Die großen Erfindungen der TV Fernsehtechnik
Als der Buchdruck erfunden worden war, sahen weise Männer eine gefährliche Informationsflut das gemeine Volk überschwemmen und befürchteten wirklich Schlimmes, aber es kam ganz anders. ...
Graetz Fernseher, Modell Exzellenz, Baujahr 1961
Inhaltsverzeichnis der kompletten Dokumentation:
2. Die Stunde der mechanischen Bildabtastung
3. Elektronenstrahlen zeichnen Bilder
4. Die ersten praktischen Fernsehvorführungen
5. Die Entwicklung neuer Aufnahmetechniken
6. Die Entwicklung der Fernsehkameras
7. Das Fernsehen bekommt Farbe
8. Die Revolution auf dem Bildschirm
Es ist in der Tat ganz beeindruckend, zu welchem Universalgerät sich der hausbackene Fernseher gemausert hat. Auf dem Bildschirm im trauten Heim laufen eine Menge Kommunikationsfäden zusammen: zunächst einmal die Programme der bisherigen Sender über Richtfunk, über Kabel und Satellit, private Sender machen den öffentlich-rechtlichen Konkurrenz zu Unterhaltung, Spiel und ernsthafter Arbeit stehen Heimcomputer, Videorecorder und Bildplatte sowie Videotext zur Verfügung, und schließlich gibt der Bildschirm auch die mit der Videokamera aufgenommenen Eigenproduktionen des Amateurfilmers wieder. Fernsehen, so der Wissenschaftler Cedric Cullingford bei einer Untersuchung des Verhaltens von Kindern vor dem Bildschirm, mache Kinder weniger bereit, selbständig zu denken und verenge ihren Bildungshorizont. Und Fernsehen, so urteilte der amerikanische Weltraumprofessor Carl Sagan, zeichne für außerirdische Zivilisationen ein denkbar schlechtes Bild von der Erdbevölkerung. Durch die Radio-Kommunikation sei die Erde zur stärksten Radioquelle im Sonnensystem aufgerückt. Sagan: „Die durchschlagendste und auffälligste Radioquelle auf der Erde aber stellen unsere Femsehanstalten dar. Falls der Programm-Salat dieser Sender von einer fortgeschrittenen Zivilisation (irgendwo im All) sortiert und richtig zusammengesetzt werden könnte, wären die meist wiederholten Botschaften zweifelsohne Sendezeichen und Aufforderungen Reinigungsmittel, Deodorants, Kopfwehtabletten, Autos und Mineralölprodukte zu kaufen.“
Einer der ersten volielektronischen Fernsehempfänger von Telefunken, Type FE 3, den Paul Nipkow aus Anlaß seines 75. Geburtstages 1935 als Ehrengabe von der „Reichsrundfunkgesellschaft“ erhielt. Nipkow, der mit der Erfindung seiner berühmten „Nipkow-Scheibe“ 40 Jahre zuvor einen der Grundsteine des Fernsehens gelegt hatte und in Deutschland inzwischen allenthalben „Vater des Fernsehens“ genannt wurde, konnte die Erfüllung seines Fernseh-Traums noch erleben. Ihm zu Ehren und in Würdigung seiner Verdienste wurde 1935 der Sender Berlin-Witzleben im Rahmen eines Festaktes auf den Namen „Fernsehsender Paul Nipkow“ getauft.
1. Tele-Visionen der Frühzeit
Die ersten stolpernden Schritte auf dem Weg zum totalen TV-Spektakel hatte die Technik bereits hinter sich gebracht, als am 1. April 1903 in einer deutschen Zeitung folgender Artikel zu lesen war: „Wie aus dem heutigen Inserat ersichtlich, findet heute abend in der Schloßbrauerei die Vorführung eines der interessantesten Apparate, eines verblüffenden Wunderwerkes, statt. ,Oculariophon‘ ist der Name. Es ist die Verbindung von Tele- und Grammophon und Biograph. Hierdurch ist nunmehr die Möglichkeit geboten, eine noch so entfernt liegende Begebenheit wahrzunehmen, genau so wie wenn wir dicht dabei wären und alles mit eigenen Augen sähen, mit eigenen Ohren hörten. Die heutige Vorführung bringt uns Szenen aus der am Kasseler Theater aufgeführten komischen Oper "Der Waffenschmied“
Damals werden sich die Leser dieses Aprilscherzes den Bauch gehalten haben vor Lachen. Oder sie schüttelten den Kopf über den Blödsinn, den sich die Zeitungsleute ausgedacht hatten. Aber aus dem Blödsinn "Oculariophon" wurde schließlich das Fernsehen. Und wenn heute der Kopf geschüttelt wird, dann eher aus Gründen der Programmgestaltung. Oder, wie Otto Preminger es treffender bemerkte: „Ich kann nicht verstehen, daß man sich im Fernsehen immer für Störungen entschuldigt, aber niemals für das normale Programm.“
Die Anfänge der Kommunikationstechnik mit Bildern liegen aber noch viel weiter zurück und führen in die „Bilderhöhlen“ der Menschen der Cro-Magnon-Zeit, die vor rund 40.000 bis 10.000 Jahren als Jäger und Sammler lebten. Berühmt für ihre Gemälde von Pferden, Hirschkühen, wilden Ebern, Wölfen, Höhlenlöwen und Mammuten wurde beispielsweise die Höhle von Altamira in der nordspanischen Provinz Santander, oder die „Superhöhle“ von Lascaux in der französischen Dordogne. Allerdings waren diese Höhlenbilder kaum ein Massenkommunikationsmittel. Die meisten Fachleute vermuten, daß die Höhlen Kultstätten gewesen sind. Demgemäß waren die Felsbilder auch keine frei zugänglichen, für die allgemeine Erbauung bestimmten Kunstausstellungen, sondern sie blieben vor Uneingeweihten verborgen. Warum das so war, ist einstweilen unerklärlich.
Höhle von Lascaux, Tierdarstellungen im Hauptsaal der Höhle. Die Fels- und Höhlenmalereien des Paläolithikums sind gleichsam „Vorläufer des Fernsehens“.
Ein Vorläufer der Nachrichtenübermittlung - die Trajanssäule in Rom, im Jahre 113 n.Chr. von Apollodorus von Damaskus in Rom errichtet, berichtet auf Reliefbändern von den Feldzügen des römischen Kaisers Trajan
Bilder übermitteln Nachrichten
Erheblich weitere Kreise dagegen zogen schon die Bilderschriften, die bestimmte Sachverhalte unmittelbar durch Bilder darstellten, ohne auch nur im geringsten Rücksicht auf die lautliche Formulierung zu nehmen. Diese Frühform der Schrift wurde auf alle möglichen und unmöglichen Materialien aufgetragen, auf Stein oder Holz, Rinde, Knochen oder Leder, aber auch auf Gewebe oder Papier. Sie findet sich bei den stein- und bronzezeitlichen Europäern genauso wie bei den Naturvölkern in Australien oder Polynesien, bei den Indianern wie bei den Eskimo.
Und natürlich wußten sich auch die frühen Kulturvölker der Bilderschrift zu bedienen, etwa die Azteken und Maya, und die Menschen in Ägypten, Mesopotamien, Indien und China. In Mesopotamien entwickelte sich schließlich aus der ursprünglichen Bilderschrift die Keilschrift. In Ägypten behielt die Bilderschrift Jahrtausende hindurch ihre Bedeutung in Form der Hieroglyphen (griechisch = heilige Zeichen). Die letzte Hieroglypheninschrift stammt aus der Zeit der Römerherrschaft um 400 n. Chr. Eine besonders gelungene Art der Nachrichtenübermittlung durch eine Bilderfolge ist noch heute an der Trajanssäule zu bewundern. Sie wurde 113 von Apollodorus von Damaskus in Rom errichtet, ist 30 Meter hoch und berichtet auf Reliefbändern mit 2500 Figuren von den Feldzügen, den Schlachten und den Siegen des römischen Kaisers Trajan.
Die Nachrichtenübermittlung durch Bilderschriften betrieben schon die Völker der frühen Hochkulturen:
Vorläufer „lebender Bilder“ waren die „Lebensräder“, die, durch einen Sehschlitz betrachtet, Bewegungsvorgänge sichtbar machen konnten.
„Raritätenhändler“ und „Bänkelsänger“ machten mit viel Geschrei und bunten Bildern das Volk mit Nachrichten von allerlei schrecklichen Verbrechen und katastrophalen Ereignissen bekannt; kolorierte Radierung um 1750
Aus den Einblattdrucken des 15. Jahrhunderts gingen als neues Kommunikationsmittel die sogenannten Bilderbogen hervor, Bildfolgen mit kurzen gereimten Texten, die auf Jahrmärkten und Kirchenfesten unters Volk gebracht wurden. Sie waren „zur Erbauung, Belehrung, Belustigung, zur Verbreitung von Nachrichten, auch als Mittel im religiösen und politischen Streit“ gedacht und in weitesten Kreisen beliebt und begehrt. Die modernen Comics sind ihre Nachfolger.
Von der Moritat zum Film
Mit Bild und Ton machten die Moritatensänger ihre Zeitgenossen mit sensationellen und denkwürdigen Ereignissen wie Katastrophen, Verbrechen, Gottesgerichten und dergleichen bekannt. Beliebt waren auch herzbewegende Schicksale wie etwa die Ermordung eines vierzehnjährigen Bauernmädchens, über die der Sänger dann so reflektierte: „Junges Menschenfleisch zu stechen ist kein menschliches Verbrechen.“
Die Ergänzung der gesungenen Nachricht durch Bildfolgen auf zusammenrollbaren Wachstuchtafeln von zwei Meter Höhe und anderthalb Meter Breite fand etwa zu Beginn des 18. Jahrhunderts statt. Der Sänger oder die Sängerin wies mit einem langen Rohrstab während des Vortrags auf die entsprechenden Bilder hin. Noch in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, als der Fernseher sich schon im Erprobungsstadium befand, wurde der Bänkelsang auf den Jahrmärkten ostdeutscher Städte gepflegt und gehätschelt. Mit der „Camera obscura“, dann mit der „Laterna magica“ und schließlich mit dem Dioramatheater kam man der Fernseh-Sache schon etwas näher. Die Camera obscura wurde um 1550 durch den Einbau einer bikonvexen Linse als Objektiv und um 1570 durch die erste Lochblende verbessert.
1829 erfand der belgische Physiker Joseph Anton Fernand Plateau (1801-1883) mit dem „Lebensrad“ einen Vorläufer des Kinematographien. Seine verbesserte „Wundertrommel“ konnte in einzelnen Phasen gezeichnete Bewegungsvorgänge als stetige Bewegung sichtbar machen. 1845 koppelte Franz Freiherr von Uchatius (1811-1881) den Laterna magica genannten Bildwerfer mit dem Lebensrad und erhielt so projizierbare lebende Bilder. Damit sind zwar die Vorläufer von Fotografie und Film angesprochen, aber das Fernsehen steht auf derselben Basis. Was jetzt noch fehlte, war die technische Möglichkeit, aufgenommene Bilder von einem Ort zum andern zu übertragen.
Das zerlegte Bild
Die Technik hatte auf ihrem Siegeslauf schon die Kommunikation mit Morsezeichen, am Telefon, also die Umwandlung von Schallschwingungen in elektrische Spannungsschwankungen, das Fernschreiben und die Bildtelegrafie erreicht und strebte jetzt noch ehrgeizigeren Zielen zu. Neuburger schrieb 1913:
„Mit diesen Vervollkommnungen der Verständigung in die Ferne könnte man nun eigentlich zufrieden sein. Man ist es aber nicht und man begehrt noch mehr: man will auch telegrafisch in die Ferne sehen können, so daß also zum Beispiel der auf der Reise befindliche Ehemann, wenn er sein Weibchen aus weiter Entfernung telefonisch anruft, auch ihr liebes Gesicht zu sehen bekommt. Die Amerikaner, die bekanntlich technische Tausendkünstler sind und denen kein Ding unmöglich ist, wollen auch dies schon erfunden haben, und getreulich erscheinen von Zeit zu Zeit in gewissen deutschen Zeitungen jene bekannten amerikanischen technischen Zeitungsenten, die berichten, daß es dem Professor Soundso an der Universität Indianapolis gelungen sei usw. usw. Ganz so weit sind wir nun allerdings noch nicht, aber der erste Schritt auf dem Gebiete des elektrischen Fernsehens ist jedenfalls bereits getan: Man vermag nämlich ganze Bilder auf telegraphischem Wege zu übermitteln.“ Das von Neuburger angesprochene Bildtelefon hat sich zwar nicht durchgesetzt, aber dafür ging das Fernsehen sehr eigenständige Wege und hinterließ in der Kultur des 20. Jahrhunderts beeindruckende Spuren.
Eine „technische Verwandte" des Fernsehens oder auch Vorläufer war die „Laterna magica“, zuerst von Athanasius Kirchner um 1660 erfunden. Die Vorführtechniken, damit „Lichtbilder" an die Wand zu werfen, wurden immer raffinierter. Als eine Art Vorform des modernen Kinos baute man im 18. und 19. Jahrhundert große Vorführräume, die die Projektion von riesigen Dioramen erlaubten.
Laterna magica mit Öllampe von Aubert, um 1880
Projektion einer Laterna magica mit Zuschauern - kolorierter Kupferstich um 1810 aus der Serie „Le Bon Genre"
Laterna magica mit „Schornstein“ zum Abführen der durch die Kerze erhitzten Luft und gemaltem Schaubildstreifen, 1850
Bei der Bildübertragungstechnik auf elektrischem Weg stand in der Tat die Bildtelegrafie Pate und lieferte zwei wichtige Voraussetzungen: die zeilenförmige Zerlegung des zu übertragenden Bildes und die Umwandlung von Helligkeitsinformationen in entsprechende elektrische Werte. Dem Problem mit der Bildzerlegung kann ein mit einer Lupe bewaffneter Betrachter recht einfach auf die Schliche kommen. Untersucht er ein gedrucktes Bild, beispielsweise in einer Zeitung, dann wird er feststellen, daß es aus einer Unmenge von Punkten (Punktraster) zusammengesetzt ist, die unterschiedlich dick sind, an manchen Stellen zu einer schwarzen Fläche zusammenfließen und an anderen sehr dünn gesät sind. Auf diese Weise werden Halbtonbilder also in verschieden große Rasterpunkte zerlegt, die das menschliche Auge aber wieder zu einem geschlossenen Gesamtbild zusammensetzt. Selbst das menschliche Auge arbeitet mit einem Punktraster. Richtet ein menschlicher Beobachter seinen Blick auf irgendeine bestimmte Szene oder Situation dann enthält das sogenannte „Bildfeld“ eine Unmenge örtlich und zeitlich mehr oder weniger schnell wechselnder Helligkeits- oder Farbinformationen.
Diese Informationen werden nun beim Sehen über die Augenoptik aus Linse und Glaskörper gleichzeitig auf die Netzhaut abgebildet, die aus einem Punktraster aus etwa 100 Millionen lichtempfindlichen Zellen besteht. Diese Zellen sind winzige Sensoren, die elektromagnetische Lichtwellen in Nervenimpulse umwandeln. Sie werden in Zapfen und Stäbchen eingeteilt, wobei die Stäbchen Helligkeitswerte registrieren und die Zapfen Farben unterscheiden. Die Informationen von der Netzhaut werden mit einer Vielzahl von Nervenbahnen ins Großhirn übertragen und dort ausgewertet.
An sich war es ein naheliegender Gedanke, die Natur zum Vorbild zu nehmen und eine Art künstlicher Netzhaut zu schaffen. Aber bei einem Punktraster von 100 Millionen lichtempfindlicher Zellen für die einzelnen Helligkeits- oder Farbwerte eines Bildfeldes mit den zugehörigen Übertragungsleitungen wäre das natürlich ein völlig untragbarer Aufwand gewesen. Trotzdem ist diese gleichzeitige Übertragung von Bildinformationen versucht worden, wobei aber die Anzahl der Rasterpunkte auf Kosten der Bildqualität drastisch reduziert wurde. Eine Lösung dieses Problems der vielen Übertragungsleitungen begann sich erst abzuzeichnen, als man sich der genialen Idee eines schottischen Technikers entsann, die Helligkeitswerte eines Bildfeldes nicht gleichzeitig, sondern nacheinander zu übermitteln.
Die zeilenförmige Abtastung
Alexander Bain (1810-1877) zeichnete sich durch bemerkenswerten Einfallsreichtum, ein unbeherrschtes Temperament und schottische Eltern aus. Geboren wurde er in der Gemeinde Watten in der Grafschaft Caithness im äußersten Norden Schottlands. Er lernte bei einem Uhrmacher in Wiek, brach 1837 als Geselle nach London auf und begann sich sehr erfolgreich mit elektrotechnischen Fragen zu beschäftigen.
Erste Ergebnisse waren elektrische Uhren, ein Vielfachtelegraf, ein Typendrucktelegraf und später noch ein Schnelltelegraf auf elektrochemischer Grundlage. Von 1843 an bastelte er an einem Telegrafen herum, der Schriftzüge und zeichnerische Darstellungen übermitteln sollte. 1850 ließ er seinen „Kopiertelegrafen“ aber erst patentieren, und das war leider zu spät. Denn zwei Jahre früher, 1848, führte ein Engländer namens Bakewell einen Kopiertelegrafen vor, der nach dem Bainschen Prinzip arbeitete. Bain begann einen heftigen und erfolglosen Streit um die Priorität der Erfindung und starb schließlich als armer Mann. Der Bain/Bake- well-Kopiertelegraf aber machte auf der Londoner Weltausstellung von 1851 Furore, seine weiß auf blau übermittelten Handschriften begeisterten das Publikum.
Wie das ursprünglich von Bain erdachte Bildabtastverfahren funktionierte, beschrieb Fototelegrafie-Pionier Arthur Kom: „In dem Bakewellschen Geber, welcher für alle späteren Kopiertelegrafen vorbildlich geworden ist, wird die zu übertragende Handschrift oder Zeichnung mit einer die Elektrizität nicht leitenden Tinte auf eine Metallfolie geschrieben und die Folie um einen Zylinder gewickelt, der ähnlich einer Phonographenwalze durch ein Uhrwerk gedreht wird. Auf dem Zylinder schleift eine Metallspitze, welche sich mit Hilfe einer ähnlichen Führung, wie sie die Taststifte eines Phonographen besitzen, während jeder Umdrehung ein wenig in der Richtung der Zylinderachse verschiebt, so daß die Spitze während der Drehung des Zylinders die Folie in einer feinen, sich in engen Zeilen aneinanderschließenden Schraubenlinie abtastet.“ Traf der Stift auf eine leitende Stelle der Folie, dann jagte ein Stromstoß durch die Leitung zum Empfänger, wo ein Stift auf einem Empfangszylinder mit chemisch präpariertem Papier eine farbige Stelle erzeugte. Kam kein Stromstoß an, dann blieb das Papier farblos. Doch das nur nebenbei, denn im Zusammenhang mit dem Fernsehen ist lediglich die spiralförmige Abtastung interessant.
Der englische Naturwissenschaftler Thomas von Soemmering entwickelte 1811 einen elektrochemischen Telegraphen, systemverwandt mit späteren „Kopiertelegraphen“, wie sie Bain und Bakewell ein paar Jahrzehnte später vorstellten
Eine frühe Vision des Fernsehens in Gestalt einer Illustration von A. Robida im „Le ventieme Siede“ 1894 schon geträumt
Selenzellen, wie man sie in der ersten Entwicklungszeit für Bildtelegraphie und Fernsehen verwendete
Titelseite des ersten Buches über elektrisches Fernsehen von de Paiva, 1880 veröffentlicht
Relaisanordnung unter Benutzung einer Selenzelle, entworfen von dem portugiesischen Physiker Adriano de Paiva
Auf der Grundlage der Bain-Bakewellschen Übertragungstechnik entwickelte 1855 die Kabelmessungen. Sein Assistent May beobachtete dabei zufällig, daß sich der elektrische Widerstand des Selens gegen den durchgehenden Strom mit der Belichtung und entsprechend der auffallenden Lichtmenge änderte. Smith zu dieser Entdeckung: „Mit Hilfe eines Mikrophons kann man das Laufen einer Fliege so laut hören, daß es dem Trampeln eines Pferdes auf einer hölzernen Brücke gleichkommt; aber noch viel wunderbarer ist es meiner Meinung nach, daß ich mit Hilfe des Selens einen Lichtstrahl auf eine Metallplatte fallen höre.“
Die Entdeckung erregte in der Fachwelt ungeheures Aufsehen. Scharen von Forschern und Wissenschaftlern stürzten sich auf das seltene Halbmetall und stellten Untersuchungen an. Und damit begann auch eine Zeit haarsträubender Spekulationen um das Problem, „mit Hilfe der Elektrizität sehen“ zu können. Statt der spiralförmigen Abtastung nutzte er die hin und her gehende Bewegung eines zwei Meter langen Pendels aus, das über eine Hebelvorrichtung einen Platin-Abtaststift über eine entsprechend gebogene Platte mit Metallfolie führte. Damit war die zeilenförmige Abtastung geboren.
Das Lichtauge: Sehen mit der Selenzelle
Bei den Schallschwingungen war die geheimnisvolle Umwandlung schon gelungen: mit Hilfe eines Mikrofons war die Technik in der Lage, Schallwellen in elektrische Spannungsschwankungen umzuformen, die jederzeit über Drähte weitergeleitet und beim Empfänger wieder hörbar gemacht werden konnten. Wenn es nun gelänge, unterschiedliche Lichtintensität in Schwankungen elektrischer Werte wiederzugeben und weiterzuleiten, dann konnte man das schwerfällige mechanische Aufnahmeverfahren beim Sender der Kopiertelegrafen aufgeben und statt dessen einen Lichtstrahl die Vorlage abtasten lassen. Doch dazu mußten erst die faszinierenden Eigenschaften eines Halbmetalls namens Selen entdeckt werden. Als erster stieß der schwedische Chemiker Jöns Jakob von Berzelius (1779-1848) im Jahr
1817 auf die Spur des Selens. Das bis dahin unbekannte Element wurde „Selen“ (von griechisch selene = Mond) genannt, aber zur Zeit des großen Schweden kaum beachtet. Über ein halbes Jahrhundert sollte vergehen, bis die erstaunliche Natur des Selens entschleiert wurde. 1873 verwendete der englische Ingenieur Willoughby Smith (1828-1891) Selen bei Kabelmessungen. Sein Assistent May beobachtete dabei zufällig, daß sich der elektrische Widerstand des Selens gegen den durchgehenden Strom mit der Belichtung und entsprechend der auffallenden Lichtmenge änderte. Smith zu dieser Entdeckung: „Mit Hilfe eines Mikrophons kann man das Laufen einer Fliege so laut hören, daß es dem Trampeln eines Pferdes auf einer hölzernen Brücke gleichkommt; aber noch viel wunderbarer ist es meiner Meinung nach, daß ich mit Hilfe des Selens einen Lichtstrahl auf eine Metallplatte fallen höre.“ Die Entdeckung erregte in der Fachwelt ungeheures Aufsehen. Scharen von Forschern und Wissenschaftlern stürzten sich auf das seltene Halbmetall und stellten Untersuchungen an. Und damit begann auch eine Zeit haarsträubender Spekulationen um das Problem, „mit Hilfe der Elektrizität sehen“ zu können.
Das Mosaik aus Selenzellen
Vor lauter Begeisterung über die eben entdeckten Möglichkeiten der Selenzellen ließen die frühen Fernseh-Pioniere zunächst die zeilenförmige Abtastung außer Acht. Der Selen-Effekt war aber auch zu bestechend: Wurde die Selenzelle in einen Stromkreis geschaltet, dann veränderte sich die an ihr abfallende Spannung mit dem auffallenden Licht; über ein Kabel weitergeleitet konnte diese Spannung an eine Glühlampe angelegt werden, deren Leuchtstärke von der Selenzelle gesteuert wurde. Im Klartext: Fiel auf die Selenzelle helles Licht, dann leuchtete auch die Glühlampe hell auf; bei geringem Lichteinfall blieb die Lampe entsprechend dunkel. Die nächstliegende Idee war nun ein Mosaik.
Das erste Buch über Fernsehen
Die Fachwelt scheint sich nicht so ganz einig zu sein, was Senlecq nun eigentlich im Jahre 1877 aus seinen Selen-Kenntnissen gemacht hat. In einem Lexikon von 1898 wird man belehrt, daß Senlecq „den unzutreffenden Namen ,Telektroskop‘ für seine Erfindung (von 1877) in Vorschlag“ brachte. Technikhistoriker Neuburger beschrieb 1913 das Telektroskop als dicke Kupferplatte mit dicht nebeneinander liegenden Löchern, „in deren Mitte von der Rückseite aus ein Kupferdraht hineinragt, jedoch so, daß er die Platte nirgends berührt“. Der Zwischenraum zwischen Platte und Draht sei mit Selen aufgefüllt worden und das Bild habe Senlecq auf die Kupferplatte projiziert. Das Ganze lief auf einen Bildtelegrafen hinaus.
Farbfemseh-Erfmder Walter Bruch lieferte in seiner „Fernseh-Story“ eine andere Version. Senlecqs 1877er Erfindung wurde am 8. März 1879 im „Scientific American“ veröffentlicht, und zwar unter dem Titel, „Ein neues und merkwürdiges Instrument, das Telephonoskop des Herrn Senlecq aus Ardres“. Bruch: „Er schlug vor, eine Selenspitze über die einzelnen Punkte des auf einer Ebene in der Camera obscura erzeugten Bildes hinwegwandern zu lassen.“ Ohne Zweifel war das eine geniale Idee, weil sich dadurch der Riesenaufwand an Selenzellen auf eine einzige reduzieren ließ. Aber der Fernseh-Fortschritt verpuffte wirkungslos durch Senlecqs Empfänger. Synchron mit der Selenzelle sollte dort ein weicher Bleistift über ein Blatt Papier geführt werden und durch verschieden starkes Aufdrücken das telegrafierte Bild, und zwar jeweils nur ein Bild aufzeichnen.
Etwa um dieselbe Zeit beschäftigte sich noch ein Landsmann von Senlecq mit der schnellen zellenförmigen Abtastung und der Trägheit des menschlichen Auges. Sein Name war Maurice Leblanc. Er wollte sogar Bilder in natürlichen Farben elektrisch übertragen und schlug ein System von Spiegeln und Schlitzblenden für die Bildabtastung vor. In den Vereinigten Staaten untersuchte W. E. Sawyer die Technik der Bildzerlegung und Übertragung durch einen einzigen Draht. 1880 schließlich erschien das erste Buch der Technikgeschichte über Fernsehen: „Le Telectroscope“ von C. Senlecq aus Ardres, „mit ins Englische übersetzten Anmerkungen des Autors“. In diesem Buch beschrieb er auch ein Projekt, bei dem er wieder auf die Vielzellentafel zurückgriff, aber vorsah, die Zellen an Kontakte eines rotierenden Umschalters zu legen, so daß die Bildelemente nacheinander abgetastet wurden. Da die Selenzellen nun nacheinander an die Übertragungsleitung angeschlossen wurden, kam Senlecq mit einer einzigen Leitung aus.
Während der 12. großen deutschen Rundfunkausstellung 1935 zeigte Telefunken diese Fernseh-Großbildanlage nach dem Zellenrasterverfahren. In enger Zusammenarbeit mit Prof. A. Karolus, Leipzig, wurde diese erste Zellenrastertafel mit 10.000 Glühlampen bereits 1934 fertiggestellt. Die Glühlampen waren einzeln in kleine, innen weiße Reflektorkästen eingebaut, um ein gegenseitiges Überstrahlen von Bildelement zu Bildelement zu vermeiden. Die Kantenlänge der Zellenrastertafel betrug 2 mal 2 Meter
Constantin Senlecqs Projekt eines „T’electroscopes“ mit kommutiertem Selen-Zellenraster und starrer Kopplung zwischen Bildsignalen und Synchronisierimpulsen
2. Die Stunde der mechanischen Bildabtastung
Die telektroskopischen Spekulationen des Monsieur Senlecq gaben der Fernseh-Idee ohne Zweifel Auftrieb. Da war einmal die Zerlegung des Bildes in Bildpunkte, die nacheinander über eine einzige Leitung übertragen werden konnten. Aber auch sein erster Gedanke, das Bild von nur einer Selenzelle ab tasten zu lassen, statt für jeden Bildpunkt eine Zelle zu verwenden, hatte viel für sich. Nur war es eine technische Unmöglichkeit, diese eine Zelle so schnell über die Bildpunkte rasen zu lassen, daß genügend Reihenbilder zur Übertragung bewegter Vorgänge wiedergegeben werden konnten, um sie im Auge verschmelzen zu lassen. Dazu wären nämlich mindestens zwölf Einzelbilder pro Sekunde notwendig gewesen.
Dieses Technische Problem der Hochge- schwindigkeits-Bildabtastung löste der Deutsche Paul Nipkow - sehr elegant, aber viel zu früh, wie sich herausstellen sollte. Immerhin konnte er die Verwirklichung seiner Idee noch miterleben. „Das war 1928 anläßlich der Funkausstellung“, erzählte der Erfinder in einem Interview. „Man hatte in den Zeitungen mit großer Reklame das Fernsehen angekündigt, und da war auch ich neugierig, was man wohl zeigen würde. Telefun- ken zeigte einen Fernseher mit Spiegelrad, und der ungarische Konstrukteur Mihäly führte einen Empfänger mit Lochscheibe vor. Die Fernseher befanden sich in dunklen Zellen, und davor standen Hunderte und warteten geduldig auf den Augenblick, in dem sie zum ersten Male fernsehen sollten. Unter ihnen wartete ich auch und wurde immer nervöser. Was ich 45 Jahre früher erdacht hatte, sollte ich nun erstmals verwirklicht sehen. Endlich war ich an der Reihe und trat ein, ein dunkles Tuch wurde zur Seite geschoben, und nun sehe ich vor mir eine flimmernde Lichtfläche, auf der sich etwas bewegte. Es war aber nicht gut zu erkennen.“
Nipkow verfolgte den Gedanken weiter, als er in Berlin Ingenieurwissenschaft studierte, sich bei Helmholtz über die Trägheit des Auges und bei Slaby über die Geheimnisse der Elektrotechnik aufklären ließ. Spontane Lösungsideen, Sternstunden der Erfinder, werden später oft als halb mystische Augenblicke verklärt. Unter der romantischen Überschrift „Femsehidee entstand in der Heiligen Nacht“ wurde der Leser 1959 von einer deutschen Zeitung aufgeklärt, warum Nipkow sein frühes Fernsehsystem erfand: „Die Gedanken an das ferne Elternhaus im idyllischen Lauenburg, und der Wunsch, das Gesicht seiner Mutter an diesem Abend zu sehen, führten den jungen Paul Nipkow zu seiner bahnbrechenden Femsehidee.“ Erheblich weniger romantisch hört sich die Sache an, wenn Nipkow selbst zu Wort kommt. „Es war am Heiligen Abend 1883 in Berlin-NW, dem Quartier Latin in meiner Studentenbude, Philippstraße 13a, gegenüber der Kirche. Ich saß allein; vor mir eine Petroleumlampe, ich allein mit meinem Lieblingsgedanken. Da kam mir endlich die Lösung; mühelos, automatisch, die Generalidee des Fernsehens. Da sah ich ein Bild mosaikartig in Punkte und Zeilen zerlegt und eine spiralgelochte, rotierende Scheibe. Dabei wurden die Lichtpunktserien in entsprechende, elektrische Impulsserien verwandelt und dann, im Empfänger, wieder mittels einer gleichlaufenden Lochscheibe zu einem Bilde zusammengesetzt.“
Die Nipkow-Scheibe
Nipkow war von der Überlegung ausgegangen, daß sein Fernsehen nur dann gelingen konnte, wenn er die Trägheit des Auges ausnutzte. Seine Abtastvorrichtung bestand aus einer gewöhnlichen Metallscheibe, an deren äußerem Rand eine Reihe spiralförmig angeordneter Löcher angebracht war. Die Löcher waren um die Breite des abzutastenden Bildes voneinander entfernt, so daß immer nur ein Loch das Bildfeld bestreichen konnte. Außerdem hatte Nipkow alle Löcher um Zeilenbreite gegeneinander versetzt, was zur Folge hatte, daß jedes Loch eine Zeile des Bildfeldes überstrich.
Demzufolge war die Ganghöhe der Spirale, also der Höhenunterschied zwischen dem ersten äußeren und dem letzten inneren Loch der Spirale, gleich der Höhe des abzutastenden Bildes. Was passierte nun, wenn Nipkow seine Scheibe einmal herumdrehte? Die Löcher wirkten wie optische Blenden und wanderten in aneinanderschließenden, wegen der Scheibenform leicht gebogenen Zeilen über das Bildfeld hinweg und tasteten so das gesamte Bild ab. Doch mit der Abtastung allein war es nicht getan. Nipkow hatte erkannt, daß die durch seine Lochscheibe einzeln abgetasteten Bildpunkte verschiedene Helligkeitswerte besaßen. Also montierte er hinter der Lochscheibe eine Selenzelle, mit der er die Helligkeitswerte des auf die Scheibe projizierten Bildes in elektrische Werte umwandeln und weiterleiten konnte. Beim Empfänger setzte er ebenfalls eine seiner genialen Scheiben ein. Eine Flächenglimmlampe wandelte die ankommenden elektrischen Impulse wieder in Helligkeitswerte um.
Voraussetzung dafür, daß die Lochblenden der Empfangsscheibe nur das Licht des Bildpunktes passieren konnten, der gerade von der Sendescheibe abgetastet wurde, war natürlich der absolute Gleichlauf der beiden Scheiben. Die Änderungen der Lichtstärke der Glimmlampe wurde durch die Nipkow- Scheibe hindurch betrachtet. Die rasch aufeinander folgenden Änderungen ergaben für den Betrachter ein ganzes Bild, einmal wegen der Schnelligkeit, mit der sich die Löcher über die Glimmlampe bewegten und zum anderen dank der Trägheit des Auges.
Fernsehversuchsanlage von Dieckmann und Glage aus dem Jahre 1906 für 20 Zeilen bei 10 Bildwechseln pro Sekunde
Zeichnung aus der Patentschrift Nr. 30105, die Paul Nipkow in Berlin für sein „elektrisches Teleskop“ erhielt
Genau wie unter den Radio-Enthusiasten gab es unter den Fernseh-Fans der Zeit geschickte Bastler, die sich ihre Geräte selbst zusammenbauten; hier eine Nipkow-Scheibe mit Glimmlampe zu einem Bastler-Empfänger, 1929
Das komplette selbstgebastelte Empfangsgerät
Sternstunde am Heiligen Abend
Paul Nipkow (1860-1940), Erfinder des ersten deutschen Fernsehers, wurde am 22. August in Lauenburg in Pommern geboren. Sein Vater, Bäckermeister Nipkow, schickte den Jungen voll der guten Hoffnung aufs Gymnasium. Nipkow junior enttäuschte die väterlichen Hoffnungen nicht und trat mit einer Eins in Physik und einer Zwei in Griechisch ins Königliche Vollgymnasium im westpreußischen Neustadt ein. Dort brachten ihn Telefon-Basteleien auf die Idee, daß ein ebenso einfach aufgebautes „Elektrisches Teleskop“ durchaus machbar sein müsse.
Die Fernsehdirektsendung stieß zu Anfang auf große technische Schwierigkeiten. Man behalf sich darum in den 30er Jahren mit der direkten Methode, Dias bzw. Filme abzutasten. Das Filmbild wird auf die Nipkow-Scheibe projiziert. Das Licht einer Bogenlampe wird durch einen Kondensor gesammelt und auf das Filmbildchen im Bildfenster geworfen. Die Objektive bilden das durchleuchtete Bildchen auf der Lochscheibe ab. Hinter der Lochscheibe sitzt eine Fotozelle, die die Signale aufnimmt und zum Sender weiterleitet.
Objektive des Film- und Diaabtasters
Die Nipkow-Scheibe im Vakuumgehäuse
Das imposante Gerät im Ganzen
Ein Schaubild zur Funktionsweise des Filmbild- und Diaabtasters.
Das vergessene Patent
Noch vor Neujahr 1884 soll Paul Nipkow seine Patentschrift aufgesetzt haben. „Elektrisches Teleskop“ nannte er sein Gerät, und was damit anzufangen war, las sich so: „Der hier zu beschreibende Apparat hat den Zweck, ein am Orte A befindliches Objekt an einem beliebigen anderen Orte B sichtbar zu machen; derselbe wird durch die beiliegenden Zeichnungen des Näheren dargestellt.“ Der Student Nipkow hatte zwar keine 30 Goldmark für die Patentgebühren, aber er hatte eine Braut namens Josephine. Nipkow- Tochter Elisabeth erzählte später: „Zum Berliner Patentamt, wo die Ideen meines Vaters niedergelegt wurden, ging immer Mama. Seit sie am 6. Januar 1884, noch als junge Braut mit langen kastanienbraunen Zöpfen, das Patent des elektrischen Teleskops angemeldet hatte, dessen Gebühr sie aus eigener Tasche bezahlte, gehörte dieser Gang zu ihren Obliegenheiten.“ Ein Jahr später, am 15. Januar 1885, erhielt Nipkow das Patent unter der Nummer 30105 zuerkannt.
Im selben Jahr beschrieb er seine Erfindung in der Elektrotechnischen Zeitschrift. Ausländische Fachzeitschriften griffen den Artikel auf. Nach einem Vortrag im Verein deutscher Ingenieure lobten ihn die Tageszeitungen als „deutschen Edison“, der jeder Unterstützung würdig sei. Aber die Wirklichkeit sah anders aus. Nipkow erhielt nach einem glänzenden Examen eine Ingenieurstelle und beschäftigte sich bei einer Berliner Firma mit Eisenbahnsignalen.einer gewöhnlichen Metallscheibe, an deren äußerem Rand eine Reihe spiralförmig angeordneter Löcher angebracht war. Die Löcher waren um die Breite des abzutastenden Bildes voneinander entfernt, so daß immer nur ein Loch das Bildfeld bestreichen konnte. Außerdem hatte Nipkow alle Löcher um Zeilenbreite gegeneinander versetzt, was zur Folge hatte, daß jedes Loch eine Zeile des Bildfeldes überstrich.
Demzufolge war die Ganghöhe der Spirale, also der Höhenunterschied zwischen dem ersten äußeren und dem letzten inneren Loch der Spirale, gleich der Höhe des abzutastenden Bildes. Was passierte nun, wenn Nipkow seine Scheibe einmal herumdrehte? Die Löcher wirkten wie optische Blenden und wanderten in aneinanderschließenden, wegen der Scheibenform leicht gebogenen Zeilen über das Bildfeld hinweg und tasteten so das gesamte Bild ab.
„Später“, berichtete Tochter Elisabeth, „unterblieben dann für lange Zeit die Gänge zum Patentamt. Die Goldstücke wurden für moderne Plüschmöbel und die Ausbildung von uns sechs heranwachsenden Kindern benötigt. In dieser Zeit verfielen auch die alten Patente, da keine Gebühren dafür eingezahlt werden konnten.“ Geldmangel boykottierte also eine Verlängerung seines Fernseh-Patents. Hinzu kam, daß - vorläufig zumindest - kein Mensch den von ihm erdachten Apparat bauen wollte. Als schließlich eine Menge anderer Erfinder die Vorzüge der Nipkow-Scheibe schätzen lernten, war sie nicht mehr patentrechtlich geschützt und vielen ähnlichen, nur anders benannten Konstruktionen wurden Tür und Tor geöffnet.
Ruhm mit Verspätung
Nette Menschen versicherten Nipkow, seine Erfindung sei recht interessant, weniger nette Menschen lachten ihn schlichtweg aus. Als die Femsehidee immer weitere Kreise zog, stellte sich plötzlich heraus, daß die Nipkow-Scheibe ganz gut verwendbar war, mehr noch, es gab zunächst gar keine bessere Alternative zur Bildabtastung. Als dann in europäischen Landen und in den Vereinigten Staaten von einer Nipkow-Scheibe abgetastete Fernsehbilder ausgestrahlt wurden, holte der nationalsozialistische Staat den Erfinder aus der Versenkung und schlachtete ihn als „Vater des Fernsehens“ weidlich propagandistisch aus.
Am 1. Mai 1935 feierte die Reichsrundfunkkammer „den 74jährigen Arbeiter und Erfinder dieses neuen Weltwunders“ und machte ihn zum Ehrenpräsidenten der Fernsehgemeinschaft. Zum 75. Geburtstag überreichte man ihm den FE 3 von Telefunken, eines der ersten Fernsehgeräte mit Bildröhre. Die Frankfurter Goethe-Universität verlieh ihm die Würde eines Doktors honoris causa. Nipkow, „der ein sehr selbstbewußter alter Herr war und die Anerkennung seiner Erfindung und die daraus resultierenden Ehrungen mit unverkennbarem Stolz entgegennahm, vergaß das Dr. h.c. hinter keinem Autogramm“ (Jacobi).
