf einem Träger von 14 kHz (im oberen Seitenband moduliert) der Kanal 2 überlagert.

 

Blumlein schnitt im Jahr 1932 die weltweit erste Stereoplatte - eine 78er Platte - mit dieser Technik. Jedoch war es zu dieser Zeit noch zu früh, um Stereoplatte erfolgreich zu vermarkten. Erst in den 1950er Jahren, als die monaurale Platte bereits Hi-Fi-Qualität erreicht hatte, erwachte das Bedürfnis nach einer Schallplatte mit zwei Tonsignalen in einer Rille für die zweikanalige Stereowiedergabe.

Die Idee der Bell, den einen Kanal in Tiefenschrift und den anderen in Seitenschrift festzuhalten, tauchte erneut auf. In England hatte man jedoch ein anderes System entwickelt, das mit einem trägerfrequenten Signal für den zweiten Kanal arbeitete. Dieses System wurde später zum Vorbild für das in Japan entwickelte CD-4 Quadrophoniesystem, das mit zwei Trägern arbeitet. Es ist interessant festzustellen, dass die Aufzeichnung eines Tonsignals in einer auf einen Träger modulierten Form bereits seit 1925 durch ein Patent bekannt war.

 

19. Die Entwicklung ist nicht zu stoppen

 

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 Decca Modulation

 

Das DECCA-Verfahren zeichnete nur den einen Kanal in normaler niederfrequenter Form auf, nachdem er durch einen Tiefpass bei 12 kHz scharf bandbegrenzt wurde. Oberhalb dieser 12 kHz wurde das zweite Signal auf einen Träger von 14 kHz mit unterdrücktem unteren Seitenband gelegt. Durch eine erneute Bandbegrenzung bei 12 kHz ergab sich eine obere Grenzfrequenz von 26 kHz, bis zu der der Schneid- und Wiedergabefrequenzbereich reichen musste.

Die Wiedergabeapparatur war aufgrund der für das Einseitenbandsignal notwendigen Synchrondemodulation etwas kompliziert, funktionierte jedoch hervorragend. Obwohl Columbia ebenfalls an einem Verfahren arbeitete, gab es keine Auseinandersetzungen um das zur Norm zu erklärende System, da man sich an die geschäftsschädigenden Streitigkeiten während des Kampfes um die Geschwindigkeiten erinnerte.

 

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Angeregt von den Erfolgen der englischen DECCA (die mit der amerikanischen DECCA nur den Namen gemeinsam hatte), gaben in Amerika die dortige DECCA, RCA-Viktor und Capitol den Auftrag an die zur Western Electric gehörende Westrex, ein einheitlich für Amerika geeignetes System zu entwickeln. Im August 1957 war das heute benutzte 45°/45°-System fertiggestellt und erste Probepressungen standen für Versuche zur Verfügung. Es wurde zusammen mit dem Senkrecht/Seitwärts-Verfahren von einem Ausschuss der "Record Industry Association of America" (RIAA) geprüft.

 

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Im Jahr 2012 hatte die RIAA (Recording Industry Association of America) einen ähnlich schlechten Ruf wie die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) und andere Rechtevertreter. Doch die Entscheidung über das Stereo-Schallplattensystem wurde der RIAA auf recht unkonventionelle Weise vorweggenommen: Die Westrex-Stereo-Muster wurden absichtlich mit künstlichen Störungen versehen, um zu verhindern, dass sie für den allgemeinen Gebrauch verwendet werden konnten (sie waren kompatibel mit Mono-Wiedergabe).

Trotz dieser Störungen produzierte ein kleiner Unternehmer 3000 Kopien dieser Muster, die schließlich in den Händen von Amateuren landeten. Um den Schaden zu begrenzen, stellte Westrex der "Audio Fidelity Inc." - die für den kleinen Unternehmer die Platten gepresst hatte - eine Schneidapparatur zur Verfügung.