Die Deutsche Reichspost schenkte ihm eine größere Summe, die Reichsrundfunkgesellschaft zahlte ihm eine monatliche Rente, „Ehrensold“ genannt. Zu seinem 80. Geburtstag am 22. August 1940 wurde der alte Herr mit Geschenken und Glückwünschen überhäuft. Tochter Elisabeth: „Als die Gratulanten die kleine Wohnung verlassen haben, ist sie angefüllt mit Blumen und Geschenkkörben. Vater rückt seinen Schemel ans Fenster, um den Glücksbringern nachzuwinken. Das Ungewohnte, die Freude und die Aufregung haben ihn schwindlig gemacht. Er will das rote Plüschsofa, das nun endlich gekauft werden konnte, aufsuchen, aber er erreicht es nicht mehr. Er stürzt und schlägt mit dem Hinterkopf auf den Fußboden. Ohnmächtig bringt man ihn ins Lazaruskrankenhaus. Zwei Tage später stirbt er, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.“
Die großdeutsche Propaganda-Maschinerie setzte sich in Bewegung. Hitler, von der Fernsehtechnik in seinen politischen Zielen glänzend unterstützt, ordnete ein pompöses Staatsbegräbnis an. Nipkow wurde vor der Humboldt-Universität feierlich aufgebahrt und von einer Ehrengarde der deutschen Wehrmacht bewacht. Wenig bekannt ist die Tatsache, daß Paul Nipkow sich auch mit motorbetriebenen Flugmaschinen befaßt hatte, noch bevor die Brüder Wright ihre ersten Lufthopser unternahmen. 1897 machte seine Frau sich zusammen mit Tochter Elisabeth wieder einmal auf den Weg zum Patentamt. „Das Patentamt war ein großer Raum mit einer Barriere und wirkte wie ein Laden. Hinter der Barriere stand ein Mann und fragte nach unseren Wünschen. Mama machte einen tiefen Knicks, sagte ihr Sprüchlein auf und übergab die Patentschrift. Papa hatte sie eigenhändig mit Tinte geschrieben und eine Zeichnung seiner Flugmaschine angefertigt. Der Herr verschwand damit in einen hinteren Raum, und wir setzten uns auf eine lange Bank an der Wand. Ich hatte Sorge um die Schrift. Wenn sie nun verlorenginge! Nach längerer Zeit kam der Mann wieder und sagte: tatsächlich, eine Flugmaschine mit Motor ist noch niemals eingereicht worden.
3. Elektronenstrahlen zeichnen Bilder
Die entscheidende Voraussetzung für das Nipkow-Fernsehsystem war der hundertprozentig exakte Synchronlauf der beiden Nip- kow-Scheiben, also im Sender und im Empfänger. Doch die Leistungsfähigkeit ließ zu wünschen übrig, da die Elektronenröhre noch nicht erfunden war und somit eine geeignete Verstärkung fehlte. Außerdem machte auch das Selen erhebliche Schwierigkeiten, weil es nur sehr träge auf Lichtschwankungen reagierte und einen schnellen Bildwechsel unmöglich machte. Mit der Erfindung der Photozelle, die nahezu trägheitslos arbeitete, hätte sich zwar schon seit 1893 das Problem der raschen Bildfolge im Prinzip lösen lassen, doch diese Technik kam erst viele Jahre später erfolgreich zum Einsatz.
Auf der Senderseite konnte sich Nipkows Spirallochscheibe zur Bildabtastung zum Teil noch bis 1943 halten. Zunächst einmal wurde beim Empfänger der beherzte Versuch unternommen, die Nipkow-Scheibe durch ein unerhört neues Gerät zu ersetzen: durch die Katodenstrahlröhre oder Braunsche Röhre. Sie wurde zur Grundlage der Fernsehtechnik. Katodenstrahlröhren nach Braun, modern abgewandelt, sind in allen Fernsehgeräten von heute enthalten. Schon auf der 12. Deutschen Rundfunkausstellung, die 1935 in Berlin stattfand, waren 18 von 20 ausgestellten Fernsehempfängertypen mit elektrischen Bildröhren ausgestattet, nur zwei also mit mechanischen Bildwandlern. Zunächst war allerdings die Bildqualität noch herzlich schlecht, und auch das Programm riß keinen der wenigen Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hin. Aber die Technik war auf dem besten Wege, der Zivilisation das „Pantoffelkino“ nahezubringen - mit seinen guten und weniger guten Eigenschaften.
Die mechanischen Vorläufer und die Tele-Visionen der Frühzeit
Karl Ferdinand Braun
Ein Patentprozeß um Prioritäten und Erfindungen auf dem Gebiet der drahtlosen Telegrafie waren der Grund, warum Karl Ferdinand Braun (1850-1918) in jenem kriegsschwangeren Jahr 1914 als Sachverständiger in die USA reisen mußte. Mit knapper Not gelangte er im Dezember durch die englische Blockade in die Vereinigten Staaten, aber zurück kam er nie mehr. US-Präsident Woodrow Wilson gab als U- Boot-Geschädigter seine Neutralitätspolitik auf und schickte amerikanische Soldaten in den Ersten Weltkrieg. Braun mußte als Zivilinternierter in den USA bleiben. Das Kriegsende erlebte er nicht mehr. Der große Physiker stürzte auf der vereisten Treppe seines Hauses und starb am 20. April 1918 im New Yorker Stadtteil Brooklyn.
„Ferdinand Braun“, schrieb der Physiker Manfred von Ardenne, „gehört zu jenen Forschern und Entdeckern, deren Bahn durch einen frühen, erfolgreichen Anlauf für immer bestimmt scheint. Das 19. Jahrhundert, allen Neuentwicklungen offen und in Wahrheit das Jahrhundert der jugendlichen Revolutionäre, hat sie in großer Zahl auf den Weg gebracht, den es ihnen freilich nicht immer ebnete.“ Karl Ferdinand Brauns Weg begann am 6. Juni 1850 als Sohn des Aktuars und Gerichtsbeamten Konrad Braun und seiner Gemahlin Franziska in Fulda. Von 1868 an studierte er Mathematik und Physik in Marburg und Berlin und promovierte 1872 mit einer Dissertation über Schwingungen von elastischen Saiten und Stäben. Nach seiner Assistentenzeit in Berlin und Würzburg wurde Braun 1874 Oberlehrer an der Thomasschule in Leipzig.
In Leipzig vollbrachte der Herr Oberlehrer gleich seine erste bedeutende wissenschaftliche Leistung: Am 23. November 1874 entdeckte er die Gleichrichterwirkung bestimmter Sulfide und schlug vor, sie anstelle des Kohärers zum Empfang elektromagnetischer Wellen zu verwenden. Aus diesen Überlegungen heraus entstand später der berühmte „Kristalldetektor“.
Die geheimnisvollen Katodenstrahlen
In den folgenden Jahren arbeitete Professor Braun an verschiedenen deutschen Universitäten. 1877 folgte er einem Ruf als Professor für theoretische Physik an die Universität Würzburg. Nach vier Jahren, 1880, ging er an die Universität Straßburg, drei Jahre später als ordentlicher Professor an die TH Karlsruhe und schließlich nach nur zwei Jahren, 1885, an die Universität Tübingen. In Tübingen blieb er zehn Jahre lang, errichtete dort ein neues Physikalisches Institut und erfand 1891 das Braunsche Elektrometer. 1895 zog es ihn als Direktor des Physikalischen Instituts nach Straßburg zurück.
1897 war das Jahr seiner wohl wichtigsten Erfindung, der Braunschen Röhre, „deren Anwendungsbereich weit über das hinausgeht, was ihr zweiter Name Katodenstrahl- Oszillograph ausdrückt“, schrieb Braun- Assistent Jonathan Zenneck. „Sie ist das Universal-Handwerkszeug des Hochfrequenz- Physikers und -Ingenieurs und in neuerer Zeit die Grundlage der Fernsehtechnik geworden.“
Braun war keineswegs der erste Wissenschaftler, der sich mit Katodenstrahlen befaßte. Der deutsche Mathematiker und Physiker Julius Plücker (1801-1868) untersuchte mit sogenannten Geißlerschen Röhren den durch das Vakuum fließenden elektrischen Strom und beobachtete dabei Fluoreszenz, eine Eigenschaft verschiedener Stoffe, bei Bestrahlung selbst Strahlung der gleichen oder einer größeren Wellenlänge auszusenden. Der Ort des Fluoreszenz- Leuchtens verschob sich unter der Wirkung eines Magnetfeldes, also mußten elektrische Ladungen an der Sache beteiligt sein. Das war um das Jahr 1859. Johann Wilhelm Hittorf (1824-1914), ein Schüler Plückers, beschrieb 1869 die magnetische Ablenkbarkeit genauer und machte sie auf einem fluoreszierenden Schirm sichtbar. Er setzte eine Glimmröhre auf die Stirnfläche eines zylindrischen Elektromagneten und stellte fest: „Fällt endlich die magnetische Kurve (Kraftlinie) mit der Achse des Bündels überall zusammen, so bleibt die Richtung der parallelen Strahlen bei Erregung des Magneten unverändert. - Der große fluoreszierende Kreis, den sie (die Elektronenstrahlen) erzeugen, reduziert sich bei allmählicher Verstärkung des Magneten zuletzt fast auf seinen Mittelpunkt, der dann sehr stark leuchtet und erhitzt wird.“
1896, ein Jahr vor Brauns Oszillographen- Erfindung, beschrieb der norwegische Physiker und Chemiker Kristian Birkeland (1867- 1917) ebenfalls die Wirkung „des axialsymmetrischen Streufelds eines zylindrischen Elektromagneten auf ein in der Feldachse verlaufendes Katodenstrahlenbündel“ (Ruska). Er zog bei der Beschreibung seiner Beobachtung den Vergleich zu Lichtstrahlen heran: „Parallele Lichtstrahlen werden durch eine Linse nicht besser zu ihrem Brennpunkt hin konzentriert als Katodenstrahlen durch einen Magneten.
Zur Sichtbarmachung elektrischer Schwingungen
Noch tiefer stieg der englische Physiker William Crookes (1832-1919) in die Sache mit den Katodenstrahlen ein und kam zu weitaus umfassenderen und systematisch besser geordneten Resultaten. Von der negativen Elektrode einer Vakuum-Entladungsstrecke (Katode) ging offenbar eine Strahlung aus, die ihrer Ablenkbarkeit wegen aus negativ geladenen Partikeln bestehen mußte. Der deutsche Physiker Eugen Goldstein (1850-1930) nannte diesen Partikelstrom kurzerhand „Katodenstrahlen“. Joseph John Thomson (1856-1940), englischer Physiker, wies später nach, daß diese geladenen Teilchen Elektronen waren und bestimmte die Elementarladung.
„Die Experimente von Plücker und Hittorf“, schrieb Manfred von Ardenne, dem selbst entscheidende Verbesserungen der Elektronenstrahlröhre zu verdanken sind, „regten Braun 1896 dazu an, aus einem von einer Katodenplatte ausgehenden Katodenstrahlbündel mit Hilfe einer Bohrung in der Anodenplatte einen noch feineren Elektronenstrahl auszublenden. Diesen durch Ausblendung gewonnenen und daher noch sehr stromschwachen Strahl benutzte er, um den Kurvenverlauf wechselnder Ströme sichtbar zu machen: Er leitete den zu analysierenden Strom durch eine Drahtspule (Ablenkspule), deren Magnetfeld das feine Katodenstrahlbündel ablenkte. Die Größe der Ablenkung beobachtete er auf einem in der Vakuumröhre angebrachten, mit fluoreszierendem Stoff bestrichenen Glimmerblatt - damit war die erste Katodenstrahlröhre für die Aufzeichnung von Oszillogrammen, der erste Oszillograph, der die Trägheitsarmut der Elektronenstrahlung ausnutzte, geschaffen.“ Am 15. Februar 1897 veröffentlichte Braun eine Beschreibung seiner raffinierten Röhre in den „Annalen der Physik und Chemie“ unter der Überschrift „Ein Verfahren zur Demonstration und zum Studium des zeitlichen Verlaufes variabler Ströme“. Sie diente also zunächst hauptsächlich zur Sichtbarmachung von elektrischen Schwingungsvorgängen, und es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis die ersten Vorschläge unterbreitet wurden, die Elektronenröhre als Bildröhre für das Fernsehen zu verwenden.
Funktechnik und Nobelpreis
„Was Braun nicht voraussehen konnte“, erzählte sein Assistent Zenneck, „war, daß seine Röhre einmal berufen sein sollte, im Fernsehen eine geradezu monopolistische Stellung einzunehmen.“ Das Fernsehen war für Professor Braun offensichtlich kein Thema. „Der Ausdruck "Fernsehen“ war den Akademikern unter uns eine Art rotes Tuch, erinnerte sich Fernsehpionier und Braun- Assistent Max Dieckmann. Und so beschäftigte Braun sich lieber mit der drahtlosen Nachrichtentechnik. Das brillante Ergebnis seiner drahtlosen Versuche war 1898 der „Braunsche gekoppelte Sender“, bei dem er den geschlossenen Schwingungskreis einführte. Diese Senderschaltung verbesserte den Wirkungsgrad der Funkstationen erheblich und verwies Marconis Reichweiten auf Rang zwei.
1913 führte Braun die Rahmenantenne ein und bestimmte damit die Intensität und die Richtung der von der Eiffelturm-Funkstation ankommenden elektromagnetischen Wellen. Seine Versuche ermöglichten später die exakte Funkpeilung. Brauns Arbeiten erschütterten damals das Marconi-Monopol. Um die deutschen Funk-Aktivitäten möglichst effektiv zusammenzufassen, wurde 1903 die deutsche Telefunkengesellschaft gegründet, ein Zusammenschluß der Braun-Siemens- mit der Slaby-Arco-AEG-Gruppe. Die drahtlosen Nachrichtenverbindungen sollten bald die ganze Welt umspannen. 1909 erhielten die beiden Konkurrenten Braun und Marconi gemeinsam den Nobelpreis für ihre außerordentlichen Verdienste um die Funktelegrafie.
„Ferdinand Braun“, so Manfred von Ardennes Resümee, „erlebte nur die Anfänge der lawinenhaften Entwicklung in jenen Bereichen der Naturwissenschaften und der Technik, für die er mit seinen Arbeiten wesentliche Voraussetzungen geschaffen hatte. Er verkörperte jenen für seine Zeit seltenen Typ des wissenschaftlichen Forschers, der praktischen Forderungen aufgeschlossen war - des Forschers zwischen Lehrstuhl und Industrie, dem man nicht selten, und zumal im Kollegenkreis, mit Mißtrauen begegnete.“ Die Braunsche Röhre wurde unterdessen um einige wesentliche Elemente bereichert.
Für seine wissenschaftlichen Forschungen und bahnbrechenden konstruktiven Ideen erhielt Ferdinand Braun im Jahre 1909 den Nobelpreis
So beginnt die Abhandlung von Braun über die nach ihm benannte Röhre, veröffentlicht 1897 in den „Annalen der Physik und Chemie“
Dies ist die Originalkatodenstrahl- Röhre von Ferdinand Braun aus dem Jahre 1898
Die abgelenkten und gebündelten Elektronen
Schon zwei Jahre vor Braun, das nur zur Ergänzung, hatte der Franzose Hess mit Elektronenstrahlen experimentiert und sie magnetisch abgelenkt. Allerdings benutzte Hess bei seiner Anordnung keinen Leuchtfleck auf einem fluoreszierenden Schirm zur Aufzeichnung der Ablenkung, sondern eine fotografische Platte.
1898 fand der Physiker Ebert heraus, daß sich der Elektronenstrahl nicht nur durch ein Magnetfeld, sondern auch durch elektrostatische Felder in Form von elektrisch geladenen Ablenkplatten beeinflussen ließ. Die Polarität der Spannung an den Ablenkplatten bestimmte die Leuchtpunktbewegung, da die negativen Strahlelektronen von der Platte mit der positiven Ladung angezogen und von der Platte mit der negativen Ladung abgestoßen wurden. Diese Technik konnte gleich mit zweierlei Vorzügen aufwarten: einmal erfolgte die Ablenkung praktisch leistungslos und zum anderen wirkten in dem System so geringe Trägheitserscheinungen, daß auch hochfrequente Schwingungsvorgänge aufgezeichnet werden konnten. Die Ablenkbarkeit des Strahls sollte für die Fernsehtechnik von entscheidender Bedeutung sein.
Ein einzelner Lichtpunkt in der Mitte des Leuchtschirms, hervorgerufen durch den Elektronenstrahl, war ja ziemlich sinnlos. Um ein ganzes Bild zeichnen zu können, mußte der Strahl blitzschnell horizontal und vertikal über den Bildschirm gelenkt werden können. Eine solche kombinierte Strahlenablenkung durch zwei senkrecht zueinander stehende Plattenpaare ergab dann die untereinander liegenden Zeilen des Fernsehbildes. Die mechanische Zeilensteuerung der Nipkow-Scheibe wurde also in weiter Fernseh-Zukunft durch den trägheitslos und viel schneller reagierenden Elektronenstrahl ersetzt. Zwei weitere wesentliche Verbesserungen an der Braunschen Röhre waren dem deutschen Physiker Rudolph Berthold Wehnelt (1871- 1944) zu verdanken. Im Verlauf seiner Arbeiten über Gasentladungen und die Braunsche Röhre an der Universität Erlangen konstruierte er 1902 eine spezielle Fokussierungselektrode, die als Wehnelt-Zylinder in die Elektronik-Geschichte einging. Es handelte sich dabei um ein zylinderförmiges Blech an der Katode von Katodenstrahl- oder auch Röntgenröhren, mit dem sich eine elektronenoptische Steuerung des Elektronenstrahls erreichen ließ. Der Elektronenstrahl wurde fokussiert, der Bildpunkt auf der Leuchtschicht verkleinerte sich und konnte so ein schärferes Bild zeichnen.
Leuchtpunkthelligkeit und stärkerer Elektronenstrahl
Durch einen kleinen Umbau des Wehnelt-Zylinders durch Manfred von Ardenne im Jahr 1928 wurde noch eine weitere trickreiche Verbesserung erreicht. Der vorn abgedeckte Zylinder bekam eine Lochblende. Je nach Größe der (gegenüber der Elektronen aussendenden Katode) negativen Zylinder- Vorspannung flogen mehr oder weniger Elektronen durch die Blende in Richtung Leuchtschirm, und das äußerte sich dann in unterschiedlicher Helligkeit des Bildpunkts. Mit dem Wehnelt-Zylinder ließ sich also auch die Bildpunkthelligkeit steuern, eine wichtige Voraussetzung für die spätere Wiedergabe von Hell-, Dunkel- und Grautönen einer Bildvorlage. Aus dem Fokussierungszylinder war demnach auch eine stark negativ vorgespannte Lichtsteuerelektrode geworden, die Manfred von Ardenne zu Ehren seines Vordenkers „Wehnelt-Elektrode“ nannte. Doch damit ist der Fernseh-Zeit weit vorgegriffen.
Wehnelts zweite Erfindung revolutionierte das System der Elektronenerzeugung. In diesem Zusammenhang eine ganz kurze Zusammenfassung: Die freien Elektronen in der Braunschen Röhre kamen von der Katode, und zwar als Folge des bereits von Edison beobachteten glühelektrischen Effekts. Das theoretische Gerüst für diese Glühemission hatte der britische Physiker Richardson geliefert: Die Stärke des aus dem Metall der Katode austretenden Elektronenstroms wird mit steigender Temperatur größer. Das Katodenmetall mußte also nur ordentlich angeheizt werden, dann verließen scharenweise Elektronen die Katode und wurden in Richtung Anode beschleunigt. Neben der Temperatur der Katode spielte aber auch das Material, aus dem die Katode bestand, eine große Rolle. Es mußte nämlich eine bestimmte Energie aufgewendet werden, um Elektronen aus dem Atomverband des Katodenmaterials herauszulösen. Bei einem niedrigen Wert der aufzuwendenden Energie setzte der Elektronenstrom schon bei geringer Spannung zwischen Katode und Anode ein. 1904 hatte Wehnelt mit seiner Oxidkatode das geeignete Material gefunden. Diese Wehnelt-Katode wurde von grundlegender Bedeutung für die gesamte Elektronentechnik.
Mit der Verbesserung der Bündelung von Elektronenstrahlen hatten sich im Laufe der Zeit eine ganze Reihe Physiker beschäftigt. Der deutsche Physiker und Geophysiker Johann Emil Wiechert (1861-1928) war nach Angaben von Elektronenmikroskop-Erfinder Ernst Ruska 1899 vermutlich der erste, der „bei seinen Experimenten zur Messung der Geschwindigkeit von Katodenstrahlen das homogene Magnetfeld einer ,langen Spule' erfolgreich“ verwendete, „um in größerem Abstand von der Katode seiner Versuchsröhre den Querschnitt der Strahlung klein zu halten.“ In seiner Arbeit „The cathode ray oscillograph“ von 1905 beschrieb R. Rankin bei der Braunschen Röhre zum ersten Mal eine kurze Spule (Fokussierungsspule) zwischen Katode und Anodenblende. Sie bewirkte eine höhere Stromdichte durch den verkleinerten Schreibfleck.
In der Folgezeit wurden die Oszillographen-Röhren hoch evakuiert und schließlich, um die Intensität des schreibenden Elektronenstrahls noch weiter zu erhöhen, mit einer zweiten kurzen Spule zwischen Katode und Anodenblende versehen. In Deutschland zeichneten W. Rogowski, E. Flegler und R. Tamm (1927) für diese Entwicklung verantwortlich. Diese zweite Spule sollte „das von der Katode ausgehende Strahlenbündel auf die kleine Öffnung der Anodenblende konzentrieren, damit der von ihr ausgehende Schreibstrahl eine möglichst hohe Stromstärke erhielt“ .
Erster Fernseh-Einsatz der Braunschen Röhre
Max Wilhelm Friedrich Dieckmann (1882- 1960) stammte aus Thüringen. Er wurde am 5. Juli in dem Harz-Städtchen Hermannsacker geboren. Sein Studium der Mathematik und Physik führte ihn nach Göttingen, Leipzig und Straßburg. In seiner Straßburger Zeit dachte er schon darüber nach, wie sich die Braunsche Röhre zweckentfremden ließe: „Es war 1906 in Straßburg. Ich war damals Hilfsassistent von Professor Braun im Physikalischen Institut. Neben mir war unter den Doktoranden einer, der mir besonders gut gefiel, namens Dr. Gustav Glage. Mit ihm zusammen überlegten wir, daß sich mit der Braunschen Röhre doch sicher etwas anderes machen ließe als gewöhnliche, unter Umständen sehr komplizierte Aufnahmen von Strom- und Spannungskurven.“
Das Ergebnis dieser Teamarbeit war ein „Verfahren zur Übertragung von Schriftzeichen und Strichzeichnungen unter Benutzung der Katodenstrahlröhre“, das am 12. September 1906 unter der Nummer 190102 patentiert wurde. PAL-Schöpfer Walter Bruch beschrieb diesen ersten bescheidenen Fernseh-Einsatz der Braunschen Röhre: „Erstmalig waren bei Dieckmann und Glage alle Eigenschaften in einer Katodenstrahlröhre vereinigt, die auch die moderne Bildröhre auszeichnen: zweimalige magnetische Ablenkung, langsam hin und schnell zurück - heute würden wir ,Sägezahnablenkung' sagen - und eine Hell-Dunkel-Steuerung des Katodenstrahles. Aufgenommen wurde mit einer Art von Nipkow-Scheibe, die anstelle der Löcher kleine Kontaktbürstchen hatte, mit denen das Bild, aus einer Blechschablone bestehend, abzutasten war.“
Zur Erläuterung: Der Elektronenstrahl schreibt die Zeilen auf den Bildschirm immer von links nach rechts und muß aus diesem Grund möglichst schnell an den linken Bildrand zurück, bevor - etwas langsamer - die nächste Bildzeile geschrieben wird. Der in der Ablenkeinheit fließende Strom hätte dann, als Graphik aufgezeichnet, eine Form, die den Zähnen einer Säge ähnlich ist. Der Fachmann verwendet deshalb die phantasievolle Bezeichnung „Sägezahnimpulse“.
Eine andere Beschreibung der Dieckmann-Glage-Anordnung gab Fritz Schröter, Erfinder des Zeilensprungverfahrens, Konstrukteur einer Superikonoskop-Femsehkamera und seit 1926 Propagandist von Ultrakurzwellen und Mikrowellen für den Femseh- Rundfunk: Er schrieb: „Dieckmann lenkte den bildschreibenden Lichtfleck auf dem Leuchtschirm nicht, wie es heutzutage selbstverständlich ist, durch das Magnetfeld des sägezahnförmigen Stromes in einer ruhenden Verstärkerröhrenschaltung ab, sondern ließ einen rotierenden Schleifkontakt über abgestuften Widerständen umlaufen, um den Sägezahnverlauf zu erzielen.
Der vergessene Versuch
Bruch berichtet weiter: „In 20 Zeilen zerlegt, wurde ein Bild mit 400 Bildpunkten drei mal drei Zentimeter groß, zehnmal in der Sekunde geschrieben. Die Ablenkgeneratoren, periodische Stromquellen, eine Art von Dynamos, wurden von derselben Drehachse angetrieben, die auch die Abtastbürstchen bewegte (Anm.: der Synchronisation wegen). Eine Fernübertragung war also nicht möglich. Das Ganze war mehr als eine Art von erstem Demonstrationsversuch gedacht.“ Aber immerhin hatte dieser erste Demonstrationsversuch bewiesen, daß eine trägheitslose Bildwiedergabe technisch durchaus machbar war. 1909 veröffentlichte Dieckmann unter dem Namen „Fernübertragungseinrichtung hoher Mannigfaltigkeit“ noch einmal einen Artikel, aber dann gerieten die zwanzigzeiligen Schwarzweiß-Bilder auf dem Phosphorschirm der Braunschen Röhre wieder in Vergessenheit.
Nach seinen Fernseh-Studien und der Promotion wurde Dieckmann zunächst Assistent an der Münchner TH, machte sich aber bald selbständig und errichtete in Gräfelfmg bei München mit privaten Mitteln die „Drahtlostelegraphische und luftelektrische Versuchsstation“. Doch das Fernsehen beeinflußte seine wissenschaftliche Laufbahn weiter. 1924 erhielt er auf sein „Verfahren zur elektrischen Femsichtbarmachung bewegter Bilder“ das deutsche Patent Nummer 420 567. Ein Jahr später konstruierte er zusammen mit Rudolf Hell eine „lichtelektrische Bildzerleger-Röhre für die Zwecke des Fernsehens“ (DRP Nr. 450187). 1936 wurde Dieckmann Professor und Leiter des Instituts für Radiotechnik an der TH München, ein Jahr später Leiter des Flugfunk-Forschungsinstituts Oberpfaffenhofen. Dr. phil. Max Dieckmann starb am 28. Juli 1960 im Alter von 78 Jahren in Gräfelfmg. Er hinterließ an die hundert Patente auf dem Gebiet der Rundfunktechnik, der drahtlosen Telegrafie und des Fernsehens.
Eine russische Fernseh-Geschichte
Boris Iwowitsch Rosing (1869-1933), russischer Physiker, hatte erstaunliche Zukunftsvisionen. 1911, vier Jahre nach seiner Fernseh-Erfindung, „elektrisches Teleskop“ genannt, äußerte er sich in der französischen Zeitung „Excelsior“ folgendermaßen: „Mittels der Teleskopie wird der Mensch nicht nur mit anderen Menschen verkehren können, sondern auch mit der Natur selbst. Ausgerüstet mit dem elektrischen Auge‘ werden wir bis dahin eindringen können, wohin bisher nie ein Mensch gelangte. Wir werden sehen, was bisher kein Mensch sah.“ Seine Prognosen bewahrheiteten sich mit Fernsehbildern vom Mond und weit entfernten unwirtlichen Planeten.
Rosing war Schüler des russischen Rundfunkpioniers Popow und Professor am Technologischen Institut und an der Artillerieschule von St. Petersburg, dem heutigen Leningrad. Dort lernte er Constantin Perski kennen, einen Professor für Elektrotechnik, dessen russische Seele an der Bildübertragung hing und der angeblich den Wortschatz um den Begriff „Television“ bereicherte. Von 1902 an beschäftigte sich Rosing mit der Bildwiedergabe durch Brauns Röhre, angesteckt von Perskis Televisionen. Am 25. Juli 1907 meldete er ein Patent auf sein „Elektrisches Teleskop“ an. Wie bei Dieckmann wurde das Bild auf der Empfangsseite von einer Braunschen Röhre aufgezeichnet, doch der Sender war von grundlegend anderer Konstruktion. Rosing verwendete als mechanische Abtastvorrichtung zwei gegeneinander versetzte Spiegelwalzen, die die Helligkeit des jeweiligen Lichtpunkts erstmals auf eine Fotozelle projizierten.
Teil der Bildempfänger-Versuchsanlage von Dieckmann und Glage aus dem Jahre 1906, mit der sie ein „Verfahren zur Übertragung von Schriftzeichen und Strichzeichnungen unter Benutzung der Katodenstrahlröhre“ praktizierten. Der von ihnen vorgeschlagene Weg wurde aber zunächst nicht gegangen
Der französische Ingenieur Lazare Weiller hatte 1889 als rotierende Konstruktion zur Zeilenabtastung ein Spiegelrad erfunden, das in vielen Systemen über lange Jahre - z. B. auch von Karolus - Verwendung fand.
Eine ähnliche rotierende Konstruktion zur Zeilenabtastung, nämlich das Weillersche Spiegelrad (bereits 1889 von dem französischen Ingenieur Lazare Weiller erfunden), wurde noch lange als mechanischer Bildzerleger benutzt, weil es eine bessere Lichtausbeute als die Nipkow-Scheibe ergab. Es bestand aus einem Rad, auf dessen Umfang eine Anzahl kleiner Spiegel befestigt war, deren Spiegelebene um einen immer größer werdenden Winkel gegen die Drehachse versetzt wurde. Die Anzahl der Spiegel entsprach - wie bei der Nipkow-Scheibe die Löcherzahl - der Anzahl der abzutastenden Bildzeilen. Bei einer Radumdrehung wurde der vom Spiegelkranz zurückgeworfene Lichtstrahl in untereinander liegenden Zeilen über ein Bild oder einen Gegenstand geführt.
Doch zurück zu Professor Rosing. Der Elektronenstrahl in der Empfangsröhre mußte nun irgendwie synchron mit den Spiegelwalzen gesteuert werden. „Die Spiegel sind mit Magneten verbunden und induzieren bei ihrer Bewegung in festen Wicklungen Ströme, die für die Ablenkung des Katodenstrahls ausgenutzt werden“ (Bruch).
1911 führte Rosing sein erstes arbeitsfähiges Modell vor. Am 9. Mai sollen bei einer Demonstration namhafte Physiker das erste klare Fernsehbild, vier weiße Streifen auf schwarzem Grund, in Augenschein genommen haben. Rußland überhäufte seinen Fernseh-Pionier mit Ehrungen. Die Russische Technische Gesellschaft verlieh ihm die Goldmedaille. Doch Rosing selbst erkannte später die Schwächen der mechanischen Bildabtastung und schlug vor, auch beim Sender den Katodenstrahl heranzuziehen, ein Gedanke, den sich später sein Schüler Zworykin zu Herzen nahm und in die Tat umsetzte. Boris Iwowitsch Rosing starb 1933 in Archangelsk - einer jener außerhalb ihres Landes heute kaum bekannten Pioniere.
Campbell-Swinton: Ein bemerkenswerter Vorschlag
Die Fernsehtechnik war gerade bei den halbelektronischen Versuchsapparaten von Dieckmann und Rosing angelangt, als die Redaktion der Zeitschrift „Nature“ einen bemerkenswerten Brief erhielt. Es wurde am 18. Juni 1908 veröffentlicht. Verfasser war der Schotte Alan Archibald Campbell-Swinton. Er sah die künftige, wohlgemerkt elektronische, Fernsehentwicklung klar voraus und forderte als ein Minimum 160.000 Bildelemente für eine wirklich gute Übertragungsqualität. Bezogen auf den Bidwell-Vorschlag mit seinen unzähligen Fotozellen vom selben Jahr brachte er seine Überzeugung zum Ausdruck, daß es unmöglich sei, mit mechanischen Abtastverfahren diese Unmenge Einzeloperationen auch nur in einer Sekunde zu schaffen. Der Versuch, das Bild dann auch noch womöglich zehnmal in der Sekunde wechseln zu lassen, erledigte sich damit von selbst.
Das Problem des Fernsehens, so schrieb Campbell-Swinton, könne nur „durch die Anwendung von zwei Katodenstrahlen (einer bei der Sende- und einer bei der Emp- fangerstation)“ gelöst werden, „die synchron durch die Felder zweier im rechten Winkel zueinander stehender Elektromagnete abgelenkt werden.“ Beim Empfänger „muß der bewegte Katodenstrahl nur auf einen genügend empfindlichen fluoreszierenden Schirm treffen und geeignete Intensitätsänderungen mitbekommen, um das gewünschte Resultat zu erreichen.“ Beim Sender sah Campbell-Swinton zunächst gewisse Schwierigkeiten, da das „fotoelektrische Phänomen“ jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht die notwendige Leistungsfähigkeit aufwies.
Der Schotte war sich völlig darüber im klaren, daß noch jede Menge technischer Probleme zu lösen waren, bevor das von ihm postulierte System wirklich arbeiten konnte. Als Antwort auf die vielen Anfragen aus Fachkreisen unterbreitete er am 7. November 1911 der Röntgen Society seine Gedanken in mehr detaillierter Form. Dabei war vor allem die Art des Senders interessant. Das zu übertragende Bild sollte auf ein Mosaik von Fotozellen projiziert werden, die die Rasterpunkte des Bildes darstellten. Entsprechend den Helligkeitswerten des Bildes wurden jetzt fotoelektrische Aufladungen erzeugt. Auf dem Mosaik entstand ein Ladungsrelief. Der Elektronenstrahl tastete das Bild zeilenförmig ab und entlud dabei jede einzelne Fotozelle über eine Elektrode. Die Größe der Entladung repräsentierte die Helligkeit des Bildpunkts.
1924 brachte Campbell-Swinton seine Vorschläge in der Zeitschrift „Wireless World“ noch einmal auf den neuesten Stand und berücksichtigte alle Errungenschaften, mit denen die Technik seit 1911 aufzuwarten hatte, aber das grundsätzliche Schema blieb dasselbe. Und das war schon erstaunlich genug für eine Zeit, in der die Funktechnik noch in den Kinderschuhen steckte, in der Elektronenröhren fast noch unbekannt und die Fotozellen noch nicht sonderlich effektiv waren. „Es ist nur eine Idee“, hatte er 1911 bescheiden gesagt, „und der Apparat wurde noch nicht gebaut. Außerdem nehme ich keinen Augenblick an, daß er ohne sehr viele Experimente und wahrscheinlich zahlreiche Abänderungen zum Funktionieren gebracht werden könnte.“
Campbell-Swinton, der geniale Prophet des elektronischen Fernsehens, starb 1930, kurz bevor seine Ideen in die Tat umgesetzt wurden. Er hatte keine Patente beantragt, und zum Zeitpunkt seines Todes spielte die Technik noch begeistert mit mechanischen Fernsehsystemen herum. Kein Nachruf auf den genialen Schotten erwähnte sein elektronisches Fernsehen, weder das britische Renommierblatt „The Times“ noch die Mitteilungen der Royal Society, deren Mitglied Campbell-Swinton 15 Jahre lang gewesen war.
4. Die ersten praktischen Fernsehvorführungen
Es ist eine erstaunliche Tatsache: Die ersten praktischen Vorführungen der Femsehtech- nik begannen mit einem Schritt zurück zur Mechanik. Nach den elektronischen Träumen von Campbell-Swinton starteten in Europa und den Vereinigten Staaten Fern- seh-Schaffende mit viel weniger ehrgeizigen Projekten und griffen auf das bewährte Nipkow-Prinzip zurück. Etwa ab 1913 wurden nach den Erfindungen von Robert von Lieben und Lee de Forest bereits Elektronenröhren in größeren Stückzahlen hergestellt, aber das hatte zunächst noch keine „verstärkende“ Auswirkung auf das Fernsehen.
Der Erste Weltkrieg legte die Arbeit an der Fernsehtechnik zumindest in den europäischen Ländern lahm. Dann wurden die Versuche in größerem Umfang wieder aufgenommen. Im Vordergrund stand nun die Elektronenröhre mit ihren verstärkenden Eigenschaften. In den Vereinigten Staaten konstruierte Daniel MacFarlan Moore schon im Jahre 1917 eine Neon-Gasentladungslampe, die im Empfänger Stromschwankungen in Lichtschwankungen umsetzen konnte. 1924 meldete August Karolus in Deutschland ein „Verfahren zur trägheitsfreien Lichtsteuerung mittels Kerr-Effekt“ zum Patent an. Damit waren beim Nipkow- Scheiben-Empfänger bessere Voraussetzungen für eine höhere Bildqualität gegeben.
John Logie Baird und die erste Liveübertragung
Samuel Morse soll seinen ersten Morseapparat aus einer alten Malerstaffelei zusammengebastelt haben. Philipp Reis arbeitete bei seinen ersten Telefonmodellen mit einem Holzohr und einem Stückchen Wursthaut. Almon B. Strowger baute seinen ersten Hebdrehwähler für die Fernsprechvermittlung aus einer alten Kragenschachtel, Stecknadeln und einem Bleistift. Die Liste solcher rührenden Erstlings-Versuche ließe sich beliebig erweitern, und die Wahl der Mittel und Örtlichkeiten, vom baufälligen Schuppen bis zur stickigen Dachkammer, bildet immer einen wirkungsvollen Kontrast zur sterilen Atmosphäre späterer Erfinder-Labors; der Amateur, ein erfinderischer Einzelkämpfer auf der einen Seite, Wissenschaftler mit allen Möglichkeiten der Hochschule und von Industrielaboratorien auf der anderen Seite.
1925 gelang dem schottischen Erfinder John Logie Baird (1888-1946) in seiner Mansardenwerkstatt die erste Live-Übertragung. Die Liste seiner Fernseh-Bauteile liest sich wie der Inventar-Katalog eines Altwarenhändlers: eine alte Teekiste, eine leere Keksdose, Hutschachteln, Linsen von Fahrradlampen, Elektromotoren aus dem Schrotthaufen, Klavierdraht, Stopfnadeln, Siegellack, Bindfäden, ein Kuchenblech und Klebstoff. Wichtigstes Requisit war eine aus Pappe ausgeschnittene Nipkow-Scheibe. Der Preis: zwölf Shilling und sechs Pence!
Der schottische Erfinder John Logie Baird (in späteren Jahren) mit seiner Fernseh-Versuchsanlage und der Bauchrednerpuppe „Billy“
Das System des Bairdschen Fernsehers in einer zeitgenössischen Veröffentlichung schematisch dargestellt
John Logie Baird wurde am 13. August 1888 im schottischen Helensburgh geboren, fast genau einen Monat, nachdem „umglänzt von den leuchtenden Strahlen des mächtigsten Thrones der Erde Jungdeutschlands zweiter Kaiser (Friedrich III.) ins Grab gesunken“ war. Er ging in Larchfield zur Schule, besuchte das Royal Technical College und studierte an der Universität von Glasgow Ingenieurwissenschaft. Etwa bis 1922 arbeitete er als Elektroingenieur und als Assistenz-Direktor der Clyde Valley Electrical Power Company. Besser in das Klischee vom mittellosen Erfinder paßt natürlich eine andere Lesart, nach der Baird ein „kranker, enttäuschter Schuhcreme-, Marmeladen- und Rasierklingen-Händler“ war, zumindest aber Vertreter oder Hausierer.
Der romantische Held
„Niemals wieder seit den Tagen“, schrieb Lord Angus Kennedy, Landsmann und Zeitgenosse von Baird, 1932, „als King Robert Bruce, angeregt durch das Beispiel einer Spinne, sein Land von einem Unterdrücker befreite, hat Schottland einen romantischeren Helden hervorgebracht als John Logie Baird, den Mann, der seine wildesten Träume wahr werden ließ und der, erfolgreich Leiden und Armut bekämpfend, durch zähe Beharrlichkeit schaffte, was fast jeder für unmöglich hielt.“
Aus Gesundheitsgründen mußte der Schotte seine wie immer geartete Arbeit aufgeben und auf Anraten des Arztes frische Seeluft atmen. Er wählte den Bade- und Fischerort Hastings als Kur-Heimat und stellte Überlegungen darüber an, ob er eine Rasierklinge oder das Fernsehen erfinden sollte. Bekanntlich wählte er das Fernsehen und als Handlungsort für seine ersten Fernseh-Spiele eine Dachkammer des Hauses Queens Arcade Nr. 8. Der erste Erfolg stellte sich im Februar 1924 ein. Vor den Nipkow-Scheiben-Sender hängte Baird ein aus Papier ausgeschnittenes Malteserkreuz. Am etwa drei Meter entfernten, ebenfalls mit Nipkow-Scheibe ausgerüsteten Empfänger sah er erstmals „rot glitzernd“ die Silhouette des Kreuzes. Begeistert lud er Freunde und Bekannte ein, die das Fernseh-Wunder bestaunen und begutachten sollten. Im April 1924 berichtete einer der Gäste: „Ich sah ein Kreuz, den Buchstaben H und Finger meiner eigenen Hand. Die Bilder waren klar und scharf, aber etwas unstabil.“
1926 brachte der schottische Fernsehpionier J. L. Baird den ersten Fernsehempfänger der Welt heraus, der ab 1930 in nennenswerten Stückzahlen gebaut und zum Preis von 20 Pfund verkauft wurde. Seine äußere Form ist bestimmt durch die Nipkow-Scheibe aus Leichtmetall mit 30 spiralig eingebohrten Löchern, die mit Hilfe einer Neon-Flächenglimmlampe ein etwa 5x4 cm großes Bild produzierte.
Der „Televisor“ 1926, ohne Gehäuse
Frontalansicht des „Televisor“
Die Flächenglimmlampe im Inneren des Gerätes
Das „Televisor-Emblem“
Um 1940 arbeitete Baird an einer sequenziellen Zweifarbenübertragung
Bill, die Bauchrednerpuppe
Allzu lange konnte Baird die Dachkammer in Hastings nicht als Fernseh-Labor zweckentfremden. Es wird berichtet, daß sein Hauswirt ihn kurzerhand an die Luft setzte, als seine Stromquelle, einige hundert zusammengeschaltete Stabbatterien, explodierte. Baird packte seine Geräte zusammen und zog nach London. Im Herzen Sohos, in der Lrith Street Nr. 22, richtete er sich sein neues Arbeitszimmer ein, offenbar wieder auf dem Dachboden. In der Lrith Street befand der Erfinder sich in erlauchter Gesellschaft: In Nr. 51 hatte der junge Mozart gewohnt, in Nr. 6 war der englische Essayist William Hazlitt gestorben. Verzweifelt suchte Baird nach potenten Geldgebern für seinen Apparat aus zwei synchron laufenden Nipkow-Scheiben, einer Lotozelle und einer Lichtquelle, die schnellen Lichtschwankungen folgen konnte. Im April 1925 erlaubte ihm der Besitzer des größten Londoner Warenhauses, sein Gerät dreimal täglich in der Radioabteilung vorzuführen und zahlte ihm dafür 25 Pfund pro Woche. Doch dem Publikum hingen die einfachen Schattenbilder bald zum Hals heraus. Grautöne konnte Baird noch nicht übertragen.
Seine Lebensumstände sind ziemlich trostlos: „Baird macht böse Tage durch, er hungert, er friert, doch er arbeitet weiter. Er kann keine Miete zahlen, seine Schuhe sind durchlöchert, sein Wirt droht damit, ihn auf die Straße zu setzen, und er versucht, Interessenten zu finden. Doch selbst die Zeitungsredaktionen werfen den ,verrückten Erfinder kurzerhand hinaus“ (Gartmann). Baird hatte sich als ersten Fernsehstar eine ausrangierte Bauchrednerpuppe besorgt, die er vor dem Abtaster aufstellte. Damit überhaupt ein Bild zustande kam, mußte die Puppe namens „Bill“ derartig grell beleuchtet werden, daß es ein Mensch vermutlich nicht lange ausgehalten hätte. Unbeirrbar arbeitete er weiter an Verbesserungen.
Ein richtiges Bild, kein schmutziger Fleck
Bairds Sternstunde war am 2. Oktober 1925. Der Kopf der Puppe erschien auf dem Bildschirm, „nicht nur als schmutziger Flecken aus Schwarz und Weiß, sondern als richtiges Bild mit Details“. Sein erster Gedanke war, ein lebendes Objekt vor den Abtaster zu bringen. Ohne Strümpfe und Kragen und mit zerrauftem Haar, so wird berichtet, rannte Baird in das unterste Stockwerk und schleppte den verstörten, fünfzehnjährigen Bürolehrling William Taynton in seine Erfinder-Klause unter dem Dach. Sechs Jahre später berichtete Baird von diesem fernsehepochemachenden Ereignis, bei dem erstmals das Gesicht eines Menschen live im Fernsehen übertragen wurde.
„Ich setzte ihn vor das Übertragungsgerät und ging in den angrenzenden Raum um nachzuschauen, was der Bildschirm zeigte. Der Schirm war gänzlich leer, und kein noch so mühevolles Einstellen brachte irgendeinen Erfolg. Verwundert und äußerst enttäuscht ging ich zum Übertragungsgerät zurück, und hier wurde mir der Grund für das Versagen mit einem Male klar. Der Junge war, durch das intensive Licht verängstigt, vor dem Übertragungsgerät zurückgewichen. In der Erregung des Augenblicks gab ich ihm eine halbe Krone, und diesmal blieb er in der richtigen Position. Ich ging zurück ins Nebenzimmer und sah nun seinen Kopf ziemlich klar auf dem Schirm. Es ist schon verwunderlich, daß der erste Mensch auf der Welt, der jemals im Fernsehen erschien, zunächst bestochen werden mußte, um diese Auszeichnung anzunehmen.“
Mit dieser ersten Live-Übertragung kam die Sache in Schwung. Begeisterte Besucher riefen die Presse auf den Plan.
Professor August Karolus an dem von ihm entwickelten Empfänger für Projektionszwecke, 1928
Die deutschen Fernsehpioniere Manfred von Ardenne (stehend) und John Logie Baird betrachten 1931 den ersten Fernsehempfänger mit Katodenstrahlröhre
Fernsehdemonstrationsanordnung für 30 Zeilen bei 25 Bildwechseln pro Sekunde, 1930, im Deutschen Museum München. Die Bildvorlage wird auf eine Nipkow-Scheibe projiziert. Auf die Fotozelle fällt jeweils der Lichtstrom eines einzigen von der Lochscheibe ausgeblendeten Lichtpunktes.
1926 konnte ein verblüffter Vertreter des „Evening Standard“ den markanten Kopf des Kapitäns O. G. Hutchinson auf dem Bildschirm bewundern. Vierzig Mitglieder der honorigen Royal Institution of Physics, der königlichen physikalischen Gesellschaft, kamen in die Frith Street und bildeten eine typisch englische Schlange bis zur Treppe, bis sie in dem kleinen Vorführraum an der Reihe waren.
Fernsehübertragung über den Atlantik
Bairds 30-Zeilen-Femsehen überzeugte die Skeptiker, riß die Presse zu Begeisterungsstürmen hin und machte den Erfinder berühmt. Am 3. Juli 1926 berichtete der Direktor des Faraday House, Alexander Russell, in der Zeitschrift „Nature“ über Bairds „richtiges Fernsehen“: „Wir sahen die Fernsehübertragung von Gesichtern lebender Menschen, die korrekte Abschattierung von Licht und Schatten, alle Bewegungen des Kopfes, der Lippen und des Mundes, und auch eine Zigarette und deren Rauch wurden naturgetreu wiedergegeben, wobei sich das Übertragungsgerät in einem Raum unter dem Dach des Gebäudes befand. Natürlich sind die Ergebnisse weit davon entfernt, perfekt zu sein. Das Bild läßt sich nicht mit demjenigen vergleichen, das ein guter Kinematographfilm erzeugt. Die Ähnlichkeit war allerdings unverwechselbar, und alle Bewegungen wurden höchst naturgetreu wiedergegeben. Es ist dies das erste Mal, daß wir richtiges Fernsehen beobachten konnten, und Mr. Baird ist der erste, der dieses Kunststück zuwege gebracht hat.“
Am 4. Mai 1927 machte Baird seine Landsleute in Glasgow mit dem Fernsehen bekannt. Von London aus übertrug er über eine Fernsprechleitung sein 30-Zeilen-Bild 640 Kilometer weit nach Schottland. Am 9. Februar 1928 erschien er wieder auf den Titelseiten der Zeitungen, als ihm die erste internationale Fernsehübertragung gelang. Das Bild einer Puppe (oder sein eigenes, oder das einer gewissen Mrs. Mia Howe) ging von London aus über die Station GK2Z in Couls- don, Surrey, über den Atlantik direkt nach Hartsdale, New York. Zwei Mitarbeiter Bairds und ein Vertreter der Nachrichtenagentur Reuter bestätigten den einwandfreien Empfang über 6000 Kilometer per Funk.
Am 7. März desselben Jahres überspielte er das Konterfei der Dame Dora Selvy auf den Dampfer „S.S. Berengaria“, der 1700 Kilometer entfernt auf dem Atlantik fuhr. Den nächsten Rekord brach Baird am 3. Juni 1931, als er zum ersten Mal das English Derby in Epsom Downs übertrug. Ein Jahr später konnten 4000 Besucher das Rennen auf dem Bildschirm in einem Londoner Theater beobachten. Im Februar 1935 entschloß sich das Television Committee der britischen Regierung, ohne weitere Verzögerung ein öffentliches Fernsehen einzurichten. Doch mittlerweile standen zwei Systeme zur Auswahl, und beide wurden getestet: einmal Bairds mechanisches Fernsehen und als scharfe Konkurrenz das elektronische Fernsehen. Die Entscheidung des britischen TV-Komitees fiel zugunsten der Elektronik. Baird verlor das Rennen, als erster ein funktionsfähiges feinzeiliges Fernsehsystem entwickelt zu haben und es in großem Maßstab zu realisieren. Die flimmernden Bilder der Nipkow-Scheibe ließen sich nicht mehr weiter verbessern, und Baird war schließlich selbst davon überzeugt, daß nur noch ein elektronisches Empfangsgerät weiterhelfen konnte.
Doch die Welle seines Erfolges trug ihn zunächst weiter. Er entwickelte eine Art Nachtfernsehen mit Infrarotstrahlen, das er „Noctovision“ nannte, stellte Versuche mit plastischem Fernsehen und Farbfernsehen an und dachte über plastisches Fernsehen in Farbe nach. Im Zweiten Weltkrieg fiel sein Labor den Bomben zum Opfer. Er arbeitete in seiner Wohnung weiter. Am 14. Juni 1946 wurde Baird dort tot aufgefunden. „Kein Wissenschaftler, der durch die Entdeckung physikalischer Gesetze, die seinen Namen tragen, sich unsterblich gemacht hat“, schrieb Walter Bruch. „Doch ein Erfinder, der ein Jahrzehnt Englands Namen auf seine Art in die Welt getragen hat.“ Paul Nipkow, dem das Baird-Femsehen vorgeführt wurde, meinte achselzuckend, es sei nun an der Zeit, das Fernsehen technisch neu zu überdenken. Aber zunächst einmal wurde auch in anderen Ländern versucht, das mechanische System zu vervollkommnen.
Fernsehen in Deutschland
Am 31. August 1928 wurde auf der 5. Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin erstmals eine Fernsehübertragung öffentlich vorgeführt, eine „Fernschau“, die den Vater der mechanischen Bildabtastung, Paul Nipkow, wie schon erwähnt, nicht sonderlich beeindruckte. Zwei Systeme stellten sich der öffentlichen und der fachkundigen Meinung. „Die dichten Schleier sind nun gelüftet“, berichtete eine Berliner Zeitung anläßlich der Fernseh-Premiere, „und es ist gewiß eines der schönsten Verdienste dieser fünften Großen Deutschen Funkausstellung, daß sie zum ersten Male Fernsehgeräte vor aller Öffentlichkeit praktisch vorführte.“ Und zu den Erfindern: „Das System Karolus-Telefunken und das Verfahren nach Denes von Mihäly streiten um die jungen Lorbeeren des ersten öffentlichen Erfolges.“ Gleich zweimal mechanisches Fernsehen also, das eine mit besserer Technik, das andere mit besserer Publicity.
August Karolus (1893-1972), der seinen Beruf als „Physiker und Elektrotechniker“ angab, wurde am 16. März als Sohn eines Landwirts in Reihen bei Heidelberg geboren. Er besuchte die Volksschule ganze drei Jahre, die Oberrealschule sechs und das Lehrerseminar in Ettlingen wieder drei Jahre. Seit 1912 verdingte er sich als Hilfs- und Unterlehrer in verschiedenen badischen Ortschaften. Bei Kriegsbeginn wurde Unterlehrer Karolus eingezogen; für ihn endete der Krieg 1917 durch einem Lungenschuß.
Trotz des Einspruchs der besorgten Ärzteschaft verließ er 1918 vorzeitig das Lazarett und studierte in Karlsruhe Physik. 1919 holte er neben dem Studium das Abitur nach und 1921 promovierte er bei Geheimrat Otto Wiener in Leipzig. Als Assistent machte er einen zweijährigen Abstecher nach Stuttgart, kehrte aber 1923 nach Leipzig zurück und wurde Wieners Assistent. Bereits in Stuttgart hatte Karolus sich mit Elektronenröhren und Braunschen Röhren zur Verstärkung von Fotoströmen in bezug auf das Femsehproblem beschäftigt. Sein Institutsdirektor Wiener zeigte wenig Begeisterung, als der junge Physiker sich auch in Leipzig allzu intensiv mit den physikalischen Grundlagen des neumodischen Fernsehens auseinandersetzte.
Erster Fernseh-Versuch in Leipzig
Die Bildabtastung auf der Senderseite durch Nipkows raffinierte Scheibe schien Karolus zunächst einmal ausreichend. Mit der von dem deutschen Physiker-Duo Hans Geitel und Julius Elster 1904 erstmals vorgestellte Fotozelle aus einem luftleer gepumpten Glasgefaß mit einer lichtempfindlichen Kaliumschicht als Katode und einer Drahtschleife als Anode, später durch eine Vorspannung verbessert, ließen sich die rasch verlaufenden Lichtschwankungen in Stromschwankungen umwandeln. Karolus selbst entwickelte in seinen ersten Leipziger Jahren eine oft verwendete Hochvakuumfotozelle, die nach dem Hersteller Presslersche Maschenzelle genannt wurde. Und als schließlich die Verstärkerröhre zum Einsatz kam, konnten die von der Fotozelle erzeugten Ströme noch ganz beachtlich verstärt werden. Doch auf der Empfängerseite lag nach Karolus Ansicht noch einiges im argen, denn das Problem der Lichtsteuerung für das Empfängerbild war noch nicht zufriedenstellend gelöst.
Fernsehempfänger des Systems „Karolus“ wurden 1930 von Telefunken gebaut
Dieses Foto aus dem Jahre 1926 zeigt den Modell-Aufbau des Spiegelrad- Fernsehempfängers mit Glimmlampe nach dem System von Professor Karolus.
Diese zeitgenössische Zeichnung veranschaulicht das Schema der Fernsehanlage mit Spiegelrad und Kerrzelle von Karolus.
Diese Fernsehversuchsanlage für 48 Zeilen entwickelte Karolus im Jahre 1924 im Physikalischen Institut der Universität Leipzig.
Da erinnerte sich Karolus an den sogenannten „Kerr-Effekt“. Der englische Physiker John Kerr hatte 1875 beobachtet, daß isotrope Stoffe im elektrischen Feld (etwa eines Plattenkondensators) doppelbrechend wurden, das heißt, ein Lichtstrahl wurde beim Durchgang durch einen solchen Stoff in zwei verschiedene Richtungen gebrochen. Dieser Effekt war dem Quadrat der elektrischen Feldstärke und der durchlaufenen Strecke des Feldes proportional. Wird nur ein (durch ein Nicolsches Prisma) polarisierter Lichtstrahl durch ein durchsichtiges Gefäß mit Plattenkondensator und einer isotropen Flüssigkeit (z. B. Nitrobenzol) geschickt, wird er in zwei Komponenten zerlegt. Fängt man jetzt eine der beiden Komponenten durch ein zweites (gekreuztes) Nicolsches Prisma ab, so erhält man einen Lichtstrahl, dessen Helligkeit sich im Takt der Spannungsschwankungen ändert. Erst nach umfangreichen und komplizierten physikalischen Versuchen gelang es August Karolus, das Kerrsche Phänomen für den praktischen Gebrauch verwertbar zu machen. Er legte an die beiden Platten des Kondensators eine Gleichstromvorspannung an, die die Doppelbrechung im wesentlichen bewirkte, so daß den ankommenden Strömen (etwa von der Fotozelle des Senders) nur noch eine reine Steuerleistung zukam. Am 21. Juni 1924, also noch während seiner Assistentenzeit, erhielt der Physiker für das nach ihm „Karolus-Zelle“ benannte Gerät zur trägheitslosen Lichtmodulation das Deutsche Reichspatent Nr. 417720.
Am 24. August 1924 führte Karolus seine mit den neuen Errungenschaften ausgerüstete Fernsehapparatur in Leipzig vor. Abtastung und Wiedergabe des Bildrasters wurden durch zwei Nipkow-Scheiben erreicht, die zunächst auf einer gemeinsamen Achse rotierten, um Schwierigkeiten mit der Synchronisation aus dem Weg zu gehen. Der Sender arbeitete mit einer gasgefüllten Fotozelle, der Empfänger mit einer Karolus- Zelle. Das Schattenbild aus lediglich schwarzen und weißen Bildelementen bestand aus 48 Bildzeilen, das Bild wechselte zehnmal in der Sekunde. Außer Diapositiven wurde auch die Bewegung einer Zange fernsehgerecht übertragen, und damit hatte das echte Fernsehen in Deutschland Premiere. Zwar schloß Karolus mit Telefunken einen bis 1945 laufenden Optionsvertrag über seinen Fernseher, aber die Firma war zunächst aus rein kommerziellen Gründen mehr an der Bildtelegrafie interessiert als an dem „Fernsehen als der vollendetsten Form der Bildtelegrafie zur Übertragung von Theatervorstellungen, Sportveranstaltungen usw.“ So enthusiastisch und prophetisch charakterisiert der „Brockhaus“ das neue Medium im Jahre 1929
Fernsehen: Von ungeheurem Wert für die Menschheit?
Zahllose in- und ausländische Besucher pilgerten nach Leipzig, um die Karolus-Experimente mit eigenen Augen zu sehen. Die Kommentare waren unterschiedlich in Qualität und Quantität. Telefünkens technischer Direktor, Graf von Arco, rang die Hände und sagte: „Donnerwetter.“ Rundfunk-Vater Hans Bredow sah Großes kommen und sagte: „In absehbarer Zeit werden wir auch die Bewegungen der Darsteller als Bilder auf beliebige Entfernungen übertragen können. Die Möglichkeit, eine eigene Zeitung und seinen eigenen Kinematographen im Hause zu haben, ist für die Weiterentwicklung der Menschheit von geradezu ungeheuerem Wert.“
August Karolus sagte gar nichts und konzentrierte sich auf die Entwicklung von Bildtelegrafen. Doch schon um 1926 rückte auch das Fernsehen wieder in den Vordergrund des Interesses, und Karolus erfand die Synchronisierung von Sender und Empfänger durch elektrisch angeregte Stimmgabeln. „Blättert man die Bilder der von ihm in jenen Jahren entwickelten Geräte durch“, schrieb Walter Bruch, „so kann man nur staunen, wie vielseitig in den Karolusschen Laboratorien nach einer befriedigenden Lösung des Fernsehens gesucht wurde. Seine Arbeiten beschränkten sich nicht nur auf die mechanischen Abtaster, sie führten ihn im folgenden Jahrzehnt bis zum elektronischen 819-Zeilen-Fernsehen.“
Auf der Berliner Funkausstellung von 1928 führte Karolus bereits ein verbessertes Fernseh-System vor. Auf einer Mattscheibe von acht mal zehn Zentimetern erschienen in 96 Zeilen aufgelöste Bilder. Die Bildabtastung besorgte eine Vierfach-Lochspirale, die Wiedergabe ein Weillersches Spiegelrad. Es soll das hellste und am feinsten aufgelöste Fernsehbild der damaligen Zeit gewesen sein, so die Ansicht von Walter Bruch. Trotzdem wurden die Karolus-Femsehbilder „weniger von der Tagespresse gewürdigt als die seines Konkurrenten Mihäly. Während dessen Gerät auf einer Sonderausstellung der Deutschen Reichspost sozusagen als deren Höhepunkt gezeigt wurde, war die Anlage von Karolus in einer ganz anderen Halle auf dem Telefunkenstand als technische Apparatur ausgestellt. Wahrscheinlich konnte man bei den größeren und helleren Bildern die grundsätzlichen Mängel des damaligen Fernsehens besser erkennen als bei den winzigen Bildern von Mihäly. Beide Apparaturen nebeneinandergestellt, hätten zeigen müssen, daß Karolus um Jahre weiter war.“
Ende der 20er Jahre baute die Telehor-AG diesen großen Fernsehempfänger für Bild- und Tonempfang mit seitlichem Bildfenster.
Denis von Mihäly präsentiert seinen Telehor-Empfänger auf der Funkausstellung 1928
Bei Mihälys Fernseh-System von 1928 wurden Geber und Empfänger durch Synchronmotoren (La Cour’sche Räder) mit Stimmgabel-Generatoren im Gleichlauf gehalten
Zahlreiche Interessenten drängten sich auf dem Stand der Deutschen Reichspost auf der großen Deutschen Funkausstellung 1928 in Berlin, um den 30zeiligen Fernseher mit Nipkow-Scheibe von Mihäly in Augenschein zu nehmen
Im Deutschen Postmuseum, Berlin, steht der Nachbau eines Telehor-Empfängers mit aufgesetzter Betrachtungslupe.
Dönes von Mihäly und der Volksfernseher
Unter den vielen Besuchern der Funkausstellung befand sich auch ein junger Mann, der später noch von sich reden machen sollte. Sein Name war Manfred von Ardenne. Er berichtete über seinen Fernseh-Eindruck: „Auf der Berliner Funkausstellung 1928 sah ich im Alter von 21 Jahren eine Wiederholung der Fernsehversuche von Baird mit Nipkow-Scheiben und Flächenglimmlampe durch den Ungarn D. von Mihäly. Die Bilder (900 Bildpunkte x 10 Bilder pro Sekunde) wirkten deprimierend, unscharf und dunkel. Der negative Eindruck dieser Vorführung überzeugte mich davon, daß allein dem Fernsehen hoher Auflösung mit 100000 oder mehr Bildpunkten je Bild eine Zukunftschance zugebilligt werden konnte. Für mich bedeutete dies zugleich die radikale innere Abkehr von allen Fernseh-Systemen mit mechanischer Bildzerlegung.“ Doch damit hatte es noch ein paar Jahre Zeit.
Denes von Mihäly (1894-1953), genauer Denes Mihäly von Homorödlövete und Csikszentkiräly, hatte sich schon früh für die Fernsehidee begeistert, und zwar 1914, nach einer beeindruckenden Bildtelegrafie-Vorführung von Arthur Korn. Erste Versuche um 1917 scheiterten an der „technischen Unvollkommenheit der Bauelemente“ (Goebel). Aber am 7. Juli 1919 stelle sich der Erfolg ein. Von Mihäly übertrug in Budapest bewegliche Schattenbilder über eine fünf Kilometer lange Leitung mit einem „Telehor“-Fernsehgerät. Als Bildzerleger verwendete er einen Spiegeloszillografen, bei dem ein an einer stromführenden Drahtschleife befestigtes Spiegelchen elektromagnetisch abgelenkt wurde. Die Rasterablenkung wurde durch Kippen des Schleifenträgers erreicht.
Die Ergebnisse ließen zwar zu wünschen übrig, aber immerhin war das Gerät ein deutsches Patent wert. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde der Ungar durch die Veröffentlichung seines Buches „Das elektrische Fernsehen und das Telehor“ von 1923. Zwei Jahre später ging der Erfinder nach Berlin und begann mit publizistischem Geschick, den Deutschen einen Volksfemseher zu suggerieren.
Die erste drahtlose Fernsehsendung Deutschlands
Von Mihäly landete also in Berlin. „Seine charmante Art verschaffte ihm Freunde, die ihm Geld, viel Geld und immer wieder Geld zur Verfügung stellten. Nur ein kleiner Teil dieser Mittel kam der eigentlichen Fernsehentwicklung zugute. Mihäly gelang es zuerst, den Berliner Rundfunk und die Deutsche Reichspost finanziell anzuzapfen. Größere Industriefinnen und private Finanziers - erst in Deutschland und dann in England - steckten ihr Geld in seine Erfindungen, mit der Hoffnung auf ein baldiges Geschäft“ (Walter Bruch).
Auf der Funkausstellung von 1928 zeigte der Erfinder, wie Manfred von Ardenne berichtete, ein System, das längst erfunden war. Sein vier mal vier Zentimeter großes Fernsehbild mußte mit einer Lupe betrachtet werden. Doch die Sache war neu, und von Mihäly hatte die Presse auf seiner Seite. „Die nur mit 30 Zeilen geschriebenen Bilder waren klar und deutlich zu erkennen“, schrieb die „BZ am Mittag“ enthusiastisch. „Jede Bewegung der Hand, das Umdrehen der Buchstaben, das Hin- und Herbewegen, das Öffnen und Schließen, alles erscheint sofort in überraschender Deutlichkeit.“
Kein Zweifel, damals war man noch nicht verwöhnt und zudem hatte der Erfinder eine Art billigen Volksfernseher versprochen, der in absehbarer Zeit auf den Markt kommen sollte. Durch immer neue Vorführungen und Teilerfindungen hielt er sein Publikum bei der Stange. Im Februar 1929 führte er ein „Fernkino“ vor, bei dem Filme abgetastet und mit seinem „Telehor-Volksfernseh-Empfänger“ betrachtet wurden. Und in der Nacht vom 8. zum 9. März 1929 fand Deutschlands erste drahtlose Fernsehsendung statt. Der Rundfunk-Pionier Eugen Nesper lieferte dazu einen anschaulichen Augenzeugenbericht:
„Am Abend des 8. März 1929, kurz nach 23.00 Uhr, wurde ich durch einen Anruf von Fritz Banneitz (Fernsehlabor-Chef der Deutschen Reichspost) überrascht: Ich möchte mich fertig machen, denn er würde mich in etwa zehn Minuten im Auto von meiner Wohnung abholen, da ,es‘ soweit sei. Und tatsächlich hielt bald darauf vor meiner Haustür ein ziemlich klappriges Taxi, in dessen Innerem ich Banneitz, im Schlafrock und mit Filzpantinen an den Füßen, sowie zwei Telehor-Fernsehempfänger mit reichlich Zubehör entdeckte.“ Nesper berichtete weiter: „Mihäly hatte ihn eine halbe Stunde vorher roh aus dem Bett geholt und ihm zur Belebung seiner Herztätigkeit reichlich Sliwowitz eingeflößt, zugleich mit der Bitte, sich sofort an möglichst vielen Stellen in Groß-Berlin den Fernsehempfang anzusehen. Auf meine Frage, wer denn sende, erhielt ich die lakonische Antwort: ,Na, der Rundfunksender Witzleben / Der Wahrheit die Ehre: ja, wir sahen nicht allzu viel. Ich flüsterte: ,Bilder, aber es waren nur auf Glasstreifen gezeichnete Buchstaben, sowie eine sich öffnende und schließende Zange, die in den Strahlengang gehalten wurde, und dergleichen.“ Aber die drahtlose Übertragung hatte ganz gut funktioniert, und so wurde die Entwicklung des Fernsehens sehr aktiv von der Deutschen Reichspost weiter vorangetrieben.
Regelmäßige Versuchssendungen
Vom September 1929 an begann die Deutsche Reichspost von ihrem Postlabor unterhalb des Berliner Funkturms aus über den Sender Witzleben, regelmäßige Versuchssendungen mit Dias und kurzen Stummfilmen auszustrahlen. Mit bescheidenen 30 Bildzeilen und zwölfeinhalb Bildwechseln pro Sekunde fing es an. Das grob gerasterte Bild ohne Ton riss niemanden zu Begeisterungsstürmen hin, aber immerhin waren es die ersten TV-Versuchssendungen einer öffentlichen Körperschaft.
Um 1930 strahlte Witzleben die ersten UKW- Femsehsendungen mit einem 90-Zeilen-Bild aus. Schließlich wurden auch Filme mit Ton übertragen, allerdings getrennt über je einen UKW-Sender von vier Kilowatt Leistung. 1933 orientierten sich die Techniker an der Kinoqualität und verdoppelten die Geschwindigkeit der Bildwechsel auf 25 Bilder pro Sekunde. Ein Jahr später, 1934, sendete die Reichspost schon mit 180 Bildzeilen, wobei ab April Bild und Ton über Ultrakurzwelle gleichzeitig ausgestrahlt wurden. Zur selben Zeit beteiligte sich auch die Reichsrundfunk-Gesellschaft an den Versuchssendungen des jungen deutschen Fernsehens. Als Bildabtaster wurden neben der Nipkow- Scheibe auch Spiegelrad, Spiegelschraube und Linsenkranzabtaster eingesetzt.
Der Linsenkranz-Fernsehabtaster wurde von Emil Mechau (1882-1945) erfunden und 1935 der Öffentlichkeit vorgestellt. Er bestand aus einem Stahltopf mit 75 Zentimetern Durchmesser, „dessen Wände mit hunderten von lichtstarken Mikro-Objektiven bestückt waren und der anfangs für 180 Bildzeilen mit der Drehzahl von 3000 Umdrehungen pro Minute rotierte“, berichtete W. Löffler. „Er verfügte gleichzeitig über zwei Filmgeräte, eine Dia-Bildstelle und eine Personen- oder Bühnen-Abtasteinrichtung. Auf der Pariser Weltausstellung 1937 erhielt eine Fernseh- Gegensprechanlage mit einem Linsenkranz- Paar den Grand Prix.“ In Berlin arbeitete der Paul-Nipkow-Sender in der Charlottenburger Rognitzstraße mit Mechauschen Linsenkränzen.
Schwarze Lippen, grüne Augen
Die grob gerasterten Bilder der ersten Fernseh-Stunde, so urteilte ein Kenner der Materie, unterschieden sich von den alten Later- na-magica-Bildern nur durch ihre geringere Qualität und durch ihre tödliche Langweiligkeit. Das Publikum verlor bald das Interesse an dem neuen Medium, selbst als die ersten Fernsehgeräte mit Bildröhre und wesentlich besserem Bild den Nipkow-Scheiben-Empfänger verdrängt hatten.
Anfang März 1934 ließ die Post Zauberkünstler, Sänger und Instrumentalsolisten in einstündigen Fernseh-Versuchsprogrammen auftreten. Am 1. Mai 1935 „wollte das Fernsehen bereits hochpolitisch werden“ (Schadwinkel) und die Maikundgebung auf dem Tempelhofer Feld in Berlin ausstrahlen. Eine Direktübertragung war wegen der noch zu erfindenden Fernsehkameras nicht möglich. Also wurde ein fast vier Tonnen schwerer Aufnahmewagen vor die Rednertribüne gefahren. Zuerst hätte die Kundgebung gefilmt werden, der Film vom im Wagen eingebauten Entwicklungslabor in rund 90 Sekunden entwickelt und dann abgetastet werden müssen. Doch mit der Begründung, der Wagen sei zu auffällig, wurde die politische Live-Sendung mit eineinhalb Verspätungsminuten untersagt.
Nach einjährigem Betrieb hielten sich die verantwortlichen Herren der Reichspost für gewappnet, einen täglichen Programmdienst zu wagen. Am 22. März 1935 eröffnete der Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky im Sitzungsraum des Berliner Funkhauses den ersten regelmäßigen Fernsehprogrammdienst der Welt. Die Sendezeiten beschränkten sich auf Montag, Mittwoch und Samstag von 20.30 bis 22.00 Uhr. Die Industrie brachte für 2500 Reichsmark die ersten Fernsehempfänger auf den Markt. Der Preis war für den Normalbürger entschieden zu hoch, deshalb wurden in Berlin elf Fernsehstuben eingerichtet und eine in Potsdam. Ein Telekino in der Leipziger Straße konnte sogar mit einem Bildschirm von 180 mal 90 Zentimetern aufwarten und 100 Personen zu Fernsehvergnügen verhelfen. Freikarten wurden an den Postschaltern ausgegeben und fanden vor allem bei kalter Witterung reißenden Absatz.
Schon frühzeitig kamen die Fernseh-Verantwortlichen auf den Dreh, daß ein nettes Gesicht auf dem Bildschirm den Fernsehzuschauer trotz mangelhafter Bild- oder Programmqualität versöhnlich stimmen könnte. Deshalb wurde als erste Fernseh-Ansagerin gegen Ende 1934 die deutsche Schauspielerin Ursula Patzschke für das Versuchsprogramm engagiert. 1935 stellte die Reichspost als zweite Ansagerin Annemarie Beck ein. Da die Post mit ihren Planstellenbezeichnungen noch nicht nachgekommen war, fiel die Dame Beck unter die Rubrik Postfacharbeiterin.
Die Berufsbezeichnung „Fernsehansagerin“ gab es damals noch nicht. Darum wurden die beiden ersten Bildschirmhostessen Ursula Patzschke und Annemarie Beck nach einiger Ratlosigkeit von der Reichspost zu „Postfacharbeiterinnen“ erklärt. In Sendepausen mußten sie sich dann auch mit Filmeschneiden und -kleben beschäftigen (1935)
Einer der ersten Fernsehgerätbesitzer der damaligen Zeit war 1928 der Weinhändler Paul Kressmann in Berlin.
Der Schauspieler Hugo Fischer-Köppe als Kalif von Bagdad in dem Fernsehspiel „Die Tochter des Kalifen“ 1937 im Studio des Fernsehsenders Paul Nipkow in Berlin - da die Kamera unbeweglich war, hatte der Thron des Kalifen Räder...
Die Deutsche Reichspost richtete 1936 Großbildstellen zum gemeinsamen Fernsehempfang ein, vor denen sich an den ersten deutschen Fernsehvorführungen interessierte Zuschauer drängten.
In den damals eingerichteten „Fernsehstuben“ standen stets zwei Empfänger, nicht allein, um den Zuschauern im Raum das Zusehen komfortabler zu gestalten, sondern auch darum, weil immer einmal einer der beiden Empfänger ausfallen konnte
Für die Fernsehstellen der Deutschen Reichspost wurden eigens datierte und terminierte Eintrittskarten ausgegeben.
Selbstverständlich wurde auch damals schon kräftig geschminkt, allerdings in einer Art, die einer Maskenbildnerin von heute den Magen umdrehen würde. „Entsprechend den Erfordernissen des Fernsehbildes wurden die Darsteller geschminkt: die Lippen schwarz (weil Rot als Weiß kommt), die Augenlider grün, die Haare wurden des besseren Effekts wegen leicht mit Goldpuder überstäubt. Alle blanken Stellen (Trompeten, Manschettenknöpfe, auch Goldzähne) mußten geschwärzt oder mit Sidol stumpf gemacht werden, weil jede Lichtreflexion schwarze Streifen im Bild gegeben hätte. Weiße Wäsche wirkte grau. Man zog zum Frack am besten ein lilafarbenes Hemd an“.
Die Dunkelheit im Schwitzkasten
Die Technik der Nipkow-Scheiben-Abtaster war in der Zwischenzeit etwas modifiziert worden. Bisher war die Lochscheibe zwischen dem hell angestrahlten Aufnahmeobjekt und der Fotozelle angeordnet. Nun wurde eine Art mechanischer Vorläufer des „flying spot scanner“, der Leuchtfleck-Abtastung, verwendet. Diese Methode wurde vermutlich 1910 von A. Ekström erdacht, ab 1925 von Frank Gray bei Bell System verfeinert und auch von Baird und Karolus eingesetzt. Dabei wurde die Lichtquelle hinter die Nipkow-Scheibe (oder das Spiegelrad) gesetzt. Bei Drehung der Scheibe fiel nur ein dünner Lichtstrahl durch das jeweilige „Zeilen-Loch“ auf das Aufnahmeobjekt oder Aufnahmesubjekt und wanderte sehr schnell als heller Lichtfleck in 30 oder mehr waagerechten Streifen darüber hinweg. Das Licht wurde von der Person oder einem Gegenstand reflektiert und fiel nun auf Fotozellen-Tafeln, die ringsum aufgestellt waren.
Das hatte zwei Vorteile: Einmal brauchte sich der Fernsehstar nicht mehr der unerträglichen Hitze heller Lampen auszusetzen, weil nur noch ein Leuchtfleck blitzschnell über ihn hinwegwanderte; zum anderen konnte die fotoelektrisch aktive Zone der Fotozellen erheblich größer sein. Das Verfahren hatte natürlich auch seine Nachteile, weil alle Darsteller sich in einem stockdunklen Senderaum bewegen mußten. Nur ein kleines blitzendes Loch in der Wand, hinter dem sich die Nipkow-Scheibe befand, gab etwas Licht. Aus diesen Kindeijahren des Fernsehens sind eine Menge Histörchen überliefert. Die 150 mal 150 Zentimeter große Dunkelkabine der Ansagerin beispielsweise wurde „Schwitzkasten“ genannt, weil die Dame auf einem Telefonbuch hockend ihren Dreiminutenauftritt unter größten Strapazen zu überstehen hatte.
Die Dunkelheit im Senderaum hatte beachtliche Tücken, wie „Der Spiegel“ im Juni 1950 berichtete: „Äußerst schwierig war es, zum Beispiel in einem Sketch ein Glas Wein einzuschenken. Meist ging der Strahl daneben, weil der Schauspieler das Glas nicht sehen konnte. Das sahen die Zuschauer am Empfänger, aber nicht der Darsteller. Da alle Aufnahmen nur direkt gesendet werden konnten, war die Wiederholung einer verpatzten Szene nicht möglich.“
Doch nicht nur die Schauspieler hatten mit der Tücke des Objekts zu kämpfen, auch den Regisseuren wurde einiges an Tast- und Gehörsinn abverlangt. „Auf dem Boden der Dunkelzelle waren Leisten angebracht, damit der Schauspieler nicht aus dem Bild lief (es gab noch keine beweglichen Kameras, die Abtastapparatur war fest installiert). Verlief er sich trotzdem, so konnte der Regisseur ihn nicht durch Zuruf oder Wink verständigen, denn er war nicht im Senderaum. Außerdem hing im Senderaum auch das Mikrofon und hätte jeden Zuruf gesendet. Also kroch der Regisseur auf allen Vieren in den Senderaum, packte den Darsteller an den Beinen und schob ihn zurecht.“
Fernseh-Nachrichten aus den USA
Bei den ersten amerikanischen Fernseh-Versuchssendungen übertrugen die Erfinder die Konterfeis der jeweiligen US-Präsidenten. Einigkeit herrschte in der Literatur darüber, daß Charles Francis Jenkins (1867-1934) ein sehr vielseitiger Erfinder war. Der Amerikaner konnte 400 in- und ausländische Patente vorweisen, darunter 1895 einen Filmprojektor mit Schlägerwerk zur intermittierenden Filmfortschaltung, konische Papptrinkbecher, ein Bremssystem für Flugzeuge, einen Höhenmesser, einen Anlasser für Autos und verschiedene Erfindungen auf dem Gebiet der Radio-Technik, der Faksimile-Telegrafie, des Bildfunks und schließlich des Fernsehens.
1925 war Jenkins einer der ersten, die TV-Bilder übermittelten, obgleich sein System kommerziell nicht lebensfähig war. Jenkins wurde am 22. August 1867 bei Dayton, Ohio, geboren. Er besuchte die High School in Fountain City, Indiana, und studierte am Earlham College in Richmond, Indiana, Physik. Er gehörte der Religionsgemeinschaft der Quaker an und war Mitglied des Franklin Instituts, der Aeronautical Association und der American Automobile Association. Weniger Einigkeit herrscht bei der Beurteilung seiner Femseh-Pioniertaten. Eine amerikanische Enzyklopädie berichtet, daß Jenkins 1923 mit mechanischen Fernseh-Verfahren zu experimentieren begann und sich dabei der Nipkow-Scheibe bediente. Eine US-Erfindergeschichte versichert, daß Jenkins nicht die Nipkow-Scheibe, sondern ein System von Prismen zur Ablenkung des Abtaststrahls verwendete und ein Bild des Präsidenten Harding von Washington nach Philadelphia übertrug. Jedenfalls scheint ein mechanischer Bildzerleger im Fernseh-Spiel gewesen zu sein.