 

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Mit dieser Apparatur wurden dann die ersten vier Stereoschallplatten für diesen Produzenten hergestellt, diesmal ohne störende Unterbrechungen. Die Interessenten konnten sich nun Stereoanlagen zusammenbauen, denn es gab bereits geeignete Tonabnehmer zum Kauf. Die RIAA wurde somit überflüssig, und die Einführung der Schallplattenstereo war vollzogen! Die RIAA akzeptierte die neue Norm, und Bell, Columbia und die englische Decca zogen ihre eigenen Systeme zurück. Die Umstellung von Mono auf Stereo erfolgte langsam, aber stetig. Bereits 1960 machten Stereoausführungen 25% der in Amerika verkauften Langspielplatten aus.

Der offensichtliche Vorteil von Stereo war die räumliche Wiedergabe, die dem Hörer den Eindruck vermittelte, als würde das Geschehen im Raum vor ihm stattfinden. Die meisten Menschen, einschließlich meiner Freunde, waren mit dieser räumlichen Stereophonie zufrieden. Um jedoch alle vier Richtungen zu erfassen, bräuchte man vier Lautsprecher, die entsprechende aufgenommene Signale über vier Kanäle erhalten.

 

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Ein Schallortungsgerät aus dem Ersten Weltkrieg mit vier Aufnahmeorganen. Dieses Gerät, ein Vorläufer des Radars, könnte möglicherweise auch als Vorbild für die quadrophonische Aufnahme gedient haben.

 

Obwohl es Verfahren gibt, die es ermöglichen, alle vier Informationen in eine Schallrille zu schneiden, hat sich die Rundumstereophonie (Quadrophonie) bisher nicht durchgesetzt. Der Autor glaubt nicht, dass eines dieser Systeme sich in Zukunft durchsetzen wird. Hinweis: Als diese Artikel in 1977 geschrieben wurden, war das Thema Quadrofonie mit all seinen Varianten bereits so stark in Verruf geraten, dass die meisten Hersteller die Quadro-Produkte still und heimlich aus den Katalogen verbannten.

Es gibt jedoch Verfahren, die es erlauben, aus den zwei Stereosignalen Signale für drei oder vier rundum angeordnete Lautsprecher zu erzeugen, was eine Pseudoquadrophonie ermöglicht. Dies kann durchaus gut klingen. Das erste Gerät, das von der amerikanischen Firma Audio Pulse entwickelt wurde, arbeitete mit einem digitalen Nachhallgerät, das die Steuerspannungen für die beiden zusätzlichen Kanäle lieferte. Ähnlich wie damals Hollmann erzeugte man auf diese Weise den Nachhall eines Konzertsaals mit Verzögerungsleitungen und entnahm an Abgriffen viele Miniechos, um ein recht realistisches Klangerlebnis zu erzeugen.

 

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Aufgrund von Vereinbarungen ist der Plattenschnitt heute den Tonabnehmern angepasst und um 15° gegen die Senkrechte geneigt.

 

In Deutschland werden Geräte angeboten, die verschiedene Methoden verwenden, um einen Nachhall für die hinteren Lautsprecher zu erzeugen. Diese können klein sein, da sie nur die höheren Frequenzen abstrahlen müssen.

 

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Die CD wurde im März 1979 von Philips in Eindvoven zum ersten Male öffentlich vorgestellt

 

Die Flankenschrift kann in zwei Komponenten zerlegt werden, wie es Bild 305 gezeigt hat - eine senkrechte (Tiefenschriftkomponente) und eine horizontale (Seitenschriftkomponente). Nach der Einführung schien es vorteilhaft, die Schrift mehr den gebräuchlichen Abtastern anzupassen und den Schnitt um 15° zu neigen. Die CD wurde im März 1979 von Philips in Eindhoven zum ersten Mal öffentlich vorgestellt. Auf dem Weg zum perfekten Klang gibt es noch viele Möglichkeiten, aber dies ändert nichts daran, dass die Schallplatte mit analoger Schallschrift ein gewisses Endstadium erreicht hat.