Fernsehen über Telefonleitung und Funk
Eine weitere Stütze Amerikas auf seinem Weg zur Mattscheiben-Diktatur war Herbert Eugene Ives (1882-1953), berühmter Sohn eines berühmten Vaters. Vater Frederic Eugene Ives erfand die ersten Halbton- Druckplatten und verschiedene Prozesse der Farbfotografie. Sohn Herbert wurde am 31. Juli in Philadelphia geboren. Ives’ Antworten auf einem Fragebogen der National Academy of Sciences geben erschöpfend Auskunft über seine frühen Jahre: „Die experimentelle Arbeit meines Vaters, ausgeführt zu Hause im dritten Stock des Hauses, war fortwährend Mittelpunkt des Interesses. Erzwungener Besuch der örtlichen Methodistenkirche unter andauerndem und wachsendem Protest. Wurde ein ausdauernder Leser, besonders geschichtlicher Werke. Besonderes Interesse am Zeichnen. Kein Interesse am Sport. Sammelte Münzen.“
Über seine Ausbildung vor dem College: Bis zur elften Klasse "Public schools" in Philadelphia, unterbrochen von einem Jahr in England (1892), mit Besuch der University College School in London. Besuch der Lawrence Sheriff School in Rugby, England, in den Jahren 1897 und 1898. Die Abendschule des Franklin Instituts im Fach Mathematik 1899 und 1900, während ich in Vaters Firma in Philadelphia (Ives Kromskop Co.) arbeitete. Bevorzugte Naturwissenschaften und Zeichnen, konnte Latein nicht ausstehen, weil ich es für nutzlos hielt, war aber gut in Französisch und Deutsch.“
Die schon in den 20er Jahren erscheinende Zeitschrift „Die Funkstunde“ widmete sich intensiv auch der Berichterstattung über das neue Medium Fernsehen und seine Entwicklung in Deutschland, hier ein Beitrag vom März 1929
So arbeitete der Fernsehsender Witzleben im Jahre 1935 in Berlin, der wenig später in „Fernsehsender Paul Nipkow“ umbenannt wurde.
Seine studentische Karriere begann Ives 1901 auf der Universität von Pennsylvania, die er 1905 mit dem „Bachelor of Science“ verließ. Anschließend ging er auf die Johns Hopkins Universität in Baltimore. Nach drei Jahren, 1908, erhielt er dort seinen Doktortitel (Doctor of Philosophy). Mit dem Titel ausgerüstet, nahm Ives zunächst einen Job beim National Bureau of Standards an, blieb aber nur ein Jahr. Von 1909 bis 1912 arbeitete er als Physiker im Forschungslabor der National Electric Lamp Association in Cleveland und blieb dann ganze sechs Jahre lang, bis 1918, bei der United Gas Improvement Company in seiner Heimatstadt Philadelphia. Sein Fachgebiet war Fotometrie, aber er interessierte sich auch für Lumineszenz, künstliches Tageslicht, Spektroskopie und Kolorimetrie. Von 1918 an beschäftigte Ives sich mit kriegswichtigen Arbeiten, von der Entwicklung einer Kamera, die den Vibrationen von Flugzeugen standhalten konnte, bis zu Methoden, Nebel zu durchdringen. 1919 verließ er die Armee als Major der Reserve und ging zu den Bell Telephone Laboratories (damals die Technische Abteilung der Western Electric Company). Er blieb dort bis zu seiner Pensionierung im Alter von 65 Jahren.
Über die Bildtelegrafie zum Fernsehen
Über das nie endende Problem der elektrischen Kontakte bei der Telefonvermittlung kam Ives bei Bell Telephone zur Bildtelegrafie über vorhandene Telefonleitungen. Er schenkte zunächst den Schwierigkeiten bei der Umwandlung von optischen in elektrische Signale seine Aufmerksamkeit und entwickelte Fotozellen mit einem extrem dünnen Film aus Alkalimetallen. Die sehr empfindlichen Fotozellen kamen erfolgreich in Bildtelegrafie-Apparaturen zum Einsatz. Von 1925 an wurden Fotos für Pressezwecke kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten geschickt. Die entscheidende Fernseh-Diskussion fand schon im Januar 1925 statt. Beil-Forschungsdirektor Arnold hörte sich Ives’ Vorschlag an, das Bildtelegrafie-System so schnell arbeiten zu lassen, daß daraus ein Fernseh-System würde. Im Klartext: Ein Bild müßte in einer fünfzehntel Sekunde übertragen werden statt in sieben Minuten. Arnold gab grünes Licht für dieses Beschleunigungsunternehmen.
Ives begann mit zwei Nipkow-Scheiben mit je einer Spirale aus fünfzig Löchern. Bei fünfzehn Bildern pro Sekunde beanspruchte die Übertragung die zehnfache Bandbreite eines Sprachkanals. Am 12. Mai 1925 wurde von einem Mitarbeiter die erste Demonstration bezeugt: „Als ich die Bilder am Empfänger beobachtete, konnte ich recht gut die Gesichtszüge eines Mannes als die des Bildes am Sender erkennen und ich konnte auch beobachten, daß das Bild am Empfänger den Bewegungen exakt folgte, wenn das Bild am Sender vorwärts oder rückwärts, rauf oder runter bewegt wurde.“
Die Versuche ergaben, daß verschiedene Verbesserungen notwendig waren. Zunächst einmal entwickelte das Team um Ives eine neue Lichtquelle für den Empfänger in Form einer Neonlampe mit flacher Katode. Die einheitlich helle Lichtfläche war genauso groß wie das Rechteck, das von der Scheibe abgetastet wurde. Die zweite Verbesserung betraf die von Team-Mitarbeiter Frank Gray konzipierte neue Abtasttechnik, „flying spot scanning“, die, wie bereits erwähnt, mit einem dünnen Lichtstrahl auskam.
„Fernsehen vorgeführt“
Ebenfalls in das Jahr 1925 fielen die Bemühungen des erfindungsreichen Ives-Teams, eine Art Magnum-Bildschirm für ein größeres Fernsehpublikum zu schaffen. Das Ergebnis war schließlich eine lange Neonröhre mit 2500 getrennten, außen angebrachten Elektroden, die so in fünfzig Reihen vorwärts und rückwärts gebogen wurde, daß in jeder Reihe 50 Elektroden waren. Die ankommenden Signale wurden synchron mit der Nipkow-Scheibe des Senders über einen Kommutator der Reihe nach an die einzelnen Elektroden gegeben. Der Bildschirm war 60 mal 75 Zentimeter groß. „Auf dem Schirm“, schrieb Ives, „wurden Gesicht und Schultern eines Menschen mit dem pinkfar- benen Glühen des Neongases abgebildet, und zwar ausreichend groß und brillant, daß es von einem mäßig großen Publikum gesehen werden konnte.“
Im Dezember 1926 waren alle Fernsehapparaturen sowie die „big screen“, der große Bildschirm, einsatzbereit. Erste Versuche am 26. März 1927 ergaben über mehrere hundert Meilen befriedigende Übertragungsresultate. Die große Feuerprobe bestand das US- Fernsehen ä la Ives am 7. April 1927. Im Tagebuch des Erfinders war dieses Ereignis mit einem einzigen Satz vermerkt: „Television demonstrated, Fernsehen vorgeführt“. Die Bühne war das Auditorium von Bell in 463 West Street, New York. Dort stand der große Bildschirm. Übertragen wurde zunächst eine Rede von Herbert Hoover aus Washington, damals noch Wirtschaftsminister. Fünfzig Gäste in New York konnten seine Stimme über Lautsprecher hören und sein Gesicht in Pink sehen. Die Sendung kam über Draht aus Washington.
Zu welch deutlicher Verbesserung der Bildqualität eine höhere Zeilenauflösung führt, veranschaulichen diese zwei folgenden Fotos:
Fernsehraster mit 60 Bildzeilen
Fernsehraster mit 90 Bildzeilen.
Von der Beil-Funkstation in Whippany, New Jersey, kam eine Premierensendung besonderer Art ins Studio nach New York. Erstmalig trat das Fernsehen als Unterhaltungsmedium auf, gab eine erste öffentliche Demonstration und ließ den ersten professionellen Femsehkünstler, den irisch-amerikanischen Schauspieler A. Dolan, einen Monolog und ein Liedchen zum besten geben. Und diesmal wurde das Programm über Funk übertragen.
Das Publikum in New York war so „hingerissen“ von der technischen Neuerung namens Television, daß kaum jemand auf die Darbietung des Fernsehstars Nr. 1 achtete, man erinnerte sich später lediglich, daß er einen Backenbart und ein irisches Kostüm trug, und daß die Tonpfeife in seinem Mund gebrochen war.
In den folgenden Jahren entwickelte Ives das Fernsehen weiter. 1928 konnte er mit einem äußerst lichtempfindlichen Apparat bereits Außenaufnahmen übertragen, ohne künstliches Licht, beleuchtet nur von der Julisonne. Am 27. Juni 1929 stellte er seinen ersten Farbfernseher mit briefmarkengroßen Bildern vor. 1930 richtete er ein komplettes Femseh-Telefon zwischen dem Beil-Labor und dem Broadway Nr. 195 ein. Es war über ein Jahr lang in Betrieb und erlaubte mehr als 10.000 Benutzern, dem Gesprächspartner beim Reden zuzusehen. In späteren Jahren wandte Ives sich der reinen Wissenschaft zu. Er interessierte sich insbesondere für die Einsteinsche Relativitätstheorie und griff sie in mehreren theoretischen Arbeiten an. Er starb am 13.11.1953.
Fernsehnachrichten und Fernsehspiel
Die Beil-Leute unter Ives waren in den Goldenen (alkoholfreien) Zwanzigern in den Vereinigten Staaten nicht die einzigen, die den Run auf den totalen Bildschirm einleiteten. Auch die General Electric Company konnte auf einen äußerst fähigen Mitarbeiter zurückgreifen, der sich des Problems annahm. Sein Name war Ernst Frederik Werner Alexanderson. Trotz seiner schwedischen Abstammung hoben ihn die Amerikaner auf das Podest ihrer „Großen Vier“ des Rundfunks. Alexanderson konstruierte, wie weiter vorn dargestellt, die erste vernünftige Hochfrequenzmaschine.
Für General Electric entwarf der Schwede bis 1928 ein Fernseh-System aus Nipkow- Scheiben und Hochfrequenz-Neonlampen. Das Ganze war zwar eine ziemlich grobzeilige Angelegenheit, aber trotzdem nahm die Firma von der Station WGY in Schenectady, New York, aus vom 11. Mai 1928 an das erste US-Fernsehprogramm mit regulärem Zeitplan auf. Fernsehminuten waren jeweils Dienstag, Donnerstag und Freitag von 13.30 bis 14.00 Uhr. Amerikanische Verleger hatten schon immer einen guten Riecher, deshalb gab es damals schon eine Zeitschrift namens „Television“. Und diese Zeitschrift stellte fest: „Nur die Gesichter der Männer, wie sie reden, lachen und rauchen, werden gesendet; aufwendige Effekte sind beim derzeitigen Stand nicht geplant.“ Aber sie ließen nicht lange auf sich warten.
Die erste Live-Übertragung (und zugleich die ersten Fernsehnachrichten über ein aktuelles Ereignis) holperte am 22. August 1928 über amerikanische Mattscheiben. Es ging um die Nominierung von Alfred E. Smith zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Aufgenommen wurde in Albany, New York, gesendet von der WGY-Station. Wie viele Empfangsgeräte eingeschaltet waren, ist nicht bekannt. Aber schon in der Juli-Ausgabe von „Television“ bot die Daven Corporation in Newark, New Jersey, Fernsehempfänger an, die um 75 Dollar kosteten. Sie konnten mit 24, 36 und 48 Bildzeilen arbeiten. 1931 sollen bereits um 40000 Mattscheiben amerikanische Heime bereichert haben. Vierzig Jahre später, 1970, waren es über 20 Millionen Farbfernsehgeräte.
Am 11. September 1928 kamen amerikanische Mattscheiben-Besitzer zu einem weiteren Aha-Erlebnis. An diesem Tag strahlte die WGY-Station der General Electric in Schenectady das erste Fernsehspiel der TV- Geschichte aus. Es war das melodramatische Theaterstück „The Queen’s Messenger“, „Der Bote der Königin“ von J. Hartley Manners in der Fernsehbearbeitung von Mortimer Stewart. Der erste Filmschnitt in der Geschichte des Fernsehens wurde durch drei Aufnahmegeräte ermöglicht. Ein Gerät für die Königin (Izotta Jewell), eins für den Kurier (Maurice Randall) und eins für Requisiten wie Gläser, Zigaretten oder Kuriertasche. Die Hände, die besagte Requisiten vor das Aufnahmegerät hielten, gehörten nicht zu Königin oder Kurier, sondern zu zwei Doubles, zwei Requisiten-Stuntmen. Vierzig Minuten dauerte die Fernsehspiel- Weltpremiere, und angeblich konnte sie sogar noch an der Pazifikküste empfangen werden.
Fernsehen auf französisch
Monsieur d’Arcy, langjähriger Direktor des französischen Fernsehens, wurde einmal gefragt, wie er sich den recht geringen Erfolg der Television in Frankreich erkläre. Um 1960 gab es auf der Britischen Insel 10 Millionen, in der Bundesrepublik vier und in Frankreich ganze zwei Millionen Fernsehempfänger. Warum also wurde die Mattscheibe bei den Franzosen geradezu stiefmütterlich behandelt oder zumindest mit unverhohlener Gleichgültigkeit betrachtet? „Die Zahl der Fernsehapparate“, sagte d’Arcy und zuckte mit den Achseln, „ist in jedem Land umgekehrt proportional zu der Langeweile, die in dem Land herrscht.“
Das ist eine interessante Aussage, wenn das Zitat stimmt. Umgekehrt proportional sind nämlich zwei variable Größen, wenn ihr Produkt einen festen Wert hat. Das heißt in dem Fall, je größer die Langeweile, desto geringer die Anzahl der Fernseher. Und das war sicher nicht im Sinne von d’Arcy. Er dachte wohl eher an direkte Proportionalität, bei der der Quotient zweier variabler Größen einen festen Wert hat.
In Frankreich begann die Geschichte des Fernsehens bereits 1880, als ein brillanter Kopf sich mit dem Gedanken trug, Bilder in natürlichen Farben elektrisch zu übertragen. Der Name dieses Farbfernseh-Pioniers war der bereits erwähnte Maurice Leblanc, und er schlug unter anderem ein System von Spiegeln und Schlitzblenden vor, mit dem die Abtastung verwirklicht werden sollte. Aus dem Unternehmen wurde nichts, aber das lag nicht nur an den fehlenden technischen Voraussetzungen. Am 23. August 1921 lieferte ein gewisser E. G. Schoultz seine Unterlagen beim Patentamt ab und beantragte auf seine „Fernsehübertragung beweglicher Bilder“ ein französisches Patent. Dem Antrag wurde 1922 stattgegeben. Am 14. April 1931 kamen 3000 französische Zuschauer in den Genuß der ersten Femseh-Bild-Ton-Übertragung in Frankreich. Initiator dieses Pariser Mattscheiben-Spektakels war Frankreichs „ältester und bekanntester“ Fernseh-Fachmann Rene Barthelemy.
René Barthelemy, Frankreichs Fernseh-Pionier
Mit 30 mal 40 Zentimetern scheint die Mattscheibe für die 3000 Besucher der Pariser Vorstellung etwas klein geraten zu sein, aber das tat ihrem Erfolg keinen Abbruch. Für Live-Aufnahmen und die Abtastung von Filmen verwendete der Erfinder einen Spiegel- Bildfeldzerleger.
Rene Barthelemy (1889-1954) wurde in Nagis, südöstlich von Paris, geboren. Seine Ausbildung erhielt er auf der Ecole Superieure d’E- lectricite. Mit 23 Jahren bekam er einen Job als Diplom-Ingenieur bei der Compagnie pour la Fabrication des Compteurs et Mate- riels d’Usines ä Gaz. Dort blieb er ganze 40 Jahre lang, bis er sich Ende 1952 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Labor zurückzog. Barthelemy beschäftigte sich zunächst mit der Technik der Meßgeräte und mit der Funktechnik. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er an der Konstruktion eines Radiogeräts, das statt an Batterien an das Stromnetz angeschlossen werden konnte. Von 1926 an rückte das Fernseh-Problem in den Mittelpunkt des Interesses.
1928 holte sich der Franzose in London bei einer Baird-Television-Vorführung mit 24 Bildzeilen fernseh-technische Anregungen und begann mit Mitteln seiner Firma in Montrouge mit der Konstruktion eines Fernseh-Systems. Die Arbeiten gipfelten in der Bild-Ton-Schau von 1931. Ein Jahr später stellte er die erste Tageslicht-Kamera für 30 Zeilen vor. „In den folgenden Jahren wurde die Bildrasterung systematisch auf 60, 90 und im Jahr 1935 auf 180 erhöht, wobei sich Barthelemy eines Doppel-Nipkowscheibenzerlegers mit Photozelle und Sekundärelektronen-Verviel- facher bediente. Mit dieser Apparatur konnte die Radiodiffusion Fran^aise 18 Monate lang täglich Sendungen veranstalten“ (Goebel). 1937 wurde er Leiter des Centre experimental de Television in Montrouge und konstruierte zwei Jahre später einen 450-Zeilen-Abtaster. Während des nächsten Weltkrieges arbeitete er an Radargeräten. 1946 wählte man ihn zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er starb am 12. Februar 1954, am Abend bevor er zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt werden sollte.
Von der Werbung zum Bildungsprogramm
Die große Zeit der mechanischen oder halbmechanischen Femseh-Systeme ging allmählich ihrem Ende entgegen. Die Elektronik begann, sich auch auf der Sendeseite breit zu machen. Aber vorher soll noch einiger „Zum-ersten-Mal-Taten“ der guten alten Fernseh-Epoche gedacht werden, die im heutigen Programm-Salat gar nicht mehr sonderlich auffallen. Die erste Fernsehwerbung flimmerte im November 1930 über englische Bildschirme. Die Firma Messrs. Eugene Ltd. in London stellte auf der Friseurmesse im Londoner Olympia ihre Spezial-Dauerwelle für Damen vor. Die Zuschauer am anderen Ende des Fernsehkabels wurden darauf aufmerksam gemacht, wie „das patentierte Eugene Sachet ihr Haar in weiche, liebliche und natürliche Wellen verwandeln würde“.
Am 17. Februar 1931 machte der Japaner Dr. Yamamoto Tadaoki in Tokio Fernseh- Geschichte, als er die erste Sportveranstaltung übertrug. Auf einem 60zeiligen quadratischen Bildschirm mit rund 90 Zentimetern Seitenlänge war ein Baseballspiel des Waseda University Baseball Club über Kabel im elektrotechnischen Laboratorium der Waseda-Universität zu bewundern. Damals ahnte vermutlich noch niemand, daß diese Art Programm später ein Bildschirm-Renner werden und für Millionen von Zuschauern unverzichtbarer Programmbestandteil würde.
Die Amerikaner schossen als erste den Bildungs-Vogel ab. Am 5. Februar 1932 brachte die Columbia Broadcasting Station W2XAB akademische Bildung unter das noch recht magere Fernseh-Volk. Dr. Ernst von Nardoff, Direktor der Stuyvesant High School in New York, durfte im Studio als physikalische Belehrung Experimente mit flüssigen Gasen vorführen. Dieselbe CBS-Station leitete auch die so beliebte Fernseh-Tradition endloser Serien ein. Von August bis Dezember 1932 wurde jeweils am Montagabend „The Wide World Review“ in fünfundzwanzig-minütigen Episoden mit fortlaufender Handlung ausgestrahlt. Die Zeitung „New York Sun“ bezeichnete die Serie als „Musikdrama mit rascher Szenenfolge“.
5. Die Entwicklung neuer Aufnahmetechniken
Kostenvoranschläge haben prinzipiell die unangenehme Eigenschaft, sich selbst mit Riesenschritten zu überholen. Davon sind nicht nur Kampfflugzeuge auf - der einen und Krankenhausbauten auf der entsprechenden anderen Seite betroffen, sondern auch aus der Kinderzeit des Fernsehens, als noch keine Gebührenerhöhung als Joker im Spiel war, ist eine solche Kostenvoranschlag- Misere überliefert. Akteure waren David Sarnoff, 1929 Vizepräsident und Betriebsleiter der Radio Corporation of America (RCA), und Wladimir Zworykin, Erfinder der ersten elektronischen Fernsehkamera. Bei der Vorführung eben dieses Geräts entspann sich laut Überlieferung folgender Dialog: Sarnoff: „Das ist zu schön, um wahr zu sein. Was soll die Entwicklung und Ausführung dieser Idee denn kosten?“
Zworykin: „Vielleicht 100.000 Dollar.“ Sarnoff: „Gut, soviel ist der Gedanke wert.“ Offensichtlich war der Gedanke aber sehr viel mehr wert und auch viel teurer. Die RCA mußte zwischen 1930 und 1939 allein für Patente und die dazugehörigen Rechtsstreitigkeiten zwei Millionen Dollar auf den Tisch blättern, dazu stolze sieben Millionen Dollar für die technischen Entwicklungskosten.
Als das Fernsehen die ersten Ausflüge in die Welt der Elektronik unternahm, versuchten die Techniker immer noch, die mechanische Bildabtastung und Bild Wiedergabe zu vervollkommnen. In die Nipkow-Scheiben wurden immer mehr und immer feinere Löcher für immer mehr Zeilen gebohrt. Die neuen Scheiben ließ man im Vakuum rotieren. Doch schon früh wurden Stimmen laut, die darauf drängten, die mechanischen Hilfsmittel über Bord zu werfen und den Elektronenstrahl für das Fernsehen einzuspannen. Erste Versuche von Dieckmann und Glage standen noch auf recht schwachen Füßen. Und Rosing in Petersburg scheiterte mit seiner Elektronenstrahl-Forderung an den mangelnden technischen Möglichkeiten. Aber einer seiner Schüler, Zworykin, nahm sich die Anregungen zu Herzen und entschloß sich, der mechanischen Bildabtastung den Garaus zu machen.
Ein Russe in Amerika: Zworykin
Wladimir Kosma Zworykin (1889-1982) wurde am 30. Juli in Murom an der Oka, einer der ältesten russischen Städte, geboren. Sein Vater war Besitzer einer Dampfschifffahrtslinie auf der Oka mit mehreren Passagierschiffen und Lastkähnen. Schon als Zehnjähriger, so wird berichtet, fuhr der kleine Wladimir oft auf den Schiffen mit und reparierte elektrische Signalvorrichtungen. Früh spezialisierte er sich auf das Fachgebiet der Übertragungstechnik und richtete in seinem Elternhaus ein Telefonsystem ein. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Murom ging er an die Technische Hochschule in St. Petersburg und machte 1912 sein Examen als Elektroingenieur. In seiner Studenten-Freizeit arbeitete er in Rösings Laboratorium am Militärinstitut in Petersburg, „dessen Einfluß Zworykins Entschluß, Forscher zu werden sowie sein Interesse am Fernsehen, an der Elektronik und damit auch der Elektronenoptik und der Elektronenmikroskopie zuzuschreiben ist“ (Engstrom).
Gleich nach dem Examen ging Rosing-Schü- ler Zworykin nach Paris auf das „College de France“ und befaßte sich unter der Anleitung des berühmten Physikers Paul Langevin mit der Erforschung der Röntgenstrahlen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte er nach Rußland zurück und diente bis 1917 dem Vaterland als Offizier der Nachrichtentruppe. 1917 kam ein gewisser Lenin mit deutscher Hilfe nach Rußland zurück und machte Oktober-Revolution. 1919 verließ Zworykin seine Heimat, mittlerweile die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, und kam nach einer abenteuerlichen Weltreise in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort arbeitete er, nach eigenen Angaben, ein Jahr lang als einfacher Buchhalter, bis er genügend Englisch gelernt hatte. Es blieb sein einziger Abstecher auf ein artfremdes Fachgebiet.
1920 bekam er einen Job in den Laboratorien der Westinghouse Electric and Manufacturing Company in Pittsburgh und leistete wichtige Beiträge zur Technik der Empfängerröhren.
Das nachgemachte menschliche Auge: Ikonoskop
Nach einem Jahr verließ Zworykin die Firma Westinghouse, ging in den Mittelwesten und stellte seine Kenntnisse einer Ölverarbeitungsgesellschaft zur Verfügung. Er sollte die Möglichkeiten des Crackens von Rohöl mit Hilfe der Elektrizität untersuchen. Doch achtzehn Monate später kehrte er in die Arme von Westinghouse zurück, „in eine Stellung, die ihm beträchtliche Freiheit zur Verfolgung seiner eigenen Pläne ließ“ (Engstrom).
Und diese Pläne bezogen sich, nach Rösings Vorbild, auf ein elektronisches Fernsehsystem. Rosing hatte auf der Empfangsseite bereits die Braunsche Röhre verwendet. Aber Zworykin wollte noch einen Schritt weiter gehen und auch die Bildzerlegung auf der Sendeseite dem trägheitslos arbeitenden Elektronenstrahl anvertrauen. Wie andere schon lange vor ihm, gedachte auch Zworykin das menschliche Auge nachzuahmen: Das Licht geht durch die Iris und die Augenlinse, die das Bild eines Objekts auf die Netzhaut mit ihren Millionen Stäbchen und Zäpfchen wirft, die wiederum über Sehnerven mit dem Gehirn verbunden sind.
Das elektronische Gegenstück zur Retina sollte eine Fotozellen-Mosaikplatte sein. Der Gedanke war an sich nicht neu. Das berühmte Mosaik aus zehntausend Selenzellen mit ebenso vielen elektrischen Leitungen wurde bereits erwähnt. Das Vorhaben scheiterte an dem gewaltigen technischen Aufwand, zumindest was eine allgemeine Einführung betraf. Und für eine blitzschnelle Abtastung so vieler Bildpunkte hintereinander reichten die technischen Möglichkeiten nicht aus. Aber der Elektronenstrahl hatte seine Tauglichkeit zu solchen Zwecken bereits bei der Braunschen Röhre bewiesen. Was aber Zworykin am menschlichen Auge besonders beeindruckte, das war der wichtige Vorgang der Speicherung von Lichteindrücken auf der Netzhaut. Das Bild wurde dort so lange festgehalten, bis der Sinneseindruck im Gehirn entstanden war. Bei einem elektronischen Pendant mußte das gesamte auf die Mosaikplatte fallende Licht so lange gespeichert werden, bis das einzelne Bild abgetastet (zum Beispiel in 1/25 Sekunde) und weitergeleitet werden konnte. Genau das - und damit eine elektronische Nachahmung wichtiger Fähigkeiten des menschlichen Auges - gelang Zworykin mit dem Ikonoskop.
Das US-Patent Nr. 683337 erhielt Vladimir K. Zworykin - hier die Originalzeichnung des ersten Ikonoskops - für ein vollelektronisches Fernsehsystem mit Speicherwirkung auf der Geberseite
Er war damit der Begründer aller heutigen Fernsehverfahren hoher Auflösung und entwickelte in späteren Jahren weitere elektronische Bildabtaströhren
Die erste 1923 von Zworykin gebaute „lkonoskop“-Röhre war mit einer Durchsichtskatode ausgestattet.
Die Farnsworth-Kamera war die erste elektronische Fernsehkamera für 180 Zeilen. Von der Fernseh-AG 1936 gebaut, wurde sie zum erstenmal für Fernsehübertragungen von den VI. Olympischen Spielen in Berlin 1936 eingesetzt. Sie enthält eine Bildsenderöhre (Dissector-Tube) nach Farnsworth. Das vom Objektiv auf eine durchsichtige Fotokatode entworfene Lichtbild wurde in ein Elektronenbild umgewandelt, das von zwei Magnetfeldern rasterförmig über eine Bildsonden- Öffnung von der Größe eines Bildpunktes geführt wurde. Der durch die Öffnung in der Zerlegeblende hindurchtretende, der Bildhelligkeit proportionale Elektronenstrom erzeugte das Bildsignal. Dieses Prinzip hatten Dieckmann und Hell schon 1925 beschrieben.
Der Bildzerleger mit Bildspeicherung
Fest steht, daß Zworykin am 29. Dezember 1923 ein Patent für sein Ikonoskop einreichte, das die Nummer 2141059 erhielt. Dem Patentgesuch wurde aber erst am 20. Dezember 1938 stattgegeben. „Ich hatte beträchtliche Schwierigkeiten bei der Erlangung des Patentschutzes“, schrieb der Erfinder später. Die recht erhebliche ZeitdifFerenz hatte vermutlich ihre Gründe. J. D. McGee, der als Mitglied der britischen E.M.I. Research Laboratories an der Entwicklung der englischen Version des elektronischen Fernsehens beteiligt war, äußerte in den „Notes and Records“ der Royal Society of London die Ansicht, daß die Zworykin-Anordnung von 1923 nicht funktioniert habe. Deshalb sei es nicht verwunderlich, daß es fünfzehn Jahre dauerte, bis die Patentschrift veröffentlicht wurde.
Nach einer amerikanischen Quelle bestand die „primitive Anordung“ für die ersten Versuche von 1923 aus einer Aluminium-Speicherplatte, die auf einer Seite oxidiert war. Das Bild wurde durch ein Kollektorgitter auf die lichtempfindliche und isolierende Oxidoberfläche projiziert, auf der durch Fotoemission ein elektrisches Ladungsbild entstand. Auf etwas merkwürdige Art wurde die gespeicherte Ladung durch einen Elektronenstrahl entladen und als Signalimpulse über das Kollektorgitter abgeleitet. So vollkommen funktionsuntüchtig kann Zworykins erste elektronische Fernsehkamera nicht gewesen sein, denn Ende 1923 führte er einigen hohen Herren von Westing- house sein vollelektronisches Fernsehen mit Primitiv-Ikonoskop und Bildröhre bereits vor. Doch die Herren waren von der unscharfen Übertragung eines Kreuzes nicht sonderlich beeindruckt.
Von der Labor-Kuriosität zum Geschäft
1925 beantragte Zworykin ein Patent für ein vollständig elektronisches Farbfemseh- System. Und diesmal mußte er nur drei Jahre bis zur Patenterteilung warten. „Es war gleichfalls undurchführbar“, stellte McGee lakonisch fest. Die Arbeit an der einfacheren Schwarzweiß-Ausführung ging unterdessen weiter. Als Fernsehempfänger hatte Zworykin das „Kinescope“ entwickelt, eine Katodenstrahlröhre, die bereits viele Errungenschaften moderner Bildröhren aufwies: hohes Vakuum, hohe Spannung, Strahlfokussierung durch elektrische Felder zwischen koaxialen Elektroden, ausgerichtet nach den Erkenntnissen der neuen Wissenschaft „Elektronenoptik“ und Strahlmodulation durch eine negativ vorgespannte Lochscheibe hinter der Elektronenkanone, die durch das Bildsignal gesteuert wurde.
1929 wurde die nächste Demonstration mit verbessertem Ikonoskop und Kinescope gestartet. Zu dieser Zeit scheint Zworykin noch die metallene Rückseite seiner Speicherplatte mit dem Elektronenstrahl abgetastet zu haben. Die Vorführung fand auf einem Treffen des Institute of Radio Engineers in Rochester statt. Anwesend war jener David Sarnoff, und wie erwäht, war er gebührend beeindruckt. Er holte sich Zworykin als Leiter des Elektronenforschungslabors der Radio Corporation of Amerika (RCA), eine Gründung der General Electric Co. Und damit begann die kommerzielle Ausbeutung der Labor-Kuriosität Fernsehen.
1931 hatte das Ikonoskop seine endgültige Form bekommen. Ende 1930 war dem Physiker L. R. Koller die Entwicklung einer Silber- Silberoxid-Cäsium-Fotokatode vom S.l-Typ gelungen, die etwa um zwei Größenordnungen empfindlicher war als frühere Fotokatoden. Außerdem konnte das Material als feinstrukturiertes Fotozellen-Mosaik verarbeitet werden. Zworykins Mitarbeiter S. Essig konstruierte eine ähnliche Mosaikplatte und erhielt darauf am 24. Februar 1932 das US- Patent Nummer 407521. Das Essig-System wurde für das Ikonoskop übernommen. Ebenfalls 1931 ging Zworykin offenbar dazu über, das Ladungsbild auf der Seite des Foto- zellen-Mosaiks abzutasten.
Der Elektronenstrahlbildzerleger
Mit Zworykins Ikonoskop machte das Fernsehen einen gewaltigen Sprung nach vorn. Da die Elektronenkamera sehr viel Licht brauchte, wurde es in den Fernsehstudios hell. Und weil man noch kein kaltes Licht hatte, wurde es auch gemütlich warm. Der Senderaum heizte sich in einer halben Stunde auf 40 bis 50 Grad Celsius auf. „Und dann“, so berichtete ein Augenzeuge, wurde "Station D im Eismeer" gesendet, wobei alle Schauspieler in dicken Pelzen herumliefen und die Erfrierenden mimten. Dabei lief ihnen der Schweiß in Strömen herunter. Der Regisseur hatte Mühe, daß der "Schnee" (Watte) wirklich von oben zur Erde fiel, denn die heiße, aufsteigende Luft wirbelte ihn nach oben.“
Immerhin hatte der Elektronenstrahlbildzerleger, also das Ikonoskop, die Aufnahmetechnik grundlegend geändert und die mechanischen Handicaps der Nipkow- Scheibe überwunden. Das Gerät bestand aus einem evakuierten zylindrischen Glaskolben, an dessen einer Seite sich eine Glimmerplatte befand. Die Vorderseite der Glimmerplatte trug die Mosaikschicht aus einer Unmenge mikroskopisch kleiner und voneinander isolierter Silberteilchen, die durch eine Cäsiumschicht fotoelektrisch wirksam gemacht worden waren. Die Rückseite der Platte war mit einem zusammenhängenden, elektrisch leitenden Metallbelag bedeckt, Signalplatte genannt.
Das aufzunehmende Bild wurde nun durch eine Linse auf die Mosaikplatte aus den mikroskopisch kleinen Fotozellen projiziert, die je nach auffallender Lichtmenge mehr oder weniger Elektronen aussandten. Die hellen Stellen des Bildes entsprachen also einer größeren positiven Ladung, weil mehr Elektronen aus den entsprechenden Mini- Fotozellen wegflogen (positive Ladung entspricht Elektronenmangel), während die dunkleren Stellen einer geringeren positiven Ladung in den Mosaikpunkten entsprachen. Da die Mosaikplatte durch die Glimmer-Isolation von der leitenden Signalplatte getrennt war, bildete jede Mini-Fotozelle mit der Signalplatte einen kleinen Kondensator.
Im Hals des Glaskolbens befand sich nun eine Elektronenkanone, die einen feinen Elektronenstrahl erzeugte. Durch ein System von Ablenkspulen wurde dieser Elektronenstrahl zeilenweise über das (positive) Ladungsbild auf der Mosaikplatte geführt. Und dann passierte folgendes: Die Elektronen aus dem Strahl ergänzten die fehlenden Elektronen der Mini-Fotozellen, sie glichen also die Ladung aus. Und da jedes Mosaikteilchen mit der Signalplatte schließlich einen Kondensator bildete, floß in einem mit der Signalplatte verbundenen Stromkreis ein Ausgleichsstrom und erzeugte eine Spannung, die sich nach der Größe der Ladung des jeweils gerade abgetasteten Mosaikteilchens richtete. Der Abtastprozeß wurde wiederholt, sobald der Elektronenstrahl jede Mini-Fotozelle des Mosaiks passiert hatte. Die Bildsignale von der Signalplatte wurden verstärkt und dem Empfänger zugeführt, wo sie die Helligkeitssteuerung des Leuchtflecks auf dem Bildschirm übernahm.
Das Ikonoskop wurde der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe weiterer Entwicklungen Zworykins und seines Teams auf dem Gebiet der Elektronenoptik. Unter seiner Leitung entwickelte James Hillier ein Elektronenmikroskop. Während des Zweiten Weltkriegs verließen das „Sniperscope“, ein Infrarotzielgerät, und das „Snooperscope“, ein Nachtsichtgerät mit Bildwandler, sein Labor. Zworykins Sekundärelektronenvervielfältiger fand nicht nur beim Szintillationszähler für radioaktive Strahlung Verwendung, sondern auch bei einer verbesserten Fernsehaufnahmeröhre. Doch das kam alles zu einem späteren Zeitpunkt. Zunächst einmal erhielt der Russe mit amerikanischer Staatsbürgerschaft (seit 1924) bei den Fernsehaufnahmeröhren Konkurrenz aus dem eigenen Land. 1927 ließ sich ein einundzwanzigjähriger Erfinder mit dem „Image Dissector“ einen Bildzerleger ganz anderer Art zur Aufnahme von Fernsehbildern patentieren. Sein Name war Philo T. Farnsworth (1906-1971).
Farnsworth: Der Traum vom Erfinder
Philo Taylor Farnsworth wurde am 19. August 1906 auf einer Farm in der Nähe von Beaver City im US-Bundesstaat Utah geboren. Sein Großvater väterlicherseits war einer der Leutnants des damaligen Mormonenchefs Brigham Young und später Mormonen-Bischof von Beaver City. Seine erste Bekanntschaft mit der Welt der Technik machte der junge Philo durch populärwissenschaftliche Magazine, die seine Eltern als Lernhilfe für sich und ihre Kinder abonniert hatten. Durch solcherart Lektüre angeregt, verkündete Farnsworth im Alter von sechs Jahren seinen kühnen Entschluß, Erfinder zu werden. Vater Lewis unterstützte den Ehrgeiz seines Sohnes.
Als der künftige Erfinder zwölf war, nahm er an einem Wettbewerb teil, den eines dieser Magazine ausgeschrieben hatte. Er gewann den mit 25 Dollar dotierten ersten Preis und kaufte sich von dem Geld seine erste lange Hose. 1920 zog die Familie Farnsworth aus dem südlichen Utah an den oberen Snake River, vorbei an den Grenzen des Yellowstone Parks, und ließ sich auf der Bungalow- Ranch in Rigby, Idaho, nieder.
Die Ranch war mit einer elektrischen Anlage für Beleuchtungszwecke und Elektromotoren ausgerüstet. Diese „power plant“ wurde Philos Domäne. Er war schließlich der einzige, der die Anlage in Schuß halten und im Bedarfsfall reparieren konnte. „Er war der glücklichste Mensch“, schrieb sein späterer Geldgeber George Everson in einer Farnsworth-Biographie, „wenn die Anlage ausfiel und wieder in Schwung gebracht werden mußte. Tatsächlich besteht der Verdacht, daß Phil die Stromversorgung oft absichtlich zusammenbrechen ließ, damit er Gelegenheit hatte, sie auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen.“ Außerdem dachte er sich ständig neue Anwendungsmöglichkeiten für die Stromquelle aus. Die nützlichste war ein elektrischer Antrieb für die Waschmaschine seiner Mutter.
1921 trat Farnsworth in die Rigby High School ein, doch die vorgeschriebenen Kurse reichten bei weitem nicht aus, seinen Wissensdurst zu stillen. Er graste die Schulbibliothek nach wissenschaftlicher Literatur ab. Eines Tages fand ihn sein Lehrer Justin Tolman, wie er der andächtig lauschenden Klasse einen eindrucksvollen Vortrag über die Einsteinsche Relativitätstheorie hielt, die ja neben handfesten mathematischen Formulierungen auch das „Alles-ist-relativ-Syndrom“ in die Welt setzte. Dazu bemerkte übrigens der englische Philosoph Bertrand Russell: „Es gibt eine Sorte ungemein überlegener Menschen, die gern versichern, alles sei relativ. Das ist natürlich Unsinn, denn wenn alles relativ wäre, gäbe es nichts, wozu es relativ sein könnte.“
Der Junge mit der Fernseh-Idee
Neben Einstein und seiner Relativität beschäftigte sich Farnsworth mit Automotoren, Modellflugzeugen, Chemie und einer elektrotechnischen Enzyklopädie. Und daraus erfuhr er von der Theorie der Elektronen, von Fotozellen und der Katodenstrahlröhre. Zu diesem Zeitpunkt scheint er noch nichts von den Bemühungen um die elektrische Bildübertragung gewußt zu haben, meinte jedenfalls Everson. Und so kam ihm schließlich die Idee, dasselbe mit Bildern zu versuchen, was mit Tönen über Telefon und Radio bereits gemacht wurde. Ganze fünfzehn Jahre war Philo T. Farnsworth alt, als er im Jahr 1922 seinem Lehrer Tolman Abend für Abend mit großflächigen Skizzen an der Wandtafel seine Fernseh-Idee auseinandersetzte. Und Tolman hörte geduldig zu und diskutierte strittige Punkte mit dem jungen Erfinder.
Sein ausgezeichnetes Gedächtnis sollte sich sechs Jahre später als wichtig erweisen, als er in einem Patentstreit als Zeuge für Farnsworth aussagen mußte. Farnsworth ging in seinen Überlegungen von einer großflächigen Fotokatode in einer Vakuumröhre aus, auf die das Bild projiziert wurde. Entsprechend der Helligkeitsverteilung gingen von der Fotokatode Fotoelektronen aus. Sie wurden durch eine Spannung von rund 1000 Volt gegen eine Anodenplatte am anderen Ende der zylindrischen Röhre beschleunigt und durch das Magnetfeld einer Fokussierungsspule auf der Anodenplatte als Elektronenbild wieder zusammengeführt. Aus einem lichtoptischen Bild war also ein Elektronenbild geworden. Deshalb läuft diese Anordnung auch unter der Bezeichung „Bildwandler“.
Im Mittelpunkt der Anodenplatte befand sich eine Lochblende von der Größe eines Bildpunktes, dahinter eine Art Sonde. Aber im Gegensatz zur Nipkow-Scheibe bewegte Farnsworth nicht dieses Loch, sondern durch Magnetfelder das gesamte Elektronenbild. Ganz fernsehgemäß fielen also der Reihe nach alle Elektronen des jeweiligen Bildpunkts durch das Loch und wurden dahinter von der Sonde aufgenommen. In einem Elektronenvervielfacher verstärkt, ergaben sie das Bildsignal. Farnsworth nannte seine Aufnahmeröhre später „Image Dissector“, in Deutschland als „Sondenröhre“ oder „Farnsworth-Röhre“ bezeichnet. Wie erwähnt, nahmen Dieckmann und Hell 1925 auf eine ähnliche Erfindung ein deutsches Patent, doch verwirklichte erst Farnsworth den Gedanken.
Es sollte sich später zeigen, daß die Sondenröhre bei starker Beleuchtung ein ausgezeichnetes Bild lieferte. Was die Lichtempfindlichkeit anbelangte, reichte sie jedoch nicht an Zworykins Speicherröhre heran, „da nicht wie bei Zworykin während eines ganzen Bildwechsels die aufgenommene Energie gespeichert werden kann, um dann abgenommen zu werden, sondern nur die während des Abtastmoments ankommende Energie verwertet wird“ (Bruch).
Der Tagtraum vom elektronischen Fernsehen
1923 ging Farnsworth nach Glenn’s Ferry in Idaho und wurde Elektriker bei der Eisenbahn, bei der Oregon Short Line. Dort fiel ihm die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Scheinwerfer der Lokomotiven genau einzustellen, bevor sie die Station verließen. Im selben Jahr zog seine Familie nach Provo, Utah, und Philo besuchte dort die High School, um sich gründlich auf die Brigham Young University im selben Ort vorzubereiten. Doch nach dem Tod seines Vaters kurz vor Weihnachten 1924 konnte er sich nur noch als „special student“ auf der Universität einschreiben. Er nutzte die Chance, besuchte vor allem Mathematik- und Elektronik- Kurse und lernte die Technik der magnetischen Ablenkung von Elektronenstrahlen. Zu Beginn des Jahres 1926 versuchte er, in der Mormonen-Metropole Salt Lake City einen Job auf dem Gebiet der Radiotechnik zu bekommen. Als er keinen fand, machte er sich selbständig. Das größere Geld blieb indessen aus, und im Frühjahr 1926 war Philo bereits wieder auf Job-Suche. Doch das Fernsehen blieb für ihn immer „a day-dream, a day-dream only“, ein Tagtraum, nur ein Tagtraum.
Leider hatte er weder Labor, noch Ausrüstung, noch Geld, um diesen Traum zu verwirklichen. Das änderte sich, als er auf seiner Job-Suche Leslie Gorrell und George Everson aus San Francisco traf. Sie engagierten den jungen Mann, und als sie von seinen Fernsehplänen erfuhren, zeigte sich Everson bereit, die Idee zu finanzieren. Zunächst wurde im sonnigen Los Angeles ein Laboratorium aufgezogen. Zusammen mit weiteren Geldgebern rief man im Oktover 1926 die Crocker Research Laboratories in San Francisco ins Leben, um, wie die Zielsetzung formuliert war, „aus dem Fernsehen alle bewegten Teile zu entfernen“.
Neben der Entwicklung der Sondenröhre mußte jetzt vor allem auch der entsprechende Fernsehempfänger gebaut werden. Laut Everson gab es zu der Zeit noch keine Katodenstrahlröhre, die den Elektronenstrahl genügend stark fokussieren konnte, damit auf dem fluoreszierenden Bildschirm ein scharfes Bild entstand. Das Empfangsgerät, das schließlich dabei herauskam, nannte Famsworth „Oscillite“, weil der Elektronenstrahl unter dem Einfluß von Fokussierungsund Ablenkspulen über den Bildschirm oszillierte.
Der Dollar auf dem Bildschirm
Am 7. Januar 1927 meldete Farnsworth sein komplettes elektronisches Fernseh-System zum Patent an. Unter der Nummer 1773 980 wurde es am 26. August 1930 erteilt. Es dauerte deshalb so lange, weil die RCA versuchte, das Farnsworth-Patent unter ihre Fittiche zu bekommen. Die Farnsworth- Gruppe kostete es 30000 Dollar, ihre Ansprüche durchzusetzen. Doch über die angewandte Technik der Sägezahn-Ablenkung entbrannte ein heißer Kampf der Meinungen und Diskussionen, der sich über viele Jahre erstreckte und schließlich zugunsten Farnsworths endete.
I
m Frühjahr 1927 wurden die ersten Tests gestartet, zu einer Zeit also, als Baird in London sich noch mit mechanischer Abtastung hemmschlug. Als erste unscharfe Fernsehsendung erschien ein schwarzes Dreieck auf dem Bildschirm. Fieberhaft wurde an Verbesserungen gearbeitet. Die Geldgeber wollten Dollars sehen. Farnsworth tat ihnen den Gefallen und übertrug das ziemlich klare Bild eines Dollars auf seiner Anlage.
Der Physiker Manfred von Ardenne in seinem Laboratorium; gemeinsam mit Dr. Sigmund Loewe hatte er den sogenannten Leuchtfleckabtaster entwickelt, der mit Braunscher Röhre auf der Sender- und Empfangsseite arbeitete. Die Fernsehbilder wurden auf einem 80 x 90 Millimeter großen Bildschirm sowie einem 400 x 400 Millimeter großen Projektionsbild mit 100 Zeilen und 25 Bildwechseln pro Sekunde vorgeführt. Das war die Geburtsstunde des elektronischen Fernsehens in Deutschland.
Manfred von Ardenne führt 1932 Meßarbeiten an einem von ihm entwickelten Fernsehempfänger durch.
Das Team entwickelte einen Breitband-Verstärker und stieß schließlich auch auf das Phänomen, daß die ursprünglich von der Fotokatode der Fernsehkamera kommenden Elektronen aus der Metallplatte Sekundärelektronen herausschlugen. Dieser Effekt wurde im Fotomultiplier umgesetzt, der die Sekundärelektronenemission zur Vervielfachung und damit zur Verstärkung der Emission der Fotokatode ausnützte. Schließlich konnten Fernsehbilder mit über 100 Zeilen und 30 Bildern pro Sekunde übertragen werden.
Im Mai 1929 ging aus dem ursprünglichen Laboratorium die Firma Farnsworth Television Inc. of California hervor. 1938 wurde die Farnsworth Radio and Television Corporation mit Hauptquartier in Fort Wayne, Indiana, gegründet. Farnsworth fungierte als Forschungsdirektor und setzte durch, daß die empfindlichen Röhren in einem Raum mit Klimaanlage gebaut wurden. Farnsworth, einer der „zehn herausragenden jungen amerikanischen Pioniere“ von 1941, hielt über 300 amerikanische und ausländische Patente auf dem Gebiet des Fernsehens, des Radars und der Elektronik. In späteren Jahren wandte er sich der Kernforschung zu. Er starb am 11. März 1971 und wurde in Provo begraben.
Elektronisches Fernsehen in Deutschland
Deutschland wurde von einem Mann namens Manfred von Ardenne ins vollelektronische Fernsehzeitalter geführt. Ardenne wurde am 20. Januar 1907 in Hamburg als Sohn eines Offiziers geboren. Er wuchs in Berlin auf und verließ das Realgymnasium ohne Abitur, obwohl „sein Wissen und Können in einigen Gebieten der Physik und Chemie über das Klassen-, ja Schulziel hinaus“ ging. Ardenne war frühreifer Erfinder, Elektronenröhren- und Fernseh-Pionier, Atomphysiker, Stalinpreisträger, Krebsforscher, Verjüngungsspezialist und nicht zuletzt routinierter Selbstdarsteller. Zu seinem 65. Geburtstag brachte er seine Biographie „Ein glückliches Leben für Technik und Forschung“ heraus und prophezeite selbstbewußt: „Auch nach Erscheinen meines Buches ist mit weiteren Forschungsergebnissen von mir zu rechnen.“ Sein Optimismus resultierte wahrscheinlich aus der Anwendung der von ihm konzipierten Veijüngungs- kur mit „02-Mehrschrittkapseln“.
Das „Genie aus Dresden“ (Ardenne war seit 1955 als Professor und Inhaber eines eigenen Forschungsinstitutes tätig) baute mit 14 Jahren seinen ersten Detektor-Empfänger, erlangte mit 16 sein erstes Patent, ein Verfahren zur Tonselektion, und konnte mit 18 auf seine erste Fachveröffentlichung über Widerstandsverstärker zurückblicken. Der erste große Wurf gelang ihm im Jahre 1925, nachdem er eine Arbeit von F. Aigner über die Notwendigkeit der Breitbandverstärkung für Fernsehen hoher Auflösung gelesen hatte.
Ardenne: „Sie stimulierte mich dazu, Siegmund Loewe das Konzept der Zweifachröhre mit zwei Doppelgitterröhrenstufen großer Steilheit, niederohmigen Kopplungsgliedern und sehr kapazitätsarmem Elektrodenaufbau vorzuschlagen. Das Resultat war die von der Loewe-Radio GmbH, Berlin, 1926 auf den Markt gebrachte Hochfrequenz-Zweifachföhre, der erste Breitbandverstärker mit einer Million Hertz Bandbreite.“ Der Zweifachröhre folgte bald darauf die Loewe-Dreifachröhre, die es zum ersten Male ermöglichte, eine Empfängertype in Millionenzahl zu bauen. Ardenne flössen aus diesem Röhren-Wurf „erhebliche“ Tantiemen zu, die er Anfang 1928 in den Erwerb einer Jugendstil-Villa in Berlin- Lichterfelde investierte.
Die Elektronenstrahlröhre mit Lichtsteuerelektrode
In der Lichterfelder Villa richtete Ardenne ein „Laboratorium für Elektronenphysik“ ein. Sein erstes dort erarbeitetes Konzept, die Radiohörer im Zentrum der Großstädte über eine Art Gemeinschaftsantenne, Breitbandverstärker und abgeschirmte Leitungen mit Rundfunk-Genuß zu versorgen, wurde ein Schlag ins Wasser. Durch einen zentralen Hochfrequenzverstärker hätten die häuslichen Rundfunkapparate radikal vereinfacht werden können. Ardenne nährte den finsteren Verdacht, daß die verantwortlichen Herren der Industrie eine wesentliche Verbilligung der Radios und damit einen Rückgang des Rundfunkgeschäfts befürchteten.
„Die Nichtbeachtung dieser für den Fortschritt der Nachrichtentechnik geleisteten Pionierarbeit durch die zuständigen Stellen verstimmte mich sehr“, schrieb der Erfinder. „Ich beschloß, mich sofort einer neuen Aufgabe solcher Art zu widmen, die von vornherein Diskussionen über Wert oder Unwert der Arbeitsergebnisse ausschloß. Dafür schien mir die Übertragung von Fernsehbildern mit Elektronenstrahlröhren geeignet zu sein. Fernsehbilder konnten auch die einflußreichsten Generaldirektoren und Reichsrundfunkkommissare nicht wegdiskutieren, waren sie doch für jedermann sichtbar und selbst für Laien von der Bildqualität her zu beurteilen.“
1929 nahm sich Ardenne zuerst die Elektronenstrahlröhre vor. Unterstützt von seinem „unvergessenen Glasbläser und langjährigen Mitarbeiter Emil Lorenz“ entwickelte er eine solche Röhre mit Glühkatode, stark negativ vorgespannter Lichtsteuerelektrode und Strahl-Cross-over für Anodenspannungen von etwa 3000 Volt. Gegenüber den bis dahin im Handel erhältlichen Elektronenstrahlröhren konnte die Leuchtfleckhelligkeit auf das über 200fache gesteigert werden. Ab dem Frühjahr 1930 stellte Ardenne in den Werkstätten seines Laboratoriums schließlich Elektronenstrahlröhren her, die synchronisierbare Kippschwingungen von regelbarer Frequenz zur Ablenkung des Elektronenstrahls lieferten. Er verkaufte seine Oszillografen in alle Welt, denn „für das Haus in Lichterfelde-Ost waren vierteljährlich unerbittlich sehr erhebliche Abzahlungen zu leisten“.
Vom Oszillografen zum Fernsehen
Die entscheidenden Großtaten bei der Geburt des deutschen elektronischen Fernsehens soll der Erfinder am besten selbst schildern. Er schreibt in seiner Autobiographie: „Anfang 1930 hatte ich schon durch ein Referat vor Fachleuten in Charlottenburg und durch einen Aufsatz in der Zeitschrift,Fernsehen1 auf die Vorteile der neuen Elektronenstrahlröhre mit negativ vorgespannter Lichtsteuerelektrode aufmerksam gemacht.“ (Ardenne versuchte übrigens auf der Funkausstellung von 1930 auch seinen englischen Kollegen Baird wortgewaltig davon zu überzeugen, daß allein dem elektronischen Fernsehen mit der Ardenneschen Elektronenstrahlröhre die Zukunft gehörte. Doch Baird blieb unbeeindruckt bei seinem mechanischen System, bis auch er sich dem Elektronenstrahl beugen mußte.)
Nach der Pleite mit dem verbesserten Rundfunkempfang wurde Ardenne „plötzlich klar, daß eigentlich im Lichterfelder Laboratorium fast alles betriebsbereit zur Verfügung stand, um einen ersten Versuch zur Übertragung von Diapositiven unter Verwendung der Elektronenstrahlröhre auf der Sende- und Empfangsseite vorzunehmen.
Die Fernsehversuchsanlage von Manfred von Ardenne aus dem Jahre 1932 besteht aus einem Gleichrichter (zweiter Kasten von links, unten), den Netzanschlußgeräten (linker Kasten und zweiter Kasten von links, oben), dem Doppelkippschwingungsgerät (rechts unten) und der Bildröhre. Dem damals 23jährigen Manfred von Ardenne gelang als erstem in Europa die elektronische Bildabtastung und -Wiedergabe. Die Anlage stammt aus dem Jahre 1932 und befindet sich heute im Museum für Verkehr und Technik in Berlin.
Die erste Fernseh-Filmübertragung mit Hilfe einer heute als „Flying-Spot-Scanner“ bekannten Abtasteinrichtung wurde 1931 zum erstenmal auf der Funkausstellung öffentlich in Betrieb vorgeführt.
Ich erklärte Emil Lorenz meinen Plan. Jene Begeisterung packte uns, die man nur manchmal und meist vor großen Ereignissen empfindet. In fieberhafter Eile entnahmen wir dem Fertigungslager zwei Elektronenstrahlröhren, stellten zwei Einrichtungen zur Erzeugung der Ablenkspannungen aus Bestandteilen des Niederfrequenz-Labors zusammen, brachten einen der Breitbandverstärker in Betriebsbereitschaft und entlehnten dem optischen Labor eine Linse hoher Lichtstärke und eine Fotozelle geringer Trägheit. Noch am gleichen Abend, am 14. Dezember 1930, hatten Emil Lorenz und ich ein entscheidendes Erlebnis. Ich hielt eine Schere vor den Schirm meines ,Leuchtfleckabtasters und sah tatsächlich, wie ihre Konturen am anderen Ende des Zimmers auf der Empfängerröhre erschienen. Wir wiederholten den Versuch mit einem Diapositiv und erzielten einen noch viel eindrucksvolleren Erfolg.“
Der Leuchtfleck-Abtaster
Prioritäten sind im „big business“ der Erfindungen äußerst wichtig, Terminvergleiche von entscheidender Bedeutung. Bei einem Treffen mit Zworykin, so Ardenne, habe er seinen Termin (14. Dezember 1930) mit den Prioritätsterminen des russischen Amerikaners verglichen und es habe sich herausgestellt, daß der Ardenne-Termin vor den Zworykin-Terminen lag. Die Zworykin-Vorführungen von 1923 und 1929 scheinen dabei unter den Tisch gefallen zu sein, ganz zu schweigen von den Farnsworth-Tests von 1927 und Campbell-Swintons genialen Vorschlägen von 1908. Der 14. Dezember 1930 war also bestimmt nicht die „Geburtsstunde des elektronischen Fernsehens“, wie Ardenne in seiner Biographie schreibt, sondern bestenfalls das erste vollelektronische Fernsehbild in Europa. „Der Leuchtfleck-Abtaster“, erinnert sich Ardenne, „der an diesem Tag von mir konzipiert und erstmalig experimentell realisiert wurde, ist später unter der englischen Bezeichnung „flying spot scanner“ zum vielbenutzten Element der Femseh- und Computer-Technik sowie der Elektronik geworden. "Sic transit gloria mundi" (Ruhm der Welt)
Dieser Ruhm gebührte Ardenne nicht allein. Abgesehen von den mechanischen Leuchtfleck-Abtastern wurde der elektronische „flying spot scanner“ erstmals 1923 von Zworykin in einer Patentschrift vorgeschlagen. Realisiert wurde er dann von Ardenne. Er bestand aus einer Braunschen Röhre, auf deren Schirm der Elektronenstrahl den fernsehüblichen Zeilenraster erzeugte. Der wandernde Leuchtfleck des Strahls wurde durch ein optisches Objektiv beispielsweise auf ein Diapositiv projiziert. Der Leuchtfleck wanderte also zeilenweise über das gesamte Bild. Hinter diesem Bild (Diapositiv oder Film) war eine Fotozelle angebracht, die die durchgelassene Lichtmenge des Leuchtpunkts je nach Bildhelligkeit in größere oder kleinere elektrische Signale umwandelte. Die Bildsignale wurden verstärkt und dem Fernseh-Empfänger zugeleitet.
Verbesserung der Bildqualität
Die Konturen einer Schere auf dem Leuchtschirm der Empfängerröhre gaben dem Team Ardenne/Lorenz gewaltigen Auftrieb. Ardenne: „Jetzt wurde es im Labor und in den Werkstätten aufregend. Wir experimentierten; gingen bei der Elektronenstrahlablenkung zu sogenannten Kippschwingungen (Anm.: elektrische Schwingungen etwa in der Form einer Sägezahnkurve) über, wandelten die Mechanik eines Kinoprojektors ab, machten viele Kontrollversuche, veränderten nach den gesammelten Erfahrungen die Elektrodensysteme unserer Elektronenstrahlröhren, probierten neue Fotozellen und Breitband-Verstärker. Und schließlich gelang im Frühjahr 1931 die Übertragung von Kinofilmen mit der damals von den Fernsehern auf mechanischer Gundlage gerade erreichten Bildqualität von 10.000 Bildpunkten, aber mit sehr viel größerer Bildhelligkeit.
Die öffentliche Vorführung dieser Anlage im Herbst 1931 auf der Berliner Funkausstellung wurde vierzig Jahre später in zahlreichen europäischen und amerikanischen Fach- und Tageszeitungen als ,Weltpremiere des elektronischen Fernsehens bezeichnet (Anm.: Dieses zusammen mit der Firma Loewe gezeigte 100-Zeilen-Schauspiel war die erste öffentliche Vorführung dieser Art auf der Welt. Die Amerikaner experimentierten lange Zeit im Verborgenen). Gegenüber dem Frühjahr 1931 hatten wir bereits dadurch eine wesentlich höhere Bildqualität erreicht, daß wir bei den Empfängerröhren mit achsialsymmetrischen Elektrodensystemen variabler Spannung die Fleckschärfe bei gleichzeitig herabgesetztem Vakuum verbessern konnten. Abbildungssysteme dieser Art sind einige Jahre später, nachdem des Fachgebiet Elektronenoptik herangewachsen war, als elektrostatische Immersionslinsen bezeichnet worden. Interessanterweise stand an dem Drehknopf unseres auf der Funkausstellung gezeigten Empfängers für die Potentialeinregelung der Voranode bereits die Bezeichnung ,Fleckschärfe“. Wir benutzten damals schon Elektronenlinsen ohne es zu wissen.“
Die Fernsehbilder laufen schneller
Wie schon erwähnt, setzte sich das elektronische Fernseh-Verfahren zunächst auf der Empfängerseite durch. Beim Sender ließ man noch in den dreißiger Jahren die Nip- kow-Scheibe oder ähnliche mechanische Abtaster rotieren. Bei der Fernsehröhre setzte sich das Bild aus vielen kleinen Bildpunkten zusammen, die in einer bestimmten Anzahl von Zeilen auf den Bildschirm geschrieben wurden. Diese Zeilenschreiberei ging so schnell, daß sie vom Auge nicht einzeln wahrgenommen werden konnte und als Gesamtbild gesehen wurde. Durch den Bildwechsel von 25 Bildern pro Sekunde lernten die Bilder laufen und täuschten Bewegungsabläufe vor.
Ardennes Bildschirm lieferte jetzt zwar helle und scharfe Fernsehbilder, aber dieser Vorteil brachte auch einen entscheidenden Nachteil ans Licht. Das Fernsehbild flimmerte nämlich, weil die 25-Hertz-Bildfrequenz nicht schnell genug war. Die Flimmerei ermüdete bei längerem Hinsehen das Auge, obwohl es zweifelhaft ist, daß die Fernsehsucht damals schon so weit fortgeschritten war. Der flimmerfreie Bildschirm, so zeigten Versuche, war erst bei 50 Bildern pro Sekunde erreichbar. Für diese Verdoppelung der Bildwechsel-Geschwindigkeit hatte der deutsche Physiker und Hochfrequenztechniker Fritz Schröter (1886-1973) eine ebenso einfache wie geniale Idee. Fritz Schröter wurde am 28. Dezember in Berlin geboren. In Lausanne und Berlin studierte er Naturwissenschaften und Mathematik und schuf als wissenschaftlicher Berater in der Elektroindustrie in den Jahren 1909 bis 1915 die Grundlagen einer Reihe von neuen technischen Anwendungen elektrischer Entladungen in Gasen. Anschließend war er Leiter der Studienabteilung der Julius Pintsch AG. und beschäftigte sich dort mit Glimmlampen, Gleichrichtern, Entladungsrohren besonderer Art und beleuchtungstechnischen Problemen.
1923 ging Schröter zu Telefunken und bearbeitete zusammen mit Karolus neue Gebiete der Hochfrequenztechnik, besonders der Bildübertragung und des Fernsehens. Er erkannte sehr früh, daß Fernsehübertragungen nur auf Ultrakurzwellen sinnvoll waren, und schlug 1929 drahtlose UKW- Richtfunkstrecken für eine zügige Verbreitung von Rundfunk und Fernsehen vor. Am 27. September 1930 erhielt er ein Patent auf das Zeilensprungverfahren (DRP 5Z4 805).
Zwei halbe Fernsehbilder: Zeilensprungverfahren
Schröter teilte das Fernsehbild in zwei Hälften. Er ließ den Elektronenstrahl beim ersten halben Bild alle ungeradzahligen Bildzeilen schreiben, das zweite Halbbild setzte er aus allen ganzzahligen Zeilen zusammen. „Auf diese Weise werden die Zeilen von beiden Halbbildern ineinander verschachtelt. Das Auge kann diesen Trick nicht wahrnehmen und addiert sie zu einem Bild. Diese Technik nennt man Zeilensprungverfahren. Sie ermöglicht einen Bildwechsel, oder genauer, einen Halbbildwechsel von 50 Hertz: 50 mal in der Sekunde wird auf dem Bildschirm ein halbes Fernsehbild sichtbar“ (Pütz). Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Alliierten für Deutschland ein Forschungsverbot ausgesprochen hatten, arbeitete Schröter in Paris und Madrid. Ab 1955 war er wieder freier wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Telefunken. Er starb am 11. Oktober 1973 in Ulm.
Nur kurz nach Schröter, am 22. Dezember 1930, ließ sich auch Manfred von Ardenne ein Zeilensprungverfahren patentieren. Er schrieb dazu: „Da bei unserer Anlage die Bildfrequenz unabhängig von der Zeilenfrequenz frei wählbar war, verwirklichte ich experimentell bei der Optimierung des Bildeindruckes fast automatisch das Zeilensprungverfahren, welches auch bei der heutigen Fernsehnorm zur Anwendung kommt.“ Die frühen Bildschirme hatten noch eine andere unangenehme Angewohnheit. Sie leuchteten nach, und das führte zu Verwischungen. Dieses Nachleuchtens nahmen sich später August Karolus und die Engländer Puckle und Bedford an.
Knalleffekt auf der Funkausstellung
Joseph Goebbels, Hitlers Werbe-Chef, hatte zunächst kein sonderliches Interesse an dem neuen Medium Fernsehen. Er propagierte die neue Technik zwar ab und zu, aber sein Propaganda-Ministerium sollte erst dann voll zum Einsatz kommen, wenn genügend Empfangsgeräte auf die deutschen Haushalte verteilt wären. Hitler hatte sich auf der zehnten Funkausstellung in Berlin 1933 seinen Rundfunk-„Volksempfänger“ angesehen, der künftig in Massenauflage produziert werden sollte, und auf seinem Rundgang auch dem stockdunklen Fernsehzelt einen Besuch abgestattet.
Beim Fernsehen werden 25 Bilder pro Sekunde übertragen. Jedes Bild ist aus zwei sogenannten Halbbildern zusammengesetzt. Dadurch ergeben sich 50 Helligkeitswechsel pro Sekunde und damit flimmerfreie Filme
Professor Fritz Schröter hatte maßgeblichen Anteil an der Umstellung des Fernsehbetriebs von mechanischen zu elektronischen Bildgebern, dem Einsatz der Braunschen Röhre für die Bildwiedergabe und der Ikonoskop-Kameras für die Bildaufnahme
Anfang der 30er Jahre spielten noch immer die mechanischen Bildschreiber eine Rolle. Die 1930 zum erstenmal vorgeführte Spiegelschraube der Telehor-AG war dadurch gekennzeichnet, daß streifenförmige, nebeneinander liegende spiegelnde Flächen wendeltreppenförmig verdreht angeordnet sind.
Kurz nachdem Hitler den Stand der Deutschen Reichspost verlassen hatte (nach einer anderen Version: kurz bevor er eben diesen Stand aufsuchte, implodierte dort mit explosionsartigem Knall eine 35-Zentimeter-Bildröhre. Glassplitter sollen dabei in den umgrenzenden Wänden steckengeblieben sein. Jedenfalls blieb Hitler dieser Zwischenfall erspart, seine „Vorsehung“ hatte wieder einmal andere Pläne. Augenzeugen versuchten sich auszumalen, wie seine Leibgarde aus schwerbewaffneten SS-Männern auf das Implosions-Geräusch reagiert hätte.
Die Ausstellungen meinten es zunächst nicht gut mit dem jungen Fernsehen. In den Abendstunden des 19. August 1935, zur Zeit der 12. Großen Deutschen Funkausstellung, brach in Halle 4 ein verheerendes Feuer aus. Sämtliche Ausstellungstücke, Empfänger, Abtaster, Sender, das Postlaboratorium und das Kabel vom Funkhaus der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft wurden ein Opfer der Flammen. Der Sendebetrieb hatte Zwangspause. Die Reichspost installierte in der Rognitzstraße ein neues Sendestudio und nahm den Programmbetrieb wieder auf, mit einer Fernsehansagerin und einem Filmabtaster. Ende 1935 wagte man sich sogar an erste Fernsehspiele.
In der Rognitzstraße stellten die Verantwortlichen damals einen merkwürdigen periodischen Wechsel in der Bildqualität der ausgestrahlten Sendungen fest. Manfred von Ardenne wollte dem ehemaligen Staatssekretär Kruckow 1935 eine besonders gute Fernseh-Demonstration liefern. Er berichtet: „Damals war uns aufgefallen, daß an Tagen des betreffenden Monats mit geradzahligem Datum eine hervorragende Bildqualität bestand und an Tagen mit ungeradzahligem Datum eine schlechte Bildqualität. Die Nachforschung ergab eine Korrelation mit dem Wechsel des Bedienungsteams. Kruk- kow wurde an einem Tag mit geradzahligem Datum eingeladen. An den Tagen mit geradzahligem Datum trimmte ein Telefünken- Ingenieur, Walter Bruch, der Jahre zuvor auch an unseren Lichterfelder Versuchen teilgenommen hatte, Bildgeber und Frequenzen ein. Er war der spätere Erfinder des PAL-Farbfernsehsystems.“
Die Firma Loewe zeigt den ersten Volks-Fernseher (350 Zeilen im Zeilensprungverfahren), aus dem dann 1938 gemeinsam mit anderen Firmen der „deutsche Einheitsfernseher“ entwickelt wird
Schon zu Beginn der 30er Jahre gibt es eine fast modern anmutende Serienfertigung des Empfängers FE der Firma Loewe
Auf der Funkausstellung 1938 bot die Firma Telefunken ihren neuesten Empfänger FE 6 an, oben die Innen-, unten die Außenansicht. Das Fernsehbild wurde auf einen Spiegel projiziert.
Innen- und Außenansicht des ersten fahrbaren deutschen Fernsehers.
Olympisches Fernsehen
1936 lud das nationalsozialistische Deutschland die Welt nach Berlin zur Olympiade ein. Bei dieser günstigen Gelegenheit spielte das vollelektronische Fernsehen eine Schlüsselrolle. Die wichtigsten Phasen der Spiele konnten live miterlebt werden, eine Neuheit für die Welt und ein Triumph für die Nationalsozialisten. Es gab zwar nur 50 private Fernsehgeräte, aber Interessenten konnten deutsche Tüchtigkeit in Fernsehstuben bewundern.
Für die Außenaufnahmen wurden Ikonoskop-Kamera, Farnsworth-Kamera und optische Kameras eingesetzt. Für die optischen Kameras hielt man einen Zwischen- filmwagen für sofortige Filmentwicklung in Bereitschaft. Die Elektronenkameras waren noch unhandliche Monsterapparate mit ungeheuren Brennweiten und miserabler Tiefenschärfe. „Die Ikonoskop-Kamera im Olympiastadion hatte mit eingesetztem Teleobjektiv eine Länge von 2,20 Meter, wobei das Objektiv einen Durchmesser von 40 Zentimeter hatte und allein 45 Kilogramm wog. Drei Männer waren zur Bedienung der Kamera notwendig“ (Schadwinkel). Bei dieser olympischen Gelegenheit wurde auch ein Ikonoskop eingesetzt, das W. Heimann ohne amerikanisches Vorbild entwickelt hatte. Drei Jahre lang arbeitete der Berliner Fernsehsender mit 180 Bildzeilen und 25 Bildwechseln pro Sekunde. 1938 wurden 441 zeilen und das Zeilensprungverfahren zur deutschen Femsehnorm erklärt.
Zwar begann im selben Jahr die Gemeinschaftsentwicklung eines Einheitsfernsehempfängers mit kurzer Röhre (u.a. Telefunken, Fernseh-AG, Blaupunkt), und 1939 wurde ein Telefunken-Prototyp mit der ersten Rechteckbildröhre der Welt auf der Funkausstellung gezeigt, aber für Propagandazwecke konnte das Fernsehen nicht mehr eingesetzt werden. Für den Sprung in die deutschen Haushalte war es zu spät. Nur 500 Volksfemseher (genauer: Deutscher Einheits-Femseh-Empfänger E 1; er hatte eine Rechteckbildröhre von 22,5 mal 19 Zentimeter und sollte nur 650 Reichsmark kosten) verließen das Fließband. Dann setzte der Krieg dem Tele-Vergnügen vorerst ein Ende. Die weitere Fernsehentwicklung kam unter militärische Obhut. Für die Luftaufklärung wurde sogar eine Anlage mit sensationellen 1029 Bildzeilen getestet, eine Auflösung, die seit etwa 1985 unter dem Stichwort HDTV (High Definition Television, „Hochzeilenfernsehen“) Schlagzeilen machte. Die Fernseh AG (später Fernseh-GmbH) entwickelte während des Krieges für die Fernsehkamera eine Art elektronischen Sucher für den Kameramann in Form einer kleinen, etwa sechs Zentimeter durchmessenden Bildröhre. Ein ausgeklügeltes Netz von Sendetürmen und Breitbandkabelstrecken durchzog bereits ganz Deutschland, aber nach Kriegsende lagen auch die vielversprechenden Fernseh-Anfänge in Schutt und Asche.
Der Neubeginn mit 625 Zeilen
Nach Kriegsende standen zwischen dem deutschen Runkfunk und einem Neuaufbau des Fernsehrundfunks zunächst die Besatzungsmächte. Eine Fernseh-Entwicklung war von unzweifelhaft militärischer Bedeutung und deshalb verboten. Als die Sieger die Restriktionen allmählich aufhoben, setzten sich im September 1948 führende deutsche Fernsehtechniker in Hamburg zusammen. „Der totale Neubeginn erlaubte es, ohne Rücksicht auf vorhandene Einrichtungen eine optimale Lösung auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse anzustreben“ (Rindfleisch). Die deutsche Femseh-Norm wurde auf 625 Zeilen (nach dem Schweizer Ingenieur Walther Gerber) festgelegt, die meisten europäischen und viele überseeische Länder schlossen sich (bisweilen mit geringfügigen Abweichungen) dieser Norm an.
Der Neubeginn des deutschen Fernsehens wurde in einem alten Hochbunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld eingeläutet. Dort wurden unter recht einfachen Bedingungen neue Sende- und Empfangseinrichtungen zusammengebastelt. Während in England die BBC 1948 schon die ersten Olympischen Spiele nach dem Krieg aus dem Wembley-Stadion übertrug, während das französische Fernsehen 1949 wieder die erste Nachrichtensendung „Journal Televise“ ausstrahlte und in den USA die ersten offiziellen Farbfernseh-Versuchssendungen liefen, kämpften deutsche Fernsehtechniker in Hamburg mit den „hardware“- Versorgungsengpässen der Nachkriegszeit. Trotzdem entstanden im Heiligengeistfeld-Hochbunker schließlich die ersten beiden Fernsehstudios, Sendeantennen und Parabolspiegel wurden auf dem Dach installiert.
Am 5. August 1950 wurde in München die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) gegründet. Nur rund sechs Wochen später, am 25. September, strahlte Hamburg die ersten Programmsendungen aus. Ab dem 25. Dezember 1952 stiegen neben Hamburg die über Richtfunk angeschlossenen Sender Hannover, Langenberg und Köln ins regelmäßige Publikums- Femsehen ein. Von dem Zeitpunkt an ging es mit Riesenschritten und ausgeklügelten Richtfunkstrecken weiter. „In der Studiotechnik“, erinnerte sich Hans Rindfleisch, „verfügte der Fernsehrundfunk bereits bei seinem Start Ende 1952 mit dem Riesel-Ikonoskop über eine hervorragende elektronische Kamera. Der deutschen Industrie gelang es, schon nach wenigen Jahren eine führende Position in der Fernsehstudiotechnik zu erringen.“
Die Fernsehempfänger für die Wohnstube hatten zu Beginn der fünfziger Jahre ihren Preis: rund 1300 DM mußten für ein Tischgerät, über 2000 DM für eine Fernsehtruhe hingeblättert werden. Ende 1957 hatte die Zahl der Fernsehteilnehmer die Millionengrenze erreicht. Qualität, Lebensdauer und Bedienungskomfort der Empfänger stiegen mit dem technischen Fortschritt der sechziger Jahre, die 61er Bildröhre wurde zum Prestigeobjekt. Auf der Berliner Funkausstellung 1961 stellte Philips den ersten Eidophor-Großbildprojektor mit einem Bildformat von acht mal zehn Metern vor, der aus den Karolus-Anlagen entwickelt worden war. Als 1963 das ZDF in das Fernseh-Spiel einstieg, mußte die Industrie für neue Fernsehempfänger sorgen. Schließlich ließ sich nicht nur auf das ZDF umschalten, sondern in weiser Voraussicht waren in den Geräten auch weitere Kanäle bereits vorgesehen. Wieder eine neue Dimension und Verdienstmöglichkeit für die Industrie wurde 1967 mit dem Beginn des Farbfernsehens erreicht. Die Zahl der Fernsehteilnehmer stieg weiterhin stürmisch an: für den Fersehapparat war ja Raum auch in der kleinsten Hütte.
Die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin brachten die erste große Bewährungsprobe Hjdes neuen Mediums Fernsehen und machten es mit einem Schlag populär. Zum erstenmal wurde ein gigantisches Sportereignis Zuschauern außerhalb der Sportstätten direkt per Ton und Bild vermittelt - eine technische und organisatorische Meisterleistung.
Das erste Mischpult des Deutschen Fernsehens. Es leistete bei der Übertragung der Reportagen von den Olympischen Spielen in die Fernsehstuben große Dienste. Es war noch alles sehr primitiv, dennoch begann damals der große Triumphzug des Fernsehens.
Vier Jahre später führte man als eine Art Ersatzolympiade im Olympiastadion in Berlin die „Kriegsmeisterschaften“ durch, die gleichfalls von einem Fernsehteam aufgenommen wurden.
Für die elektronische Fernsehkamera nach dem System Farnsworth standen 1936 wahlweise drei Objektive von 25, 90 und 160 cm Brennweite zur Verfügung. Das 160 cm Objektiv hatte einen Linsendurchmesser von 40 cm und wog 45 kg.
Die Kamera hatte ihren Platz etwa 10 Meter von der Ziellinie der Laufbahn, der Abstand der aufzunehmenden Fernsehobjekte betrug im Höchstfall 150 Meter. Der Kameramann konnte über einen Winkelspiegel das aufzunehmende Bild beobachten und scharf einstellen
1936 kam auch die erste Projektionsröhre für Großprojektionen zum Einsatz
Wie in allen anderen Zeitungen und Zeitschriften der von Goebbels gelenkten Presse war 1935 auch in der Programmzeitschrift „Der Deutsche Rundfunk“ die Fernseh-„Kanone“ neben den Sportereignissen ein Hauptthema
Solche Fernsehkameras der Firma Fernseh-GmbH, bestückt mit fünf Objektiven unterschiedlicher Brennweite auf einem Drehkranz montiert, wurden von den deutschen Fernsehsendern der Nachkriegszeit verwendet.
Im Luftschutzbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg nahmen die ersten deutschen Fernsehstudios nach dem Zweiten Weltkrieg Versuchssendungen auf.
Die Technik war noch bescheiden, dennoch sehr leistungsfähig: ein Dreifachmischpult des Deutschen Fernsehens aus dem Jahre 1953.
Noch ging es überall sehr eng zu und es mußte viel improvisiert werden: in den ersten Fernsehstudios der Bundespost in Berlin-Tempelhof.
Geradezu rührend familiär: Fernsehpremiere in Hamburg mit dem „Vorspiel auf dem Theater“ aus Goethes Faust, 1951
1952 sendete der Nordwestdeutsche Rundfunk ein Weihnachtsspiel „Stille Nacht, heilige Nacht“ für die damals noch sehr wenigen Zuschauer, die Fernsehen empfangen konnten.
Fernsehen in England
Auf der britischen Insel hatten unterdessen die „Electric and Musical Industries“, kurz EMI, eine Fernseh-Forschungsgruppe ins Leben gerufen. Sie nahm 1931 unter der Leitung von Isaac Shoenberg, später Sir Isaac, „einem dynamischen und weitsichtigen Mann mit langer rundfunktechnischer Erfahrung“, die Arbeit auf. Shoenberg (1880-1963) wurde am 1. Marz im russischen Pinks geboren und baute in Rußland die ersten Funkstationen, bevor er 1914 nach England emigrierte. Dem EMI-Team gehörten unter vielen anderen J. D. McGee, W. F. Tedham, A. D. Blumlein und L. F. Broadway an. Sie schufen bis 1935 ein komplettes elektronisches Fernseh-System. Im Frühjahr 1934 konnten sie mit einem verbesserten Ikonoskop, „Emitron“ genannt, aufwarten. Sie entwickelten eine Hochvakuum-Katodenstrahlröhre für den Empfänger und alle dazugehörenden elektronischen Schaltungen. Shoenberg war sich darüber im klaren, daß dem feinzeiligen Fernsehen die Zukunft gehören würde. Er peilte Anfang 1935 405 Bildzeilen bei 50 Halbbildern mit Zeilensprung pro Sekunde an.