 

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Eine digitale Studer D827 - feinste Technik - die Maschine kam aber erst nach 1977.

 

Es mag viele Verbesserungen an Plattenspielern, Tonabnehmern, Verstärkern, Lautsprechern oder Kopfhörern geben, die das entnommene Signal täglich optimieren, wie auf HiFi-Ausstellungen und in zahlreichen Publikationen im HiFi-Bereich gezeigt wird. Eine völlig neue Technik, die Platte mit digitaler Aufzeichnung - nicht kompatibel mit den heutigen Platten -, steht kurz vor der Einführung.

 

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Dennoch wird eine Schallplattenwiedergabe nie besser sein als die ursprüngliche Aufnahme. Es ist bemerkenswert, dass die Stars der Schallplatte heute von Technikern gemacht werden. In der Vergangenheit waren es Techniker wie Thomas Alva Edison und Emile Berliner, die die ersten beiden Stars der Schallplatte waren. 

Dieses hundertjährige Jubiläum begann man bereits früh im Jahr 1977 zu feiern, auch durch die Herausgabe von Sonderbriefmarken (Bild 307). Doch meiner Ansicht nach hätte der eigentliche Tag der Feier der 6. Dezember 1977 sein sollen, denn es war am 6. Dezember 1877, als zum ersten Mal ein Mensch seine Stimme auf eine Folie bannte und sie danach reproduzierte. Am 6. Dezember 1977 jedoch war man des vielen Feierns müde.

 

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Drei Briefmarken, die drei Erfinder ehren, die für die Schallaufzeichnung bedeutend waren: 1877 hatte Charles Cros die Idee für ein Schallaufzeichnungsgerät, das er "Paleophone" (Stimme der Vergangenheit) nannte, doch er blieb bei der Idee. Im selben Jahr (1877) realisierte Thomas Alva Edison den "Phonographen", den Ton- und Klangschreiber, der den Weg zur Schallplatte als Massenprodukt ebnete. 1888 führte Emile Berliner mit seinem "Grammophon" die Schallplatte als Massenprodukt ein.

"Was das Reich der Musik angeht, so kann man sich schwer entschließen, den Grammophonen einen Platz unter den Musikinstrumenten einzuräumen, und es ist sogar recht zweifelhaft, ob sie ihn sich je erobern werden. Heutzutage jedenfalls gehören sie in das Kapitel der Verirrungen des Kunstbetriebes, indem sie Zerrbilder gerade von den besten Originalen entwerfen und so den Geschmack breiter Massen, statt ihn zu heben, hoffnungslos verderben." Auerbach sah die technischen Begrenzungen der damaligen Zeit und zweifelte an der künstlerischen Wertigkeit der Schallplatte. Doch kurz danach äußerte sich der Komponist Engelbert Humperdinck (1854-1921):

"Wenn nicht alle Zeichen trügen, so ruht die Zukunft unserer Hausmusik nämlich - sit venia verbo - auf der Maschine. Meine anfängliche Abneigung gegen diese Art des Musikmachens ist allmählich in Toleranz und schließlich sogar in Bewunderung übergegangen, und ich glaube nunmehr, dass die Herstellung derartiger Instrumente es schließlich so weit bringen wird, dass man das eigentliche Musizieren in Zukunft nur den Musikern vom Fach im Besonderen und den wirklich musikbegabten Teilen der Menschheit im Allgemeinen überlassen kann, während der restliche, überwiegende Teil sich mit 'künstlicher' Hausmusik gut und gern zufriedengeben wird." Dank der professionellen leistung der vielen Ingenieure, die in dieser umfangreichen Dokumentation beschrieben wurden, wurde das wahr, was Humperdinck vorausgesagt hatte. Die Schallplatte eroberte die Herzen der Menschen und wurde zu einem bedeutenden Medium der Musikwiedergabe und des Musikgenusses. 

 

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