Am 2. November 1936 konnte die BBC vom Alexandra Palace in London aus der Welt erstes feinzeiliges elektronisches Fernsehsystem vorführen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das Eröffnungsprogramm begann mit einer Rede des BBC- Chefs, die Sängerin Adele Dixon gab ein Lied zum besten und zwei amerikanische Tanzkomödianten boten ihre Künste dar - bei 50 Halbbildern pro Sekunde. Die Briten begründeten ihren Prioritätsanspruch damit, daß in England bereits feinzeilige Fernsehempfänger auf dem Markt waren, wobei feinzeilig mit „mindestens 100 Zeilen“ definiert war. 17 Modelle von zehn verschiedenen Herstellern wurden angeboten, das erste Gerät soll der „Baird T5“ gewesen sein. Während des Zweiten Weltkriegs hatten die Briten bereits Pläne für einen großzügigen Ausbau des Fernsehnetzes vorbereitet. Deshalb konnten sie nach dem 8. Mai 1945 als erster europäischer Staat ihr Programm wieder anlaufen lassen. 1949 bauten die englischen Fernsehleute bei Sutton-Coldfields mit 35 Kilowatt und einem 243 Meter hohen Gittermast den stärksten Fernsehsender der Welt. Bald saßen rund 200.000 englische Familien vor dem Bildschirm.
Fernsehen in Frankreich
In Frankreich hatte sich Barthelemy mit seinen Mitarbeitern Kamblot und Strelkoff nach seinen mechanischen Fernsehversuchen mittlerweile der elektronischen Mattscheiben-Version zugewandt. „Und hierbei wurde sein genialer Vorschlag, Videosignal und Synchronimpulse auf der gleichen Trägerwelle in scharf trennbaren Amplitudenbereichen zu übertragen, grundlegend für die moderne Fernsehtechnik der ganzen Welt“, urteilte Bruch. „Er war kein "Edelbastler", wie ihn einer seiner jungen Mitarbeiter dreist tituliert hat, wenn er auch wie alle Pioniere jener Jahre bastelnd anfangen mußte.“
Auf der Weltausstellung von Paris 1937 wurde erstmals vollelektronisches 455-Zeilen-Femsehen ä la Frankreich gezeigt. Nach dem Weltkrieg hatten die Franzosen den Ehrgeiz, das beste Television-System der Welt auf die Beine zu stellen. Drei Systeme standen zur Auswahl: J. Delvaux von der Cie. Franfaise Thomson-Houston setzte auf sein 729-Zeilen-System; Henry de France von La Radio Industrie, der später das französische SECAM-Farbfernseh-System entwickelte, überbot mit 819 Bildzeilen; und Barthelemy von der Compagnie des Compteurs schoß mit 1029 Zeilen den Vogel ab. Doch die Fernseh-Verantwortlichen Frankreichs entschieden sich für den Mittelweg von de France. Am 2. November 1948 wurde per Regierungsdekret das 819-Zeilen-System eingeführt. Unter staatlicher Kontrolle bauten die Franzosen mit Riesensummen auf dem linken Seineufer am Quai d’Orsay das modernste Fernsehstudio der Welt. Über die Sendeantenne auf der Spitze des Eiffelturms wurden bald die ersten Sendungen abgestrahlt, außer Reportagen, Opern und Kabarett sogar eine tägliche Fernsehzeitung, nicht zu vergessen Übertragungen aus berühmten Pariser Nachtlokalen.
England wollte sich nicht von seinen 405, Frankreich nicht von seinen 819 Bildzeilen trennen. Beide brachten das Argument: „Es sind schon zu viele Empfänger in Betrieb. Eine Umstellung würde Millionen kosten.“ Aus einem bildzeilen-vereinigten Europa wurde also nichts. Italien, Holland, Belgien, Dänemark, Schweden, Österreich, Rußland und die beiden Deutschlands hatten sich auf 625 Bildzeilen festgelegt. Ein Philips-Normenwandler löste das Kompatibilitätsproblem.
USA: Die zwei Stadien des Fernsehens. Ende des Jahres 1932 strahlten in den Vereinigten Staaten schon 35 Versuchsstationen Fernsehsendungen aus, doch nur die New Yorker Station W2XAB sendete ein regelmäßiges Programm. Die RCA baute 1935 einen Sender mit Antenne auf dem Dach des Empire State Building.
Fernsehreportagen waren anfangs nur durch den 1934 von der Fernseh-AG entwickelten „Zwischenfilmgeber“ möglich. Man mußte dabei das zu übertragende Ereignis zuerst auf Film aufnehmen und konnte es erst danach abtasten und senden. Die Pause zwischen der Aufnahme des Films und seiner Übertragung durch den Fernsehsender konnte soweit verringert werden, daß praktisch eine „Live-Übertragung“ zustandekam.
Der Zwischenfilmgeber aus den Jahren 1935/1936
Die Entwicklungsbäder des Filmgebers
Innenansicht des Zwischenfilmgebers.
Während in Deutschland durch den Zweiten Weltkrieg die Entwicklung des Fernsehens für Jahre ins Stocken geriet, herrschte in den USA bereits regelrechtes Fernsehfieber: Wie stark bereits damals Alltag und Familienleben durch das neue Medium geprägt waren, zeigen diese Comics aus den 40er Jahren
Schon vor 40 Jahren neuer Familienmittelpunkt: der Fernsehapparat - die negativen Folgen für die zwischenmenschliche Kommunikation konnte damals allerdings noch niemand absehen.
Doch der Startschuß für das öffentliche Fernsehen fiel erst am 30. April 1939 auf der New Yorker Weltausstellung. Unter der Teilnahme von Präsident Roosevelt weihten die Radio Corporation of America und die National Broadcasting Company das US-Fernsehen ein. Ganze 150 Fernsehempfänger mit 22 mal 30 Zentimeter großem Bildschirm konnten den New Yorkem das Jahrhundertereignis nahebringen. Doch die 441 Zeilen-Bilder rissen niemanden vom Stuhl. Die Klage von Augenzeugen lautete: „Erstens sind die Bilder zu klein, zweitens sind die Gesichter nicht deutlich zu erkennen, da der Aufnahmeapparat zu weit entfernt steht. Man wußte, um was es sich handelte, daher verstand man die Bilder: mehr wurde und konnte nicht geboten werden.“
Als die USA in den Krieg zogen, stoppte das National Defense Communication Board den gesamten Fernsehempfängerbau, um die Kapazitäten für wichtigere Dinge als Unterhaltungselektronik frei zu bekommen. Das US-Fernsehen zog sich wieder in die Laboratorien zurück. Ende der vierziger Jahre, so eine amerikanische Technikgeschichte, „schrie das Publikum nach Fernsehgeräten“. 1945 rührten geschäftstüchtige Manager amerikanischer Rundfunkstationen die Werbetrommel mit dem Slogan „Das Fernsehen steht vor der Tür“. Und vor der Tür blieb es noch eine Weile, denn Sende- und Empfangsröhren hatten noch ganz erhebliche Mängel: Bilder lösten sich in „Schneegestöber“ auf, ein Darsteller war plötzlich dreimal vorhanden und bei einem Football-Spiel tummelte sich die doppelte Anzahl von Spielern auf dem Feld. 1946 wurden immerhin schon 6.000 Empfänger verkauft. 1947, nachdem die Geräte verbessert und ihre Bedienung narrensicher gemacht worden war, konnten die Firmen immerhin 210.000 Geräte absetzen.
Mit einem 525-Zeilen-Bild erreichte die amerikanische Sendetechnik bald einen beachtlichen Standard, aber die hohen Sendekosten knabberten unerbittlich am Budget der Stationen. Die Programme erfreuten sich keiner staatlichen Unterstützung und mußten deshalb kommerziell, also durch Werbung, genutzt werden. Das führte dann etwa zur folgenden interessanten Sende-Aufteilung, wie ein Fernseh-Chronist beobachtete: „So sind die Amerikaner daran gewöhnt, wenn bei einer Opernübertragung Othello plötzlich verschwindet und ein Mann auf dem Bildschirm erscheint, sich ein Würstchen in den Mund schiebt und verzückt die Augen verdreht: ,Hm, wie das schmeckt. Essen auch Sie Armours Würstchen.4 Dann darf Othello weitersingen. Bis er wieder von einem anderen "commercial" (so nennen die Amerikaner die Reklamesendungen) unterbrochen wird, in dem zum Beispiel eine stämmige Hausfrau vorfuhrt, wie man mit Krafts ,Schneepulver / Schlagsahne schlägt.“ Mitte der fünfziger Jahre waren etwa 27 Millionen amerikanische Heime mit Fernsehgeräten ausgerüstet. In manchen Städten, so wird behauptet, gab es mehr Rundfunk- und Femsehstationen als Zeitungen.
Schon 1950 brachten 109 Fernsehhersteller über 500 verschiedene Empfängertypen heraus, die von 124 Sendern versorgt werden konnten. Die Amerikaner machten die Erfahrung, das sich die Fernseh-Entwicklung einer Nation in zwei Stadien unterteilen ließ. Erstes Stadium: man möchte das Fernsehen haben; zweites Stadium: man beklagt sich darüber. 1950 waren die USA bereits im zweiten Stadium. In der Bundesrepublik Deutschland ergab sich dieselbe Entwicklung, nur zeitlich um ein bis zwei Jahrzehnte versetzt. Doch die kritische Auseinandersetzung nahm heftigere, oft ideologisch gefärbte Formen an.
6. Die Entwicklung der Fernsehkameras
Wenn man Karl Korn glauben darf, dann hat die Fernsehkamera neuartige Gelüste der Selbstdarstellung ins Leben gerufen, neuartig zumindest, was die Wahl des technischen Hilfsmittels betrifft: „Die Sucht“, behauptet er, „einmal im Leben vor eine Kamera zu kommen und davor zu posieren, ist ja wohl die stärkste Leidenschaft in unserer an Passionen armen elektronischen Epoche.“ Amerikanische Präsidentschaftskandidaten müssen lernen, vor der Kamera gewinnend, jungenhaft oder vertrauenerweckend zu lächeln oder zu grinsen, Studiogästen gefriert das Lächeln im Gesicht, wenn sie merken, daß die Kamera auf sie gerichtet ist, und weniger schüchterne Laien-Fernsehdarsteller winken in solchen Augenblicken ihrer Oma daheim vor dem Bildschirm.
Kaum war das neue Medium geboren, gab es auch schon „Television“, der Welt erste Fernsehzeitschrift - natürlich in den USA
Bereits in den 40er und 50er Jahren war die Massenproduktion unterschiedlichster Fernsehempfänger-Modelle in den USA angelaufen, wie diese Katalogseite der Firma „Marconiphone“ manifestiert
Mit dem Einsatz der elektronischen Kameras bei den Olympischen Spielen in Berlin konnte auch das sogenannte Mischpultverfahren erprobt werden. Alle Kameras lieferten gleichzeitig ein Bild. Alle aufgenommenen Bilder wurden in den Kontrollraum übertragen, und der Regisseur an seinem Mischpult konnte entscheiden, welche Aufnahmen von welcher Kamera gesendet werden sollten. Bei manchen Sportveranstaltungen griffen die Fernsehleute auch schon in ihre Trickkiste. Vor einem Avusrennen beispielsweise wurde der Rennwagen von Bernd Rosemeyer ins Studio verfrachtet und mit viel Zeit und unter ausgezeichneten Lichtverhältnissen ein Reifenwechsel gefilmt. Als beim Rennen selbst dann auf der Bahn gähnende Leere herrschte und kein Wagen an einer der Kameras vorbeirauschte, wurde über einen Abtaster der Filmstreifen eingeblendet, und Auto-Union-Monteure wechselten in hektischer Betriebsamkeit die Reifen.
Zworykin und das Superikonoskop
Zweifellos konnte die Bildaufnahmetechnik mit dem Ikonoskop einen beachtlichen Fortschritt verzeichnen. Seine Lichtempfindlichkeit ließ allerdings zu wünschen übrig, und so unternahm Zworykin im RCA-Elektronik- Forschungslabor erhebliche Anstrengungen, das ursprüngliche Ikonoskop zu verbessern. Zusammen mit seinen Mitarbeitern Harley lams und George Morton entwickelte er bis 1939 das „image iconoscope“, das Superikonoskop. Dabei wurde von Farnsworths „image dissector“ zusammen mit dem ersten Wort des Namens auch der Bildwandler übernommen. Kombiniert mit der Speicherplatte des Zworykin-Ikonoskops ergab das ein Superikonoskop, bei dem Fotokatode und Ladungsspeicher getrennt waren.
Das Bild wurde auf die durchscheinende Fotokatode projiziert. Die dadurch ausgelösten Fotoelektronen erführen durch eine hohe Anodenspannung eine starke Beschleunigung und prallten, durch eine magnetische Linse gebündelt, mit großer Wucht auf die Mosaikplatte (Speicherplatte). Durch die Wucht des Aufpralls wurden nun aus der Speicherplatte Sekundärelektronen herausgeschlagen, und zwar von jedem Fotoelektron mehrere. Dadurch ergaben sich bei dem erzeugten Ladungsbild auch höhere Speicherenergien, und das wiederum bedeutete eine zehnmal größere Empfindlichkeit gegenüber der ersten Fassung des Ikonoskops.
Zworykin blieb bis 1954 bei RCA und ging dann in den Ruhestand. Seine Leistungen wurden mit zahlreichen Ehrungen bedacht. Ein Begleitschreiben zur „Goldmedaille für besondere Leistungen“ des „Poor Richard Club“ faßte sein Lebenswerk folgendermaßen zusammen: „Er ist ein Mann, dessen Arbeiten auf dem Gebiet der Elektronenforschung dafür verantwortlich sind, daß das Fernsehen sich von einem Laborexperiment zu einer dynamischen Macht im Rahmen des amerikanischen Lebens entwickelt hat. Ein Mann, der dazu verhalf, neue Möglichkeiten auf den Gebieten der Unterhaltung, Erziehung, Nachrichtenübermittlung und öffentlicher Mitteilungen zu eröffnen und eine vollkommen neue Industrie in echt amerikanischer Tradition zu gründen.“ Zworykin starb am 29. Juli 1982 in Princeton. Er gehört zu den sicherlich nicht allzu zahlreichen Erfindern, deren Arbeit noch zu Lebzeiten gebührend gewürdigt wurde und in die Annalen der Technik einging.
Der langsame Elektronenstrahl: Orthikon und Superorthikon
Das Superikonoskop wurde auch in anderen Ländern entwickelt und erfuhr eine große Verbreitung, ln Deutschland stellte Richard Theile (1913-1974) eine Spezialausführung des Superikonoskops mit Elektronenberieselung vor. Es wurde lange Zeit in Schwarz- weiß-Femsehkameras eingesetzt. Theile beschäftigte sich seit 1930 mit der Fernsehentwicklung und wurde 1960 Direktor des Instituts für Rundfunktechnik an der TU München. Im selben Jahr, als das Ikonoskop „super“ wurde, 1939, beschrieben Harley lams und Albert Rose bei RCA bereits eine noch bessere Kameraröhre, mit der auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen noch recht gute Bilder übertragen werden konnten. Sie nannten ihren Bildzerleger „Orthikon“. Er ähnelte dem Ikonoskop, benutzte aber zur Abtastung der Speicherplatte einen langsamen Elektronenstrahl.
In einem luftleeren zylindrischen Glaskolben befand sich auf der Aufnahmeseite eine dünne und durchsichtige Isolierplatte, die auf der Vorderseite mit einem durchscheinenden Silberbelag, auf der Rückseite mit dem fotoelektrisch wirksamen Mosaikbelag beschichtet war. Die Belichtung der Mosaikschicht erfolgte durch den Silberbelag und die Isolierplatte hindurch. Das Ladungsbild entstand wie gehabt dadurch, daß die einzelnen Mosaikteilchen mit dem Silberbelag kleine Kondensatoren bildeten, die durch den langsamen Elektronenstrahl einer gegenüberliegenden Elektronenkanone entladen wurden. Außerdem entwickelten Iams und Rose neue Methoden der Strahlfokussierung und -ablenkung durch Magnetfelder. Lange Zeit war das Orthikon die beste Aufnahmeröhre, die zur Verfügung stand. Doch 1945 erhielt auch sie mit dem Superorthikon eine Steigerungsform. Nur einer aus dem alten Orthikon-Team, Albert Rose, war noch an dieser Entwicklung beteiligt. Die anderen Mitschöpfer waren Paul K. Weimer und Harold B. Law.
Wie schon beim Ikonoskop wurde eine Vereinigung mit einem Bildwandler vorgenommen. Doch diesmal kam noch ein Elektronenvervielfacher hinzu und steigerte die Empfindlichkeit so erheblich, daß angeblich Aufnahmen bei Vollmond oder beim Schein einer einzigen Kerze möglich wurden.
Einzug der Halbleiter: Vidicon
Die Fernsehaufnahmeröhren vom Ikonoskop bis zum Superorthikon bedienten sich des Fotoeffekts, genauer des „äußeren Fotoeffekts“. Die Energie eines Photons oder Lichtquants teilte sich dabei dem Elektron eines Atoms des bestrahlten Festkörpers (der Fotozelle) mit. Ist die Energie des Photons groß genug, daß das Elektron aus seinem Bindungszustand losgelöst und durch die Oberfläche des Festkörpers in die umgebende Luft oder, wie bei der Kameraröhre, in ein Vakuum herausgeschleudert wird, dann wird das mit dem Terminus „äußerer Fotoeffekt“ beschrieben. Aus dieser Präzisierung läßt sich schließen, daß es wahrscheinlich auch einen „inneren Fotoeffekt“ gibt. Er wird auch als Halbleiterfotoeffekt bezeichnet. Dabei werden im Inneren des Halbleiters Elektronen zur Elektrizitätsleitung freigesetzt, das heißt, sie werden durch die Energie der Photonen aus dem Valenzband ins Leitungsband angehoben. Dieser Effekt wird beispielsweise bei Fotowiderständen ausgenützt und natürlich auch bei einer neuen Generation von Femsehaufnahmeröhren.
Die Halbleitertechnologie hielt im Jahr 1949 in der Fernsehtechnik ihren Einzug. Wieder kam der Innovations-Schub aus dem RCA- Labor. Der Miterfinder des Superorthikons, Paul Weimer, war wieder mitbeteiligt. Ihm standen Stanley Forgue und Robert Goodrich zur Seite. Und was sie der Fernseh-Welt vorstellten, war eine kleine, kompakte Kameraröhre mit Namen „Vidicon“. Sie arbeitete ähnlich wie das Orthikon mit einem langsamen Elektronenstrahl zur Abtastung der Speicherplatte, nur entstand das elektrische Ladungsbild in einer Halbleiterschicht mit innerem Fotoeffekt. Bei normalen Lichtverhältnissen, ob Tageslicht oder Kunstlicht, erzielten die Fernsehleute eine recht gute Bildqualität. Störend machte sich allerdings die Trägheit des Vidicons bemerkbar, die sich in einem Nachzieheffekt, Lichtfahnen bei hellen Bildinformationen und schnellen Schwenks äußerte. Abhilfe brachte eine Entwicklung aus den Niederlanden.
Der Wiederbeginn des Fernsehens in Deutschland war schwer. Eine Amateurkamera, von Hans Hewel noch vor 1945 zum Teil aus Konservendosenblech gebaut, war das einzige, was man in dem rund 20 Quadratmeter großen „Studio“ im ehemaligen Luftschutzbunker einsetzen konnte
Anderthalb Jahrzehnte später verfügte das Fernsehen selbstverständlich über einen ganzen Park damals modernster Aufnahmekameras, wie hier im WDR- Fernsehstudio K, 1965
Fernsehkamera (oben von außen, darunter Innenansicht) aus dem „Orthikon Kamerazug K 4010“ der Fernseh-GmbH Darmstadt aus dem Jahre 1958
Die Wunderröhre von Philips: Das Plumbicon
Waren die Vereinigten Staaten die Führung bei der Entwicklung von Fernsehkameras beinahe schon gewohnt, so mußten sie sich am 14. Oktober 1965 eines besseren belehren lassen. An diesem Tag schrieb der US-Fernsehkritiker Jack Gould in der „New York Times“: „In zwei Sendungen des Columbia Broadcasting System, der Red Skelton- und der Ed Sullivan Show, wurde man dieser Tage Zeuge eines erstaunlichen Fortschritts des Farbfernsehens. In den genannten Programmen verwendete CBS erstmalig neue Kameras, die von dem Elektronik-Konzern Philips entwickelt wurden. Die Farbübertragung war so perfekt und das Fehlen greller Farben sowie die Stabilität der Farbwiedergabe so auffällig, daß viele Zuschauer verblüfft waren und sich wunderten, wieso dies ohne Nachregulierung am Farbgerät möglich sei. Die farbengetreue Wiedergabe war viel besser als alles, was wir bisher auf unseren Bildschirmen wahrnehmen konnten.“ Soweit also ein Kommentar zur öffentlichen US-Premiere einer neuen Aufnahmeröhre namens „Plumbicon“.
Dem Prinzip nach arbeitete diese Röhre wie das Vidicon, also mit dem Halbleiterfotoeffekt. Den Namen erhielt sie durch ihre lichtelektrisch leitende Schicht aus mikrokristallinem Bleioxid (lateinisch plumbum = Blei). Vidicon-Röhren arbeiteten demgegenüber beispielsweise mit Antimontrisulfid. Nach über zehnjähriger Forschungsarbeit stellte Philips in den Niederlanden das Plumbicon zu Anfang der sechziger Jahre vor. Es zeichnete sich durch hohe Empfindlichkeit und einen geringen Nachzieheffekt aus. Außerdem war der sogenannte Dunkelstrom gering, das heißt, das Bild war sehr kontraststark. Auch bei völliger Dunkelheit bildete sich auf der Speicherplatte der Aufnahmeröhre ein geringer Signalstrom, wodurch ein optischer Schwarzwert in einen elektronischen Grauwert umgesetzt wurde. Je größer dieser Signalstrom oder Dunkelstrom war, desto stärker wurden Schwarztöne in Grautöne umgewandelt und desto weniger Kontrast zeigte das Bild.
Das Plumbicon setzte nicht nur beim Schwarz-Weiß-Fernsehen neue Maßstäbe, sondern, wie aus dem Gould-Kommentar hervorgeht, auch bei der farbigen Fernseh- Variante. Dabei wurde durch einen Prismenblock das Bild in die Farbkomponenten Rot, Grün und Blau zerlegt und das aufgeteilte optische Bild durch drei Plumbicon-Röhren in elektronische Signale umgewandelt.
Fernsehen aus dem Weltraum
Am 2. Juni 1966 landete eine amerikanische Raumsonde sanft auf dem Mond, im „Ozean der Stürme“, beim Krater Flamsteed. Es war der 955 Kilogramm schwere „Surveyor“. 27 Kilogramm der Gesamtmasse beanspruchte das Kamerasystem, bei dem ein Vidicon gemischter Bauweise eingesetzt wurde. Besondere Probleme bereiteten den Technikern die extremen Temperaturverhältnisse auf dem Erdtrabanten mit Schwankungen zwischen plus 100 und minus 150 Grad Celsius. „Einige der durch die sehr tiefen Temperaturen entstehenden Probleme bestanden im Abblättern der Lichtleitschicht auf der Innenseite der Vidicon-Stirnplatte und in den physikalischen Veränderungen in der Beschaffenheit und Lage der inneren Metallgitter. Erschütterungen bei Abschuß und Landung steuerten weitere Probleme bei“ (Walter Bruch).
Die große und kleine Plumbicon-Röhre waren eine Weiterentwicklung des Vidicons, bei der die Umwandlung des optischen Bildes in ein Ladungsbild und dessen Speicherung mittels eines Halbleitertargets geschieht, eines Netzes mit dünnen amorphen Schichten aus Bleioxid und Bleisulfid, 1963
Die Superorthicon-Röhre - hier zusammen mit einer Vidicon - war bei Studios und bei Reportageaufgaben vielfältig eingesetzt. Die Vidicon-Aufnahmeröhre gleicht im Prinzip dem Orthicon, nur enthält sie statt einer Fotokatode mit äußerem lichtelektrischen Effekt eine Halbleiterschicht, z.B. Selen mit innerem fotoelektrischen Effekt
Als das Zweite Deutsche Fernsehen seine Sendungen begann, mußten die damals gebräuchlichen Fernsehapparate mit einem Zusatzgerät ausgerüstet werden
UHF Konverter
Eine Fernsehtruhe der Firma Philips gab sich edel und schlicht, ganz im Möbelstil der 50er Jahre
Graetz Fernseher, Modell Gouverneur, Baujahr 1961
Schon sehr früh gab es auch tragbare Fernsehgeräte, wie dieses von der Firma Kaiser im Jahre 1952 hergestellte Portable
Der Redaktions-Igel „Mecki“ wurde zu einer populären Figur der neuen Rundfunkzeitschrift „Hör zu“, die wenige Jahre später auch das Fernsehprogramm integrierte.
In den 50er Jahren liebte man „Fernsehmöbel“ wie diesen Barschrank mit eingebautem Fernseher und Plattenspieler aus dem Jahre 1953.
Die Kamera war vertikal eingebaut und mit einem horizontal und vertikal schwenkbaren Spiegel ausgerüstet. Über eine Planarantenne wurden 600-Zeilen-Bilder auf die Erde übertragen. Die Kameraoptik ließ sich zwischen Weitwinkel- und Teleeffekt variieren. Bis zum 14. Juni 1966 konnte „Surveyor“ 10388 Aufnahmen übermitteln. Während der Mondnacht stellte sie die Bildsendungen ein. Völlig unerwartet meldete sich die Sonde am 7. Juli zur Mittagszeit des zweiten Mondtages erneut. Niemand hatte zu hoffen gewagt, daß sie die Nachtkälte heil überstehen würde.
Das größte TV-Spektakel der bisherigen Fernseh-Geschichte flimmerte am 21. Juli 1969 über Bildschirme in aller Welt. Um 3 Uhr 56 Minuten mitteleuropäischer Zeit betrat der erste Mensch im „Meer der Ruhe“ die Oberfläche des Mondes. Und das Fernsehen war live dabei. Es war die erste Fernsehübertragung von einem anderen Himmelskörper, an der Menschen beteiligt waren. Auf der Empfangsseite verfolgten rund 530 Millionen Menschen das Ereignis. Dabei legte das Fernsehbild eine ganz beachtliche Strecke zurück. „Von der Fernsehkamera, die an der Mondfähre ,Adler‘ angebracht war, ging das Bild über rund 380.000 Kilometer an eine Erdfunkstelle in Australien, von dort zum Fernsehsatelliten in 36.000 Kilometer Höhe, wieder zurück zur Erde, dann über Kabel und Richtfunkstrecken in das Apollo- Kontrollzentrum der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA nach Houston in Texas und schließlich in alle Welt“.
Wegavision 3000
Farbfernsehen in Infrarot und röhrenlose Kamera
Das etwas träge Verhalten des Vidicons ließ die Industrie nicht ruhen und auch noch nach anderen Lösungsmöglichkeiten für optimale Fernsehkameras suchen. Ein Ergebnis war das „Silicium-Multidioden-Vidicon“, dessen lichtempfindliche Schicht sich aus 4 Millionen winziger Fotodioden zusammensetzte. Gegenüber dem ursprünglichen Vidicon wurde eine fast fünfmal höhere Lichtempfindlichkeit erreicht. Aufnahmeröhren mit unterschiedlichsten Namen erblickten das Licht der Technik-Welt: das „Newicon“, extrem lichtempfindlich, mit geringer Trägheit der Fotoschicht; das „Chalnikon“, mit sehr guter Auflösung, geringem Dunkelstrom und ebenfalls hoher Lichtempfmdlichkeit; das „Saticon“, meist Bestandteil halbprofessioneller Studiokameras mit mittlerer Lichtempfindlichkeit.
Eine Fernsehkamera ganz anderer Art entwickelte 1975 eine Arbeitsgruppe der TU München. War es bisher möglich, mit Infrarot-Kameras bei Nacht hell und dunkel zu unterscheiden, so konstruierten die Wissenschaftler M. Mertz, H. v. Denffer und H.-W. Köhler in Zusammenarbeit mit einer Elektronik-Firma ein Gerät, mit dem farbiges Sehen im unsichtbaren Infrarotlicht erreicht werden konnte. Entsprechend dem Prinzip einer Farbfernsehkamera, das optische Bild in drei Teilbilder mit den Grundfarben Blau, Grün und Rot zu zerlegen, wurde der Wellenlängenbereich der Infrarotstrahlen, die an das sichtbare Licht angrenzen, in drei Farbanteile aufgespalten und von drei Röhren abgetastet. Die Wiedergabe erfolgte über einen normalen Farbfernseh-Monitor. „So entstehen farbige Bilder, die für das menschliche Auge sichtbar sind, obwohl sie Wellenlängenunterschiede aus dem Bereich der unsichtbaren elektromagnetischen Strahlung wiedergeben“ (Süddeutsche Zeitung). Nach zehnjähriger Entwicklungszeit stellte der japanische Elektronik-Konzern Hitachi
Anfang des Jahres 1983 mit der VK-C2000 die erste röhrenlose Videokamera vor. An die Stelle der sonst üblichen Aufnahmeröhre setzten die findigen Japaner einen CCD, das bedeutet „Charge Coupled Device“, ladungsgekoppelter Bildsensor. Eine andere Abkürzung für diesen vorläufig letzten Schrei der Videotechnik lautet MOS-Kamera (MOS = Abkürzung für Metal Oxide Semiconductor, hochintegriertes Halbleiter-Bauelement). Statt der Röhre werden bei dieser Kamera Halbleiter-Mikrosensoren verwendet, und zwar 224.000 auf einem briefmarkengroßen Chip. Neben geringerem Stromverbrauch sind die Vorteile dieses Verfahrens das Fehlen von Nachzieheffekten, eine naturgetreue Farbwiedergabe und ein absolut verzerrungsfreies Arbeiten. Das erste Labormuster eines Chips für Fernsehbilder hoher Qualität entwickelten Wissenschaftler der japanischen Firma NEC 1986.
Zeichnerische Darstellung einer „Pionier-Raumsonde beim Vorbeiflug an der Sonne
„Pionier 10“ beim Vorbeiflug am Jupiter (Zeichnung). Mit dieser Raumsonde wurde eine nachrichtentechnische Leistung ohnegleichen vollbracht. Noch 16 Jahre nach ihrem Start im März 1972 sendet sie Signale aus den Tiefen des Weltraums. Man hat ausgerechnet, daß man ihre Energie mehr als 11 Milliarden Jahre lang in einem Akku sammeln müßte, damit sie ausreichte, um damit eine 7,5 Watt Leuchte eine millionstel Sekunde lang aufleuchten zu lassen
Mit Hilfe späterer Raumsonden wurden sensationelle Fernsehaufnahmen zur Erde geschickt: „Voyager 2“ nahm zum erstenmal die fantastische Farbwirklichkeit der Saturnringe auf.
Die anfangs besonders in Amateur-Kameras vielfach verbreitete Vidiconröhre ist später durch Saticon- und Newvicon- Röhren mit höherer Empfindlichkeit ersetzt worden. Die deutlich höhere Gesamtempfindlichkeit der Newvicon gegenüber Vidicon und Newvicon ist aus der Grafik ersichtlich.
Die Außenansicht eines 1955 in Japan gebauten Farbfernsehers nach dem Strahlteilsystem, derselbe Empfänger der japanischen Firma Mitsubishi von hinten.
7. Das Fernsehen bekommt Farbe
Noch bevor der Fernsehschirm in mehr oder weniger prächtigen Farben erstrahlte, wurde die neue televisionäre Errungenschaft zu industriellen und ähnlichen Zwecken eingesetzt. Nach George Orwells 1984-Slogan „Der große Bruder sieht dich an“ überwachten schon 1953 geschickt getarnte Fernsehkameras gewisse schwer übersichtliche Stellen im Gelände des Weißen Hauses in Washington. Größter Abnehmer industrieller Femsehanlagen der Firmen Du Mont, RCA, Remington Rand oder Diamond Power wurde die Atomenergie-Kommission. Die US-Navy beobachtete mit Fernsehkameras die Explosion ferngelenkter Geschosse. Eine Premiere besonderer Art leistete sich das „City Jail“ in Houston, Texas. Es war das erste Gefängnis, das seit Februar 1953 die Arbeitssäle der Gefangenen mit acht Fernsehkameras überwachte.
Aber trotzdem standen 1953 20 Millionen Fernsehgeräten in US-Haushalten nur etwa 400 industrielle Fernsehanlagen gegenüber, eine Entwicklung, die den Ikonoskop-Erfm- der Zworykin zu folgender mißbilligender Äußerung veranlaßte: „Vor 25 Jahren glaubten wir stets, daß Fernsehen seinen höchsten Wert durch Anwendung in der Wissenschaft und Industrie erreichen würde. An die dummen Kasperstreiche der Femseh-Komiker dachten wir nicht einmal.“
Doch die Kasperstreiche setzten sich durch, und aus den schwarzweißen Fernseh-Komi- kern wurden sogar noch farbige Femseh- Komiker. Die Farbfernseh-Entwicklung wurde in mehreren Ländern vorangetrieben und mündete in drei verschiedenen Systemen. Die USA kamen mit dem NTSC- System auf den Markt. Lästerliche europäische Zungen übersetzten die Abkürzung mit "Never The .Same Color“, niemals die gleiche Farbe, eine Anspielung auf die Unsicherheit bei der Farbwiedergabe. Frankreich bot das SECAM-System an. Und Deutschland schoß mit PAL den Farbfernseh-Vogel ab. Der gegenüber NTSC größere schaltungstechnische Aufwand bot den Amerikanern Gelegenheit zu einer Abkürzungs- Revanche. Sie übersetzten PAL mit „Pay Additional Luxory“, zahle den zusätzlichen Luxus.
Eine kurze Farbbild-Geschichte
Isaac Newton (1643-1727), Britanniens Star- Physiker, hatte bewiesen, daß unser weißes Sonnenlicht in Wahrheit ein Mischlicht ist und sich aus allen Farben des Spektrums zusammensetzt. Sein Landsmann, der englische Physiker Thomas Young (1773-1829), lieferte als erster einen Beweis für die Wellennatur des Lichts und war bahnbrechend auf dem Gebiet des Farbempfmdens. Er stellte die These auf, daß das menschliche Auge nicht etwa für jede Farbnuance über einen eigenen physiologischen Mechanismus verfüge, sondern daß drei Farben, Blau, Grün und Rot, völlig ausreichten, um auch alle Farbkombinationen zu erkennen bzw. wiederzugeben.
Der Physiker und Physiologe Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821-1894) entwickelte die Youngsche Dreifarben-Theorie weiter. Seitdem heißt sie Young-Helm- holtzsche Dreifarbentheorie und besagt, daß das menschliche Auge in der Netzhaut Rezeptoren mit einer ausgeprägten Empfindlichkeit für den blauen, grünen und roten Lichtbereich besitzt: Das Auge verarbeitet lediglich die Grundfarben Blau, Grün und Rot, und alle Farbwahmehmungen setzen sich aus der mehr oder weniger starken Reizung aller drei Rezeptorengruppen zusammen.
Auf der Young-Helmholtzschen Theorie beruhen der Farbendruck, die Farbfotografie und eben das Farbfernsehen. Für die Fotografie hatte der englische Physiker James Clerk Maxwell (1831-1879) schon 1855 vorgeschlagen, man solle von einem Objekt drei Aufnahmen machen und der Reihe nach einen Rot-, Grün- und Blaufilter vorschalten. In gewisser Weise wurde dieses System für die Farbfernseh-Aufnahme übernommen. Das Bild wird in die drei Farbauszüge zerlegt und von drei nebeneinanderliegenden Kameraröhren aufgenommen, deren jede für eine der drei Farben „zuständig“ ist. Wie das menschliche Auge bei Farbeindrük- ken getäuscht werden kann, zeigt ein einfacher Versuch: „Werden auf der Oberfläche eines Kreisels je zwei Sektoren durch Pigmente mit den Remissionsfarben Grün und Rot eingefärbt, so erreichen bei Drehung des Kreisels abwechselnd rote und grüne Lichtreize das Auge. Bei richtiger Auswahl der Pigmente und gleicher Flächenverteilung der Farbzonen verschmelzen diese beiden Reize zu einer einzigen gemeinsamen Farb- wahrnehmung, wenn die Farbreiz-Ver- schmelzungsfrequenz überschritten wird. Im Beispiel ergibt sich - nach den Gesetzen der additiven Mischung - die resultierende Farbe Gelb“.
Diese Überlegung wurde zur Grundlage der frühen Farbfernseh-Entwicklungen. Die drei Farbauszüge sollten in schneller Folge zeitlich nacheinander aufgenommen und wiedergegeben werden. Das menschliche Auge würde dann infolge seiner Trägheit die schnell nacheinander angebotenen Grundfarben zu einem neuen Farbeindruck mischen.
Erste Farbfernseh-Überlegungen
Man schrieb den 2. November 1880, als ein dreiundzwanzigjähriger Franzose den ersten Farbfernseh-Vorschlag unterbreitete. Sein Name war Maurice Leblanc (1857-1923). Leblanc wollte das von einem Bild ausgehende Licht durch ein Prisma in die sieben Spektralfarben zerlegen und jeder Farbzone eine Selenzelle zuordnen. Die sieben Selenzellen waren über Leitungen auf der Empfangsseite mit elektromagnetisch gesteuerten mechanischen Lichtrelais verbunden. „Diese Lichtventile“, schrieb Gerhart Goebel, „sollten von der ebenfalls durch ein Prisma zerlegten Strahlung einer ,weißen Lichtquelle in den einzelnen Spektralbereichen bestimmte, der Beleuchtungsstärke der zugehörigen Selenzellen annähernd proportionale Lichtströme durchlassen, die von einer Sammellinse wieder zu einem in Leuchtdichte und Farbe dem Element auf der Geberseite entsprechenden Bildpunkt vereinigt werden sollten.“ Leblancs Gerät wurde nie verwirklicht, und nach seinen eigenen Worten lag es lediglich in seiner Absicht, „das Prinzip einer vollständigen Lösung anzugeben, wie schwierig deren Realisierung auch erscheinen“ mochte.
1902 gab der Physiker und Erfinder Otto von Bronk eine Lösung für das Farbfernsehen mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln an. Er ging vom Buntdruck mit seiner Überlagerung von den drei Grundfarbenauszügen aus und wollte Selenzellen, Geiß- lersche Röhren, Farbfilter und Spiegelräder als mechanische Bildfeldzerleger verwenden. Am 12. Juni 1902 wurde Bronk sein „Verfahren und Vorrichtung zum Fernsichtbarmachen von Bildern bzw. Gegenständen unter vorübergehender Auflösung der Bilder in parallele Punktreihen“ unter der Nummer 155 528 patentiert.
Fachleute sind der Ansicht, daß auch das Bronk-Farbfernsehen ohne die elektronischen Verstärkerröhren nicht zu verwirklichen war. Die „spekulative Ära“ der Fernsehentwicklung, wie Fritz Schröter diese Zeit der Gedankenexperimente nannte, ging mit dem Ersten Weltkrieg ihrem Ende entgegen. Sie wurde abgelöst durch die Zeit der mechanischen Fernsehexperimente, nicht nur in Schwarz-Weiß, sondern auch in Farbe.
Erfolgreiche Fernseh-Übertragung in Farbe
Die große Stunde des Farbfernsehens schlug am 3. Juli 1928 in den Londoner Baird-Stu- dios. Fernseh-Pionier John Logie Baird zeigte in einer ersten Farbfernseh-Übertragung so weltbewegende Dinge wie blaue und rote Tücher, einen Rosenstrauß in Rot, einen Polizeihelm, ein glühendes Zigarettenende und schließlich einen Mann, der seine Zunge herausstreckte. Die Zeitschrift „Nature“ schrieb am 18. August 1928 über das epochale Ereignis: „Die Farbbilder, die wir sahen, waren durchaus lebendig. Hahnenfuß und Nelken erschienen in ihren natürlichen Farben, und ein Korb mit Erdbeeren zeigte das Rot der Früchte äußerst klar.“
Baird konnte sich bekanntlich lange Zeit nicht von der Nipkow-Scheibe losreißen und weigerte sich rundweg, statt der mechanischen elektronische Übertragungseinrichtungen zu verwenden. Und so wurde die gute alte Nipkow-Scheibe zur Basis seiner Farb- fernseh-Idee. Die Scheibe wies drei zyklisch wechselnde, um 120 Grad gegeneinander versetzte Lochspiralen auf. Die Löcher der ersten Spirale wurden von einem blauen, die der zweiten von einem roten und schließlich die der dritten von einem grünen Lichtfilter verdeckt. Drehte sich die Scheibe, dann gaben die dreißig Löcher der ersten Spirale nach dem Flying-Spot-Verfahren den blauen Farbauszug des Aufnahmeobjekts wieder, dann folgten der rote und der grüne. Die Farbauszugssignale wurden also nacheinander abgegeben und dem Empfänger zugeleitet.
Auf der Empfangsseite kam es nun darauf an, entsprechend dem Spiralwechsel die drei Grundfarben wieder zu erzeugen und durch eine synchron laufende Nipkow-Scheibe im richtigen Mischungsverhältnis wiederzugeben. Baird verwendete dazu eine Neonröhre für den Rotanteil und eine Quecksilber- Helium-Gasentladungsröhre für den Blau- und Grünanteil. Über einen Kommutator an der Antriebswelle der Scheibe wurde im richtigen Moment die dem Farbauszug entsprechende Entladungsrohre angeschaltet. Und da die Farbreiz-Verschmelzungsfrequenz überschritten und dem Auge Rot, Grün und Blau in schneller Folge angeboten wurden, mischte es diese drei Grundfarben zu dem ursprünglichen Farbeindruck.
Zu den sehr frühen Vorschlägen für Farbfernsehen gehört der der Gebrüder Andersen aus Dänemark von 1910. Er beruhte wie andere auf der Farbzerlegung in einem Prisma, benutzte eine Abtastung nach Nipkow und benötigte nur eine Signalverbindung zum Empfänger, in dem die Farbwerte punktsequentiell übertragen wurden. „Am Empfänger sollte eine Glasscheibe rotieren, auf der im Synchronlauf zum Geber, wo jeder Spalt das Bildpunktspektrum abtastete, ein analog dazu eingefärbtes Spektrum hinter einer helligkeitsgesteuerten Lichtquelle hindurchlief“ (W. Bruch)
Bereits im Jahre 1902 erhielt Otto von Bronk ein erstes Farbfernseh-Patent mit simultaner Dreikanalübertragung
Das von Walter Bruch entwickelte Farbpolygon war der Ausgangspunkt der Farbartdarstellung bei den Systemen NTSC und PAL
Ein elektronisch gesteuertes Testbild auf einer Farbröhre zeigt die Farbmischung (nach Walter Bruch)
Man kann die Farbmischung auch mit Hilfe von drei Farbbildröhren durch Übereinanderprojektion zeigen.
So sieht das Funktionsprinzip der Ives- Lichtpunktabtast-Apparatur aus: Es ist ein Gestell mit 24 Fotozellen, der abtastende weiße Lichtstrahl kommt durch das Loch in der Mitte.
Ives’ „durchaus beeindruckendes“ Farbfernsehen
In den USA ging die Entwicklung ein wenig andere Wege. Im Jahr 1929 übertrugen Herbert E. Ives und seine Kollegen von den Bell Telephone Faboratories ein fünfzigzeiliges Farbfernsehbild von New York nach Washington. Nach Aussagen des Erfinders - die von Stolz wie von gebührender Bescheidenheit zeugen - soll das Bild „trotz der geringen Helligkeit und dem kleinen Format durchaus beeindruckend im Aussehen“ gewesen sein.
Im Gegensatz zu Baird, der die drei Farbaus- züge in schneller Folge nacheinander (sequentiell) verarbeitete, gab Ives die Grundfarben gleichzeitig (simultan) wieder. Fritz Schröter beschrieb das Ives-System folgendermaßen: „Auch Herbert Ives vom Beil- Laboratorium (USA) verwendete 1928 die rotierende Nipkow-Scheibe, und zwar geber- seits als Lichtstrahlabtaster mit dreierlei Farbfiltern (Rot, Grün, Blau) vor Gruppen von Fotozellen, die das weiße, vom Übertragungsobjekt zurückgeworfene Licht auffingen; beim Empfänger schickte er das gefilterte Mischlicht von drei getrennt steuerbaren Glimmentladungsröhren unterschiedlicher Färbung durch die Löcher der synchron mit dem Geber umlaufenden Scheibe und demonstrierte so als erster die simultane Wiedergabe aller drei Grundfarben im Gegensatz zur bislang bevorzugten sequentiellen Übertragung.“
In Deutschland zeigte die Reichspost 1938 während der Funkausstellung ein sequentielles Zweifarben-Fernsehverfahren, das von Hans Pressler entwickelt worden war. G. Otterbein arbeitete mit einer rotierenden Filterscheibe und einer ruhenden Kerrzelle. B. Bartels entwickelte 1938 mit neuen Leucht- schirmstoffen ein recht gutes sequentielles Zweifarbenfernsehen. August Karolus erforschte systematisch die Übertragungsbedingungen bei den drei Grundfarben.
Aber alles in allem hatte die Technik noch genügend mit den Problemen des Schwarzweiß-Fernsehens zu kämpfen, und das Reichspost-Zentralamt ließ lediglich „vorsorglich ebenfalls Farbfernseh-Versuche“ (Pressler) aufnehmen. Oder, wie Fritz Banneitz, Leiter der Fernseh-Abteilung des RPZ, den Sachverhalt darstellte: „Ihr Ziel war nicht die Erstellung eines mehr oder minder endgültigen Farbfernseh-Systems als vielmehr die Untersuchung der elektrischen, optischen und physiologischen Teilfragen und Effekte, die für ein künftiges Farbfernseh- Verfahren wichtig sind, und die Abschätzung, welches der vielen denkbaren Farbfernseh-Verfahren Aussicht auf technische und wirtschaftliche Anwendung hat.“
USA: Vorreiter des Farbfernsehens
Schon bevor 1954 den Bürgern der Vereinigten Staaten das Fernsehen in Farbe serviert wurde, erlebte das neue Medium auch in der Schwarzweiß-Version einen kometenhaften Aufstieg. Es wurde zum bitterbösen Alptraum der erfolgsgewohnten Hollywood- Filmproduzenten. Das deutsche Fernsehen war damals, im Jahr 1953, noch nicht so weit, wie ein Sprecher des Wirtschaftsverbands der Filmtheaterbesitzer versicherte: „Die Programm-Qualität des Fernsehfunks ist der sicherste Garant dafür, daß es in Deutschland niemals zu einer Auseinandersetzung zwischen Film und Fernsehen kommen wird.“ In den zehn Jahren zwischen 1930 und 1940 konzentrierten sich die Wissenschaftler in den USA zunächst vor allem auf die Entwicklung von Bildröhren für Schwarzweiß-Empfänger. Ein wichtiger Fortschritt wurde auf dem Gebiet der Leuchtphosphore in verschiedenen Farben erzielt. Bestimmte Mischungen davon ergaben Weiß.
Das erste komplette Farbfernsehsystem wurde 1940 von CBS (Columbia Broadcasting Systems) vorgestellt. In Anlehnung an Bairds Arbeit funktionierte die Entwicklung nach dem Farbsequenzverfahren, also mit rotierenden Farbfiltern mit den Transmissionsfarben Rot, Grün und Blau in der Kamera und vor dem Bildschirm der Wiedergabebildröhre. Beide Filterscheiben liefen natürlich synchron, und da die drei Grundfarben in einem Rhythmus von einer 144stel Sekunde nacheinander über den Bildschirm huschten, konnte das menschliche Auge keine Unterschiede mehr erkennen. Das Bild erschien farbig.
Der Chef des CBS-Entwicklungsteams mit J. N. Dyer, E. R. Piore und J. M. Hollywood war der Langspielplatten-Erfinder Peter Carl Goldmark (1906-1977), ein in Budapest geborener Ungar, der 1933 in die USA auswanderte. Das CBS-System hatte, abgesehen von den geräuschvoll rotierenden Filterscheiben, den entscheidenden Nachteil, daß es nicht kompatibel war. Es konnte mit den Millionen vorhandenen Schwarzweiß-Fernsehern nicht empfangen werden, weil es mit 405 Zeilen (statt 525) und 144 Teilbildern (statt 60) sendete. In den USA erhob sich lautes Protestgeschrei, als die FCC, Amerikas oberste Fernmeldebehörde, am 10. Oktober 1950 entschied, das CBS-Verfahren zum amerikanischen Farbfernseh-Standard zu erklären.
Die CBS-Reklame versuchte ihr Bestes, die Gegenstimmen zu überspielen und leitete gigantische Public-Relations-Aktionen ein. Die Firma erreichte, daß ihr Farbfernsehen für medizinische Vorführungen zugelassen wurde und zitierte den begeisterten Ausspruch von Colorados Senator Ed Johnson: „Wer je einmal Farbfernsehen erlebt hat, wird sich mit Schwarz-Weiß nicht mehr zufrieden geben.“ Am 25. Juni 1951 startete die CBS von ihrer Station in New York die erste kommerzielle Farbfernsehsendung. Um 16.35 Uhr wurde eine Varieteshow mit Ed Sullivan, Arthur Godfrey und Faye Emerson ausgestrahlt. Doch das farbige Intermezzo dauerte nicht sonderlich lange. Die Werbung streikte, weil einfach nicht genügend Farbfernseh-Empfänger unters Volk gebracht werden konnten. Der Korea-Krieg trug dazu bei, die Produktion im „nationalen Interesse“ zu drosseln. Im Oktober 1951 mußten die Farb-Sendungen eingestellt werden.
Die Konkurrenz: Das RCA-System
Schon 1938 hatte der Franzose Georges Valenci den richtigen Weg zum farbigen Fernsehen aufgezeigt, als er sich eine Methode patentieren ließ, die es ermöglichte, „das Ausgangssignal eines einzelnen Senders nicht nur von Empfängern mit der nötigen Ausrüstung zu empfangen, sondern auch mit dem viel häufiger vorkommenden und billigeren Empfängertyp, der die Bilder in Schwarzweiß reproduziert“. Valencis Vorschläge wurden zwar in der Praxis nicht ausgeführt, aber seine Forderung nach Kompatibilität beeinflußte die späteren Farbfernseh- Entwicklungen, zunächst insbesondere bei der US-Firma RCA, der Radio Corporation of America.
RCA setzte auf die Elektronik und ihre entscheidenden Vorzüge. Die Kamera war mit drei Aufnahmeröhren bestückt. Ein System von farbdurchlässigen Spiegeln sorgte dafür, daß jede Röhre nur eine Farbe zu sehen bekam, nämlich Blau, Grün oder Rot. Über drei nebeneinanderliegende Kanäle wurden die Farbauszüge gleichzeitig übertragen. Einer der Kanäle füngierte zugleich als Schwarzweiß-Kanal, und damit war das System kompatibel. Ein Problem stellte allerdings der Empfänger dar. Mit drei Bildröhren für die Grundfarben und einem System von Spiegeln ergab das eine ziemlich teure und massige Angelegenheit. Der Fernsehzuschauer sah die drei Bilder der Grundfarben praktisch übereinander, und dadurch entstand der Eindruck eines mehrfarbigen Bildes.
Fernsehen auf der Kinoleinwand funktioniert ähnlich. „Die drei Farbauszugsbilder werden über je eine Spiegel-Linsen-Optik, die nach ihrem Erfinder Schmidt-Optik genannt wird, auf eine Projektionsfläche in der Größe 1,30 mal 1,75 Meter geworfen. Die Auszugsbilder werden in drei speziell für diesen Zweck konstruierten Bildröhren erzeugt. Ein Elektronenstrahl schreibt bei diesen Röhren auf einer mit Leuchtsubstanz, dem sogenannten Phosphor, beschichteten Platte ein Fernsehbild sehr großer Helligkeit, das über das optische System nach außen übertragen wird“.
So sahen die CBS-Aufnahmekameras der Anfangszeit aus, wie sie u.a. in Berlin benutzt wurden
Als „Herz des Farbfernsehens“ pries die amerikanische Firma RCA 1953 ihre erste Farbbildröhre an
Der schematische Aufbau der RCA- Farbbildröhre.
Die RCA setzte weiterhin auf die Kompatibilität, um sich bei ihrem Geschäft mit Schwarzweiß-Fernsehern nicht selbst den Hahn zuzudrehen. 1949 waren die Herren der Geschäftsleitung zu der Überzeugung gekommen, daß ein kompatibles System zwar gut und schön war, daß aber der bisherige Kurs mit den teuren und großen Farbempfängern nicht beibehalten werden konnte. Ende September 1949 entschlossen sie sich zu einem „crash program“ und zogen aus allen RCA Firmen und von der Technicolor Corporation die fähigsten Wissenschaftler zusammen. Mit diesem wahren Blitz-Programm konnte schon nach sechs Monaten, im März 1950, die erste öffentliche Demonstration einer neuen Empfangsröhre stattfinden, die unter der Bezeichnung „Schattenmasken-Röhre“ wirklich Farbfernseh-Geschichte machte.
Die geniale Farbfernseh-Lösung: Die Schattenmaske
Als der allmächtige RCA-Präsident David Sarnoff seiner Farbfernseh-Mannschaft „Volldampf voraus“ befahl, arbeiteten die US-Fernseh-Gesellschaften noch immer mit Verlust. Allein 1949 betrug das Defizit über 15 Millionen Dollar, verständlich, daß Sarnoff es eilig hatte. Die Arbeit bei RCA begann mit einer Durchforstung aller „Papier-Patente“ der Vergangenheit. Fünf Wissenschaftler- Teams sollten fünf der am meisten Erfolg versprechenden neueren technischen Möglichkeiten erkunden. Und offenbar wurden die RCA-Leute fündig. Bereits im Jahr 1938 hatte sich der Deutsche Werner Flechsig, damals bei der Fernseh GmbH in Berlin-Zehlendorf, eine sogenannte Schattenmaskenbildröhre patentieren lassen. Seine, wie es in der Patentschrift heißt, „Kathodenstrahlröhre zur Erzeugung mehrfarbiger Bilder auf einem Leuchtschirm“ erhielt die Nummer 736575. Da Flechsigs geniale Idee zur Grundlage der modernen Farbbildröhre wurde, soll hier ein Auszug aus seiner Patentschrift wiedergegeben werden:
„Es sind bereits mehrere Farbfernsehverfahren bekannt, die jedoch bisher noch keine praktische Verwirklichung gefunden haben. Man hat bereits den Leuchtschirm einer Braunschen Röhre mit einem zeilenförmigen Raster dreier Grundfarben, z. B. Rot, Grün und Blau, versehen, so daß eine Bildzeile aus drei Farbzeilen besteht. Diese Farbzeilen werden der Reihe nach von einem Kathodenstrahl abgetastet und zum Leuchten angeregt. Ein derartig gerastertes Fluoreszenzbild wird, aus größerer Entfernung betrachtet, den Eindruck eines vielfarbigen Bildes hervorrufen, da die einzelnen Farben des Rasters, wie beim Mehrfarbenrasterdruck, zu einer Mischfarbe zusammenfließen. Auf der Sendeseite ist vor dem Mosaik der Bildspeicherröhre eine in der gleichen Weise gerasterte Farbfilterplatte angebracht. Bei der praktischen Durchführung zeigt sich jedoch, daß einwandfreie Bilder nicht erhalten werden können, da der Kathodenstrahl häufig infolge geringer Abweichungen der Ablenkspannungen oder der Anodenspannung auf einen anderen Farbstreifen gerät und daher völlig falsche Farbwerte zur Wiedergabe bringt. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Herstellung des aus verschiedenen Leuchtfarben zusammengesetzten Fluoreszenzschirmes.
Gemäß der Erfindung wird zur Wiedergabe farbiger Bilder eine Kathodenstrahlröhre benutzt, deren Leuchtschirm ein Raster von verschiedenfarbig leuchtenden, zeilenförmig angeordneten Stoffen aufweist und bei der vor dem Leuchtschirm ein aus zu den Farbzeilen parallel verlaufenden Drähten bestehendes Gitter angeordnet ist, daß die aus den verschiedenen Richtungen auf jeden Bildpunkt auftreffenden Kathodenstrahlen jeweils immer nur eine Farbe zum Leuchten anregen.“ Geht man nun von einem Raster von drei Phosphorstreifen für Rot, Grün und Blau aus und setzt drei Elektronenstrahlen für die drei Farbauszüge ein, dann konnte der Strahl für den Blauauszug nur den Phosphorstreifen für Blau zum Leuchten anregen, weil vom Standpunkt der Elektronenkanone für den Blauauszug die beiden anderen Phosphorstreifen im „Schatten“ lagen, also vom Drahtgitter abgedeckt wurden.
1938, zur Zeit der Anmeldung, war Flechsigs Patent offenbar noch nicht realisierbar. Jedenfalls hatte er keinen Nutzen davon. Und als die RCA-Techniker seinen Vorschlag aus der Patent-Versenkung holten, war der Patentanspruch abgelaufen.
Am Anfang war die Delta-Röhre
Die erste, modifizierte Form von Flechsigs Schattenmaskenröhre schlug bei RCA Alfred Norton Goldsmith vor. Goldsmith wurde am 15. September 1887 in New York City geboren, besuchte dort das City College und machte 1911 seinen Doktor der Philosophie an der Columbia Universität. Zunächst unterrichtete er als Professor für Elektrotechnik und arbeitete dann für die General Electric Co., für die Marconi Wireless Telegraph Co. of America und für die National Broadcasting Co. Schließlich wurde er Vizepräsident und Chefingenieur bei der RCA. Zusammen mit seinem Kollegen Alfred C. Schroeder konstruierte er eine metallene Maske mit einer hexagonalen Anordnung von Löchern. Statt des farbigen Linienrasters entwickelte Schroeder sogenannte Farbtriplets, in Dreiecksform angeordnete runde Phosphorpunkte für Rot, Grün und Blau, sowie drei, ebenfalls in Dreiecksform angeordnete Elektronenkanonen für die drei Elektronenstrahlen. Da die Anordnung von Farbpunkten und Kanonen dem griechischen Buchstaben Delta ähnelte, bot sich der Name Delta- Röhre an.
Jedem Loch in der Maske war also ein Farbtriplet auf dem Bildschirm zugeordnet. Es ist verständlich, daß höchste Präzision bei der Zusammenstellung von Lochmaske und Bildschirm erforderlich war, damit jeder der drei Elektronenstrahlen immer nur „seinen“ Phosphorpunkt derselben Farbe traf. Wie Flechsig schon bemerkte, bestand die Schwierigkeit „in der Herstellung des aus verschiedenen Leuchtfarben zusammengesetzten Fluoreszenzschirms“. Die Vorarbeiten zur Lösung dieses Problems begannen bei RCA schon 1948. Die Hauptarbeit leistete dabei Harold B. Law, der schon für das Superorthikon mitverantwortlich gezeichnet hatte.
Prof. Walter Bruch, der Erfinder des überragenden PAL-Farbfernseh-Systems, deutete 1962 auf einem Fernseh-Symposion in Montreux die Farbart-Übertragung bei NTSC erstmals an einem Farbkreis
Die drei Verfahren PAL, SECAM und NTSC lassen sich anhand der Darstellung der Farben im sogenannten Farbkreis beschreiben. Beim NTSC-Verfahren wird zusätzlich ein Signal übertragen, dessen Amplitude die Farbsättigung und dessen Phasen-Winkel relativ zu einer gleichzeitig übertragenen Referenzschwingung den Farbton angibt. Beim PAL-Verfahren wird bei jeder zweiten Zeile im Sender die Richtung der V-Komponente des Farbvektors gewechselt. Das SECAM-Verfahren verwendet zur Darstellung einer Zeile die U- und V-Anteile aus zwei aufeinanderfolgenden Zeilen
1949 entschloß sich Law, Schroeders Idee mit den Farbtriplets weiter zu verfolgen, und machte dabei eine Schlüsselerfindung, die er „lighthouse“ (Leuchtturm) nannte. Der Grundgedanke war folgender: Statt der Elektronenkanonen verwendete Law punktförmige Lichtquellen und erzeugte die Farb- triplets durch einen fotografischen Prozeß. So wurde beispielsweise der Bildschirm innen zuerst mit einem Blau-Phosphor beschichtet und die Schicht fotosensibilisiert. Dann setzte Law die Lochmaske auf und schaltete die dem Elektronenstrahl für den Blauauszug entsprechende Punktlichtquelle ein. Genau an den Stellen, an denen später der Elektronenstrahl den Blau-Phosphor treffen sollte, härtete der fotosensibilisierte Phosphor durch die Lichteinwirkung aus. Der restliche Phosphor wurde durch ein Lösungsmittel entfernt. Entsprechend verfuhr Law mit den grünen und roten Triplet Punkten, und damit war jeder Punkt exakt am richtigen Platz.
Laws erste Fernsehbildröhre von 1949 zeichnete mit 7,6 Quadratzentimetern zwar ein recht kleines Farbbild, aber es sollen bemerkenswert gute Bilder gewesen sein. Nach der öffentlichen Demonstration im März 1950 brachte die Presse ihre Begeisterung mit riesigen Schlagzeilen zum Ausdruck. Trotzdem hatte das vollelektronische RCA-System noch seine Schwächen, und die nahm die FCC zum Anlaß, zunächst das Goldmark-Farbfernsehen vorzuziehen.
Einheitliches Farbfernsehen in den USA: NTSC
Die amerikanische Fernseh-Industrie stimmte nach dem FCC-Beschluß nicht nur fast einstimmiges Protestgeschrei an, sondern sie war auch gezwungen zu handeln, wenn nicht die ganzen Entwicklungsmillionen den Mississippi hinunterschwimmen sollten. Im Januar 1950 wurde noch einmal das National Television System Committee, kurz NTSC, ins Leben gerufen,. Unter der Leitung von Walter Ransom Gail Baker, zu der Zeit Vizepräsident der Syracuse University, sollte möglichst schnell ein einheitliches amerikanisches Farbfemseh-System erarbeitet werden. Baker wurde am 30. November 1892 in Lockport, New York, geboren, studierte am Union College und begann 1916 seine Laufbahn als Elektroingenieur.
Das NTSC stand nun vor der Aufgabe, ein kompatibles Farbfernseh-System zu entwickeln, das mit der für die Millionen von Schwarzweiß-Fernsehern vorgesehenen Bandbreite (4 Megahertz) auskam und auch auf Schwarzweiß-Bildschirmen ein gutes Bild lieferte. 1953 war die Lösung gefunden. Im Prinzip handelte sich um eine Kombination von zwei Bildübertragungen. Der eine Zweig führte die Helligkeitsinformationen mit sich, auf die ein Schwarzweiß-Fernseher ansprach. Der andere Zweig trug die Farbinformation. Oder technischer ausgedrückt: Die Bildinformationen für Farbton und Farbsättigung wurden einem Hilfsträger aufmoduliert, und zwar entsprach seine Amplitude der Farbsättigung und seine Phasenlage dem Farbton. Die Trägerfrequenz des Hilfsträgers befand sich innerhalb der zur Übertragung des Schwarzweiß-Bildes erforderlichen Bandbreite.
Aber auch die Bildschirmentwicklung ging weiter. 1951 stellte RCA einen flachen Bildschirm mit 30-Zentimeter-Diagonale in einer runden Röhre vor. Der amerikanische Physiker und Zyklotron Bauer Ernest Orlando Lawrence (1901-1958) griff noch einmal auf das Drahtgitter und Phosphorlinien zurück und baute eine Bildröhre mit nur einem Elektronenstrahl. Die Philco Corporation verzichtete auf die Schattenmaske. Doch den größten Fortschritt in dieser Zeit erreichten Fyler und sein Team 1953 bei CBS Hytron. Sie entwickelten eine Bildröhre mit gekrümmter Schattenmaske und gekrümmtem Bildschirm. Der gekrümmte Bildschirm als Ausschnitt einer Kugeloberfläche mit einem Meter Kugelradius dominierte bis Ende der 80er Jahre. Denn 1988 stellte Videocolor (ursprünglich eine Gründung von RCA und dem französischen Thomson-Konzern) die Super-Planar-Bildröhre vor, die erste asphärische Großbild-Rechtek- kröhre (FST, Flat Square Tube) der Welt, die fast keine Krümmung mehr aufwies.
In 18 Bänden mit über 4000 Seiten wurde die Riesenarbeit der NTSC-Kommission festgehalten. Am 17. Dezember 1953 gab die FCC das NTSC-System endgültig für den Sendebetrieb frei. In der amerikanischen Wirtschaft begann der Run auf das Fernsehen in Farbe. Doch das große Geschäft blieb zunächst aus. 1955 waren erst rund 20.000 Farbfernseher unter die Leute gebracht. Schlechte Farbqualität und Übertragungsfehler wurden als Ursache genannt. Der Durchschnittsamerikaner wollte sich offenbar nicht mit gelblich-grünen oder bläulichlilafarbenen Gesichtern auf dem Bildschirm anfreunden. Die Empfängereinstellung war schwierig. War es gelungen, das Gesicht einer Fernsehdame auf einen menschlichen Farbton einzutrimmen, dann lief unter Umständen ihr Bildschirmpartner blau an.
Erst in den sechziger Jahren kam der Farbfernsehboom allmählich auf Touren. Die Herstellungstechniken für die Empfänger wurden verbessert. 1964 war RCA bei 58 Zentimeter Bildschirm-Diagonale angekommen und hatte damit die Größe der Schwarzweiß Empfänger erreicht. Damit ging der Verkauf erst richtig los. 1971 stellte RCA seinen 63 Zentimeter-Bildschirm mit 110-Grad-Ablenkung vor. 1972 machte das „Precision-in- Line“-System mit Schlitzmaskenröhre von RCA Furore, bei dem die Strahlenerzeugungssysteme im Röhrenhals nebeneinander angeordnet waren. Zwei Jahre vorher, also 1970, berieselten bereits über 20 Millionen Farbfernseher amerikanische Heime.
Der französische Alleingang: SECAM
Die europäischen Länder waren noch vollauf mit ihren schwarzweißen Fernsehproblemen beschäftigt, als in den USA der Startschuß für die Farbe fiel. Zwar beobachtete man die amerikanische Entwicklung mit Argusaugen, doch schien die Bildqualität der NTSC-Norm die Größen der europäischen Fernsehtechnik nicht sonderlich zu beeindrucken, und so suchten sie zunächst nach anderen Farbfernseh-Möglichkeiten. Walter Bruch gab in seiner „Fernseh-Story“ eine gute Zusammenfassung der europäischen Bemühungen:
„Zuerst waren es drei Forscher, die neue Wege gehen wollten. Professor G. Boutry vom Institut des Arts et Metiers in Paris hatte das System .Double Message’ propagiert. Sein Landsmann Georges Valenci versuchte, ein auf ganz neuen Prinzipien beruhendes Farbfernsehen zu finden, indem er die zu übertragenden Farben numerierte und sie sozusagen als Nummern kodiert übertrug. In Holland experimentierten im Philips-For- schungslaboratorium Johann Haantjes und Kees Teer ebenfalls an einem eigenen System zur Übertragung der Farbart (mit zwei Farbträgern). Dem Studium all dieser Entwicklungen galt die erste Studienreise von westeuropäischen Experten, die 1946 im Rahmen des CCIR, des Weltnachrichtenvereins, erst die USA, dann Paris, London und Den Haag besuchten. Beeindruckt von der schon geleisteten Arbeit, doch letzten Endes nicht recht befriedigt, ging man wieder nach Hause. Für Europa war der Stand der Fernsehtechnik noch nicht ausreichend.“
Die europäischen Techniker waren sich zwar einig, daß für den Austausch von Farbprogrammen im Rahmen der Eurovision ein einheitliches System mit gleicher Zeilenzahl sehr vorteilhaft sein würde, doch „nationale Interessen haben diese rein technischen Überlegungen abgelöst“ (Bruch). Frankreich setzte auf das SECAM-System und mit ihm die Ostblockländer, aber unter anderem auch Ägypten, Griechenland, Haiti, Saudi-Arabien und einige andere. Vater des SECAM-Systems war Henri de France.
Die Sache mit der Zwischenspeicherung
Henri de France wurde am 7. September 1911 als Sohn eines Industriellen in Paris geboren. Und auch in Henris Kurzbiographie wird als Beruf „Industrieller“ angegeben. Er besuchte das Lycee du Havre und schloß mit dem Abitur ab. Nacheinander war er dann Chefingenieur (1933-1940), dann ein Jahr lang Präsident und schließlich von 1955 bis 1966 Verwalter bei der „Radio-industrie“, die 1960 in „Sneri“ umgetauft worden war, eine Abkürzung für „Societe nouvelle d’electronique et de la radio-industrie“. Außerdem war er noch Verwalter oder Präsident verschiedener anderer Organisationen und Institutionen. Er war ein Pionier des französischen Fernsehens, Erfinder des SECAM-Systems, Offizier der Ehrenlegion und Träger der Medaille der Resistance. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und gab als Hobby Miniatureisenbahnen an.
Das SECAM-System hatte Henri de France mit seinen Mitarbeitern G. Melchior und P. Cassagne bereits 1957 entwickelt. Das französische Team hatte bemerkt, daß ein Nachteil beim NTSC-System darin bestand, daß im Farbkanal zwei Informationen gleichzeitig übertragen werden mußten, nämlich Farbton und Farbsättigung. Henri de France teilte diese Signale nun auf. In einer Zeile schickte er nur eine der beiden Informationen mit und in der nächsten Zeile die zweite Farbinformation. Um nun aus diesen beiden aufeinanderfolgenden Farbträgerkomponenten wieder ein vollständiges Farbsignal zu erhalten, wurde das Farbsignal der ersten Zeile einfach so lange aufgehoben, in einer Verzögerungsleitung zwischengespeichert, bis das zweite Signal aus der nächsten Zeile ankam.
Und mit diesem genialen Trick standen wieder beide Signale gleichzeitig zur Verfügung. Diese Technik gab dem de France-System seinen Namen SECAM. Das bedeutet nach deutschen Quellen „Sequentiel ä Memoire“, aufeinanderfolgend mit Zwischenspeicherung; englische Quellen wollen SECAM als „Systeme electronique couleur avec memoire“ interpretiert wissen. Zur Auswertung der de France-Ideen wurde die „Compagnie Frangaise de Television“, kurz CFT, gegründet. Nach SECAM 1 und vier weiteren Versuchen landete das Team schließlich bei SECAM 3 optimalise. Durch Frequenzmodulation des Farbhilfsträgers war es nicht anfällig gegen Farbtonverschiebungen, allerdings sagte man ihm schlechte Kompatibilität nach. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Europa also zwei Farbfemsehsysteme zur Auswahl, NTSC und SECAM. Aber um die Entscheidung noch ein bißchen schwerer zu machen, ging schließlich noch ein drittes System an den Start. Es erhielt die Bezeichnung PAL.
Walter Bruch alias „Mister Pal“: Farbe in Deutschland
„In der Bundesrepublik war Walter Bruch einen anderen Weg gegangen“, schrieb Walter Bruch über Walter Bruch. „Von den vielen guten Eigenschaften des NTSC-Systems wollte er so viele wie möglich beibehalten, weil es dann möglich war, Farbempfänger zu schaffen, die mit verhältnismäßig geringfügigen Abänderungen für beide Verfahren in einer Fabrik herstellbar waren.“
Der Weg des „Mister Pal“ oder „Mister Colour TV“ (so die Engländer), oder des „Vaters des vollkommensten Farbfernseh- Systems der Welt“ (so eine deutsche Zeitung), begann in Neustadt an der Weinstraße. Dort wurde Walter Bruch als Sohn eines Kaufmanns am 2. März 1908 geboren. Vater Bruch war beruflich sehr viel unterwegs, deshalb verbrachte Sohn Walter den größten Teil seiner Kindheit bei den Großeltern in Pirmasens. Sein erstes Aha-Erlebnis hatte er mit der Laterna magica einer Wanderschau, die den Ätna-Ausbruch und die Erschießung Kaiser Maximilians zeigte. Bruch nannte „das Erlebnis mit der Laterna magica den ersten Meilenstein an meinem Weg zum Farbfernsehen“. Der zweite Meilenstein stand in München. Sooft ihm die Schule Zeit ließ, besuchte er das Deutsche Museum, „dort habe ich meine Grundausbildung erhalten“. 1925, als er Fernsehversuche von Dieckmann beobachtete, war der Berufs- Würfel gefallen: „Ich begeisterte mich für das Fernsehen, als es noch ein Wunschtraum war, dessen Erfüllung man sich schon seit tausenden von Jahren erträumt hatte.“
Zum Studium ging Walter Bruch nach Berlin. Auf der dortigen Funkausstellung von 1928 sah er bescheidene Fernseh-Übertra- gungen nach dem Mihäly-Verfahren. 1933 trat er in Mihälys Telehor AG ein und begann berufsmäßig an der Fernsehentwicklung zu arbeiten. Mihäly hatte wohl eine etwas seltsame Art, die von ihm beschafften Gelder zwischen seinem Entwicklungslabor und anderen obskuren Zwecken aufzuteilen. Jedenfalls scheint das Labor dabei zu kurz gekommen zu sein. Walter Bruch wechselte Ende 1935 in Fritz Schröters Abteilung „Fernsehen und physikalische Forschung“ bei Telefunken in Berlin über. In diesem Jahr war es zu einem der größten „Deals“ der Fernsehgeschichte gekommen. RCA hatte im Tausch gegen Telefunken-Bildröhrenpa- tente Ikonoskop-Patente geliefert. Und damit begann das elektronische Fernsehen.
Zwar war Schwarzweiß-Fernsehen zunächst das aktuelle Problem, aber Anfang des Jahres 1937 begann Bruch zusammen mit Otto von Bronk mit Farbfemseh-Versuchen. Bruch: „Es waren sehr primitive Versuche, sie sollten nur Vorklärungen sein“. Während des Krieges arbeitete Bruch als Ikonoskop-Spezialist auf dem Raketenstartplatz in Peenemünde. Die Übertragungen aus zwei Kameras, die Hitlers Geheimwaffen-Starts aufzeichneten, beobachtete im zwei Kilometer entfernten Stand der Schießleitung auch ein gewisser Wernher von Braun. Nach dem Krieg gründete Walter Bruch im britischen Sektor der Stadt Berlin zunächst ein eigenes Entwicklungslabor, kehrte aber 1950 wieder zu Telefunken zurück und baute in Hannover die ersten Nachkriegsfernseher.
„Das Fernsehen muß auch bei uns farbig werden“
Darüber war Walter Bruch sich bereits im klaren, als er noch mit der Entwicklung von Schwarzweiß-Geräten beschäftigt war. Und so lotete er „still und heimlich“ die Möglichkeiten des Farbfernsehens aus. Das französische SECAM war ihm „zu weit weg von NTSC“, erklärte er in einem Interview. „Das NTSC-System enthält eine ganze Menge sehr guter und fabelhafter Grundgedanken. Die Amerikaner haben - das muß man großzügig anerkennen - als erste ein rein elektronisches Farbfernsehsystem entwickelt, das beim damaligen Stand der Technik alles beinhaltete, was man konnte. Aber sie haben es eingefuhrt, ohne es im praktischen Service erprobt zu haben. Bei der praktischen Realisierung kamen dann die Rückschläge, und diese haben wir studiert. Da, wo das NTSC-System am meisten versagt hat, haben wir versucht anzusetzen. Ein solcher Versuch ist auch SECAM. Ich hatte mir die Aufgabe gestellt, das NTSC-System selbst etwas besser zu variieren. Nach und nach konzentrierte ich meine Arbeit auf das, was wir heute PAL nennen.“
Der Knopfdruck von Bundeskanzler Willy Brandt am 25. August 1967 manifestiert den Beginn des Farbfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Aufnahme ist gleichzeitig die Geschichte einer Panne: PAL Erfinder Walter Bruch erzählt in seinen Erinnerungen, daß kurz nach dem historischen Akt ein Anruf von der BBC aus Großbritannien meldete, daß das Umschaltsignal nicht aufgezeichnet werden konnte. „Wir haben sofort das Band unserer Aufzeichnungsmaschine kontrolliert - und siehe da: auch bei uns war das Umschaltsignal nicht vorhanden. In tagelanger Arbeit haben wir dann diesen Umschalteffekt auf dem Band nachproduziert. Wir haben simuliert und nachträglich die Farbe ins Bild "gegossen“
In den ersten Jahren des Farbfernsehens wurde in der Bundesrepublik von ARD und ZDF keineswegs alles in Farbe gesendet, darum gab es verschiedene Sendezeichen zur Ankündigung von Farbprogrammen, oben das von 1967, darunter das ab 1970 gesendete
Wie schon erwähnt, waren Farbfehler das Hauptübel des NTSC-Systems. Bei langen Übertragungsstrecken mit Hindernissen kam es zu Verschiebungen der Phasenlage des Farbsignals, und aus Negern wurden Indianer, aus Indianern wurden Chinesen. Amerikas Fernseh-Fans mußten ständig eine Hand am zusätzlichen Farbton-Einstellknopf haben, um mit den Verschiebungen ständig auf dem laufenden zu sein.
Die geniale Lösung, die Walter Bruch und sein Team gegen derartige Einstell-Zwangsarbeit fanden, erregte weltweites Aufsehen. Der Grundgedanke war, einen aufgetretenen Farbfehler ein zweites Mal zu machen, aber mit umgekehrten Vorzeichen (den Vorschlag hatte auch schon der amerikanische Fernsehingenieur B. Loughlin gemacht). Angenommen, der Purpurmantel eines Königs soll auf dem Bildschirm gezeigt werden. Durch einen Übertragungsfehler wird nun die Purpurfarbe in Rot verfälscht. Beim NTSC-System bliebe es bei dem Rot. Bei PAL erscheint in diesem Beispiel nur die erste Bildzeile im falschen Rot. Die zweite Bildzeile dagegen zeigt dann die ebenfalls falsche Komplementärfarbe Blau. Diese beiden fehlerhaften Farbsignale werden vom Auge wieder zu Purpur addiert, und der Königsmantel ist farblich gerettet. Die von Zeile zu Zeile wechselnde Phase des Farbsignals brachte Bruch auf die Bezeichnung „Phase Alternation Line“, abgekürzt PAL, Phasenänderung pro Zeile, denn „alle internationalen Diskussionen werden englisch geführt“ (Bruch).
Für PAL durch Europa
Aber Walter Bruch wollte, daß „dem Auge nichts Zusätzliches zugemutet“ wird. Die beiden entgegengesetzten Farbinformationen traten zeitlich nacheinander auf, um die Dauer einer Zeile versetzt.
Der Name Walter Bruch ist mit dem von ihm entwickelten Farbfernseh-System PAL untrennbar verbunden
In vielen Studioversuchen wurde „PAL“ erprobt und verbessert. Das erste PAL Bild über die ARD kam im Dezember 1963 aus dem Institut für Rundfunktechnik in München
Auf einem geteilten Bildschirm konnte man zwei Systeme vergleichen: oben PAL - unten SECAM
Auch in den Studios ging es nun „bunt“ zu, Farbe war Trumpf
Studioatmosphäre während einer Aufnahme der Sendung „Bei Bio“ des WDR 1983
Daher mußte die Farbinformation einer Zeile so lange aufgehoben werden, bis sie für die nächste Zeile zur Fehlerkompensierung gebraucht wurde. Bruch: „Also wandelte man das elektrische Farbsignal in ein Schallsignal um, schickte es über einen Glasstab, der für die Laufzeit von 64 Mikrosekunden nur noch etwa 15 Zentimeter lang zu sein brauchte, und fand am Ende den gerade richtig verspäteten Schall wieder, der dann in ein elektrisches Signal wieder zurückverwandelt wurde. Wird jetzt die Farbinformation zeilenweise abwechselnd in den beiden Arten übertragen, also zeilenweise abwechselnd mit links herum und mit rechts herum laufendem Farbuhrzeiger, dann hat man immer beide Signalarten gleichzeitig, wenn die eine von der Laufzeitleitung, die andere dahinter abgenommen wird.“
Am 3. Januar 1963 war in Hannover die PAL- Premiere, und damit hatte Europa nunmehr drei mögliche Fernseh-Systeme zur Auswahl. Eine „gewaltige Schlacht“, so kommentierte das US-Magazin „Time“ die europäische Farbfehde. Die RCA schickte Werbeomnibusse quer durch Europa, aber das NTSC-System mußte das Rennen bereits 1965 aufgeben. SECAM oder PAL, das war hier die Frage. Bruch zog als Wanderprediger für PAL durch Europa, weil es ihm darum ging, „daß das technisch beste gewinnt; persönliche oder finanzielle Gründe hatte ich nicht.“ „Nur dort“, schrieb Charles Gautier, „wo die Politik die Oberhand hatte, siegte SECAM.“ Internationale Expertenteams stellten die Überlegenheit des PAL-Systems fest. Am 25. August 1967 startete Willy Brandt auf der Berliner Funkausstellung das deutsche Farbfernsehen mit dem berühmten „historischen Knopfdruck.“
Von kleinen und großen Bildschirmen
Die Transistortechnik machte natürlich auch nicht vor dem Fernseher halt. 1960 konstruierte die japanische Firma Sony das erste Gerät, bei dem alle Elektronenröhren (außer der Bildröhre) durch Transistoren ersetzt wurden. Damit bekam man in den Gehäusen der Fernseher schon etwas mehr Luft und konnte kleiner bauen. Der Bildschirm schrumpfte durch die Anwendung von Flüssigkristallen, von LCDs. Die japanische Firma Matsushita erhielt 1979 ein Patent auf einen solchen LCD-Taschenfernseher. Für Fernsehsüchtige wurde im Zuge der Miniaturitis sogar eine Fernseh-Armbanduhr ange- boten.
Ziemlich früh, nämlich in den vierziger Jahren, hatte Professor Fritz Fischer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich das andere Extrem entwickelt: das Eidophor Verfahren. „Eidophor“ ist ein griechisches Wort und bedeutet einfach „Bildträger“. Die Funktionsweise nach E. A. Spindler: „Die von einer Fernsehkamera ausgestrahlten elektronischen Impulse steuern einen Elektronenstrahl, der seinerseits eine feine Ölschicht auf einem Hohlspiegel im Projektor deformiert. Diese Ölschicht ist der eigentliche Bildträger. Das von einer unabhängigen Lichtquelle gleichzeitig auf die Oberfläche des Spiegels geworfene Licht wird von seinem ursprünglichen Weg abgelenkt und gelangt über das Objektiv auf den Bildschirm. Die Fernsehbilder können bis auf 12 mal 9 Meter vergrößert werden und sind sowohl schwarzweiß als auch farbig von einwandfreier Qualität.“
1986 stellte Sony eine neue Bildröhre mit der Bezeichnung „Trinitron“ vor. Das Konzept soll von einem US-Ingenieur stammen und auch der spätere Chef von Apple-Computer, John Scully, soll mit seiner Trinitron ähnlichen Bildröhre nur zwei Wochen zu spät gekommen sein. Die Elektronenstrahlen gehen bei der Trinitron Röhre von drei dicht nebeneinander angebrachten Katoden aus, werden gemeinsam fokussiert und konvergieren in der Ebene einer Streifenmaske. Statt der farbig aufleuchtenden Punkte der Lochmaskenröhre weist die Trinitronröhre nebeneinander liegende Streifentripel aus Leuchtphosphoren auf. In den 80er Jahren brachte Sony seine Black Trinitron auf den Markt, eine Bildröhre mit zusätzlicher Maskenbeschichtung für mehr Farbintensität und höheren Kontrast.
Das große Schlagwort auf der Funkausstellung von 1981 in Berlin hieß „Stereo-Fernsehton“. Dabei wurden im UHF-Bereich nach dem Pilottonverfahren zwei verschiedene Töne mit einem Signal ausgesandt und im Empfänger wieder getrennt. Vom 6. September 1981 an strahlten 29 Grundnetzsender der Deutschen Bundespost für das ZDF Sendungen im Stereo-Ton aus. Auch die ARD trug ab 1984 dank neuer Sender zu neuem Tongenuß bei.
Durch immer ausgefeiltere Produktionstechniken konnte auch die Fertigungszeit für ein normales Standard-Farbfernsehgerät entscheidend verkürzt werden. 1975 brauchte man noch acht Stunden, fünf Jahre später nur noch zweieinhalb. Die Industrie ging daran, die Schwingungen von Bild- und Tonsignalen „digital“, also in Form von Zahlen zu speichern, zu übertragen und zu verarbeiten. Bisher wurde die Digitaltechnik vor allem bei der drahtlosen Infrarot-Fernbedienung eingesetzt. Doch mittlerweile feiert der digitale Fernseher sein Debut.
Definition: MOS- und VLSI-Schaltungen erlauben, Signale im Heimfernsehempfänger teilweise digital zu verarbeiten. Daraus ergeben sich etliche Qualitätsverbesserungen bei der Bildwiedergabe. Ein weiterer wichtiger Vorteil liegt darin, so die Ansicht der Fernsehindustrie, daß digitale Systeme sich gewissermaßen selbst kontrollieren können. Bei Farbfernsehgeräten mit digitaler Signalverarbeitung werden beispielsweise alle Daten für optimale Bildwiedergabe während der Gerätefertigung - wiederum als Zahlenwerte - gespeichert. Wann immer das Farbfernsehgerät nun in Betrieb ist, findet laufend ein Vergleich mit den eingespeicherten Daten statt. Sollten irgendwelche Abweichungen infolge der natürlichen Alterung, beispielsweise von Ablenkstufen oder in der Bildröhre, aufgetreten sein, dann werden diese Abweichungen automatisch kompensiert.
Darüber hinaus gab es noch andere Möglichkeiten, Scharfes aud der Mattscheibe zu erreichen und der „Flimmerkiste“ das flimmernde Übel etwas auszutreiben. Dank der Fortschritte der Mikroelektronik gelang 1987 Siemens in enger Zusammenarbeit mit Philips und Fernsehgeräteherstellern und einem Aufwand von 20 Millionen Mark eine digitale Logikschaltung für Digital-Fernseher mit zusätzlichen neun 256-K-Chips für die Bildspeicherung. Jedes über die Antenne empfangene Bild wurde in den Gedächtnischips abgespeichert und dreimal hintereinander auf die Mattscheibe geworfen. Damit hatte sich die Bildfrequenz verdreifacht und das Bild war absolut flimmerfrei. Als Zugabe wurde an Standbilder, Mehrfachbilder und Ausschnittvergrößerungen auf dem Bildschirm gedacht.
Des Fernsehens neue Normen
Es waren vornehmlich zwei Schlagworte, die gegen Ende der 80er Jahre über das europäische und das weltweite Fernseh-Volk hereinbrachen: D2-Mac und HDTV, High Definition Television. D2-Mac ist die werbewirksame Abkürzung für den hübschen Namen „duobinär codierte Multi plex-Analog-Com- ponents“ und steht für eine neue, europaweit einheitliche Fernsehnorm. Über Sinn und Zweck klärte die Deutsche Bundespost 1985 den Verbraucher in einer Anzeige auf: „Das neue Verfahren dient in erster Linie der Optimierung der Übertragungswege zu bzw. von direktstrahlenden Satelliten, die Deutschland (TV-Sat) und Frankreich (TDF) Mitte 1986 in den Orbit schießen. Das D2-Mac- System wird deshalb notwendig, weil die Empfangbarkeit von TV-Satelliten nicht an Ländergrenzen haltmacht. Da Frankreich bislang ein anderes System benutzt (SECAM) als die Bundesrepublik (PAL), muß ein übernationales System bereitgestellt werden, um Bild und Ton auch aus den Nachbarländern empfangen zu können.“
Die neue Norm wurde zum größten Teil vom französischen Staatskonzern Thomson entwickelt und bereits 1983 vorgestellt. Ihre Vorteile liegen unter anderem darin, daß die Färb- und Helligkeitsinformationen nacheinander ausgestrahlt werden und sich dadurch nicht mehr gegenseitig stören können. Außerdem erlaubt D2-Mac die gleichzeitige Übertragung von maximal acht Tonkanälen, etwa für mehrsprachige Ausstrahlungen von Programmen innerhalb der EG. Spätestens zur Jahrtausendwende wollen die Fernseh- Konzerne die TV-Welt mit einem neuen System beglücken, das mit schärferen, größeren und brillanteren Bildern keine Wünsche mehr offen läßt: mit High Definition Television, HDTV. In 15 Jahren Kleinarbeit hatte die japanische Rundfunkgesellschaft NHK ein solches Hochzeilenfernsehen mit 1125 Zeilen und 60 Halbbildwechseln pro Sekunde entwickelt und dem Sony-Konzern die propagandistische Answertung überlassen. Im Februar 1982 stellte Sony zusammen mit der US-Rundfunkgesellschaft CBS dieses HDTV vor.
Seit der Zeit stiegen eine Menge Länder in das Geschäft mit dem großformatigen und flimmerfreien Heimkino auf überdimensionalen Flachbildschirmen ein, ein Geschäft, das für die nächste Generation von TV-Geräten auf 250 Milliarden Mark geschätzt wird. Europäer, Amerikaner, Japaner und Russen tummelten sich auf dem HDTV-Markt und jonglierten mit Bildzeilen von 1125 (Japan), 1250 (Europa) oder auch 1350 (UdSSR). Die Japaner wollen von 1990 an HDTV-Sendungen ausstrahlen, und zwar über einen Satelliten mit so hoher Sendeleistung, daß die Signale von jeder gewöhnlichen Hausantenne aufgefangen werden können. Folge des Fortschritts: der Konsument muß seine Geräte ständig erneuern.
Die japanische Fernsehindustrie arbeitete seit Jahren am „hochauflösenden Fernsehen“ (HDTV) mit der Norm von 1125 Zeilen bei 60 Hz Bildwechsel und erzielt damit ein brillantes, absolut flimmerfreies Fernsehbild
Der europäische Ehrgeiz hingegen schwört auf eine Zeilenzahl von 1250 Zeilen und 50 Hz Bildwechsel beim hochauflösenden Fernsehbild und erzielt gleichfalls ein optimales Bild. Die Abbildung zeigt auf der linken Hälfte hochauflösendes Fernsehen, auf der rechten Seite die bisherige Fernsehnorm von 625 Zeilen - ein enormer Unterschied
Dieser erste deutsche Farbfernsehempfänger von 1967 bot eine vergleichsweise schlichte Leistung, eben den Empfang eines normalen Farbfernsehbildes
Farbfernsehempfänger sind nicht nur mit einem futuristischen Top-Design versehen, sondern sie verfügen selbstverständlich über alle nur denkbaren Raffinessen wie Infrarot-Fernbedienung, eine fast flache Rechteck- Bildröhre sowie PIP (Picture in Picture)
Die tragbaren Farbfernseher von heute wiegen eben noch zehn Kilo, ohne daß der Besitzer auf ein brillantes Bild und eine perfekte Technik verzichten müßte
Farbfernseher liefern auch Videotext und in Kombination mit dem Telefon Btx - außerdem kommunizieren einige Typen mit dem Videorecorder und lassen eine Programmierung per Bildschirm zu
Der Traum der TV-Industrie ist der flache Bildschirm, Flat-TV genannt. Neben Flüssigkristallen wurden dazu in den USA Glimmröhren herangezogen. Mit Hilfe der Halbleitertechnologie baute man Demonstrationsobjekte mit 76000 einzeln ansteuerbaren Bildpunkten. Nach einer anderen Technik wurde die dickbauchige Braunsche Röhre einfach abgeknickt und der seitlich erzeugte Strahl durch ein Ablenkungs- und Spiegelsystem umgelenkt. Der französische Staatskonzern Thomson-Brand entwickelte mit dem „Plasmaschirm“ einen flachen Bildschirm mit extrem scharfem und flimmerfreiem Bild. Das für die Luftfahrtindustrie konzipierte Gerät mit rund 260.000 winzigen Bildpunkten eignet sich besonders für die Darstellung graphischer Symbole.
8. Die Revolution auf dem Bildschirm
Die Elektronik ist dabei, das heimische Wohnzimmer in eine Kommunikationszentrale umzufunktionieren, eine Tatsache, die das Blut sowohl von Kultur-Pessimisten als auch von Technik-Gläubigen in Wallung brachte und eine Flut bedruckten Papiers mit gegensätzlichen Meinungen über den zukünftigen Telekommunikations-Kunden hereinbrechen ließ. Das Pro und Contra einer „verkabelten Gesellschaft“ mit riesiger Programmauswahl durch Kabel und Satelliten, mit Videotext und Bildschirmtext und Telespielen soll hier nicht näher untersucht werden. Aber vielleicht bietet ein Vorschlag der amerikanischen Schauspielerin Liza Minnelli einen Ausweg aus dem Orwell- schen Medien-Menetekel: „Über die angeblichen Gefahren des Fernsehens kann ich nur lachen. Ein Knopfdruck genügt und jede Gefahr ist vorüber.“
Ping-Pong auf elektronisch: Telespiele
Rund 1,5 Milliarden Stunden pro Jahr, so wird geschätzt, verbringen Menschen auf der ganzen Erde mit Video- oder Telespielen vor einem Bildschirm. Dementsprechend expansiv war auch das Geschäft mit elektronischem Ping-Pong, Tennis oder den Eindringlingen aus dem Weltall, die über Knopfdruck abgeschossen werden müssen: Der US-Markt für Videospiele stieg in wenigen Jahren auf über fünf Milliarden Mark jährlich. Die Spielfreaks dirigierten per Steuerknüppel ihre Verteidigungsanlagen gegen landende „Space Invaders“ so ausdauernd und intensiv, daß amerikanische Ärzte bereits „Space Invaders-Handgelenke“ diagnostizierten.
Das Milliardengeschäft begann in der Rechenanlage der Universität Utah, die der sechsundzwanzigjährige Ingenieur Nolan Bushnell aus Kalifornien zu einem computergesteuerten Raumschiff-Telespiel umfunktionierte. 1972 lieh sich Bushnell 500 Dollar, bastelte ein Steuergerät und verband es mit einem Kleincomputer und einem Bildschirm. Damit war Teletennis geboren. Mit einer Mannschaft Gleichaltriger gründete er die Firma „Atari“.
Der erste Spielautomat stand in der Kneipe eines Freundes. Wenige Stunden nach der Premiere reklamierte der Freund, der Apparat sei kaputt. Bei der Fehlersuche stellte sich heraus, daß lediglich der Münzbehälter übervoll war. Bereits 1976 war der Konzern Warner Communications bereit, 28 Millionen Dollar für Atari zu zahlen. Mit Bushnells Ideen und Warners marktwirtschaftlichem Know-how brach eine Flut von mehr oder weniger kriegerischen Reaktions- und Konzentrationsspielen über die Welt herein. Selbstverständlich befaßten sich bereits die Soziologen und Psychologen mit dem Spiel- Wahn und stellten fest, daß die kriegerischen Telespiele „Gewalt und Aggression“ ausstrahlten, dafür aber auch ganz brauchbar waren, um pubertäre Nöte abzureagieren.
Die Zeitung auf dem Bildschirm: Videotext
Der Normungsausschuß der deutschen Industrienorm hat sich für die Bezeichnung Videotext entschieden. Was ist gemeint? Hier die Definition: Über zwei nicht benutzte Zeilen der Austastlücke eines Fernsehbildes werden Informationen übertragen, wobei zum Empfang ein besonderer Decoder benötigt wird. Der Decoder sondert den Videotext-Code vom Fernsehsignal ab und wandelt ihn in Schriftzeichen und Graphik um. Für Videotext muß also kein zusätzlicher Kanal bereitgestellt werden, sondern er wird in der Austastlücke versteckt, jenem schwarzen Balken, der über den Bildschirm wandert, wenn das Fernsehbild durchläuft. Diese Lücke entsteht dadurch, daß der Rücklauf des Elektronenstrahls am Ende jeder Fernsehzeile und am Ende jedes Halbbilds einen bestimmten Prozentsatz der Übertragungszeit beansprucht. Die Halbbild- oder Vertikal-Austastlücke besteht aus rund 25 Zeilen ohne Bildinformation, in denen beispielsweise der Videotext übertragen werden kann.
Die Idee zu dieser zusätzlichen Bildschirm- Ausnutzung hatten die Engländer 1970. Bestimmte Sendungen wurden für gehörgeschädigte Fernsehzuschauer mit Untertiteln ausgestrahlt. Das nicht hörbehinderte Publikum protestierte, und so suchten BBC-Techniker nach einer Möglichkeit, dem TV-Konsumenten die Wahl zu überlassen, ob er die Untertitel einblenden wollte oder nicht. Und dadurch kamen sie auf die Austastlücke. Nach einer anderen Lesart standen die Fehler Pate, die bei der Programm-Zusammenstellung aus Beiträgen verschiedener Stationen immer wieder passierten. Die Redakteure wollten ihren Beitrag mit einer Adresse versehen wissen und die Techniker suchten und fanden den Platz für diese Angaben in der Austastlücke.
Die Entwicklung des neuen Informationsdienstes lief parallel in den Labors der British Broadcasting Corporation (BBC) und der Independent Broadcasting Authority (IBA). Am 23. September 1974 begann die BBC einen zweijährigen Großversuch unter der Bezeichnung „Ceefax“. Die IBA folgte ein Jahr später und gab ihrem Kind den Namen „Oracle“.
1977 wurde auf der Funkausstellung in Berlin die offizielle Einführung des neuen Mediums gefeiert. Schwarz-Schilling diktierte ins Eingabegerät von ARD und ZDF den etwas euphorischen Satz: „Heute und jetzt vollzieht sich die große medienpolitische Wende, ein neues Zeitalter beginnt, die Bildschirmzeitung ist geboren.“ Doch Ende 1982 waren in Deutschland nur etwa 0,6 Prozent an dem neuen Zeitalter interessiert und riefen die neuesten Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Sport ab.
Fernsehen plus Telefon ergibt Bildschirmtext
„Start in eine bunte und vielfältige Btx-Zukunft“, so lautete das Motto des 5. Bildschirm-Kongresses der Anbieter auf der Funkausstellung 1983 in Berlin. Die Funkausstellung lieferte nach dreijährigem Testbetrieb in Berlin und Düsseldorf den passenden Rahmen für die Einführung von Bildschirmtext, dem ersten „Massenfemmeldedienst“ der Deutschen Bundespost nach der Einführung des Telefons. Dieser „Aufbruch in die Zukunft“, wie Btx hoffnungsvoil umschrieben wird, entstand aus der Verbindung zweier bisher getrennt arbeitender Kommunikationssysteme, nämlich Fernsehen und Telefon. Beides wurde zu einem dialogfähigen Datenterminal vereint.
Mit dem Bildschirm des Fernsehgeräts hat Btx zwar durchaus etwas zu tun, aber im Gegensatz zu Fernsehtext nichts mit Fernsehen. Bildschirmtext besteht nicht aus bewegten Bildern, sondern aus farbigen Textseiten, die durch graphische Darstellungen ergänzt sein können. Auf diesem Weg lassen sich eine Vielzahl von Informationen und Angeboten abrufen, vom Fernsehsessel aus und per Fernbedienung. Neben allgemein interessierenden Informationen stellen die Anbieter auch aktuelle Informationen bereit. Als berühmtes Beispiel wird immer der Schalterverkehr bei Banken und Sparkassen herangezogen. Er soll durch Btx entlastet werden. Ein Kontoinhaber kann über Btx Überweisungen tätigen, Daueraufträge anle- gen oder seine Kontoauszüge einsehen. Alles, was man dazu braucht, ist ein Fernsehgerät, ein Telefon, ein entsprechender Decoder und ein Modem für die Übertragung der Daten über die Telefonleitung. Auch bei diesem „neuen Medium“ hatten die Engländer die zündende Idee.
Das British Post Office stellte das System 1971 unter der Bezeichnung „Viewdata“ vor. 1977 übernahm die Deutsche Bundespost das Verfahren als Bildschirmtext. In den Feldversuchen war man zunächst von der Prestel-Norm des britischen Standards ausgegangen, „bescheidene sieben Farben für Hintergrund die recht schwerfällige Graphik mit ihrem unattraktiven Treppenmustern“ (Btx-Magazin). Schließlich einigten sich die Mitglieder der CEPT, frei übersetzt „Konferenz der europäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen“, auf einen gemeinsamen neuen Standard. Die Grundlagen für die neue Norm lieferte die Arbeitsgruppe für Medienentwicklung an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundespost. Als Vater der neuen Bildschirm-Text-Graphik gilt Professor Manfred Eisenbeis. Nach dreijähriger Entwicklungsarbeit konnten mit dem graphischen Programm 4096 Farbnuancen, unterschiedliche Feinraster, Schräg- und Linienzeichen und sogenannte FDZ, frei definierbare Zeichen, wiedergegeben werden.
Btx eröffnet also dem früher mehr passiven Fernsehzuschauer die Möglichkeit eines intelligenten Dialogs - und zwar mit einem Computer des Anbieters. Das bedeutet, daß auch die Computer-Industrie bei Btx entsprechend mitmischt, mit Btx-Hardware. Das sind vor allem Btx-Editierplätze mit allen Geräten, die zur Eingabe von Texten, Graphiken und Zeichen aller Art dienen, mit einer Fülle von Zusatzgeräten - von Monitoren über Computer unterschiedlicher Größe bis zu sogenannten Graphiktabletts und Scannern.
Die magnetische Bildaufzeichnung: Videorecorder
Die kommunikationstechnische Entwicklung der letzten Jahre, so orakeln die Fachleute, wird im Medienmarkt große Veränderungen bewirken. Kabel werden eine riesige Kapazität zur Übermittlung von Informationen zur Verfügung stellen. Die Verkabelung von Städten und Gemeinden soll eine Vielzahl neuer Frequenzen bescheren und neben der Übertragung bestehender Hörfunk- und Fernsehprogramme auch die Einspeisung von Lokalprogrammen und Computerdaten ermöglichen. Das Satellitenfemsehen verspricht noch mehr Programme und das in ausgezeichneter Bild- und Tonqualität. Doch der Empfang via Satellit ist auch nur über einen Kabelfernsehanschluß möglich, oder aber mit einer eigenen wagenradgroßen Parabolantenne auf dem Dach. Zentrum des deutschen Satellitenfemsehens wird ein Gelände in der Nähe von Usingen bei Frankfurt.
Dort sollen insgesamt sieben Parabolantennen mit 19 Meter Durchmesser entstehen. „Usi 1“ hat bereits den Sateiliten-Betrieb für die Deutsche Bundespost aufgenommen. Der totale Bildschirm ist also keine Zukunftsvision mehr. Doch es hat den Anschein, daß die Technik den Programmen auf dem Bildschirm davonläuft. Cornelia Bolesch ist der Ansicht, „daß die Kluft zwischen der Technik und den Menschen, die angeblich mit ihr Schritt halten, immer größer wird“. Nach den Live-Erfahrungen auf der Berliner Funkausstellung 1983 stellte sich die Frage: „Was nützen Programme in Digitalkupferkoaxialstereo, wenn die Journalisten, die sich darin bewegen, in ihrer Mehrzahl noch nicht in der Lage sind, diese beeindruckende moderne Technik mit so altmodischen menschlichen Qualitäten wie Witz, Intelligenz und Sensibilität zu füllen?“
Doch auch für den Fall, daß ein Fernseh- Konsument das Programm-Angebot der bestehenden Sender nicht zu würdigen weiß, hat die Industrie vorgesorgt. Audiovision heißt das neue Medium aus der Gruppe der Speichermedien. Und gemeint sind Videorecorder, jene Aufzeichnungsgeräte, mit denen sich das TV-Bild oder Selbstgedrehtes wie Familienszenen und Urlaubserinnerungen festhalten lassen.
1970 brachte die Firma Telefunken den sogenannten „TED“-Bildplattenspieler mit entsprechender Software auf den Markt. Das System konnte sich wegen der Empfindlichkeit der Platten, der kurzen Spieldauer und des unzureichenden Software- Angebots nicht durchsetzen
Der CD-Video-Player von 1988 versucht sich an den Erfolg der Compact-Disk (CD) anzuhängen, die sich von 1983 an die Käufergunst eroberte. Er bietet Ton und Bild in höchster Qualität
Diesmal steht von Anfang an ein reichliches Angebot an Software zur Verfügung.
Die Entwicklung der Bildaufzeichnungsmaschinen wurde nach dem Krieg in den USA vor allem bei Ampex forciert betrieben. Hier die Ampex VR 1000, eine der ersten von Ampex ausgelieferten Maschinen
Mit der Bildplatte fing es an
Dem schottischen Fernseh-Erfinder John Logie Baird gelang auch auf dem Gebiet der Bildspeicherung mit einem nicht-fotografischen Verfahren eine Pioniertat. Er orientierte sich an der Tonaufzeichnung per Schallplatte und nahm 1927 30-Zeilen-Fernsehbilder auf Schellack-Platten auf. Die Platten wurden mit 78 Umdrehungen pro Minute über seinen „Baird-Televisor“ abgespielt. Er nannte sein Verfahren „Phonovision“. Doch die rasche Entwicklung der Fernsehtechnik ließ seine Methode sehr schnell veralten. Er konnte nur Signale bis höchstens 4,5 Kilohertz speichern. Aber die Idee mit den Bildern auf Platte wurde weiterhin verfolgt.
1970 präsentierten die Firmen AEG-Telefunken und Teldec in Berlin eine gemeinsam entwickelte Bildplatte. Nach fünfjähriger Entwicklungsarbeit war den Ingenieuren Eduard Schüller, Gerhard Dickopp, Florst Redlich und Hans-Joachim Klemp das Kunststück gelungen, drei bis vier Millionen Tonschwingungen pro Sekunde in Plattenrillen zu überspielen. Die Speicherdichte betrug 0,5 Millionen Informationen je Quadratmillimeter. Das gerillte Wunderwerk hatte nur den entscheidenden Haken, daß das Plattenangebot viel zu klein war und keine Sendungen im Do-it-yourself-Verfah- ren aufgenommen werden konnten. Nach 400 Tagen stellten die beiden Firmen den Verkauf wieder ein. Erst eine neue Technik brachte den Durchbruch.
Mitte der sechziger Jahre begannen Techniker des niederländischen Konzerns Philips an einer Bildplatte zu tüfteln. 1972 konnte der erste Bildplattenspieler vorgestellt werden. Die Platte trug statt einer Rille eine Kette von Löchern, die abgewickelt 34 Kilometer lang wäre. Sie wird von einem Laserstrahl berührungsfrei gelesen, das heißt, der Laserstrahl wird von der Bild- und Tonspur moduliert und dann in einem Detektor in elektrische Signale umgesetzt.
Die Aufzeichnungen stellten langgestreckte Vertiefungen dar, deren Länge und gegenseitige Abstände unterschiedlich sind. Die Vertiefungen beugen das Laserlicht, und das Vertiefungsmuster moduliert so die Intensität des reflektierten Lichts. Auf der unverformten Plattenoberfläche entstehen keine Videosignale.
1980 kam die Bildplatte über den Philips Abkömmling MCA in den USA auf den Markt. Im Herbst 1982 pries Philips seine „Laservision“ in Deutschland und England als „Zauberspiegel der Neuzeit“ an. Aber die Kunden waren keineswegs verzaubert und die Bildplatte verschwand zunächst in der Versenkung. Ähnlich war es in den USA zu Beginn der 80er Jahre der RCA mit ihrer Bildplatte „Selectavision“ ergangen. Roy H. Pollock, damals RCA-Vizepräsident, versprach sich und seiner Firma „das größte Geschäft seit der Einführung des Farbfernsehens“. Doch zwei Jahre später war der Traum ausgeträumt und der Verlust von RCA 580 Millionen Dollar.
Einen neuen Anlauf startete Philips zusammen mit Sony 1988 mit CD-Video. „Dieses revolutionäre neue Wiedergabe-System“, so eine Firmenwerbung, liefert nun zum brillanten CD-Sound brillante Video-Bilder.“ Aber die Konkurrenz schläft nicht, nicht einmal im eigenen Lager. Der CD-Spieler, mit dem der Video-Fan zu Hause Bild und Ton selbst in Digital-Qualität aufnehmen kann, steht in vielen Labors vor der Serienreife. Eine andere Bildplattentechnik, die Thom- son-CSF, wurde 1975 in Frankreich vorgestellt. Die Aufzeichnungen wurden aus Bereichen unterschiedlicher Transparenz gebildet, die das Laserlicht mehr oder weniger stark auf eine Fotodiode auftreffen ließen.
Drei Systeme und keine Einigung
Seit der Däne Waldemar Poulsen auf der Pariser Weltausstellung von 1900 sein „Telegraphon“-Tondrahtgerät mit magnetischer Tonaufzeichnung vorgeführt hatte, wurde das Magnetbandverfahren entscheidender Bestandteil der Schallaufzeichnungstechniken. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte AEG-Telefunken ein Tonbandgerät. Nach diesem Vorbild versuchte sich Anfang der fünfziger Jahre „eine wohlhabende Größe des amerikanischen Show-Business“ an der Videotechnik. Bing Crosby träumte nicht nur von einer „White Christmas“, einer weißen Weihnacht, sondern auch von Bildaufzeichnung per Magnetband. Die Bildsignale sollten dabei in mehrere parallele Spuren aufgeteilt werden. Doch die technischen Probleme verdarben dem Gesangsstar bald die Freude an dem teuren Hobby. Die Bing Crosby Enterprises blieb ebenso an den technischen Schwierigkeiten hängen wie die US-Firma Minicom, ein Abkömmling der Firma Scotch 3M, die 1951 das erste Demonstrationsband laufen ließ, oder wie RCA, die 1954 einen Versuch startete.
Den ersten wirklichen Fortschritt auf dem Bildaufzeichnungs-Sektor brachte 1956 ein Gerät der amerikanischen Firma Ampex. Die Firma wurde 1944 von einem Ingenieur russischer Abstammung namens Alexander M. Poniatoff (1892-1980) gegründet und stellte zunächst elektrische Ausrüstung für Flugzeug-Radarsysteme her. Der Firmenname leitete sich aus den Gründer-Initialen AMP und EX für „exzellent“ her. 1951 kam ein Ingenieur namens Charles P. Ginsburg zur kalifornischen Firma Ampex. Zusammen mit Charles E. Anderson stürzte er sich in die Entwicklungsarbeit an ein System, das Bilder auf einem Magnetband fixieren sollte. 1952 stieß ein 19jähriger Student namens Ray M. Dolby zu dem Team; er sollte später durch sein System zur Rauschunterdrückung weltberühmt werden. Im September 1954 hatten Ginsburg und seine Video-Gruppe die Vierkopf-Aufzeichnung kreiert, die zur Grundlage aller MAZ-Anlagen wurde.
Das Magnetband war 5,08 Zentimeter breit und glitt mit 19 oder 38 Zentimetern pro Sekunde an der schnellaufenden Trommel mit den Magnetköpfen vorbei. Anderson entwickelte eine Technik für frequenzmodulierte Aufzeichnung und das Ergebnis war eine gelungene firmeninterne Vorführung am 2. März 1955. Im April 1956 wurde das Ampex VR 1000 in Chicago mit einem Riesenerfolg vorgestellt. Die Show brachte Poniatoff Aufträge über mehrere Millionen Dollar. Am 30. November 1956 wurde die erste Bandaufzeichnung der Fersehgeschichte über das gesamte US- Fernsehnetz ausgestrahlt: „Doug Edwards und die Nachrichten“. Im selben Jahr brachte die Scotch 3M-Company das erste Videoband auf den Markt, das die 3M-Mitarbeiter Mel Sater und Joe Mazzitello entwickelt hatten. Das „Scotch 179“ war 5,08 Zentimeter breit, fast 800 Meter lang und wog 10 Kilogramm.
1958 stellte Ampex unter der Bezeichnung VR 1000 B den ersten Farb-Videorecorder vor, 1963 kam die transistorisierte Version als VR 110 auf den Markt. Dies führte dazu, daß sich beim Fernsehen die Videokamera schnell durchsetzte und die „MAZ“ (Magnetbandaufzeichnung) als bequeme „Konserve“ bald unentbehrlich wurde.
Für die Technik, die später als „Heim-Video“ bezeichnet wurde, war vor allem eine Entwicklung wichtig: die Schrägspuraufzeichnung. Die Idee, das Band in einer Schraubenlinie um eine entgegengesetzt rotierende Trommel mit Magnetköpfen laufen zu lassen, hatte 1953 der Telefunken-Ingenieur Eduard Schüller. Das Schüller-Prinzip, das mit einer langsamen Bandgeschwindigkeit auskam und die Bandfläche optimal nutzte, wurde zur Basis von drei unterschiedlichen Recordertypen: „Video 2000“ von Grundig- Philips, „Beta-Format“ von Sony und „Video Home System“ (VHS) von JVC (Victor Company of Japan Ltd.), deren Chefingenieur Kenjiro Takayanagi (* 1899) an der Entwicklung maßgeblichen Anleil hatte. „Video 2000“ konnte sich auf dem Markt nicht halten, Beta führt nur noch ein unbedeutendes Schattendasein (trotz seiner hohen Bildqualität), während VHS weltweit dominiert. Sony kreierte inzwischen „Video 8“, das zwar bei Camcordern sehr erfolgreich ist, bei Heimrecordern sich jedoch nicht durchsetzen konnte.
1969 stellten Grundig und Philips als erste ein Gerät für den Heimgebrauch vor. Es war nicht größer als ein normales Tonbandgerät und hatte eine Spieldauer von 45 Minuten, allerdings in Schwarzweiß. 1971 versuchte sich Hollands Philips-Konzern als Pionier und brachte das VCR-System (Video Cassette Recording) auf den Markt. Doch das teure und nicht voll ausgereifte Gerät schaffte den erhofften Durchbruch nicht. Ähnlich erging es 1978 der Grundig AG mit dem Videorecorder SVR 4004 (Super Video Recorder). Inzwischen hatte die japanische Sony Corporation im Februar 1976 ihr Beta-System auf dem amerikanischen Markt angeboten. Zwei Jahre später konnten schon 400.000 Geräte abgesetzt werden.
1977 betrat mit JVC, einer Tochter der Matsushita Electric Industrial Co., ein weiterer Anbieter den Markt. Ihr VHS-System hatte schon vier Stunden Spieldauer, gegenüber zwei bei Beta. Die gemeinsame Entwicklung von Philips und Grundig, das „Video System 2000“, stieg 1979 ins Rennen um die Video-Kunden ein. Und damit brach auf dem Markt der Fernseh-Recorder der Kampf zwischen Europäern und Japanern aus, ein Chaos der Systeme, das die Verbraucher fünf Jahre lang verwirrte und oft genug vom Kauf eines Gerätes abhielt. 1971 also wurden die ersten 2000 VCR-Videorecorder auf den Markt gebracht. 1978 stiegen die Japaner mit Beta und VHS ein, aber erst 1987 war das System-Gerangel beendet. Selbst Beta-Produzent Sony schwenkte auf die VHS-Linie um. Zwar hatten sich im Frühjahr 1983 127 Firmen dafür ausgesprochen, ein neues System, das Video-8 mit einem Videoband von 8 Millimetern Breite, ins Leben zu rufen, aber aus dem erhofften Weltstandard wurde nichts. Statt dieser globalen 8-Millimeter-Norm setzte JVC seinen eigenen Standard durch, nämlich VHS.
1987 entfielen von den verkauften Videorecordern 97 Prozent auf VHS-Geräte. Am 12. Mai 1988 stellte Systemerfmder JVC einen Super-VHS-Videorecorder in der Europa-Version (kombinierte PAL/SECAM- Ausführung oder nur für PAL) vor. Während ein normales VHS-Gerät zwischen 250 und 300 senkrechte Linien auf den Bildschirm abbilden kann, schaffte Super-VHS 430 und verschob damit die Video-Qualitätsmaß- stäbe ein kräftiges Stück nach oben. S-VHS war eine Gemeinschaftsentwicklung japanischer Firmen unter der Federführung von JVC. Das Gerät für die amerikanische (und japanische) Fernsehnorm NTSC kam schon ein Jahr früher, 1987, auf den Markt. Vom 30. August 1985 an wurde eine weitere neue Technik für den Umgang mit dem Fernsehapparat und dem Videorecorder in Betrieb genommen: das Video-Programm-System (VPS). Die für die automatische Steuerung des Videorecorders zur Programmaufnahme erforderlichen codierten Informationen sind in einer zeitgleich mit dem Femsehsignal übertragenen Datenzeile mit der Nummer 16 enthalten. 1985 wurden die beiden VPS-Entwickler Eckhard Krüger und Arthur Heller mit dem Eduard-Rhein Preis ausgezeichnet.
Elektronische Fernsehkameras für den Hausgebrauch
Im Juli 1980 präsentierte Sony den ersten Prototyp einer Kamera mit eingebautem Videorecorder, deshalb auch Camcorder genannt. Im September desselben Jahres folgte die japanische Firma Hitachi und im Februar 1981 JVC. Und ebenso wie bei den Videorecordem kam es auch bei den Kameras wieder zu einem Wettstreit der Systeme. Der Videokamera-Markt von 1985 sah trotz aller Agreement-Versuche vier verschiedene, völlig unterschiedliche und miteinander nicht kompatible Kamera-Systeme.
Da gab es einmal die Video-8-Kameras von Sony, die kleinste davon nicht größer als ein Taschenbuch, Gewicht 1,3 Kilogramm, Aufzeichnungszeit 90 Minuten. Größere Camcorder waren mit einem briefmarkengroßen CCD-Sensor (Charge-coupled device) mit 290.000 Lichtsensoren ausgerüstet.
Beta-Movie, ebenfalls von Sony bereits 1982 entwickelt, verwendete die herkömmlichen Beta-Kassetten mit 215 Minuten Spielzeit. JVC warf Videomovie ins Rennen und bediente sich einer verkleinerten VHS-Kompaktkassette (VHS-C). Die Spielzeit betrug allerdings nur 30 Minuten. Panasonic gehört ebenfalls zur glücklichen Familie der Matsushita-Töchter und stellte im Juni 1985 VHS-Movie vor. Die Kamera arbeitet mit einer normalen VHS-Kassette mit bis zu vier Stunden Spielzeit. Ein Quick-Focus sorgte für schnelle Scharfeinstellung, die Ausstattung mit einer Newvicon-Aufnahmeröhre machte Aufnahmen auch bei wenig Licht (ab 10 Lux) möglich.
1985 wurden bereits fast dreimal so viele Camcorder verkauft wie Supers-Filmkameras. Diese modernen Camcorder verdrängten die bis dahin vom Hobby-Filmer verwendeten Super-8-Film-Kameras völlig, die Industrie hat sich von dieser Filmtechnik abgewendet und — mit einigen Ausnahmen — den Bau von Super-8-Kameras und -Projektoren eingestellt. Heute sind die meisten Hobby-Filmer ungeachtet der trotz Super VHS noch immer geringeren Aufnahme- und Wiedergabequalität vom „Videofilmen“ fasziniert. Und auf diesen neuen Spaß setzt die Industrie — weltweit.
Der Siegeszug der Videorecorder begann in Europa mit dem Philips VCR System (Video Cassette Recording) Anfang der 70er Jahre
Ein Bick ins Innere des Philips-VCR Recorders N 1501 durch das geöffnete Kassettenfach
Die Philips-VCR-Kassette arbeitete schon mit einem Halbzoll-Band wie das moderne VHS-System
Während ab 1977 beim VHS-System für Consumer-Zwecke das Band halbiert und als Halb-Zoll-Band in einer Kassette untergebracht wurde, hielt sich das breite Ein-Zoll Band im professionellen Bereich noch lange Jahre; beim international angewendeten U-Matic-System - hier einer der ersten Recorder - verwendete man Drei-Viertel-Zoll-Band und arbeitete mit Low- und High-Band-Technik
Die Videokamera wandelte auf den Spuren der professionellen Technik. Zu Anfang, in den 60er Jahren, waren nur Schwarzweiß Aufnahmen möglich. Die Kamera und der - hier noch mit Spulenband arbeitende - Aufnahmerecorder bildeten getrennte, durch ein Kabel verbundene Komponenten. Dieses Zwei- Komponenten-System wurde später auch für die ersten Video-Farbkameras im Consumer-Bereich beibehalten.
Computergesteuerte Automaten helfen bei der Fertigung von Videorecordern
Hunderttausende von Videorecordern laufen jährlich über die Bänder der Fertigungshallen
Bedienung und Programmierung der Recorder sind zwar unterschiedlich, aber fast stets problemlos. Ende 1988 gelangten auch die ersten Super-VHS-Videorecorder in die Fachgeschäfte
In den 80er Jahren trat der „Camcorder" seinen Siegeszug an. Hier die berühmte „Handycam“ im Video-8-Format
Super-VHS (ab 1988) brachte eine immense Verbesserung des Welt-Standards - die ersten Camcorder und Videorecorder kamen auf den Markt
Telefunken Bildplattenspieler
Das Testbild im Vergleich (links VHS, rechts Super-VHS) demonstriert die erheblich verbesserte Zeilenauflösung des neuen Super-Systems
Mit allen denkbaren, schon semiprofessionellen Raffinessen ausgestattet: Sonys Paradestück „Video 8 Pro" (1987)
Super-VHS mit 430 Zeilen Auflösung ist auch schon für den professionellen Bereich interessant. Hier eine Profi-Videokamera mit drei Chips und angedocktem S-VHS Recorder